2015년 10월 19일 월요일

Schillers Flucht von Stuttgart 12

Schillers Flucht von Stuttgart 12


Hätte Schiller nur noch einige Wochen warten und nicht durchaus sich
schon jetzt entfernen wollen, so würde S. die nötige Summe bis Hamburg
in Händen gehabt haben. Aber die Ungeduld des unterdrückten Jünglings,
eine Entscheidung herbeizuführen, ließ sich schon darum nicht bezähmen,
weil er fürchtete, eine so gute Gelegenheit zum unbemerkten Entkommen
ungenützt vorbeigehen zu lassen und dann weit mehr Schwierigkeit bei
dem Herzog für die Gewährung seiner Bitten zu finden. Bis Mannheim wie
auch für einige Tage Aufenthalt daselbst konnte das kleine Vermögen
ausreichen, und was zum Weiterkommen fehlte, sollte S. nachgeschickt
werden.
 
Nachdem der Wagen mit zwei Koffern und einem kleinen Klavier bepackt
war, kam der schwere Kampf, den Schiller vor einigen Tagen bestanden,
nun auch an S. -- von seiner guten, frommen Mutter Abschied zu
nehmen. Auch er war der einzige Sohn, und die mütterlichen Sorgen
ließen sich nur dadurch beschwichtigen, daß Schiller nicht nur die
unveränderlichste Treue gegen seinen Freund gelobte, sondern auch
die zuverlässige Hoffnung aussprach, in vierzehn Tagen wieder zurück
eintreffen und von der glücklich vollbrachten Reise Bericht geben zu
wollen. Von Segenswünschen und Tränen begleitet, konnten die Freunde
endlich um zehn Uhr nachts in den Wagen steigen und abfahren.
 
Der Weg wurde zum Eßlinger Tor hinaus genommen, weil dieses das
dunkelste war und einer der bewährtesten Freunde Schillers -- möchte
ihm das Vergnügen gegönnt sein, diese Zeilen noch zu lesen -- als
Leutnant die Wache hatte, damit, wenn sich ja eine Schwierigkeit
ergäbe, diese durch Vermittlung des Offiziers sogleich gehoben werden
könne.
 
Es war ein Glück, daß damals von keinem zu Wagen Reisenden ein Paß
abgefordert wurde. Nur S. hatte sich einen nach Hamburg geben lassen,
welches aber nur der überflüssig scheinenden Vorsicht wegen geschah.
 
So gefaßt die jungen Leute auch auf alles waren, und so wenig sie
eigentlich zu fürchten hatten, so machte dennoch der Anruf der
Schildwache -- Halt! -- Wer da! -- Unteroffizier heraus! -- einen
unheimlichen Eindruck auf sie. Nach den Fragen: Wer sind die Herren? Wo
wollen Sie hin? wurde von S. des Dichters Name in Doktor Ritter, und
der seinige in Doktor Wolf verwandelt, beide nach Eßlingen reisend,
angegeben und so aufgeschrieben. Das Tor wurde nun geöffnet, die
Reisenden fuhren vorwärts, mit forschenden Blicken in die Wachtstube
des Offiziers, in der sie zwar kein Licht, aber beide Fenster weit
offen sahen. Als sie außer dem Tore waren, glaubten sie einer großen
Gefahr entronnen zu sein, und gleichsam als ob diese wiederkehren
könnte, wurden, so lange als sie die Stadt umfahren mußten, um die
Straße nach Ludwigsburg zu gewinnen, nur wenige Worte unter ihnen
gewechselt. Wie aber einmal die erste Anhöhe hinter ihnen lag, kehrten
Ruhe und Unbefangenheit zurück, das Gespräch wurde lebhafter und bezog
sich nicht allein auf die jüngste Vergangenheit, sondern auch auf
die bevorstehenden Erlebnisse. Gegen Mitternacht sah man links von
Ludwigsburg eine außerordentliche Röte am Himmel, und als der Wagen in
die Linie der Solitüde kam, zeigte das daselbst auf einer bedeutenden
Erhöhung liegende Schloß mit allen seinen weitläufigen Nebengebäuden
sich in einem Feuerglanze, der sich in der Entfernung von anderthalb
Stunden auf das Überraschendste ausnahm. Die reine, heitere Luft
ließ alles so deutlich wahrnehmen, daß Schiller seinem Gefährten den
Punkt zeigen konnte, wo seine Eltern wohnten, aber alsbald, wie von
einem sympathetischen Strahl berührt, mit einem unterdrückten Seufzer
ausrief: »Meine Mutter!«
 
Es war ganz natürlich, daß die Erinnerung an die Verhältnisse, welche
vor einigen Stunden auf das Ungewisse hin abgerissen wurden, nicht
anders als wehmütig sein konnte. Andererseits war es aber wieder
beruhigend, als gewiß voraussetzen zu können, daß in diesem Wirbel von
Festen außer den Müttern und Schwestern niemand an die Reisenden denke,
folglich Mannheim ohne Hindernis erreicht werden könne.
 
Morgens zwischen ein und zwei Uhr war die Station Entzweihingen
erreicht, wo gerastet werden mußte. Als der Auftrag für etwas Kaffee
erteilt war, zog Schiller sogleich ein Heft ungedruckter Gedichte
von Schubart hervor, von denen er die bedeutendsten seinem Gefährten
vorlas. Das merkwürdigste darunter war die Fürstengruft, welches
Schubart in den ersten Monaten seiner engen Gefangenschaft mit der
Ecke einer Beinkleiderschnalle in die nassen Wände seines Kerkers
eingegraben hatte. Damals, 1782, war Schubart noch auf der Festung, wo
er aber jetzt sehr leidlich gehalten wurde. In manchem dieser Gedichte
fanden sich Anspielungen, die nicht schwer zu deuten waren, und die
keine nahe Befreiung ihres Verfassers erwarten ließen.
 
Schiller hatte für die dichterischen Talente des Gefangenen sehr viele
Hochachtung. Auch hatte er ihn einigemal auf dem Asperg besucht.
 
Nach drei Uhr wurde von Entzweihingen aufgebrochen, und nach acht
Uhr morgens war die kurpfälzische, durch eine kleine Pyramide
angedeutete Grenze erreicht, die mit einer Freude betreten wurde, als
ob rückwärts alles Lästige geblieben wäre und das ersehnte Eldorado
bald erreicht sein würde. Das Gefühl, eines harten Zwanges entledigt
zu sein, verbunden mit dem heiligen Vorsatz, demselben sich nie mehr
zu unterwerfen, belebten das bisher etwas düstere Gemüt Schillers zur
gefälligsten Heiterkeit, wozu die angenehme Gegend, das muntere Wesen
und Treiben der rüstigen Einwohner wohl auch das ihrige beitrugen.
»Sehen Sie,« rief er seinem Begleiter zu, »sehen Sie, wie freundlich
die Pfähle und Schranken mit Blau und Weiß angestrichen sind! Ebenso
freundlich ist auch der Geist der Regierung!«
 
Ein lebhaftes Gespräch, das durch diese Bemerkung herbeigeführt wurde,
verkürzte die Zeit dergestalt, daß es kaum möglich schien, um zehn Uhr
schon in Bretten angekommen zu sein. Dort wurde bei dem Postmeister
Pallavicini abgestiegen, etwas gegessen, der von Stuttgart mitgenommene
Wagen und Kutscher zurückgeschickt, nachmittags die Post genommen und
über Waghäusel nach Schwetzingen gefahren, allwo die Ankunft nach neun
Uhr abends erfolgte. Da in Mannheim als einer Hauptfestung die Tore mit
Eintritt der Dunkelheit geschlossen wurden, so mußte in Schwetzingen
übernachtet werden, welches auf zwei unruhige Tage und eine schlaflose
Nacht um so erwünschter war.
 
Am 19. September waren die Reisenden des Morgens sehr früh geschäftig,
um sich zu dem Eintritt in Mannheim vorzubereiten. Das Beste, was die
Koffer faßten, wurde hervorgesucht, um durch scheinbaren Wohlstand
sich eine Achtung zu sichern, die dem dürftig oder leidend Aussehenden
fast immer versagt wird. Die Hoffnung Schillers, seine kranke Börse
in der nächsten Zeit durch einige Erfrischungen beleben zu können,
war keine Selbsttäuschung; denn wer hätte daran zweifeln mögen, daß
eine Theaterdirektion, die schon im ersten Jahre so vielen Vorteil aus
den Räubern gezogen, sich nicht beeilen würde, das zweite Stück des
Dichters -- das nicht nur für das große Publikum, sondern auch für den
gebildeten Teil desselben berechnet war -- gleichfalls aufzunehmen?
Es ließ sich für gewiß erwarten -- die Entscheidung des Herzogs möge
nun gewährend oder verneinend ausfallen -- daß noch in diesem Jahre
Fiesco aufgeführt werde und dann war der Verfasser durch eine freie
Einnahme oder ein beträchtliches Honorar auf so lange geborgen, daß er
sich wieder neue Hilfsmittel schaffen konnte. Mit der Zuversicht, daß
die nächsten vierzehn Tage schon diese Vermutungen in volle Gewißheit
umwandeln müßten, wurde die Postchaise zum letztenmal bestiegen und
nach Mannheim eingelenkt, das in zwei Stunden, ohne irgend eine Frage
oder Aufenthalt an dem Tore der Festung, erreicht war.
 
Der Theaterregisseur, Herr Meier, bei welchem abgestiegen wurde, war
sehr überrascht, Schillern zu einer Zeit bei sich zu sehen, wo er
ihn in lauter Feste und Zerstreuungen versunken glaubte; aber seine
Überraschung ging in Erstaunen über, als er vernahm, daß der junge
Mann, den er so hoch verehrte, jetzt als Flüchtling vor ihm stehe.
Obwohl Herr Meier bei der zweimaligen Anwesenheit Schillers in Mannheim
von diesem selbst über sein mißbehagliches Leben und Treiben in
Stuttgart unterrichtet war, so hatte er doch nicht geglaubt, daß diese
Verhältnisse auf eine so gewagte und plötzliche Art abgerissen werden
sollten. Als gebildeter Weltmann enthielt er sich bei den weitern
Erklärungen Schillers hierüber jedes Widerspruchs und bestärkte ihn
nur in diesem Vorhaben, noch heute eine Vorstellung an den Herzog
einzusenden und durch seine Bitte eine Aussöhnung bewirken zu wollen.
Die Reisenden wurden von ihm zum Mittagessen eingeladen, und er hatte
auch die Gefälligkeit, in der Nähe seines Hauses eine Wohnung, die in
dem menschenleeren Mannheim augenblicklich zu haben war, aufnehmen zu
lassen, wohin sogleich das Reisegeräte geschafft wurde.
 
Nach Tische begab sich Schiller in das Nebenzimmer, um daselbst an
seinen Fürsten zu schreiben. Als er in einigen Stunden fertig war, las
er den vorher nicht aufgesetzten, aber vortrefflich geschriebenen Brief
den wartenden Freunden vor, dessen wesentlicher Inhalt folgender war:
 
»Im Eingang erwähnte er, daß er in der Akademie das Studium, zu dem
er eine entschiedene Neigung gehabt, niemals habe treiben dürfen
oder können, und er sich nur aus Gehorsam gegen den fürstlichen
Willen, zuerst der Rechtswissenschaft und dann der Arzneikunde
gewidmet habe. Er erinnerte den Herzog an die vielen und großen
Gnaden, welcher er während der sieben Jahre seines Aufenthaltes
von ihm gewürdigt worden, und die so bedeutend waren, daß er ewig
stolz darauf sein werde, sagen zu dürfen, sein Fürst habe ihn in
seinem Herzen getragen. Dann setzte er erstens die Unmöglichkeit
auseinander, mit seiner geringen Besoldung leben oder durch seinen
Beruf als Arzt sich ein besseres Auskommen verschaffen zu können,
indem die Anzahl der Mediziner zu groß in Stuttgart sei, und ein
Anfänger zu lange Zeit brauche, um sich bekannt zu machen, er auch
von Haus nichts zuzusetzen habe.
 
»Zweitens bat er um die Aufhebung des Befehls, keine andern als
medizinische Schriften drucken zu lassen, indem die Bekanntmachung
seiner dichterischen Arbeiten allein imstande sei, seine Einnahme
zu verbessern.
 
»Drittens möge es ihm erlaubt werden, alle Jahre, auf kurze Zeit,
eine Reise in das Ausland zu machen.
 
»Viertens, daß er sehr gern wieder zurückkehren wolle, wenn ihm das
fürstliche Wort gegeben würde, daß seine eigenmächtige Entfernung
verziehen sei und er keine Strafe dafür zu befürchten habe.«
 
Dieses Schreiben wurde einem Brief an seinen Regimentschef, den General
Augé, beigeschlossen und dieser ersucht, die vorgelegten Bitten nach
seinen besten Kräften sowie durch seinen ganzen Einfluß bei dem Herzog
unterstützen zu wollen. Schiller glaubte für seine Sicherheit so wenig

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