2015년 10월 18일 일요일

Schillers Flucht von Stuttgart 10

Schillers Flucht von Stuttgart 10


Der Vater von Schiller, dem als Gouverneur der Solitüde alles, was
die vielfachen Bauten, Gartenanlagen und Baumzucht betraf, untergeben
war, führte dies so sehr zur Zufriedenheit des Herzogs aus, und wußte
dessen Willen, noch ehe er ausgesprochen war, so Genüge zu leisten,
daß er seine ganze Zufriedenheit sowie wegen der Rechtlichkeit und
Strenge, mit welchen er seinen Dienst ausübte, auch seine Hochachtung
erwarb. Es war zum Teil eine Folge dieser Achtung, daß der Sohn in
der Akademie mit besonderer Sorgfalt und Güte behandelt wurde; zum
Teil waren es aber auch die überraschenden Antworten und Bemerkungen,
welche der junge Zögling im Gespräch mit seinem erhabenen Erzieher
aussprach, die ihm eine besondere Auszeichnung und Zuneigung erwarben.
Es war diesem geistvollen Fürsten, der Scharfsinn und das Talent, was
er im hohen Grad selbst besaß, auch an andern vorzüglich schätzte, weit
weniger darum zu tun, an seiner Akademie eine militärische Prunkanstalt
zu haben, als bei den jungen Leuten alles das heraus zu bilden, was
ihre Anlagen zu entwickeln vermochte. Er ließ sich daher mit ihnen in
Einzelheiten ein, die einem gewöhnlichen Erzieher zu kleinlich oder
überflüssig scheinen würden, und erwarb sich dadurch, weit mehr als
durch sein Ehrfurcht gebietendes Ansehen, ein solches Zutrauen, daß die
Zöglinge weit lieber mit ihm sprachen oder ihm -- dem Herzog -- ihre
Fehler bekannten als den vorgesetzten Offizieren.
 
Als die Anstalt noch auf der Solitüde sich befand, verging nie ein Tag,
an welchem er nicht die Lehrstunden besuchte, um sich von dem Fleiße
der Lehrer und den Fortschritten der Schüler zu überzeugen. Und als die
Akademie nach Stuttgart verlegt wurde, waren es nur die alljährlichen
Reisen, die ihn auf Wochen oder Tage von derselben entfernt halten
konnten. Auch das freundliche Benehmen der Gräfin von Hohenheim, welche
sich an der Unbefangenheit der jüngsten Zöglinge ergötzte und sie mit
kleinen Geschenken beteilte, trug nicht wenig dazu bei, das streng
scheinende Verhältnis zu mildern. Wie oft wurden Strafen bloß darum
in ihrer Gegenwart ausgesprochen, um durch bittende Blicke oder Worte
dieser wohlwollenden, nichts als Güte und Teilnahme atmenden Frau,
entweder ganz erlassen, oder doch gemindert werden zu können.
 
Unter den Augen des Fürsten von Kindern zu Knaben, von Knaben
zu Jünglingen herangewachsen, von seinen durchdringenden Augen
oft getadelt oder mit Beifall belohnt, konnten sich die jungen
Leute, nachdem sie der akademischen Aufsicht entlassen waren, ihr
Dienstverhältnis unmöglich so scharf denken als andere, die mit der
Person des Herzogs gar nicht oder nur als ihrem Souverän bekannt waren.
 
Diese Verhältnisse allein können es begreiflich machen, wie Schiller
auf die so oft bezeigte Gnade und Zufriedenheit seines Fürsten so
fest sich verlassen konnte, daß er zu dem Glauben verleitet ward, der
Herzog werde ihm seine Bitten bewilligen, wenn er ihn an seine frühere
Huld erinnere und unwiderleglich dartue, daß er durch die gegen ihn
erlassenen Verbote zur Verzweiflung gebracht sei.
 
Nachdem diese Meinung ihn so beherrschte, daß sie sich in einen
unwiderruflichen Entschluß umwandelte, entstand nur noch die Frage,
auf welche Art und in welcher Zeit die heimliche Reise am besten
auszuführen sein würde; denn die harten Verweise des Herzogs, der
darauf folgende strenge Arrest hatten ihn so eingeschüchtert, daß
er sich in allen seinen Handlungen beobachtet halten konnte und die
schärfste Ahndung befürchten mußte, wenn er irgend einen Verdacht gegen
sich erregte. So wenig er seinen Vorsatz allein ausführen konnte, so
wenig konnte er sich seinen Schulfreunden anvertrauen, weil es eben so
unnütz als gefährlich gewesen wäre, sie um Beistand anzusprechen, indem
keiner von ihnen -- was die Hauptsache, die Anstalten zur heimlichen
Reise, betraf -- die geringste Hilfe leisten oder auf sonst eine Art
seine Pläne befördern konnte.
 
In diesem Zustande konnte er sein Herz mit voller Sicherheit nur einem
einzigen Freund eröffnen, der zwar nicht mit ihm in der Akademie
erzogen worden und auch zwei Jahre weniger als er zählte; durch dessen
Bekanntschaft er aber seit achtzehn Monaten die Überzeugung erlangt
hatte, daß er hier auf eine Hingebung und Aufopferung bauen könne,
die an Schwärmerei grenzten und die nur von den wenigen Edlen erzeugt
wird, deren Gemüt und Geist eben so viele Liebe und Freundschaft als
Verehrung und Hochachtung verdienen.
 
Der Leser möge erlauben, daß von diesem jungen Freunde, den wir mit
S. bezeichnen wollen, sowie von der Art, wie er zu dem genauen Umgang
mit dem herrlichen Jüngling gelangte, so viel erwähnt werde, als des
Folgenden wegen unumgänglich nötig ist.
 
Es war im Jahr 1780 in einer der öffentlichen Prüfungen, die -- wie
eingangs erwähnt worden -- alljährlich in der Akademie in Gegenwart
des Herzogs daselbst gehalten wurden und welche S. als ein angehender
Tonkünstler um so eifriger besuchte, da meistens über den andern Tag
eine vollstimmige, von den Zöglingen aufgeführte Musik die Prüfung
beschloß, als er Schillern das erste Mal sah. Dieser war bei einer
medizinischen, in lateinischer Sprache gehaltenen Disputation gegen
einen Professor Opponent, und obwohl S. dessen Namen so wenig als seine
übrigen Eigenschaften kannte, so machten doch die rötlichen Haare --
die gegeneinander sich neigenden Knie, das schnelle Blinzeln der Augen,
wenn er lebhaft opponierte, das öftere Lächeln während dem Sprechen,
besonders aber die schön geformte Nase und der tiefe, kühne Adlerblick,
der unter einer sehr vollen, breitgewölbten Stirne hervorleuchtete,
einen unauslöschlichen Eindruck auf ihn. S. hatte den Jüngling
unverwandt ins Auge gefaßt. Das ganze Sein und Wesen desselben zogen
ihn dergestalt an und prägten den ganzen Auftritt ihm so tief ein, daß,
wenn er Zeichner wäre, er noch heute -- nach achtundvierzig Jahren --
diese ganze Szene auf das lebendigste darstellen könnte.
 
Als S. nach der Prüfung den Zöglingen in den Speisesaal folgte, um
Zuschauer ihrer Abendtafel zu sein, war es wieder derselbe Jüngling,
mit welchem der Herzog auf das gnädigste sich unterhielt, den Arm
auf dessen Stuhl lehnte und in dieser Stellung sehr lange mit ihm
sprach. Schiller behielt gegen seinen Fürsten dasselbe Lächeln,
dasselbe Augenblinzeln wie gegen den Professor, dem er vor einer Stunde
opponierte.
 
Als im Frühjahr 1781 die Räuber im Druck erschienen waren und besonders
auf die junge Welt einen ungewöhnlichen Eindruck machten, ersuchte S.
einen musikalischen, in der Akademie erzogenen Freund, ihn mit dem
Verfasser bekannt zu machen. Sein Wunsch wurde gewährt, und S. hatte
die Überraschung, in dem Dichter dieses Schauspiels denselben Jüngling
zu erkennen, dessen erstes Erscheinen einen so tiefen Eindruck bei ihm
zurückgelassen hatte.
 
Wie jeder Leser eines Buches sich von dem Autor desselben ein Bild
seiner Person, Haltung, Stimme, seiner Sprache vormalt, so konnte
es wohl nicht anders sein, als daß man sich in dem Verfasser der
Räuber einen heftigen jungen Mann dachte, dessen Äußeres zwar schon
den tiefempfindenden Dichter ankündige, bei welchem aber die Fülle
der Gedanken, das Feuer seiner Ausdrücke sowie seine Ansichten der
Weltverhältnisse alle Augenblicke in Ungebundenheit ausschweifen müsse.
 
Aber wie angenehm wurde diese vorgefaßte Meinung zerstreut!
 
Das seelenvollste, anspruchloseste Gesicht lächelte dem Kommenden
freundlich entgegen. Die schmeichelhafte Anrede wurde nur ablehnend,
mit der einnehmendsten Bescheidenheit erwidert. Im Gespräche nicht ein
Wort, welches das zarteste Gefühl hätte beleidigen können.
 
Die Ansichten über alles, besonders aber Musik und Dichtkunst
betreffend, ganz neu, ungewöhnlich, überzeugend und doch im höchsten
Grade natürlich.
 
Die Äußerungen über die Werke anderer sehr treffend, aber dennoch voll
Schonung und nie ohne Beweise.
 
Den Jahren nach Jüngling, dem Geiste nach reifer Mann, mußte man seinem
Maßstabe beistimmen, den er an alles legte und vor dem vieles, was
bisher so groß schien, ins Kleine zusammenschrumpfte und manches, was
als gewöhnlich beurteilt war, nun bedeutend wurde.
 
Das anfängliche blasse Aussehen, das im Verfolg des Gespräches in hohe
Röte überging -- die kranken Augen -- die kunstlos zurückgelegten
Haare, der blendend weiße, entblößte Hals gaben dem Dichter eine
Bedeutung, die ebenso vorteilhaft gegen die Zierlichkeit der
Gesellschaft abstach, als seine Aussprüche über ihre Reden erhaben
waren.
 
Eine besondere Kunst lag jedoch in der Art, wie er die verschiedenen
Materien aneinander zu knüpfen, sie so zu reihen wußte, daß eine
aus der andern sich zu entwickeln schien, und trug wohl am meisten
dazu bei, daß man den Zeiger der Uhr der Eile beschuldigte und die
Möglichkeit des schnellen Verlaufes der Zeit nicht begreifen konnte.
 
Diese so äußerst reizende und anziehende Persönlichkeit, die nirgends
etwas Scharfes oder Abstoßendes blicken ließ -- Gespräche, welche den
Zuhörer zu dem Dichter emporhoben, die jede Empfindung veredelten,
jeden Gedanken verschönerten -- Gesinnungen, die nichts als die reinste
Güte ohne alle Schwäche verrieten -- mußten von einem jungen Künstler,
der mit einer lebhaften Empfänglichkeit begabt war, die ganze Seele
gewinnen und der Bewunderung, die er schon früher für den Dichter
hatte, noch die wärmste Anhänglichkeit für den Menschen beigesellen.
 
Auch Schiller schien mit seinem neuen Bekannten nicht unzufrieden; denn
freiwillig lud er ihn ein, so oft zu ihm zu kommen, als er nur immer
wolle. Diese Einladung wurde von S. so emsig benützt, daß während eines
Jahres selten ein Tag verging, an dem er Schillern nicht gesehen oder
auf kurze Zeit gesprochen hätte. Ein Vertrauen setzte sich zwischen
beiden fest, das keinen Rückhalt kannte, und von dem die natürliche
Folge war, daß die Verhältnisse Schillers sowie seine wahrhaft
unglückliche Lage der unerschöpfliche Gegenstand ihrer Gespräche
wurden. Auch schien beiden der Plan, dem Herzog auf neutralem Boden
zu schreiben, um so weniger des Tadels würdig, als Schiller durchaus
nichts begangen, was ihm den Vorwurf eines schlechten Dieners seines
Fürsten hätte zuziehen können, und er die zwei unerlaubten Ausflüge
durch den ausgestandenen Arrest schon genug gebüßt zu haben glaubte.
Außer S. machte Schiller auch seine älteste Schwester mit seinem
Vorsatze bekannt, und anstatt, wie er befürchtete, von ihr Abmahnungen
zu hören, glaubte sie, daß, weil ihm das gegebene Versprechen nicht
erfüllt worden, jeder Schritt entschuldigt werden könne, den er, um
sich von gänzlichem Verderben zu retten, unternehmen werde.
 
Ein Gefährte, mit dem die heimliche Reise zu unternehmen wäre und der
die nötigen Anstalten dazu erleichtern könne, war schon in seinem
Freunde S. vorhanden, der im Frühjahr 1783 eine Reise nach Hamburg
antreten wollte, um daselbst bei dem berühmten Bach die Musik zu
studieren, wozu ihm dort wohnende Anverwandte die beste Unterstützung
versprochen hatten, und der es nun bei seiner Mutter dahin zu bringen
wußte, diese Reise jetzt schon machen zu dürfen.

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