2015년 10월 18일 일요일

Schillers Flucht von Stuttgart 5

Schillers Flucht von Stuttgart 5


Du hast den Elefant aus Erde aufgetürmt,
Und seinen Knochenberg beseelt,«
 
war ein Ausdruck, den Schiller nebst so vielen andern dieses Dichters
nicht nur damals, sondern auch dann noch mit Bewunderung anführte, als
seine erste Jugendzeit längst verflogen war.
 
Jedoch nicht nur das Beispiel Hallers erleichterte ihm die
Selbstentschuldigung wegen seines Hangs für die Dichtkunst, sondern es
waren in der Abteilung, in welche er jetzt versetzt war, noch mehrere
Zöglinge, die eine gleiche Leidenschaft für Genüsse des Geistes und
Gemütes hatten, unter denen sich Petersen Hoven, Massenbach und andere
als Dichter oder Schriftsteller später bekannt gemacht haben. Je
erkünstelter der Fleiß war, mit dem diese jungen Leute ihr Hauptstudium
trieben, je gieriger suchten sie Erholung in dichterischen Werken, von
denen endlich die von Goethe und Wieland ihnen die liebsten waren. Ihre
natürlichen Anlagen verleiteten sie, bei dem bloßen Lesen und Genießen
nicht stehen zu bleiben, sondern ihre Kräfte auch an eignen Aufsätzen
oder poetischen Darstellungen zu versuchen. Und daß keiner seine Arbeit
den anderen verheimlichte; daß jeder mit größter Offenheit getadelt
oder gelobt wurde; daß diese Jünglinge sich in ungewöhnlichen oder
verwegenen Dichtungen zu überbieten suchten, war eine natürliche Folge
ihrer Jahre und des Zwanges, dem sie unterworfen waren. Die gleiche
Lieblingsneigung, die sie nur verstohlenerweise befriedigen durften,
die gleiche Subordination, unter die sie ihren Willen beugen mußten,
ketteten sie so fest aneinander, daß sie in der Folge sich nie trafen,
ohne ihre Freude durch die fröhlichste Laune, oft durch wahren Jubel zu
bezeugen.
 
Unter allen diesen Schriften aber machten diejenigen, die für das
Theater geschrieben waren, den meisten Eindruck auf den jungen
Schiller. Jede Handlung im ganzen, jede Szene im einzelnen weckte
in ihm eine der schlummernden Kräfte, deren die Natur für diese
Dichtungsart so viele in ihn gelegt hatte, und die so reizbar waren,
daß er mit einem dramatischen Gedanken nur angehaucht zu werden
brauchte, um sogleich in Flammen der Begeisterung aufzulodern.
In seinem zehnten Jahre hatte er zwar schon in Ludwigsburg Opern
gesehen, die der Herzog mit allem Pomp, mit aller Kunst damaliger Zeit
aufführen ließ. So neu und wundervoll dem empfänglichen Knaben der
schnelle Wechsel prachtvoller Dekorationen, das Anschauen künstlicher
Elefanten, Löwen etc., die Aufzüge mit Pferden, das Anhören großer
Sänger, von einem trefflichen Orchester begleitet, der Anblick von
Balletten, die von Noverre eingerichtet, von Vestris getanzt wurden
-- so sehr dieses alles, vereinigt, ihn auch außer sich versetzen
mußte, so hatte es doch nur die äußern Sinne des Auges, des Ohres
berührt, aber Gefühl und Gemüt weder angesprochen noch befriedigt.
Dagegen waren Julius von Tarent, Ugolino, Götz von Berlichingen
und, einige Jahre vor seinem Austritt, alle Stücke von Shakespeare
diejenigen Werke, welche mit allen seinen Gedanken und Empfindungen
so übereinstimmten, seines Geistes sich dergestalt bemeisterten, daß
er schon in seinem siebzehnten Jahre sich an dramatische Versuche
wagte und das später so berühmte Trauerspiel, die Räuber, zu entwerfen
anfing. Gaben die genannten Schriften seiner Vorliebe für dramatische
Poesie schon überflüssige Nahrung, so wurde seine Neigung, sowie für
schöne Kunst überhaupt, schon dadurch unterhalten und bestärkt, daß
er mit jenen Zöglingen, die sich für die Bühne, die Tonkunst oder
Malerei bestimmt hatten, im genauen Umgange stand. Denn so streng auch
in dieser Akademie darauf gehalten wurde, daß jeder die Gegenstände
seines künftigen Berufes auf das gründlichste erlerne, so war, wenn
diesen Forderungen Genüge geleistet wurde, der Umgang der Zöglinge
untereinander gar nicht so beschränkt, daß sie ihre freien Stunden
nicht hätten nach ihrem Willen benützen dürfen, wenn dieser die
allgemeine Ordnung nicht störte. Auch war es denjenigen unter ihnen,
die Gefallen daran fanden, alle Jahre einigemal erlaubt, Theaterstücke
in einem akademischen Saale aufzuführen, bei denen aber die weiblichen
Rollen gleichfalls von Jünglingen besetzt werden mußten. Schiller
konnte dem Drange nicht widerstehen, sich auch als Schauspieler
zu versuchen, und übernahm im Clavigo eine Rolle, die er aber so
darstellte, daß sein Spiel noch lange nachher sowohl ihm als seinen
Freunden reichen Stoff zum Lachen und zur Satire verschaffte.
 
Es konnte jedoch nicht anders kommen, als daß diese dichterischen
Zerstreuungen nur zum Nachteil seiner medizinischen Studien genossen
wurden, und daß er manchen Verdruß mit seinem Hauptmann sowie öfters
Vorwürfe von seinen Professoren sich zuzog, wenn er das aufgegebene
Pensum nicht gehörig abgearbeitet hatte.
 
Und dennoch, sowohl aus Liebe zu seinen Eltern, denen er Freude zu
machen wünschte, als aus Ehrgeiz und edlem Stolze, war sein Fleiß
aufrichtiger und größer als der seiner Mitschüler. Aber geschah es
denn mit seinem Willen, daß ihn mitten im eifrigsten Lernen Bilder
überraschten, die mit denen, die das Buch darbot, nicht die mindeste
Ähnlichkeit hatten! -- War es seine Schuld, daß er anatomische
Zeichnungen, Präparate, fast unmöglich in ihrer eingeschränkten
Beziehung betrachten konnte, sondern seine Phantasie sogleich in dem
Großen, Allgemeinen der ganzen Natur umherschweifte? Oder konnte er es
seiner ihm so treu anhänglichen Muse verwehren, daß sie selbst in den
Kollegien, wenn er mit tiefsinnigem Blick auf den Professor horchte,
ihm etwas zuflüsterte, was seine Ideen von dem Vortrage wegriß und
seinen Geist auch den ernstlichsten Vorsätzen entgegen in dichterische
Gefilde leitete? -- Nichts von allem diesem. Ganz unfreiwillig mußte er
sich diesen Störungen unterwerfen. Wie durch eine zauberische Gewalt
herbeigeführt, gärten in seinem Innern Bilder und Entwürfe, die immer
stärker andrängten, je mehr der Mann sich in ihm entwickelte und seine
Vorstellungen sich bereicherten.
 
Er selbst sah sehr gut ein, daß er bei diesem nicht ungeteilten Treiben
seiner Berufswissenschaft sehr spät das Ziel erreichen würde, welches
er sich vorgesetzt hatte, und ob auch seine Lehrer die treffenden
Bemerkungen und Antworten von ihm weit höher als den mechanischen
Fleiß der andern achteten, so stellte er doch zu große Forderungen an
sich selbst, als daß ihm seine bisherigen Fortschritte hätten genügen
können. Er beschloß daher in seinem achtzehnten Jahre, so lange nichts
anderes, als was die Medizin betreffe, zu lesen, zu schreiben oder auch
nur zu denken, bis er sich das Wissenschaftliche davon ganz zu eigen
gemacht hätte. Der ungeheuern Überwindung, die es ihn anfangs kostete,
ungeachtet, verfolgte er diesen Vorsatz mit solcher Festigkeit und
studierte die ärztlichen Werke von Haller mit so viel unausgesetztem
Eifer, daß er schon nach Verlauf von kaum drei Monaten eine Prüfung
darüber bestehen konnte, von welcher er die größten Lobsprüche
einerntete. Diese außerordentliche Anstrengung, bei welcher er sich
auch den kleinsten Genuß, selbst ein aufmunterndes Gespräch versagte,
hatte zwar etwas nachteilig auf seinen Körper gewirkt, dagegen aber
ihn mit der Wissenschaft dergestalt vertraut gemacht, daß er nun mit
größter Leichtigkeit auf die Anwendung derselben sowohl in ihren
verschiedenen Fächern als in der Heilkunde selbst übergehen konnte.
 
Das höchste Opfer, welches er seinem künftigen Berufe bringen mußte,
war eine so lange dauernde Entsagung der Dichtkunst, die bei ihm schon
zur Leidenschaft geworden war. Aber er hatte sich von der Geliebten ja
nur entfernt! Untreu konnte er ihr niemals werden; denn so wie er den
Grad des Wissens, der ihn zum Meister der Arzneikunde machen sollte,
einmal erobert hatte, kehrte er mit allem Feuer ungestillter Sehnsucht
in die Arme der Göttin zurück und benutzte jeden freien Augenblick zur
Ausarbeitung seines angefangenen Trauerspiels. Auch dichtete er außer
vielen andern Sachen in diesem Zeitpunkt eine Oper, Semele, die so
großartig gedacht war, daß, wenn sie hätte aufgeführt werden sollen,
alle mechanische Kunst des Theaters damaliger Zeit (und man darf sagen,
auch der jetzigen) nicht ausgereicht haben würde, um sie gehörig
darzustellen.
 
Das Praktische der Medizin kostete ihn nun weit weniger Mühe, als ihm
das Theoretische verursacht hatte. Die Anwendung der vorgeschriebenen
Regeln erhöhten sein Interesse schon darum, weil er ihre Wirkung
beobachten und Bemerkungen darüber äußern konnte, die von seinen
Professoren oft bewundert wurden. Die günstigen Zeugnisse, die sie ihm
erteilten, hatten für ihn die angenehme Folge, daß er mit dem Antritt
seines zweiundzwanzigsten Jahres über eine von ihm selbst geschriebene
Abhandlung öffentlich disputieren durfte und für fähig gehalten
ward, nicht nur aus der Akademie treten, sondern auch eine ärztliche
Anstellung in herzoglichen Diensten bekleiden zu können. Er erhielt zu
Ende des Jahres 1780 bei dem in Stuttgart liegenden Grenadierregiment
Augé die Stelle eines Arztes mit monatlicher Besoldung von achtzehn
Gulden Reichswährung oder fünfzehn Gulden im Zwanzig-Gulden-Fuß.
 
Obwohl die Berufsfähigkeiten Schillers eine würdigere Auszeichnung
verdient hätten und auch die Stelle nebst ihrem kleinen Sold sehr tief
unter der Erwartung der Eltern war, die dem gegebenen Versprechen
des Herzogs gemäß auf eine weit bessere Versorgung gezählt hatten,
so durfte doch von keiner Seite ein Widerspruch erhoben oder eine
Einwendung dagegen gemacht werden.
 
Und derjenige, der die größte Ursache zu klagen gehabt hätte, war am
besten mit dieser Entscheidung zufrieden, weil nun seine Tätigkeit
freien Raum hatte und weil ihm der ungehinderte Gebrauch seiner
Dichtergabe gestattet schien, die sich von Tag zu Tag stärker
entwickelte; denn je mehr ihm der Zwang und die unabänderliche
Regelmäßigkeit mißfiel, in welcher er sieben Jahre seiner schönsten
Jugendzeit zubringen mußte, um so öfter und leidenschaftlicher
beschäftigte er sich mit Entwürfen, wie er einst seine Freiheit
genießen wolle; und als endlich die Hoffnung zur Selbständigkeit,
sowohl ihm als seinen jungen Freunden in Gewißheit überzugehen
anfing, war es ihre einzige, angenehmste Unterhaltung, sich ihre
Wünsche und Vorsätze hierüber mitzuteilen. Die letzteren betrafen
jedoch hauptsächlich literarische Gegenstände, die so tätig ins Werk
gesetzt wurden, daß Schiller sogleich nach dem Antritt seines Amtes
das Schauspiel, die Räuber, das er in den vier letzten Jahren seines
akademischen Aufenthaltes schrieb, gänzlich in Ordnung brachte und
solches zu Anfang des Sommers 1781 im Druck herausgab.
 
Es wäre vergeblich, den Eindruck schildern zu wollen, den diese
Erstgeburt eines Zöglings der hohen Karlsschule und, wie man wußte,
eines Lieblings des Herzogs in dem ruhigen, harmlosen Stuttgart
hervorbrachte, wo man nur mit den frommen, sanften Schriften eines
Gellert, Hagedorn, Ramler, Rabener, Utz, Kramer, Schlegel, Cronegk,
Haller, Klopstock, Stollberg und ähnlicher den Geist nährte; wo
man die Gedichte von Bürger, die Erzählungen von Wieland als das
Äußerste anerkannte, was die Poesie in sittlichen Schilderungen sich
erlauben darf -- wo man Ugolino für das schauderhafteste und Götz
von Berlichingen für das ausschweifendste Produkt erklärte; -- wo
Shakespeare kaum einigen Personen bekannt war und wo gerade die Leiden
Siegwarts, Karl von Burgheim und Sophiens Reise von Memel nach Sachsen
das höchste Interesse der Leseliebhaber erregt hatten. Nur derjenige,

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