2015년 10월 19일 월요일

Schillers Flucht von Stuttgart 17

Schillers Flucht von Stuttgart 17


Daß Schiller unter diesen Hochbegünstigten Apollos einer der
vorzüglichsten war, dafür spricht jede Zeile, die er niederschrieb.
Aber auch ungerechnet die Verhinderungen, welche ihm sein eignes Talent
in den Weg brachten, konnte die Ursache, wegen welcher er den Fiesco
gerade jetzt beendigen mußte, für ihn nichts weniger als erfreulich
sein. Denn so hoch er die Gaben des Himmels achtete, so gleichgültig
war er gegen diejenigen, welche die Erde bietet, und es war gewiß nicht
ermunternd, zur Erwerbung der letzteren sich gezwungen zu wissen. Der
Aufenthalt in Oggersheim war in dem feuchten, trüben Oktobermonat
gleichfalls nicht erheiternd.
 
Mochten auch die nach Mannheim und Frankenthal führenden Pappelalleen
anfangs recht hübsch aussehen, so fand man doch bald, daß sie nur darum
angepflanzt seien, um die flache, kahle, sandige Gegend zu verbergen;
daher waren die Reisenden um so früher an der mageren Aussicht
gesättigt, als sie von zarter Jugend an an die üppigen Umgebungen von
Ludwigsburg und Stuttgart gewöhnt waren, wo, besonders bei letzterer
Stadt, überall Gebirge das Auge erfreuen oder schon die ersten
Schritte aus den Stadttoren in Gärten oder gut gepflegte Weinberge
führen.
 
Im Hause selbst war der Wirt von rauher, harter Gemütsart, welche seine
Frau und Tochter, die sehr sanft und freundlich waren, öfters auf die
heftigste Art empfinden mußten. Nur der Kaufmann des Orts war ein Mann,
mit dem sich über mancherlei Gegenstände sprechen ließ, da er ein sehr
großer Freund von Büchern und, zu seinem nicht geringen Nachteil, ein
wahrhaft ausübender Philosoph war. Wollte Schiller mit Meier oder Herrn
Schwan sich unterreden, so konnte er nur um die Zeit der Dämmerung
in die Stadt gehen, wo er dann über Nacht bleiben mußte und erst bei
Anbruch des Tages zurückkehren konnte. S. war, was diesen Umstand
betraf, viel freier, weil er für sich keine Gefahr befürchten zu
dürfen glaubte. Er war manchen halben Tag daselbst, um Bekanntschaften
anzuknüpfen, die ihm in der Folge sehr nützlich wurden.
 
Der Oktober nahte sich seinem Ende und mit diesem auch die Barschaft,
welche beide mit hieher gebracht hatten. Es blieb kein anderes Mittel,
als daß S. noch einmal nach Hause schrieb und seine Mutter bat, ihm den
Rest des ihm nach Hamburg bestimmten Reisegeldes hieher zu schicken,
indem er wahrscheinlich genötigt sein werde, in Mannheim zu bleiben,
wenn sich das Schicksal Schillers nicht so vollständig verbessere, als
beide erwarteten.
 
Endlich war in den ersten Tagen des Novembers das Trauerspiel Fiesco
für das Theater umgearbeitet und ihm der Schluß gegeben worden, welcher
der Geschichte, der Wahrscheinlichkeit am angemessensten schien. Man
darf glauben, daß die letzten Szenen dem Dichter weit mehr Nachdenken
kosteten als das ganze übrige Stück, und daß er den begangenen Fehler,
die Art des Schlusses nicht genau vorher bestimmt zu haben, mit großer
Mühe gut zu machen suchen mußte. Aber in welchen unruhigen Umständen
befand sich der unglückliche Jüngling, als er dieses Trauerspiel
entwarf! Und wie war die jetzige Zeit beschaffen, in welcher er
ein Werk ausführen sollte, zu dem die ruhigste, heiterste Stimmung
erfordert wird, die durch keine Bedrückung des täglichen Lebens,
keine Beängstigung wegen der Zukunft gestört werden darf, wenn die
Arbeit zur Vollkommenheit gebracht werden soll! Seine lebhafte, kühne
Phantasie, sonst immer gewöhnt sich mit den Schwingen des Adlers in
den höchsten Regionen zu wiegen, wie stark war diese von der traurigen
Gegenwart niedergehalten! Mit welchen schweren bleiernen Gewichten zu
dem Gemeinen, Niedrigen des Lebens herabgezogen! -- In den verflossenen
neun Jahren durfte er seinem leidenschaftlichen Hang zur Dichtkunst
nur verstohlenerweise einige Minuten, höchstens Stunden opfern; denn
er mußte Studien treiben und Geschäfte verrichten, die mit seinen
Neigungen, seinem mit poetischen Bildern überfüllten Geist in dem
härtesten Widerspruch standen; und es gehörten so reiche Anlagen wie er
besaß dazu, um über die vielen stets sich erneuernden Kämpfe nicht in
Wahnsinn zu verfallen, sowie sein weiches, zartes Gemüt, um sich allen
Anforderungen zu fügen. Ohne eigne Erfahrung hätte er in späterer Zeit
seinen poetischen Lebenslauf in der herrlichen Dichtung »Pegasus im
Joche« unmöglich so getreu darstellen, so natürlich zeichnen können,
daß derjenige, der mit seinen Verhältnissen vertraut war, recht wohl
die Vorfälle deuten kann, auf die es sich bezieht. Laßt uns den Dichter
wegen der Mängel, die sich in Fiesco, in Kabale und Liebe finden, nicht
tadeln; vielmehr verdient es die höchste Bewunderung, daß er bei den
ungünstigsten äußern Umständen die Kräfte seines Talentes noch so weit
bemeistern konnte, um zwei Werke zu liefern, denen, um ihrer vielen und
großen Schönheiten willen, die späte Nachwelt noch ihre Achtung nicht
versagen wird.
 
Mit weit mehr Ruhe und Zufriedenheit als früher begab sich Schiller
nach der Stadt, um Herrn Meier das fertige und ins Reine geschriebene
Manuskript einzuhändigen. Da er alles geleistet, was der Gegenstand
zuließ, oder von dem er hoffen konnte, daß es den Wünschen des Baron
Dalberg sowie zugleich den Forderungen der Bühne angemessen sei, so
glaubte er auch, daß seine Bedrängnisse bald beendigt sein würden und
er das Leben auf einige Zeit mit frohem Mute werde genießen können.
Es verging jedoch eine ganze Woche, ohne daß der Dichter eine Antwort
erhielt, die ihm doch auf die nächsten Tage zugesagt worden. Um der
Ungewißheit ein Ende zu machen, entschloß er sich an Baron Dalberg
zu schreiben und sich noch einmal zu Herrn Meier zu begeben, um eine
Auskunft über das, was er erwarten könne, zu erhalten.
 
Es war gegen die Mitte Novembers, als Schiller und S. des Abends
bei Herrn Meier eintraten und diesen nebst seiner Gattin in größter
Bestürzung fanden, weil kaum vor einer Stunde ein württembergischer
Offizier bei ihnen gewesen sei, der sich angelegentlich nach Schillern
erkundigt habe. Herr Meier hatte nichts gewisser vermutet, als
daß dieser Offizier den Auftrag habe, Schillern zu verhaften, und
demzufolge beteuert, daß er nicht wisse, wo dieser sich gegenwärtig
befinde. Während dieser Erklärung klingelte die Haustür und man wußte
in der Eile nichts Besseres zu tun, als Schiller mit S. in einem
Kabinett, das eine Tapetentür hatte, zu verbergen. Der Eintretende war
ein Bekannter vom Hause, der gleichfalls voll Bestürzung aussagte:
er habe den Offizier auf dem Kaffeehause gesprochen, der nicht nur
bei ihm, sondern auch bei mehreren Anwesenden sehr sorgfältig nach
Schillern gefragt habe; allein er seinerseits hätte versichert, daß
der Aufenthalt desselben jetzt ganz unbekannt wäre, indem er schon vor
zwei Monaten nach Sachsen abgereist sei. Die Geflüchteten kamen aus
ihrem Versteck hervor, um die Uniformsaufschläge und das Persönliche
des Offiziers zu erforschen, weil es vielleicht auch einer von den
Bekannten Schillers sein konnte; allein die Angaben über alles waren so
abweichend, daß man unmöglich auf eine bestimmte Person raten konnte.
Noch einigemal wiederholte sich dieselbe Szene durch neu Ankommende,
die mit den andern voller Ängstlichkeit um die beiden Freunde waren,
weil diese mit Sicherheit weder in der Stadt übernachten, noch auch
nach Oggersheim zurückgehen konnten.
 
Wie aber der feine, gewandte Sinn des zarteren Geschlechtes allezeit
noch Auswege findet, um Verlegenheiten zu entwirren, wenn die Männer
-- immer gewohnt nur starke Mittel anzuwenden -- nicht mehr Rat zu
schaffen wissen, so wurde auch jetzt von einem schönen Munde ganz
unerwartet das Mittel zur Rettung ausgesprochen. Madame Curioni (mit
Dank sei heute noch ihr Name genannt) erbot sich, Schillern und S.
in dem Palais des Prinzen von Baden, über welches sie Aufsicht und
Vollmacht hatte, nicht nur für heute, sondern solange zu verbergen, als
noch eine Verfolgung zu befürchten wäre. Dieses mit der anmutigsten
Güte gemachte Anerbieten wurde mit um so lebhafterer Erkenntlichkeit
aufgenommen, da man daselbst am leichtesten unerkannt sein konnte und
sich auch niemand in der Absicht, um jemand zu verhaften, in dieses
Palais hätte wagen dürfen. Auf der Stelle wurden die nötigen Anstalten
zur Aufnahme der verfolgt Geglaubten getroffen und sie dann sogleich
dahin geleitet. Herr Meier hatte versprochen, am nächsten Morgen zum
ersten Sekretär des Ministers Grafen von Oberndorf zu gehen, um diesen,
da er ihn sehr gut kenne, zu fragen, ob der Offizier in Aufträgen an
das Gouvernement hier gewesen sei?
 
Das Zimmer, welches den beiden Freunden als Zuflucht angewiesen worden,
war sehr schön und geschmackvoll, mit Notwendigem sowie Überflüssigem
ausgestattet. Unter den zahlreichen Kupferstichen, mit denen die Wände
behangen waren, befanden sich auch die zwölf Schlachten Alexanders, von
Lebrun, welche den Betrachtenden bis spät in die Nacht die angenehmste
Unterhaltung gewährten. Gegen zehn Uhr des andern Morgens wagte sich S.
aus dem Palais, um sich zu Herrn Meier zu begeben und zu vernehmen, ob
etwas zu befürchten sei? Diesen aber hatten seine eignen Sorgen schon
in aller Frühe zu dem Sekretär des Ministers getrieben, von dem er die
Versicherung erhielt, daß der Offizier keine Aufträge an Graf Oberndorf
gehabt und sich auch aus dem Meldezettel des Gastwirt ergebe, daß er
schon gestern abend um sieben Uhr abgereist sei. Nach einigen kurzen
Besuchen begab sich S. sogleich zu Schillern, um ihm diese beruhigende
Kunde zu überbringen und ihn aus seinem schönen Gefängnis zu befreien,
welches er auch sogleich verließ, um sich zu Herrn Meier zu verfügen.
 
Hier wurde nun die unsichere Lage des Dichters umständlich besprochen,
welche der unnützen Angst von gestern ungeachtet, ebenso gefährlich
für ihn selbst als für jeden, der Anteil an ihm nahm, beunruhigend
schien. Schiller mußte zugeben, daß er für jetzt nicht in Mannheim
verweilen könne, so willkommen es ihm auch gewesen wäre, für das
Theater wirksam zu sein und zugleich durch Anschauung der aufgeführten
Stücke seine Einsicht in das Mechanische der Bühne zu erweitern. Daher
wurde mit allgemeiner Zustimmung seiner Freunde von ihm beschlossen,
daß, sobald die Annahme seines Fiesco entschieden sei, er sich
sogleich nach Sachsen begeben wolle. Daß er, aller etwa anzustellenden
Nachforschungen ungeachtet, daselbst einen sichern, von allen Sorgen
befreiten Aufenthalt finden könne, dafür hatte er glücklicherweise
schon in Stuttgart Anstalten getroffen. Frau von Wolzogen, die ihn
sehr hoch achtete, und deren Söhne mit ihm zugleich in der Akademie
erzogen worden, hatte ihm, als er ihr nach seinem Arrest den Vorsatz,
von Stuttgart entfliehen zu wollen, vertraute, feierlich zugesagt, ihn
auf ihrem in der Nähe von Meiningen liegenden Gute -- Bauerbach --
solange wohnen und mit allem Nötigen versehen zu lassen, als er von
dem Herzog eine Verfolgung zu befürchten habe. Dieses in einer guten
Stunde erhaltene Versprechen wollte jetzt Schiller benützen und schrieb
sogleich an diese Dame nach Stuttgart, wo sie sich aufhielt, um die
nötigen Vollmachten, damit er in Bauerbach aufgenommen werde.
 
Gegen Ende Novembers erfolgte endlich die Entscheidung des Baron
Dalberg über Fiesco, welche ganz kurz besagte: »Daß dieses Trauerspiel
auch in der vorliegenden Umarbeitung nicht brauchbar sei, folglich
dasselbe auch nicht angenommen oder etwas dafür vergütet werden könne.«
 
So zerschmetternd für Schiller ein Ausspruch sein mußte, der die
Hoffnung, das quälende, seine schönsten Augenblicke verpestende
Gespenst einer kaum des Namens werten Schuld von sich zu entfernen,
auf lange Zeit zerriß -- so sehr er es auch bereute, daß er sich

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