2016년 11월 28일 월요일

Der Stechlin 3

Der Stechlin 3


Das ist ja wie ein Kirchenschiff,« sagte Rex, der am linken Flügel
ritt. »Finden Sie nicht auch, Czako?«
 
»Wenn Sie wollen, ja. Aber Pardon, Rex, ich finde die Wendung etwas
trivial für einen Ministerialassessor.«
 
»Nun gut, dann sagen Sie was Besseres.«
 
»Ich werde mich hüten. Wer unter solchen Umständen was Besseres sagen
will, sagt immer was Schlechteres.«
 
Unter diesem sich noch eine Weile fortsetzenden Gespräche waren sie bis
an einen Punkt gekommen, von dem aus man das am Ende der Avenue sich
aufbauende Bild in aller Klarheit überblicken konnte. Dabei war das
Bild nicht bloß klar, sondern auch so frappierend, daß Rex und Czako
unwillkürlich anhielten.
 
»Alle Wetter, Stechlin, das ist ja reizend,« wandte sich Czako zu dem
am andern Flügel reitenden Woldemar. »Ich find es geradezu märchenhaft,
Fata Morgana -- das heißt, ich habe noch keine gesehn. Die gelbe
Wand, die da noch das letzte Tageslicht auffängt, das ist wohl Ihr
Zauberschloß? Und das Stückchen Grau da links, das taxier ich auf eine
Kirchenecke. Bleibt nur noch der Staketzaun an der andern Seite; -- da
wohnt natürlich der Schulmeister. Ich verbürge mich, daß ich's damit
getroffen. Aber die zwei schwarzen Riesen, die da grad in der Mitte
stehn und sich von der gelben Wand abheben (abhebenist übrigens
auch trivial; entschuldigen Sie, Rex), die stehen ja da wie die
Cherubim. Allerdings etwas zu schwarz. Was sind das für Leute?«
 
»Das sind Findlinge?«
 
»Findlinge.«
 
»Ja, Findlinge,« wiederholte Woldemar. »Aber wenn Ihnen das Wort
anstößig ist, so können Sie sie auch Monolithe nennen. Es ist
merkwürdig, Czako, wie hochgradig verwöhnt im Ausdruck Sie sind, wenn
Sie nicht gerade selber das Wort haben ... Aber nun, meine Herren,
müssen wir uns wieder in Trab setzen. Ich bin überzeugt, mein Papa
steht schon ungeduldig auf seiner Rampe, und wenn er uns so in Schritt
ankommen sieht, denkt er, wir bringen eine Trauernachricht oder einen
Verwundeten.«
 
* * * * *
 
Wenige Minuten später, und alle drei trabten denn auch wirklich, von
Fritz gefolgt, über die Bohlenbrücke fort, erst in den Vorhof hinein
und dann an der blanken Glaskugel vorüber. Der Alte stand bereits
auf der Rampe, Engelke hinter ihm und hinter diesem Martin, der alte
Kutscher. Im Nu waren alle drei Reiter aus dem Sattel, und Martin und
Fritz nahmen die Pferde. So trat man in den Flur. »Erlaube, lieber
Papa, dir zwei liebe Freunde von mir vorzustellen: Assessor von Rex,
Hauptmann von Czako.«
 
Der alte Stechlin schüttelte jedem die Hand und sprach ihnen aus, wie
glücklich er über ihren Besuch sei. »Seien Sie mir herzlich willkommen,
meine Herren. Sie haben keine Ahnung, welche Freude Sie mir machen,
mir, einem vergrätzten, alten Einsiedler. Man sieht nichts mehr, man
hört nichts mehr. Ich hoffe auf einen ganzen Sack voll Neuigkeiten.«
 
»Ach, Herr Major,« sagte Czako, »wir sind ja schon vierundzwanzig
Stunden fort. Und, ganz abgesehen davon, wer kann heutzutage noch
mit den Zeitungen konkurrieren! Ein Glück, daß manche prinzipiell
einen Posttag zu spät kommen. Ich meine mit den neuesten Nachrichten.
Vielleicht auch sonst noch.«
 
»Sehr wahr,« lachte Dubslav. »Der Konservatismus soll übrigens, seinem
Wesen nach, eine Bremse sein; damit muß man vieles entschuldigen. Aber
da kommen Ihre Mantelsäcke, meine Herren. Engelke, führe die Herren auf
ihr Zimmer. Wir haben jetzt sechseinviertel. Um sieben, wenn ich bitten
darf.«
 
Engelke hatte mittlerweile die beiden von Dubslav etwas altmodisch
als »Mantelsäcke« bezeichneten Plaidrollen in die Hand genommen und
ging damit, den beiden Herren voran, auf die doppelarmige Treppe zu,
die gerade da, wo die beiden Arme derselben sich kreuzten, einen
ziemlich geräumigen Podest mit Säulchengalerie bildete. Zwischen den
Säulchen aber, und zwar mit Blick auf den Flur, war eine Rokokouhr
angebracht, mit einem Zeitgott darüber, der eine Hippe führte. Czako
wies darauf hin und sagte leise zu Rex: »Ein bißchen graulich,« -- ein
Gefühl, drin er sich bestärkt sah, als man bis auf den mit ungeheurer
Raumverschwendung angelegten Oberflur gekommen war. Über einer nach
hinten zu gelegenen Saaltür hing eine Holztafel mit der Inschrift:
»Museum«, während hüben und drüben, an den Flurwänden links und rechts,
mächtige Birkenmaser- und Ebenholzschränke standen, wahre Prachtstücke,
mit zwei großen Bildern dazwischen, eines eine Burg mit dicken
Backsteintürmen, das andre ein überlebensgroßer Ritter, augenscheinlich
aus der Frundsbergzeit, wo das bunt Landsknechtliche schon die Rüstung
zu drapieren begann.
 
»Is wohl ein Ahn?« fragte Czako.
 
»Ja, Herr Hauptmann. Und er ist auch unten in der Kirche.«
 
»Auch so wie hier?«
 
»Nein, bloß Grabstein und schon etwas abgetreten. Aber man sieht doch
noch, daß es derselbe ist.«
 
Czako nickte. Dabei waren sie bis an ein Eckzimmer gekommen, das mit
der einen Seite nach dem Flur, mit der andern Seite nach einem schmalen
Gang hin lag. Hier war auch die Tür. Engelke, vorangehend, öffnete und
hing die beiden Plaidrollen an die Haken eines hier gleich an der Tür
stehenden Kleiderständers. Unmittelbar daneben war ein Klingelzug mit
einer grünen, etwas ausgefransten Puschel daran. Engelke wies darauf
hin und sagte: »Wenn die Herren noch was wünschen ... Und um sieben ...
Zweimal wird angeschlagen.«
 
Und damit ging er, die beiden ihrer Bequemlichkeit überlassend.
 
Es waren zwei nebeneinander gelegene Zimmer, in denen man Rex und Czako
untergebracht hatte, das vordere größer und mit etwas mehr Aufwand
eingerichtet, mit Stehspiegel und Toilette, der Spiegel sogar zum
Kippen. Das Bett in diesem vorderen Zimmer hatte einen kleinen Himmel
und daneben eine Etagere, auf deren oberem Brettchen eine Meißner
Figur stand, ihr ohnehin kurzes Röckchen lüpfend, während auf dem
unteren Brett ein Neues Testament lag, mit Kelch und Kreuz und einem
Palmenzweig auf dem Deckel.
 
Czako nahm das Meißner Püppchen und sagte: »Wenn nicht unser Freund
Woldemar bei diesem Arrangement seine Hand mit im Spiele gehabt hat, so
haben wir hier in bezug auf Requisiten ein Ahnungsvermögen, wie's nicht
größer gedacht werden kann. Das Püppchen ~pour moi~, das Testament
~pour vous~.«
 
»Czako, wenn Sie doch bloß das Necken lassen könnten!«
 
»Ach, sagen Sie doch so was nicht, Rex; Sie lieben mich ja bloß um
meiner Neckereien willen.«
 
Und nun traten sie, von dem Vorderzimmer her, in den etwas kleineren
Wohnraum, in dem Spiegel und Toilette fehlten. Dafür aber war ein
Rokokosofa da, mit hellblauem Atlas und weißen Blumen darauf.
 
»Ja, Rex,« sagte Czako, »wie teilen wir nun? Ich denke, Sie nehmen
nebenan den Himmel, und ich nehme das Rokokosofa, noch dazu mit weißen
Blumen, vielleicht Lilien. Ich wette, das kleine Ding von Sofa hat eine
Geschichte.«
 
»Rokoko hat immer eine Geschichte,« bestätigte Rex. »Aber hundert Jahr
zurück. Was jetzt hier haust, sieht mir, Gott sei Dank, nicht danach
aus. Ein bißchen Spuk trau ich diesem alten Kasten allerdings schon
zu; aber keine Rokokogeschichte. Rokoko ist doch immer unsittlich. Wie
gefällt Ihnen übrigens der Alte?«
 
»Vorzüglich. Ich hätte nicht gedacht, daß unser Freund Woldemar solchen
famosen Alten haben könnte.«
 
»Das klingt ja beinah,« sagte Rex, »wie wenn Sie gegen unsern Stechlin
etwas hätten.«
 
»Was durchaus nicht der Fall ist. Unser Stechlin ist der beste Kerl von
der Welt, und wenn ich das verdammte Wort nicht haßte, würd ich ihn
sogar einen perfekten Gentlemannennen müssen. Aber ...«
 
»Nun ...«
 
»Aber er paßt doch nicht recht an seine Stelle.«
 
»An welche?«
 
»In sein Regiment.«
 
»Aber, Czako, ich verstehe Sie nicht. Er ist ja brillant angeschrieben.
Liebling bei jedem. Der Oberst hält große Stücke von ihm, und die
Prinzen machen ihm beinah den Hof ...«
 
»Ja, das ist es ja eben. Die Prinzen, die Prinzen.«
 
»Was denn, wie denn?«
 
»Ach, das ist eine lange Geschichte, viel zu lang, um sie hier vor
Tisch noch auszukramen. Denn es ist bereits halb, und wir müssen uns
eilen. Übrigens trifft es viele, nicht bloß unsern Stechlin.«
 
»Immer dunkler, immer rätselvoller,« sagte Rex.
 
»Nun, vielleicht daß ich Ihnen das Rätsel löse. Schließlich kann man
ja Toilette machen und noch seinen Diskurs daneben haben. Die Prinzen
machen ihm den Hof,so geruhten Sie zu bemerken, und ich antwortete:
Ja, das ist es eben.Und diese Worte kann ich Ihnen nur wiederholen.
Die Prinzen -- ja, damit hängt es zusammen und noch mehr damit, daß
die feinen Regimenter immer feiner werden. Kucken Sie sich mal die
alten Ranglisten an, das heißt wirklich alte, voriges Jahrhundert und
dann so bis anno sechs. Da finden Sie bei Regiment Garde du Corps oder
bei Regiment Gensdarmes unsere guten alten Namen: Marwitz, Wakenitz,
Kracht, Löschebrand, Bredow, Rochow, höchstens daß sich mal ein höher
betitelter Schlesischer mit hinein verirrt. Natürlich gab es auch
Prinzen damals, aber der Adel gab den Ton an, und die paar Prinzen
mußten noch froh sein, wenn sie nicht störten. Damit ist es nun aber,
seit wir Kaiser und Reich sind, total vorbei. Natürlich sprech ich
nicht von der Provinz, nicht von Litauen und Masuren, sondern von der
Garde, von den Regimentern unter den Augen Seiner Majestät. Und nun
gar erst diese Gardedragoner! Die waren immer pik, aber seit sie,
~pour combler le bonheur~, auch noch Königin von Großbritannien und
Irlandsind, wird es immer mehr davon, und je piker sie werden,
desto mehr Prinzen kommen hinein, von denen übrigens auch jetzt schon
mehr da sind, als es so obenhin aussieht, denn manche sind eigentlich
welche und dürfen es bloß nicht sagen. Und wenn man dann gar noch
die alten mitrechnet, die bloß ~à la suite~ stehen, aber doch immer
noch mit dabei sind, wenn irgendwas los ist, so haben wir, wenn der
Kreis geschlossen wird, zwar kein Parkett von Königen, aber doch
einen Zirkus von Prinzen. Und da hinein ist nun unser guter Stechlin
gestellt. Natürlich tut er, was er kann, und macht so gewisse Luxusse
mit, Gefühlsluxusse, Gesinnungsluxusse und, wenn es sein muß, auch
Freiheitsluxusse. So nen Schimmer von Sozialdemokratie. Das ist aber
auf die Dauer schwierig. Richtige Prinzen können sich das leisten, die
verbebeln nicht leicht. Aber Stechlin! Stechlin ist ein reizender Kerl,
aber er ist doch bloß ein Mensch.

댓글 없음: