2015년 10월 19일 월요일

Schillers Flucht von Stuttgart 13

Schillers Flucht von Stuttgart 13


Nicht nur für diese bedenkliche Zeit, sondern auch in der Folge blieben
diese würdigen Leute Schillers aufrichtigste, wahrste Freunde, und
Madame Meier bewies sich besonders bei dieser Gelegenheit so sorgsam
und tätig wie eine Mutter, die sich um ihren Sohn anzunehmen hat.
 
Mittlerweile hatte S. schon am ersten Abend mit Herrn Meier über das
neue, beinahe ganz fertige Trauerspiel Fiesco gesprochen und desselben
als einer Arbeit erwähnt, die den Räubern aus vielen Rücksichten
vorzuziehen sei. Es ergab sich nun von selbst, daß der Dichter
darum angegangen wurde, die erregte Neugierde durch Mitteilung des
Manuskriptes zu befriedigen, wozu sich aber dieser nur unter der
Bedingung verstand, wenn eine größere Anzahl von Zuhörern gegenwärtig
sei. Man fand dies um so natürlicher, da wohl unter allen Schauspielern
sich keiner befand, der nicht im höchsten Grad auf die zweite Arbeit
eines Jünglings begierig gewesen wäre, welcher sich schon durch seine
erste auf eine so außerordentliche Art angekündigt hatte. Es wurde
daher sogleich ein Tag festgesetzt, auf welchen die bedeutendsten
Künstler des Theaters eingeladen werden sollten, um der Vorlesung des
neuen Stücks beizuwohnen.
 
Nach zwei erwartungsvollen Tagen traf die Antwort von General Augé
an Schiller ein, welche folgendes enthielt: »Der General habe den
Wünschen Schillers entsprochen und sein Schreiben dem Herzog nicht
nur vorgelegt, sondern auch durch sein Vorwort die getanen Bitten
unterstützt. Er habe daher den Auftrag erhalten, ihn wissen zu lassen:
da Se. herzogliche Durchlaucht bei Anwesenheit der hohen Verwandten
jetzt sehr gnädig wären, er nur zurückkommen solle.«
 
Da dieses Schreiben von allem dem nicht das geringste erwähnte, um was
Schiller zur Erleichterung seines Schicksals so dringend gebeten hatte,
so schrieb er dem General augenblicklich zurück, daß er diese Äußerung
Sr. Durchlaucht unmöglich als eine Gewährung seines Gesuches betrachten
könne, folglich genötigt sei, bei dem Inhalt seiner Bittschrift zu
beharren, und seinen Chef ersuche, alles anzuwenden, um den Herzog zur
Erfüllung seiner Wünsche zu vermögen.
 
Durch diese Antwort seines Generals in Zweifel gesetzt, was er zu
hoffen oder zu fürchten habe, schrieb Schiller -- was er schon am
zweiten Tag seiner Ankunft an seine Eltern getan -- sogleich an einige
Freunde, damit, wenn sie etwas erführen, was ihm schaden könnte, sie
ihm doch alsobald Nachricht geben möchten, und sah den Antworten mit
ebensoviel Unruhe als Neugierde entgegen.
 
Der Nachmittag war zur Vorlesung des neuen Trauerspiels bestimmt, wozu
sich gegen vier Uhr außer Iffland, Beil, Beck noch mehrere Schauspieler
einfanden, die nicht Worte genug finden konnten, um ihre tiefe
Verehrung gegen den Dichter sowie über die hohe Erwartung auszudrücken,
die sie von dem neuesten Produkt eines so erhabenen Geistes hätten.
Nachdem sich alle um einen großen, runden Tisch gesetzt hatten,
schickte der Verfasser erst eine kurze Erzählung der wirklichen
Geschichte und eine Erklärung der vorkommenden Personen voraus, worauf
er dann zu lesen anfing.
 
Für S. war das Beisammensehen so berühmter Künstler wie Iffland, Meier,
Beil, von denen das Gerücht Außerordentliches sagte, um so mehr neu
und willkommen, als er noch nie mit einem Schauspieler einigen Umgang
gehabt hatte. Im stillen feierte er schon den Triumph, wie überrascht
diese Leute, die den Dichter mit unverwandten Augen ansahen, über die
vielen schönen Stellen sein würden, die schon in den ersten Szenen,
sowie in den folgenden noch häufiger vorkommen, und sah nicht den
Vorleser, sondern nur die Zuhörer an, um die Eindrücke zu bemerken,
welche die vorzüglichsten Ausdrücke bei ihnen hervorbringen würden.
 
Aber der erste Akt wurde zwar bei größter Stille, jedoch ohne das
geringste Zeichen des Beifalls abgelesen, und er war kaum zu Ende,
als Herr Beil sich entfernte und die übrigen sich von der Geschichte
Fiescos oder andern Tagesneuigkeiten unterhielten.
 
Der zweite Akt wurde von Schiller weiter gelesen, ebenso aufmerksam
wie der erste, aber ohne das geringste Zeichen von Lob oder Beifall
angehört. Alles stand jetzt auf, weil Erfrischungen von Obst, Trauben
etc. herumgegeben wurden. Einer der Schauspieler, namens Frank, schlug
ein Bolzschießen vor, zu dem man auch Anstalt zu machen schien. Allein
nach einer Viertelstunde hatte sich alles verlaufen, und außer den zum
Haus Gehörigen war nur Iffland geblieben, der sich erst um acht Uhr
nachts entfernte.
 
Als ein vollkommener Neuling in der Welt konnte sich S. diese
Gleichgültigkeit, ja diese Abneigung gegen eine so vortreffliche
Dichtung von denen am allerwenigsten erklären, die kaum vor einer
Stunde die größte Bewunderung und Verehrung für Schiller ihm selbst
bezeugt hatten, und es empöre ihn um so heftiger, alle die Sagen von
Neid und Kabale der Schauspieler jetzt schon bestätigt zu sehen, da die
Antwort des Generals Augé wenig Hoffnung ließ, daß sein Freund jemals
zurückkehren dürfe; wo alsdann sein Schicksal bei solchen Leuten sehr
beklagenswert sein müßte.
 
Aber der Unerfahrene sollte noch mehr in Verlegenheit gesetzt werden;
denn als er eben im Begriff war, sich über die ungewöhnliche und
beinahe verächtliche Behandlung Schillers bei Herrn Meier zu beklagen,
zog ihn dieser in das Nebenzimmer und fragte: »Sagen Sie mir jetzt
ganz aufrichtig, wissen Sie gewiß, daß es Schiller ist, der die Räuber
geschrieben?«
 
Zuverlässig! Wie können Sie daran zweifeln?
 
»Wissen Sie gewiß, daß nicht ein anderer dieses Stück geschrieben und
er es nur unter seinem Namen herausgegeben? Oder hat ihm jemand anderer
daran geholfen?«
 
Ich kenne Schillern schon im zweiten Jahre und will mit meinem Leben
dafür bürgen, daß er die Räuber ganz allein geschrieben und ebenso auch
für das Theater abgeändert hat. Aber warum fragen Sie mich dieses alles?
 
»Weil der Fiesco das Allerschlechteste ist, was ich je in meinem Leben
gehört, und weil es unmöglich ist, daß derselbe Schiller, der die
Räuber geschrieben, etwas so Gemeines, Elendes sollte gemacht haben.«
 
S. suchte Herrn Meier zu widerlegen und ihm zu beweisen, daß Fiesco
weit regelmäßiger für die Bühne und darin alles vermieden sei, was an
den Räubern mit Recht so scharf getadelt worden. Er müsse das neue
Stück nur öfter hören oder es selbst durchlesen, dann werde er es
gewiß ganz anders beurteilen und ihm Geschmack abgewinnen. Allein alle
diese Reden waren vergebens. Herr Meier beharrte um so mehr auf seiner
Meinung, weil es ihm als einem erfahrnen Schauspieler zukommen müsse,
aus einigen Szenen den Gehalt des Ganzen sogleich beurteilen zu können,
und sein Schluß war: »Wenn Schiller wirklich die Räuber und Fiesco
geschrieben, so hat er alle seine Kraft an dem ersten Stück erschöpft
und kann nun nichts mehr als lauter erbärmliches, schwülstiges,
unsinniges Zeug hervorbringen.«
 
Dieses Urteil, von einem Mann ausgesprochen, den man nicht nur als
einen vollgültigen Richter, sondern auch als einen solchen Freund
Schillers ansehen durfte, dem an der guten Aufnahme des Stückes beinahe
ebensoviel als dem Verfasser selbst gelegen sei, machte auf S. einen so
betäubenden Eindruck, daß ihm die Sprache für den Augenblick den Dienst
versagte. War dies Herr Meier, der so zu ihm sprach? Hatte er auch
recht gehört? Sollte er die Erwartungen Meiers zu hoch gespannt haben?
Wäre es möglich, daß er sich getäuscht und dasjenige vortrefflich
gefunden, was andere, die man für Kenner gelten lassen mußte, nun
als schlecht, als unsinnig beurteilen? Oder hat sich Meier mit den
andern verschworen, zum Untergang des Stücks und seines Verfassers
mitzuwirken? Diese Fragen, durch das Unbegreifliche des Vorganges und
der Äußerungen Meiers hervorgerufen, machte S. an sich selbst und fand
sie um so quälender, da ihre Auflösung nicht sogleich erfolgen konnte.
Die Abendstunden wurden von den Anwesenden mit größter Verlegenheit
zugebracht. Von Fiesco erwähnte niemand mehr eine Silbe. Schiller
selbst war äußerst verstimmt und nahm mit seinem Gefährten zeitlich
Abschied. Bei dem Weggehen ersuchte ihn Meier, ihm für die Nacht das
Manuskript da zu lassen, indem er nur die zwei ersten Akte gehört und
doch gern wissen möchte, welchen Ausgang das Stück nähme. Schiller
bewilligte diese Bitte sehr gern.
 
Über den kalten Empfang Fiescos, von dem man die willkommenste Aufnahme
erwartet hatte, wurde zu Hause nichts, und überhaupt sehr lange wenig
gesprochen, bis sich Schiller endlich Luft machte und über den Neid,
die Kabale, den Unverstand der Schauspieler Klagen führte. Jetzt zum
erstenmal sprach er den ernstlichen Vorsatz aus, daß, wenn er hier
nicht als Schauspieldichter angestellt oder sein Trauerspiel nicht
angenommen werde, er selbst als Schauspieler auftreten wolle, indem
eigentlich doch niemand so deklamieren könne wie er. S. wollte dem
mißlaunigen Freunde nicht geradezu widersprechen, gab ihm aber doch
zu bedenken, in welche Verlegenheit er seine Mutter und Schwester,
besonders aber seinen Vater setzen würde, wenn sie erfahren müßten, daß
er nun weiter nichts als ein Schauspieler geworden sei, da er selbst
sich doch einen so glänzenden Erfolg von seiner Reise versprochen. Er
erinnerte ihn an das Vorurteil, das man in Stuttgart gegen diesen Stand
hege, wo man zwar dem einzelnen Gerechtigkeit widerfahren lasse, sich
aber doch jedes nähern Umganges mit ihm enthalte. Er möge doch mit
Geduld warten, bis Baron von Dalberg in Mannheim eintreffe, von dem
allein die günstige Wendung seines Schicksals zu hoffen sei.
 
Mit bangen Erwartungen wegen des Endurteils, das über Fiesco und seinen
Verfasser gefällt werden sollte, begab sich S. den andern Morgen
ziemlich früh zu Herrn Meier, der ihn kaum ansichtig wurde, als er
ausrief: »Sie haben recht! Sie haben recht! Fiesco ist ein Meisterstück
und weit besser bearbeitet als die Räuber. Aber wissen Sie auch was
schuld daran ist, daß ich und alle Zuhörer es für das elendeste
Machwerk hielten? Schillers schwäbische Aussprache und die verwünschte
Art, wie er alles deklamiert! Er sagt alles in dem nämlichen
hochtrabenden Ton her, ob es heißt: Er macht die Türe zu, oder ob es
eine Hauptstelle seines Helden ist. Aber jetzt muß das Stück in den
Ausschuß kommen, da wollen wir es uns vorlesen und alles in Bewegung
setzen, um es bald auf das Theater zu bringen!«
 
Der Schluß von Herrn Meiers Rede verwandelte die Niedergeschlagenheit
von S. in eine solche Freude, daß er, ohne Schillern zu entschuldigen
oder die herabsetzende Meinung von dessen Ansprache und
Deklamationsgabe widerlegen zu wollen, augenblicklich nach Hause eilte,
um dem Dichter, der eben aufgestanden war, die angenehme Nachricht zu
hinterbringen, sein Trauerspiel werde bald in lebendigen Gestalten
vor ihm erscheinen. Daß seine Mundart, seine heftige Aussprache den
schlechten Erfolg von gestern hervorgebracht, wurde ihm sorgfältig
verschwiegen, um sein ohnehin krankes Gemüt nicht zu reizen.
 
Am andern Tage traf die Antwort des Generals Augé auf das zweite
Schreiben Schillers ein, welche aber von ganz gleichem Inhalt wie

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