2016년 11월 28일 월요일

Der Stechlin 4

Der Stechlin 4


Und das sagen Sie, Czako, gerade Sie, der Sie das Menschliche stets
betonen?«
 
»Ja, Rex, das tu ich. Heut wie immer. Aber eines schickt sich nicht
für alle. Der eine darf's, der andre nicht. Wenn unser Freund Stechlin
sich in diese seine alte Schloßkate zurückzieht, so darf er Mensch
sein, soviel er will, aber als Gardedragoner kommt er damit nicht
aus. Vom alten Adam will ich nicht sprechen, das hat immer noch so ne
Nebenbedeutung.«
 
* * * * *
 
Während Rex und Czako Toilette machten und abwechselnd über den alten
und den jungen Stechlin verhandelten, schritten die, die den Gegenstand
dieser Unterhaltung bildeten, Vater und Sohn, im Garten auf und ab und
hatten auch ihrerseits ihr Gespräch.
 
»Ich bin dir dankbar, daß du mir deine Freunde mitgebracht hast.
Hoffentlich kommen sie auf ihre Kosten. Mein Leben verläuft ein
bißchen zu einsam, und es wird ohnehin gut sein, wenn ich mich wieder
an Menschen gewöhne. Du wirst gelesen haben, daß unser guter alter
Kortschädel gestorben ist, und in etwa vierzehn Tagen haben wir hier ne
Neuwahl. Da muß ich dann ran und mich populär machen. Die Konservativen
wollen mich haben und keinen andern. Eigentlich mag ich nicht, aber
ich soll, und da paßt es mir denn, daß du mir Leute bringst, an denen
ich mich für die Welt sozusagen wieder wie einüben kann. Sind sie denn
ausgiebig und plauderhaft?«
 
»O sehr, Papa, vielleicht zu sehr. Wenigstens der eine.«
 
»Das is gewiß der Czako. Sonderbar, die von Alexander reden alle gern.
Aber ich bin sehr dafür; Schweigen kleid't nicht jeden. Und dann sollen
wir uns ja auch durch die Sprache vom Tier unterscheiden. Also wer am
meisten red't, ist der reinste Mensch. Und diesem Czako, den hab ich
es gleich angesehn. Aber der Rex. Du sagst Ministerialassessor. Ist er
denn von der frommen Familie?«
 
»Nein, Papa, du machst dieselbe Verwechslung, die beinah alle machen.
Die fromme Familie, das sind die Reckes, gräflich und sehr vornehm.
Die Rex natürlich auch, aber doch nicht so hoch hinaus und auch nicht
so fromm. Allerdings nimmt mein Freund, der Ministerialassessor, einen
Anlauf dazu, die Reckes womöglich einzuholen.«
 
»Dann hab ich also doch recht gesehn. Er hat so die Figur, die so was
vermuten läßt, ein bißchen wenig Fleisch und so glatt rasiert. Habt ihr
denn beim Rasieren in Cremmen gleich einen gefunden?«
 
»Er hat alles immer bei sich; lauter englische. Von Solingen oder Suhl
will er nichts wissen.«
 
»Und muß man ihn denn vorsichtig anfassen, wenn das Gespräch auf
kirchliche Dinge kommt? Ich bin ja, wie du weißt, eigentlich kirchlich,
wenigstens kirchlicher als mein guter Pastor (es wird immer schlimmer
mit ihm), aber ich bin so im Ausdruck mitunter ungenierter, als man
vielleicht sein soll, und bei niedergefahren zur Höllekann mir's
passieren, daß ich nolens volens ein bißchen tolles Zeug rede. Wie
steht es denn da mit ihm? Muß ich mich in acht nehmen? Oder macht er
bloß so mit?«
 
»Das will ich nicht geradezu behaupten. Ich denke mir, er steht so wie
die meisten stehn; das heißt, er weiß es nicht recht.«
 
»Ja, ja, den Zustand kenn ich.«
 
»Und weil er es nicht recht weiß, hat er sozusagen die Auswahl und
wählt das, was gerade gilt und nach oben hin empfiehlt. Ich kann das
auch so schlimm nicht finden. Einige nennen ihn einen Streber. Aber
wenn er es ist, ist er jedenfalls keiner von den schlimmsten. Er hat
eigentlich einen guten Charakter, und im ~cercle intime~ kann er
reizend sein. Er verändert sich dann nicht in dem, was er sagt, oder
doch nur ganz wenig, aber ich möchte sagen, er verändert sich in der
Art, wie er zuhört. Czako meint, unser Freund Rex halte sich mit
dem Ohr für das schadlos, was er mit dem Munde versäumt. Czako wird
überhaupt am besten mit ihm fertig; er schraubt ihn beständig, und
Rex, was ich reizend finde, läßt sich diese Schraubereien gefallen.
Daran siehst du schon, daß sich mit ihm leben läßt. Seine Frömmigkeit
ist keine Lüge, bloß Erziehung, Angewohnheit, und so schließlich seine
zweite Natur geworden.«
 
»Ich werde ihn bei Tisch neben Lorenzen setzen; die mögen dann beide
sehn, wie sie miteinander fertig werden. Vielleicht erleben wir ne
Bekehrung. Das heißt Rex den Pastor. Aber da höre ich eine Kutsche
die Dorfstraße raufkommen. Das sind natürlich Gundermanns; die kommen
immer zu früh. Der arme Kerl hat mal was von der Höflichkeit der
Könige gehört und macht jetzt einen zu weitgehenden Gebrauch davon.
Autodidakten übertreiben immer. Ich bin selber einer und kann also
mitreden. Nun, wir sprechen morgen früh weiter; heute wird es nichts
mehr. Du wirst dich auch noch ein bißchen striegeln müssen, und ich
will mir nen schwarzen Rock anziehn. Das bin ich der guten Frau von
Gundermann doch schuldig; sie putzt sich übrigens nach wie vor wie'n
Schlittenpferd und hat immer noch den merkwürdigen Federbusch in ihrem
Zopf -- das heißt, wenn's ihrer ist.«
 
 
 
 
Drittes Kapitel
 
 
Engelke schlug unten im Flur zweimal an einen alten, als Tamtam
fungierenden Schild, der an einem der zwei vorspringenden und
zugleich die ganze Treppe tragenden Pfeiler hing. Eben diese zwei
Pfeiler bildeten denn auch mit dem Podest und der in Front desselben
angebrachten Rokokouhr einen zum Gartensalon, diesem Hauptzimmer des
Erdgeschosses, führenden, ziemlich pittoresken Portikus, von dem ein
auf Besuch anwesender hauptstädtischer Architekt mal gesagt hatte:
sämtliche Bausünden von Schloß Stechlin würden durch diesen verdrehten,
aber malerischen Einfall wieder gutgemacht.
 
Die Uhr mit dem Hippenmann schlug gerade sieben, als Rex und Czako die
Treppe herunter kamen und, eine Biegung machend, auf den von berufener
Seite so glimpflich beurteilten sonderbaren Vorbau zusteuerten. Als
die Freunde diesen passierten, sahen sie -- die Türflügel waren
schon geöffnet -- in aller Bequemlichkeit in den Salon hinein und
nahmen hier wahr, daß etliche, ihnen zu Ehren geladene Gäste bereits
erschienen waren. Dubslav, in dunklem Überrock und die Bändchenrosette
sowohl des preußischen wie des wendischen Kronenordens im Knopfloch,
ging den Eintretenden entgegen, begrüßte sie nochmals mit der ihm
eigenen Herzlichkeit, und beide Herren gleich danach in den Kreis
der schon Versammelten einführend, sagte er: »Bitte die Herrschaften
miteinander bekannt machen zu dürfen: Herr und Frau von Gundermann
auf Siebenmühlen, Pastor Lorenzen, Oberförster Katzler,« und dann,
nach links sich wendend, »Ministerialassessor von Rex, Hauptmann von
Czako vom Regiment Alexander.« Man verneigte sich gegenseitig, worauf
Dubslav zwischen Rex und Pastor Lorenzen, Woldemar aber, als Adlatus
seines Vaters, zwischen Czako und Katzler eine Verbindung herzustellen
suchte, was auch ohne weiteres gelang, weil es hüben und drüben weder
an gesellschaftlicher Gewandtheit, noch an gutem Willen gebrach. Nur
konnte Rex nicht umhin, die Siebenmühlener etwas eindringlich zu
mustern, trotzdem Herr von Gundermann in Frack und weißer Binde, Frau
von Gundermann aber in geblümtem Atlas mit Marabufächer erschienen
war, -- er augenscheinlich Parvenu, sie Berlinerin aus einem
nordöstlichen Vorstadtgebiet.
 
Rex sah das alles. Er kam aber nicht in die Lage, sich lange damit zu
beschäftigen, weil Dubslav eben jetzt den Arm der Frau von Gundermann
nahm und dadurch das Zeichen zum Aufbruch zu der im Nebenzimmer
gedeckten Tafel gab. Alle folgten paarweise, wie sie sich vorher
zusammengefunden, kamen aber durch die von seiten Dubslavs schon vorher
festgesetzte Tafelordnung wieder auseinander. Die beiden Stechlins,
Vater und Sohn, plazierten sich an den beiden Schmalseiten einander
gegenüber, während zur Rechten und Linken von Dubslav Herr und Frau von
Gundermann, rechts und links von Woldemar aber Rex und Lorenzen saßen.
Die Mittelplätze hatten Katzler und Czako inne. Neben einem großen
alten Eichenbüfett, ganz in Nähe der Tür, standen Engelke und Martin,
Engelke in seiner sandfarbenen Livree mit den großen Knöpfen, Martin,
dem nur oblag, mit der Küche Verbindung zu halten, einfach in schwarzem
Rock und Stulpstiefeln.
 
Der alte Dubslav war in bester Laune, stieß gleich nach den ersten
Löffeln Suppe mit Frau von Gundermann vertraulich an, dankte für
ihr Erscheinen und entschuldigte sich wegen der späten Einladung:
»Aber erst um zwölf kam Woldemars Telegramm. Es ist das mit dem
Telegraphieren solche Sache, manches wird besser, aber manches wird
auch schlechter, und die feinere Sitte leidet nun schon ganz gewiß.
Schon die Form, die Abfassung. Kürze soll eine Tugend sein, aber sich
kurz fassen, heißt meistens auch, sich grob fassen. Jede Spur von
Verbindlichkeit fällt fort, und das Wort Herrist beispielsweise
gar nicht mehr anzutreffen. Ich hatte mal einen Freund, der ganz
ernsthaft versicherte: Der häßlichste Mops sei der schönste;so läßt
sich jetzt beinahe sagen, das gröbste Telegramm ist das feinste.
Wenigstens das in seiner Art vollendetste. Jeder, der wieder eine neue
Fünfpfennigersparnis herausdoktert, ist ein Genie.«
 
Diese Worte Dubslavs hatten sich anfänglich an die Frau von Gundermann,
sehr bald aber mehr an Gundermann selbst gerichtet, weshalb dieser
letztere denn auch antwortete: »Ja, Herr von Stechlin, alles Zeichen
der Zeit. Und ganz bezeichnend, daß gerade das Wort Herr, wie Sie
schon hervorzuheben die Güte hatten, so gut wie abgeschafft ist. Herr
ist Unsinn geworden, Herrpaßt den Herren nicht mehr, -- ich meine
natürlich die, die jetzt die Welt regieren wollen. Aber es ist auch
danach. Alle diese Neuerungen, an denen sich leider auch der Staat
beteiligt, was sind sie? Begünstigungen der Unbotmäßigkeit, also Wasser
auf die Mühlen der Sozialdemokratie. Weiter nichts. Und niemand da, der
Lust und Kraft hätte, dies Wasser abzustellen. Aber trotzdem, Herr von
Stechlin -- ich würde nicht widersprechen, wenn mich das Tatsächliche
nicht dazu zwänge --, trotzdem geht es nicht ohne Telegraphie, gerade
hier in unsrer Einsamkeit. Und dabei das beständige Schwanken der
Kurse. Namentlich auch in der Mühlen- und Brettschneidebranche ...«
 
»Versteht sich, lieber Gundermann. Was ich da gesagt habe ... Wenn
ich das Gegenteil gesagt hätte, wäre es ebenso richtig. Der Teufel
is nich so schwarz, wie er gemalt wird, und die Telegraphie auch
nicht, und wir auch nicht. Schließlich ist es doch was Großes, diese
Naturwissenschaften, dieser elektrische Strom, tipp, tipp, tipp, und
wenn uns daran läge (aber uns liegt nichts daran), so könnten wir
den Kaiser von China wissen lassen, daß wir hier versammelt sind und
seiner gedacht haben. Und dabei diese merkwürdigen Verschiebungen
in Zeit und Stunde. Beinahe komisch. Als Anno siebzig die Pariser
Septemberrevolution ausbrach, wußte man's in Amerika drüben um ein
paar Stunden früher, als die Revolution überhaupt da war. Ich sagte:
Septemberrevolution. Es kann aber auch ne andre gewesen sein; sie haben
da so viele, daß man sie leicht verwechselt. Eine war im Juni, ne andre
war im Juli, -- wer nich ein Bombengedächtnis hat, muß da notwendig
reinfallen ... Engelke, präsentiere der gnädgen Frau den Fisch noch
mal. Und vielleicht nimmt auch Herr von Czako

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