2015년 10월 19일 월요일

Schillers Flucht von Stuttgart 16

Schillers Flucht von Stuttgart 16



Dieses Gedicht, von dem sich der Verfasser dieses nur noch folgender
zwei Verse:
 
»Süßer Amor, verweile
Im melodischen Flug«
 
mit Zuverlässigkeit erinnert, war eines der vollkommensten, die
Schiller bisher gemacht und an schönen Bildern, Ausdruck und Harmonie
der Sprache so hinreißend, daß er selbst -- was bei seinen anderen
Arbeiten nicht oft eintraf -- ganz damit zufrieden schien und seinen
jungen Freund mehrmals durch dessen Vorlesung erfreute. Leider ging es
in den nächsten vier Wochen (wie der Leser später erfahren wird) mit
noch andern Sachen, wahrscheinlich durch die Zerstreuung des Dichters
selbst, in Verlust, indem sich in der von ihm herausgegebenen Sammlung
seiner Gedichte keine Spur davon findet und das meiste davon der
Bekanntmachung fast würdiger gewesen wäre als einige Stücke aus seiner
frühern Zeit.
 
Von dem Buchhändler kam Schiller aber ganz mißmutig wieder zurück,
indem er fünfundzwanzig Gulden dafür verlangte, jener jedoch nur
achtzehn geben wollte. So benötigt er aber auch dieser kleinen Summe
war, konnte er es doch nicht über sich gewinnen, diese Arbeit unter
dem einmal ausgesprochenen Preise wegzugeben, und zwar sowohl aus
herzlicher Verachtung gegen alle Knickerei als auch, weil er den
Wert des Gedichtes selbst nicht gering achtete. Endlich, nachdem
der Reichtum der geängstigten Freunde schon in kleine Scheidemünze
sich umgewandelt hatte, kamen den nächsten Tag auf dem Postwagen die
bescheidenen dreißig Gulden für S. an, der auch ohne das geringste
Bedenken für jetzt seinen Plan nach Hamburg aufgab und bei Schillern
blieb, um ihn nach seinem neuen Aufenthaltsorte zu begleiten. Dieser
schrieb noch am nämlichen Abend an Herrn Meier, daß er den nächsten
Vormittag nach Mainz abgehen, am folgenden Abend in Worms eintreffen
werde, wo er auf der Post Nachricht erwarte, wohin er sich zu begeben
habe, um ihn zu sprechen und den Ort zu bestimmen, in welchem er sein
Trauerspiel ruhig umarbeiten könne. Gleich den andern Morgen begaben
sich die Reisenden auf das von Frankfurt nach Mainz täglich abgehende
Marktschiff, mit welchem sie des Nachmittags bei guter Zeit in
letztbenannter Stadt anlangten, dort sogleich in einem Gasthofe das
Wenige, was sie bei sich hatten, ablegten und noch ausgingen, um den
Dom und die Stadt zu besichtigen.
 
Am nächsten Tage verließen sie Mainz sehr früh, wo sie, die Favorite
vorbei, den herrlichen Anblick des Zusammentreffens vom Rhein- und
Mainstrome bei der schönsten Morgenbeleuchtung genossen und den echt
deutschen Eigensinn bewunderten, mit welchem beide Gewässer ihre
Abneigung zur Vereinigung durch den scharfen Abschnitt ihrer bläulichen
und gelben Farben bezeichneten.
 
Da man auf den Abend in Worms eintreffen wollte, so mußten die Wanderer
als ungeübte Fußgänger sich ziemlich anstrengen, um den neun Stunden
langen Weg zurückzulegen. Als noch am Vormittag Nierenstein erreicht
wurde, konnten beide der Versuchung nicht widerstehen, sich an dem in
der Gegend wachsenden Wein, den sie nur aus den Lobeserhebungen der
Dichter kannten, zu stärken, welches besonders Schiller, der von Mainz
bis hierher nur wenige Worte gesprochen, sehr zu bedürfen schien. Sie
traten in das zunächst am Rhein gelegene Wirtshaus und erhielten dort
durch Bitten und Vorstellungen einen Schoppen oder ein Viertelmaß von
dem besten ältesten Weine, der sich im Keller fand und der mit einem
kleinen Taler bezahlt werden mußte.
 
Als Nichtkenner edler Weine schien es ihnen, daß bei diesem Getränk wie
bei vielen berühmten Gegenständen der Ruf größer sei, als die Sache
verdiene. Aber als sie ins Freie gelangten, als die Füße sich leichter
hoben, der Sinn munterer wurde, die Zukunft ihre düstere Hülle etwas
lüftete und man ihr mit mehr Mut als bisher entgegenzutreten wagte,
glaubten sie einen wahren Herzenströster in ihm entdeckt zu haben, und
ließen dem edlen Weine volle Gerechtigkeit angedeihen. Dieser angenehme
Zustand erstreckte sich aber kaum über drei Stunden; denn so fest
auch der Wille war, so sehr die Notwendigkeit zur Eile antrieb, so
konnte Schiller doch das anstrengende Gehen kaum bis in die Mitte des
Nachmittags aushalten; was aber vorzüglich daher kommen mochte, weil er
immer in Gedanken verloren war, und nichts so sehr ermüdet als tiefes
Nachdenken, wenn der Körper in Bewegung ist. Man entschloß sich daher
eine Station weit zu fahren, wodurch es allein möglich war, daß Worms
um neun Uhr nachts erreicht wurde.
 
Am andern Morgen fand Schiller auf der Post einen Brief des Herrn
Meier, worin dieser die Nachricht gab, daß er diesen Nachmittag mit
seiner Frau in Oggersheim in dem Gasthause, zum Viehhof genannt,
eintreffen wolle, wo er ihn zu sehen hoffe, um weitere Abrede mit ihm
nehmen zu können. Die Reisenden begaben sich um so ruhiger auf den
Weg, als sie hoffen durften, daß endlich aller Ungewißheit ein Ende
sein würde, und trafen zur gesetzten Zeit in Oggersheim ein, wo sie
auch schon Herrn und Madame Meier nebst zwei Verehrern des Dichters
vorfanden.
 
Für Herrn Meier war es eine unangenehme, lästige Aufgabe, dem jungen
Manne, den er als Dichter und Menschen gleich hoch achtete, die
Ansichten des Baron Dalberg über Fiesco und warum er sich in keinen
Vorschuß einlassen könne, auseinander zu setzen. Er wußte jedoch seinen
Ausdrücken eine solche Wendung zu geben, daß sie keinen der beiden
Gegenstände hart berührten, sondern alles so gelind als natürlich
darstellten. Auch gab er die Versicherung, daß Fiesco unbezweifelt
angenommen werde, sobald er um mehrere Szenen abgekürzt und der fünfte
Akt ganz beendigt sei. Schiller benahm sich auch bei dieser Gelegenheit
wahrhaft edel und weit über das Gewöhnliche erhaben; denn so sehr ihm
aus oben berührten Rücksichten daran gelegen sein mußte, den Preis
seines Stückes schon jetzt zu haben, so sehr er auch sein in den Baron
Dalberg gesetztes Vertrauen nur durch Ausflüchte erwidert fand, so
sprach er doch kein Wort, das irgend eine Art von Empfindlichkeit über
die vereitelte Hoffnung hätte erraten lassen oder als Widerlegung der
über Fiesco gemachten Bemerkungen hätte ausgelegt werden können. Mit
der freundlichen, männlichen Art, die im Umgang ihm ganz gewöhnlich
war, leitete er das Gespräch darauf hin, den Ort zu bestimmen, wo er
sich einige Wochen, als solange die Umarbeitung wohl dauern werde,
ruhig und ohne Gefahr aufhalten könne. Aus vielen Ursachen wurde es
am besten befunden, wenn er hier in Oggersheim bleibe. Dieses sei nur
eine kleine Stunde von Mannheim entfernt, er könne, so oft er es nötig
finde, des Abends in die Stadt kommen und wäre in der Nähe seiner
Bekannten und Freunde wenigstens nicht ganz ohne Hilfe, wenn sich etwas
Widriges ereignen sollte.
 
Da die von Madame Meier den Reisenden eingehändigten Briefe aus
Stuttgart noch immer von Gefahr der Auslieferung sprachen und die
möglichste Verborgenheit empfahlen, so wurde der Name Ritter, den
Schiller bisher geführt, in Doktor Schmidt umgewandelt und er von
den Anwesenden in Gegenwart des herbeigerufenen Wirtes also gleich
mit diesem Titel angeredet. Auch hier wurde der Betrag für Kost und
Wohnung auf den Tag bedungen und Madame Meier ersucht, die in Mannheim
gebliebenen Koffer und das Klavier den Reisenden übermachen zu wollen.
Der eintretende Abend schied die Gesellschaft. Die Freunde, nun wieder
ganz auf sich eingeschränkt, begaben sich auf das ihnen angewiesene
Zimmer, wo sie aber nur ein einziges Bett vorfanden, mit dem sie sich
begnügen mußten.
 
Da man die täglichen Kosten des Aufenthaltes wußte, so ließ sich
leicht berechnen, daß die Barschaft auf höchstens drei Wochen
ausreichen könne, in welcher Zeit Schiller seine Arbeit zu beendigen
hoffte. Allein es ließ sich leicht voraussehen, daß dieses nicht der
Fall sein würde, indem er viel zu sehr mit seinem neuen Trauerspiel
beschäftigt war und schon am ersten Abend in Oggersheim den Plan
desselben aufzuzeichnen anfing. Gleich bei dem Entwurf desselben
hatte er sich vorgenommen, die vorkommenden Charaktere den eigensten
Persönlichkeiten der Mitglieder von der Mannheimer Bühne so anzupassen,
daß jedes nicht nur in seinem gewöhnlichen Rollenfache sich bewegen,
sondern auch ganz so wie im wirklichen Leben zeigen könne. Im voraus
schon ergötzte er sich oft daran, wie Herr Beil den Musikus Miller so
recht naiv-drollig darstellen werde und welche Wirkung solche komische
Auftritte gegen die darauffolgenden tragischen auf die Zuschauer
machen müßten. Da er die Werke Shakespeares nur gelesen, aber keines
seiner Stücke hatte aufführen sehen, so konnte er auch noch nicht aus
der Erfahrung wissen, wie viele Kunst von seiten des Darstellers dazu
gehöre, um solchen Kontrasten das Scharfe, das Grelle zu benehmen, und
wie klein die Anzahl derer im Publikum ist, welche die große Einsicht
des Dichters oder die Selbstverleugnung des Schauspielers zu würdigen
verstehen.
 
Er war so eifrig beschäftigt, alles das niederzuschreiben, was er bis
jetzt darüber in Gedanken entworfen hatte, daß er während ganzer acht
Tage nur auf Minuten das Zimmer verließ. Die langen Herbstabende wußte
er für sein Nachdenken auf eine Art zu benützen, die demselben eben
so förderlich als für ihn angenehm war. Denn schon in Stuttgart ließ
sich immer wahrnehmen, daß er durch Anhören trauriger oder lebhafter
Musik außer sich selbst versetzt wurde, und daß es nichts weniger als
viele Kunst erforderte, durch passendes Spiel auf dem Klavier alle
Affekte in ihm aufzureizen. Nun mit einer Arbeit beschäftigt, welche
das Gefühl auf die schmerzhafteste Art erschüttern sollte, konnte ihm
nichts erwünschter sein, als in seiner Wohnung das Mittel zu besitzen,
das seine Begeisterung unterhalten oder das Zuströmen von Gedanken
erleichtern könne.
 
Er machte daher meistens schon bei dem Mittagtische mit der
bescheidensten Zutraulichkeit die Frage an S.: »Werden Sie nicht heute
abend wieder Klavier spielen?« -- Wenn nun die Dämmerung eintrat, wurde
sein Wunsch erfüllt, während dem er im Zimmer, das oft bloß durch das
Mondlicht beleuchtet war, mehrere Stunden auf und ab ging und nicht
selten in unvernehmliche, begeisterte Laute ausbrach.
 
Auf diese Art verflossen einige Wochen, bis er dazu gelangte, über die
bei Fiesco zu treffenden Veränderungen mit einigem Ernste nachzudenken;
denn so lang er sich von den Hauptsachen seiner neuen Arbeit nicht
loswinden konnte, so lange diese nicht entschieden vor ihm lagen, so
lang er die Anzahl der vorkommenden Personen und wie sie verwendet
werden sollten, nicht bestimmt hatte, war auch keine innere Ruhe
möglich.
 
Erst nachdem er hierüber in Gewißheit war, konnte er die Anordnungen
in dem frühern Trauerspiel beginnen, wobei er aber dennoch den Ausgang
desselben vorläufig unentschieden lassen mußte. Daß dieser Ausgang
nicht so sein dürfe, wie er durch die Geschichte angegeben wird, wo ihn
ein unglücklicher Zufall herbeiführt, blieb für immer ausgemacht. Daß
er tragisch, daß er der Würde des Ganzen angemessen sein müsse, war
ebenso unzweifelhaft. Nur blieb die schwierige Frage zu lösen, wie,
durch wen oder auf welche Art das Ende herbeizuführen sei? Schiller
konnte hierüber so wenig mit sich einig werden, daß er sich vornahm,

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