2015년 7월 22일 수요일

A German Reader with Practical Exercises 13

A German Reader with Practical Exercises 13



Ich war der einzige Festungsgefangene dort, denn mehr dergleichen
politische Verbrecher hatte das kleine Fürstentum nicht hervorgebracht,
und man ließ mir am Tage ziemlich viel Freiheit, doch wurde ich nachts
sorglich eingeschlossen. Wie sollte ich auch entkommen? An drei Seiten
fiel der Felsen wohl an die hundert Fuß steil ab, und an der vierten,
wo sich zwar ein Weg ins Tal hinabschlängelte, war mir der Ausgang
durch hohe Mauern und mächtige Tore mit Schildwachen davor genügend
versperrt.
 
Über Mangel an Aussicht konnte ich mich an diesem Orte freilich nicht
beklagen, denn der Felsen war ein letzter Ausläufer des am Horizonte
dämmernden Gebirges und lag als einzige wesentliche Erhöhung in einer
sanft gewellten Ebene. Aber nichts ist wohl geeigneter, die Sehnsucht
nach der Freiheit zu verschärfen, als ihr steter, ungehinderter
Anblick. Und an schönen Sommersonntagen wurde diese Sehnsucht fast zum
körperlichen Schmerz in mir, denn an solchen krabbelten auf allen Wegen
die Menschen aus dem Städtchen hervor in die freie Natur, wie Ameisen
aus ihrem Haufen. Auf der Landstraße rollten Wagen und schritten
leichtfüßige Wanderer den blauen Bergen zu. Von den Gasthäusern vor
dem Tore wehten Fahnen, während aus dem Grün der Landschaft farbige
Mädchenkleider und helle Strohhüte hervorschimmerten und bald von hier,
bald von dort eine Tanzmusik oder das Rollen von Kegelkugeln zu mir
heraufschallte. Dann kamen auch wohl leichtgeflügelte Schmetterlinge
aus der Tiefe emporgeflattert, glätteten ihre Flügel ein wenig auf dem
durchsonnten Rasen des Walles und taumelten dann sorglos weiter in die
Freiheit. Die Schwalben, die sich um das alte Gemäuer des Kastells
jagten, schossen dicht über mich hin und riefen wie zum Hohne: ‚Komm
mit, komm mit!‘
 
Als nun dies alles wieder einmal an einem gewissen Sommersonntag
geschah, da glaubte ich’s nicht mehr ertragen zu können und begab mich
auf die entgegengesetzte Seite des Felsens, wo mir der Anblick der
Stadt und das fröhliche Getümmel um sie her gänzlich entzogen war.
Hier strömte aus der weiten Heidefläche ein Fluß dicht an die eine
Wand des Felsens heran und bildete mit diesem einen Winkel, in welchem
ich gerade unter mir den großen Garten eines wohlhabenden Fabrikanten
sah, und etwas weiter entfernt dessen Landhaus. Deutlich wie eine gut
gezeichnete Landkarte lag der Garten mit seinen sauberen Steigen,
Rasenflächen und Gebüschgruppen unter mir, aber auch ebenso leblos wie
eine Landkarte war er meist, denn außer einem alten Gärtner, der sich
dort zu tun machte, und seiner ebenso alten Frau hatte ich noch niemals
einen Menschen darin gesehen.
 
So saß ich nun dort an jenem Sonntagnachmittag, ließ meine Beine über
den Rand des Felsens baumeln und schaute abwechselnd in die saubere
grüne Einsamkeit zu meinen Füßen und dann über den Fluß hinweg auf die
eintönige Heide. Da überkam mich mit einemmal ein Gedanke, der mein
Gehirn mit einem solchen Rausch erfüllte, daß ich mich zurücklehnte
und meine Hände in das Gras klammerte aus Furcht, von einem Schwindel
ergriffen zu werden und plötzlich hinabzustürzen.
 
Es stand nämlich in dem letzten Winkel des Gartens ein uralter
Lindenbaum, und zwar so nahe an dem Felsen, daß seine Zweige diesen
fast berührten. Seine ungeheure grüne Kuppel wogte gerade unter mir,
die Entfernung konnte nicht mehr als zwanzig Fuß betragen. Sonderbar,
daß mir dies bisher nie so aufgefallen war wie jetzt! Wenn ich in den
Baum hineinsprang, war ich ja so gut wie unten. Es hatte auch gar keine
Gefahr, denn die dichtbelaubten, elastischen Zweige würden mich sanft
aufnehmen und den Sturz mildern, und dann: wie oft hatte ich mich nicht
als Knabe so von Zweig zu Zweig absichtlich aus Bäumen fallen lassen!
Das war eine Kunst, die gefährlicher aussah, als sie war, und mir schon
oftmals den Beifall erstaunter Zuschauer eingebracht hatte. Wenn ich
das hier ausführte, konnte ich ja in ein paar Sekunden unten sein. Und
dann war ich frei!
 
Aber wie lange? Ich war ohne Mittel, denn genügendes Geld bekam ich als
Gefangener natürlich nicht in die Hände, und obwohl die Landesgrenze
nicht allzuweit entfernt war, so wäre mir die Flucht doch wohl nur
in einem bereitstehenden Wagen mit schnellen Pferden gelungen. Auch
fehlten mir Legitimationspapiere, und diese waren höchst nötig, um mich
an der Grenze auszuweisen. Woher dies alles nehmen?
 
Doch diese Gedanken kamen mir alle erst später bei ruhiger Überlegung;
zunächst berauschte mich der Gedanke, wie leicht ich entkommen konnte,
wenn ich wollte, so sehr, daß ich förmlich in ihm schwelgte. Falls
ich dort hinabsprang und mich von Zweig zu Zweig stürzen ließ, war
Gefahr nur dann vorhanden, wenn sich zu große Lücken zwischen den Ästen
fanden, oder wenn diese in bedeutender Höhe vom Boden aufhörten. Ich
suchte mir einen anderen Ort auf dem Felsen, legte mich dort auf den
Bauch und betrachtete die Linde ans größerer Entfernung von der Seite.
Sie war so normal gewachsen, wie dies für einen Musterbaum ihrer Art
nur möglich ist, die grüne Kuppel zeigte keinerlei Unterbrechung, und
die untersten Zweige hingen bis auf den Boden hinab.
 
Plötzlich ertönten stramme, taktmäßige Tritte und riefen mich aus
meinen Gedanken zurück. Der Posten, der in dieser Gegend stand, ward
abgelöst, und es schien mir klug, mich zu zeigen, da man sonst wohl
nach mir geforscht hätte. Ich ging deshalb schnell hinter den Wällen
herum und kam, scheinbar gelangweilt, an einer anderen Stelle wieder
zum Vorschein, setzte mich auf eine alte Kanone und schaute wieder auf
die Stadt und das fröhliche Treiben der Landstraßen hin.
 
Im Geiste aber war ich bei meinem alten Lindenbaum. Ich stand am Rande
des Felsens und suchte mit dem Fuße nach einem sicheren Absprung. Nun
war es so weit. Los! Mich schauderte zwar ein wenig, aber es mußte
sein. Wie mir das grüne Laubwerk um die Ohren sauste! Ich war gerade
richtig gesprungen, der Ast gab mächtig nach, aber er brach nicht. Ich
ließ ihn nicht los, bis er sich tief auf den nächsten gebeugt hatte,
und dann rauschte und rutschte ich durch die knickenden kleineren
Zweige tiefer und tiefer von einem Aste zum anderen und schnell war ich
unten. Jetzt hinab an den Fluß und durch die seichten Sommergewässer
an das andere Ufer! Hier das kleine Kieferngehölz verbarg mich
einstweilen. Aber ich mußte weiter, -- weiter über freie Räume, wo ich
fernhin sichtbar war. Nur immer vorwärts der Grenze zu! Vielleicht
bemerkte mich doch niemand. Ein Flüchtling muß Glück haben. Da: ‚Bum!‘
Was war das? Ein Alarmschuß von der Festung! Nun ging die Hetzjagd an.
 
So sehr hatte ich mich in diese Gedanken vertieft, daß es mich wie
eine Erleichterung überkam, als ich mir plötzlich klarmachte, daß
ich ja noch kein gehetztes Wild war, sondern ganz gemächlich am
Sonntagnachmittag auf einer alten Kanone saß und bloß spintisierte.
 
Von nun ab ließ mich der Fluchtgedanke aber nicht mehr los, und sooft
ich es nur ohne Aufsehen zu tun vermochte, studierte ich meinen
alten Lindenbaum, bis ich ihn zuletzt fast auswendig konnte. Den
verhängnisvollen Sprung habe ich im Geiste so oft gemacht, daß es nicht
zu zählen ist. Dabei zermarterte ich mich mit Grübeleien, wie ich mir
Geld und alles sonst zur Flucht Nötige verschaffen möchte, verwarf
einen Plan nach dem anderen und kam zu keinem Ende damit. Denn alles
hing davon ab, daß ich Briefe sicher aus der Festung beförderte, und
ich fand niemand, dem ich mich hätte anvertrauen mögen.
 
Indes war die Zeit der Sommerferien für die Schulkinder gekommen,
und als ich eines Tages wieder in den sonst so verlassenen Garten
des Landhauses hinabschaute, bemerkte ich dort eine wundervolle
Veränderung. Was mir an weiblichen Wesen auf der Festung zu Gesicht
kam, war nicht dazu angetan, mich zu verwöhnen, denn es gehörte zu der
Gattung der Regimentsmegären und Scheuerdrachen; deshalb erschien mir
wohl das junge, etwa siebzehnjährige Mädchen dort unten wie ein Wunder
von Schönheit und lieblicher Bildung, und es erfüllte mich etwas wie
Dankbarkeit gegen den Schöpfer, der solche wohlgerundete Anmut mit
leichter Meisterhand in die Welt gestellt hatte.
 
Während das junge Mädchen, langsam alles betrachtend, durch den Garten
ging, wurde sie von einem ungefähr vierzehnjährigen Knaben umschwärmt,
der mit einem Bogen von Eschenholz leichte Rohrpfeile in die Luft schoß
und sich an ihrem hohen Fluge vergnügte. Durch einen Zufall stieg einer
dieser Pfeile bis zu mir empor und fiel neben mir nieder. Dadurch wurde
der Knabe meiner gewahr und machte seine Schwester auf mich aufmerksam.
Ich nahm meinen Hut ab und warf, indem ich grüßte, den Pfeil wieder
hinunter. Mein Schicksal und meine Anwesenheit auf der Festung waren in
der ganzen Stadt bekannt, und so mochten diese jungen Leute auch wohl
gleich wissen, wen sie vor sich hatten. Denn sie sprachen miteinander
und sahen zu mir empor, der Knabe unverhohlen und voll Neugier, das
Mädchen flüchtiger, aber, wie es mir schien, mit einem Ausdruck von
Mitleid in den schönen Zügen.
 
Da ich nun fortwährend mit Fluchtgedanken beschäftigt war und alles,
was mir passierte, mit diesen in Zusammenhang brachte, so fiel mir
auch jetzt sogleich ein, daß sich hier eine Gelegenheit biete, wieder
mit der Außenwelt in Verbindung zu treten. Wenn das schöne Mädchen mir
vielleicht auch nicht helfen konnte, so würde sie doch gewiß nicht
einen armen Gefangenen verraten, der sich vertrauensvoll in ihre Hand
gab. Aber ein Zweifel fing sofort an mich zu plagen, nämlich, ob ich
das Mädchen wiedersehen würde. Vielleicht war sie nur zu einem kurzen
Besuch in diesem Landhause und kam nie wieder. Aber dennoch arbeitete
ich im Geiste schon an einem ausführlichen Brief, in welchem ich
meine Lage und alles, was zu meiner Befreiung nötig war, gründlich
auseinandersetzte.
 
Als ich gegen Abend wieder in meine Zelle eingeschlossen wurde, schrieb
ich alles sorgfältig auf und setzte die Mittagsstunde von zwölf bis ein
Uhr zu einer Antwort von ihrer Seite fest. Um diese Zeit befanden sich
auf der Festung alle beim Essen, und ich wurde folglich am wenigsten
beobachtet. Auch pflegte sich dann die Schildwache in meiner Nähe einer
stillen, innerlichen Beschaulichkeit hinzugeben. Ihre Antwort sollte
das Mädchen auf ein Zettelchen schreiben, dieses mit ein wenig Wachs
oder Pech an einen Rohrpfeil kleben und durch ihren Bruder zu mir
hinaufschießen lassen.
 
Mit fieberhafter Spannung wartete ich am anderen Tage darauf, daß
die Schöne wieder im Garten erschiene, doch vergebens: alles blieb
leer. Nur der Knabe tollte eine Weile dort herum und übte sich mit
langen, schlanken Gerten, die er als Wurfspieße benutzte. Endlich, am
Nachmittag, sah ich das helle Kleid aus dem Grün hervorleuchten. Das
Mädchen ging langsam durch den Garten und verschwand unter dem alten
Lindenbaum. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie wieder zum Vorschein kam,
nun aber wandelte sie auf dem Steige unter mir hin. Jetzt galt es. Ich
räusperte mich, so laut ich konnte, und sobald sie aufblickte, zeigte
ich meinen mit einem Steine beschwerten Brief. Als sie verwundert und
etwas verwirrt wegsah, warf ich ihn hinab. Er fiel ihr gerade vor die
Füße, und ich bemerkte, wie sie erschrak und im ersten Augenblick
weiterging, ohne ihn aufzunehmen. Dann besann sie sich, kehrte um,
hob das Papier auf und ging damit unter den Lindenbaum zurück. Nach
einer Weile kam sie wieder hervor und schritt, mir den Rücken wendend,
langsam auf das Haus zu. Wie im Krampfe zog sich mein Herz zusammen,
als sie so, ohne ein Zeichen zu geben, davonging. Doch da! Plötzlich
blieb sie stehen und ließ flüchtig den Blick zu mir heraufgleiten. Dann
wendete sie sich wieder ab, nickte dreimal eindringlich mit dem Kopf und lief eilig dem Hause zu.

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