Sturz der Verdammten Gedichte 2
Denn ein Zecher bin ich an Deinen Bänken, o Gott,
und kann mich nicht lösen aus der Umarmung der Dinge,
die Du wie bunte Netze gestellt hast rings um mich her,
daß ich nimmer genese von der Unwissenheit Deines Anfangs.
Doch über das Nackte der Dinge streuest Du aus die Saat Deines
Mundes,
und alle singen ihr einfältiges Ich und sind und kreisen
und Du schreitest unter ihnen wie ein Gärtner oder ein Hirte.
Mir aber täte not ein Zuchtmeister meiner Gedanken
und für meiner Brände Springflut ein Herd und sorgliche Wartung,
denn uferlos ist meine Rede unter den Menschen,
die einander heimsuchen und tausendfacher Gespräche pflegen.
Versage mir nicht, o Gott, Einkehr in Deine Gebilde!
Unbändig bin ich und bin außer mir und reiße mein Gewand ab.
Ich zerbreche Deine Satzung, wer da kann, begreife meine Nacktheit.
Meine entfalteten Hände umtasten seit je Dich, den Verwandten,
und streifen an alle die Dinge, die noch der Zeugung bedürftig
jenseits der Worte wohnen und jenseits ihrer Vernichtung.
Ich bin voll von ihnen, o Gott, und weiß nicht sie zu erfassen
und bin ein Tanzender ohne Bewußtsein, mitten in ihrem Geheimnis.
Es ertönt meine Stimme!
Es ragen empor meine Schläfen!
Ich strecke meine Hände nach Dir in die schwarzen Flüsse der Nacht.
DER STÄDTER
Was denn bin ich, daß meine Seele nicht mehr
wie ein Gebirge über die Wälder aufsteigt,
daß ich ausströme und mein Gefäß zersprengt ist
und aller Dinge Schmerz in mir erbraust?
Nicht mehr sind mir sanfte Geschlechter der Blumen,
aufgerafftes Lachen an bunten Pfaden,
kindliches Leid, überdacht von Muttertröstung,
ach, und verwaist ragt mir die entkränzte Stirne.
Nachtcafés begrenzen meine Tage,
Marmorblitz der Säle und Billardstoß,
münzenklangdurcheilte Kellnerhände,
schwarzbewegter Katarakt der Schöße.
Was denn bin ich, daß ich nicht durchbreche
Kampfesordnung feindlicher Geräte?
Weltall donnert hinter Spiegelscheiben.
Meine Seele reitet durch die Nacht.
DEM WAHNSINNIGEN
Da meines Atems falbe Säule Dich streifte,
legtest Du groß auf mich Deiner Augen Getöse.
Deine Gedanken: Verzacktes Getürm über krachenden Schläfen,
Deine Worte dem taumelnden Nachtschwalbenflug zu vergleichen.
O, zu sein wie Du, ein Seiltänzer über den Dingen,
verschmäht und verworfen von Leuten trüben Gebläses,
mit aufgeworfener Lippe einsam zu sein in den Scharnieren des
Lebens,
zu sein wie Du und nicht zu verrücken des Grases holdselige Einfalt.
Wenig ist, guter Taten kundig zu sein,
nichts Weckerprasseln und kalte Güsse des Morgens!
O, zu sein wie Du, verschränkt in alle Geräte,
zerschwankt und zerborsten an allen Gebilden der Welt.
DEM ENTSCHWINDENDEN
Ich bin ein Sieb, durchschüttet von dem Korn der Welt,
darinnen alles Grobe sich verfängt
und bin angefüllt mit den Rauheiten der Menschen,
ihr flüchtiges Sein zu umklammern bleibt mir versagt.
Auch Du bist bald geglitten in die Tiefe,
immer weniger wirst Du auf meinem Boden,
meine Maschen sind zu weit für Dich,
Du liebes Korn, Du lieber Mensch.
Ich gebe Dir mit zartes Geräusch der Läuterung,
lese von Dir das Fremde, daß Du rein seist,
gebe Dir mit Sehnsucht, Dich zu behalten,
Du streifst mich ab, unbekümmert und weißt um nichts.
Wann kommt endlich Gebilde, daß ich es fasse,
daß meine Leere erfüllt sei, daß ich es trage,
Korn, tausendfältig erwachsen, seltsamen Duftes,
haftend, schwer und gesund, dem ich nicht mehr Sieb bin.
BESEELUNG
Wer im blitzenden Chorus werktätiger Sekunden
hinschreitet im Dreiklang des Raums, ein Zweikämpfer aller Gebilde,
wenig weiß der um den Dichter, der in den Schwärzen der Nacht
endlos sich auftut über allem, ein kosmischer Versöhner.
Denn, daß er Gott errufe, singt er »o Ding, o Fontaine, o rauhes
Gestein der Straßen«
und treibt das Gewerbe des Müßiggangs, voll Beschwerde und Demut,
er nimmt alle Schwere auf sich und wirft die Dimensionen
durcheinander
und läßt das Feindliche in chaotischer Umarmung erbrausen.
Wer ist da, daß er Erbarmen trage mit der Not aller Dinge und ihres
Wieseins Schauder,
daß er ahne Beklommenheit vergossenen Weines,
und Tiefsinn großer Seen, die blank wie Münzen sich ründen?
Mich aber siehe weinen! Zur Pforte bin ich geworden.
Es raffen zum Leben sich tote Atome im Sturz meiner Tränen.
Meines Atems Golfstrom umklammert
die tanzende Heerschar der Nachtgestirne.
LIED DES UNSTETEN
Ich hatte den wahnsinnigen Jüngling verlassen und war durch Wälder
vorbeigezogen an krummen Flüssen und endlosem Hügelgelände,
durch viele Täler des Jammers, wo die Gewässer der Klage rauschen
und der Mensch hinsinkt im Diskussturze der Stunden.
Wer ist, der meinen Ruf hört, wer kränzt meine Spur mit liebenden
Blüten,
Wirrsälig ist mein Gedanke, labyrinthisch die Rede, doch gut ist
mein Wille.
O, nicht mehr bin ich wagrecht, überflüssig und voll Überhebung.
Recht tut, wer meinen Gesang schweigen heißt vor dem abendlichen
Zirpen der Grillen.
Siehe, allen bin ich bereitet, ein Trank, eine Speise,
ich, allverwoben, allfahrend auf den Flößen der Erde,
ich, überall reglos sitzend in den Kathedralen der Nacht,
ich, windflüchtiger Falter, durchtanzend den Lotos eurer Träume.
DER AUSSICHTSTURM
Zwischen eisernem Gebälk, daran der Wind frohlockend sich klammert,
windet mein Tritt sich empor, spiralig zur gläsernen Plattform,
unter mir liegt Gedächer der Stadt, Krümme des Flusses, Gärten und
Rebengelände,
unter mir die Eile der Menschen, Wagengerassel und die keuchende
Heerschar der Schlote und Dampfmaschinen.
Hier ahne ich Dich, o Gott, sofern ich Dir näher bin um den Atemzug
einer Henne,
(ich bin vor Dir so klein, wie der winzige Angler, der in der Tiefe
stillen Gedanken nachhängt)
ich häufe Deine Sinnbilder im Dunkel meiner Gemächer,
zugemessen ward mir der Tag und das Nächtliche nach meinem
Verdienste.
Dich erkenne ich, o Tod, Du Gleichnis alles Lebendigen,
Du in allem Leben enthaltener, tausendfach verzweigter,
brüderlich immer nahe im Speichenflug der rasenden Automobile,
verschlossen in der dunklen Selbstentäußerung des bräutlichen
Beischlafs.
Dich auch vielfältige Zeit, Zweikampf des Todes mit Lebendigen:
Jetzt heben sich die Vorhänge der Theater und nackte Schultern
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