2015년 7월 22일 수요일

A German Reader with Practical Exercises 12

A German Reader with Practical Exercises 12


Der Schmied war starr vor Entsetzen. Es war, als ob der Lärm durch alle
Lücken des Hauses hereindränge und an allen Türen rüttelte, als ob
gräßliche Stimmen durch die Esse herabriefen. Da, mit einem Schlage,
hörte alles auf, es ward eine Weile totenstill, aber gleich darauf
erscholl vom Hoftor her ein lautes, ungestümes Pochen und der herrische
Ruf: ‚Auf da! Mach’ auf!‘
 
Der Schmied sprang von seinem Lager, eilte ans Tor und schob die
schweren Riegel zurück. Da erblickte er beim ungewissen Widerschein des
Schnees eine stolze, hochragende männliche Gestalt in weitem, wehendem
Mantel und breitem Schlapphut, und neben der Gestalt einen riesigen
Schimmel.
 
‚Mein Gaul hat ein Eisen gebrochen beim schnellen Ritt,‘ redete ihn
der nächtliche Reiter mit tiefdröhnender Stimme an, ‚und du sollst ihn
mir frisch beschlagen. Aber spute dich, denn mein Weg ist noch weit!‘
Damit nahm er den Schimmel beim Kopf und führte ihn in den Hof vor die
Schmiede.
 
Nun begann der Schmied seinen Vorrat von Hufeisen von den Pflöcken
herabzunehmen, aber alle erwiesen sich als viel zu klein.
 
‚Nimm dein Werkzeug und schmiede mir ein neues!‘ rief der Reiter
ungeduldig. ‚Wie du es schmiedest, wird’s recht.‘
 
Schweigend machte sich der Schmied an die Arbeit, schürte das Feuer,
fachte es mit dem großen Blasbalg aus Bockshaut an und schmiedete drauf
los, daß die Funken weit umherstoben: das Hufeisen paßte wie angegossen.
 
‚Du bist ein wackerer Meister mit dem Hammer,‘ sagte der fremde Reiter,
als der Schmied das Eisen heiß aufgenagelt hatte, ‚aber ein unweiser
Mann. Weshalb fragst du nicht?‘
 
‚Herr,‘ entgegnete der Schmied demütig, ‚meine Väter haben mich gelehrt,
daß es weise sei, bei der Arbeit zu schweigen und vorlaute Fragen zu
meiden, denn dieses sei die Art der Weiber. Da Ihr mir aber eine Frage
freistellt, so sagt mir, woher Ihr kommt zu so ungewohnter Stunde, und
wohin Eure Fahrt geht!‘
 
‚Ich komme heint von der Friesen Strand
Und fahre stracks ins Böhmerland!‘
 
erwiderte der Reiter. ‚Bis gestern bin ich auf Schiffen gewesen; nun
muß ich mich wieder ans Roß gewöhnen.‘
 
‚Wer seid Ihr, Herr?‘ war des Schmieds zweite und erstaunte Frage.
‚Der schnellste Renner würde ja zu diesem Ritt mehr als sieben Tage
brauchen!‘
 
Der Reiter lachte. Er warf dem Schmied das alte, zerbrochene Hufeisen
hin, sprang auf den Rücken seines Schimmels und rief: ‚Da hast du
deinen Lohn! Und damit du weißt, wessen Roß du beschlagen: ich bin der
Wode, der mächtige Führer des Geisterheeres, und brause in Sturm und
Wetter über See und Land, wo man Schlachten schlägt, und wo Männer
fallen auf dröhnender Walstatt!‘ Bei diesen Worten hufte sein Roß,
sprang über die sieben Ellen hohe Hofmauer und verschwand in der
dunklen Nacht.
 
Zugleich aber erhob sich von neuem das wilde, grausige Getöse. Erde
und Luft, bis zu den tiefstreichenden Wolken hinan, wimmelten von
gespenstischen Gestalten, die in rasendem Ritte vorübersausten. Voran
Weiber zu Roß mit wehenden Haaren, hinterher bleiche Krieger, die
aus offenen Wunden bluteten. Heulend sprangen Hunde dazwischen mit
funkelnden Augen und lechzenden Zungen, von denen feuriger Geifer floß,
und darüber flatterten Raben mit rauhem Gekrächze. Immer neue, wilde
Gestalten tauchten auf und drängten und schoben einander in eiligem
Zuge, unaufhörlich, endlos! Da schlugen plötzlich kreischende Stimmen
aus dem Getümmel an sein Ohr: ‚Weg frei! Platz da, oder du mußt mit!‘
Und wie von unsichtbarer Gewalt getrieben, trat der Schmied von dem
offenen Tor zurück, warf beide Flügel zu und schob die Riegel vor. Dann
brach er ohne Besinnung zusammen.
 
Als er zu sich kam, war es heller Morgen, und der nächtliche Spuk
erschien ihm wie ein Traum. Da sah er neben sich etwas in der Sonne
blinken. Es war das gebrochene Hufeisen, das ihm der Wode als Lohn
zugeworfen hatte, und als er es aufhob, siehe! da war es von gediegenem
Golde. Nun wußte er, daß er den gewaltigen Gott der Schlachten und
toten Heerscharen, den weisen Zauberer und Wanderer mit seinem wütenden
Gefolge selbst gesehen hatte, und verwahrte sein goldenes Hufeisen zum
Andenken an das nächtliche Abenteuer. Bald darauf aber drang auch die
Kunde ins Land, daß vier Tage nach jener Nacht im Böhmerlande eine
blutige Schlacht geschlagen worden sei.
 
Als der Frühling wiederkehrte und die liebe Sonne die Straßen wieder
getrocknet und wegsam gemacht hatte, nahm eines Abends ein fremder
Mann Herberge in der Schmiede. Dieser führte mancherlei dem Schmied
unbekanntes Werkzeug mit sich und sagte, er reise an den Hof eines
Königs, um dort neue Kunst auszuüben. Da nun der Schmied ihn fragte,
wozu all das seltsame Gerät nütze sei, erzählte ihm der Fremde von
einer neuen Art, Körner zu mahlen.
 
‚Eure Weiber‘, sprach er, ‚sind übel daran, denn sie haben viel Mühe,
jeden Tag genügend Getreide in ihren Handmühlen zu zerquetschen. Bei
uns zu Hause dagegen schütten die Leute das Korn einfach zwischen zwei
große, runde Steine, die sich schnell aufeinander drehen, nicht von
Menschenkraft getrieben, sondern von der Gewalt der Sturzbäche und
mittels eines Wasserrads. Das schafft anders, kann ich Euch sagen. Ein
Bauer braucht nur einige Tage, um für das ganze Jahr seinen Vorrat
von feinstem Mehl zu mahlen. Weise Männer aber wissen zu berichten,
diese neue Kunst stamme von dem mächtigen Gotte Wodan, auch Wode oder
Wanderer geheißen, der ein großer Zauberer ist und aller Kunst und
Weisheit Meister.‘
 
Sobald der Schmied dies vernahm, erzählte er dem Fremden, wie er
kürzlich den Gott leibhaftig gesehen und seinen Schimmel beschlagen
habe, und zeigte zum Beweise das goldene Hufeisen vor. Da er nun aber
auch ein kluger und unternehmender Mann war, der gern aus allem Neuen,
wenn es gut war, Nutzen zog, so ward er mit dem Fremden handelseinig,
daß er ihm eine Mühle bauen solle, und zwar ganz nach der Art, wie
Wodan es die Menschen gelehrt habe. Zum Lohn dafür versprach er ihm des
Gottes Hufeisen.
 
Am andern Tage zogen die beiden den Bach entlang bergaufwärts, und der
Fremde hielt die Stelle, wo das Wasser ein so starkes Gefälle hat, für
die geeignetste zu seinem Werk. Die Mühle wurde alsobald gebaut und zu
Ehren des Gottes die Wodansmühle genannt.
 
Späterhin, als fremde Horden aus Osten in diese Gegend hereinbrachen
und die einzelgelegenen Bauernhöfe plünderten und verwüsteten, fanden
die Leute, daß es besser sei, sich zusammenzusiedeln und in Dörfern
beieinander zu wohnen, zu Schutz und Trutz und gegenseitiger Hilfe in
Kriegs- wie in Friedenszeiten.
 
Da ist denn ein Streit entstanden, ob sie sich um die Schmiede oder
um die Mühle anbauen sollten. Endlich ist ein alter, erfahrener Mann
aufgestanden, der war klüger als alle anderen miteinander und hat
gesagt: ‚Die Mühle brauchen wir nur einmal im Jahre, zu der Zeit, wo
unser Korn reif ist; aber die Schmiede brauchen wir alle Tage. Laßt uns
also das Dorf um die Schmiede bauen!‘
 
Und so ist es denn auch geschehen, und die Schmiede steht noch heute
mitten im Dorfe, wie es recht und billig ist.«
 
/Rudolf Vogel./
 
 
Der Lindenbaum.
 
Vor längerer Zeit hielt ich mich einige Jahre hindurch in einer
kleinen Stadt auf und war dort an einen alten Herrn empfohlen, der ein
Studiengenosse meines Vaters gewesen war. In dem Hause dieses Mannes
ging ich aus und ein und genoß dort viel Freundlichkeit.
 
Herr Doktor Lindow war ein stattlicher und jovialer Sechziger und ein
großer Natur- und Gartenfreund, der herrliche Blumen und köstliches
Obst zog, und sein Garten, der sich in glücklicher südlicher Lage in
Terrassen zu einem kleinen See hinabsenkte, war im Sommer und Herbst
ein wahres Füllhorn köstlicher Dinge.
 
Am Ende des Gartens befand sich auf einer kleinen Erhöhung eine
mächtige Lindenlaube, die sich auf den stillen, von Schilf und Weiden
umkränzten See öffnete, und dort saß ich eines schönen Abends im
August in heiterem Gespräch mit dem alten Herrn, der an jenem Tage
besonders aufgeräumt war. Vor uns auf dem Tische stand eine mächtige
Schale mit köstlichen Pfirsichen, Reineclauden und Aprikosen, in den
Gläsern schimmerte eine vorzügliche Sorte von Rheinwein, und ringsum
ertönte in den stillen Abend hinein das fröhliche Getöse spielender
Kinder, der Enkel und Enkelinnen meines Gastfreundes. Unter diesen war
ein zwölfjähriger Junge, der sich durch große körperliche Gewandtheit
auszeichnete. Plötzlich hörten wir dessen Stimme aus dem Wipfel
eines Baumes, der seine Zweige wagerecht nach dem Ufer des Sees
hinausstreckte. »Großvater!« rief der Junge, »nun passe mal auf, wie
ich es jetzt schon gut kann!«
 
Damit war er auf einen der wagerechten Zweige hinausgerutscht und hing
plötzlich an den Knien daran, mit dem Kopfe nach unten. Zu meinem
Schreck ließ er sich dann los, griff aber geschickt in das Laub des
unteren Zweiges, daß sein Körper im Fallen sich wendete und der Kopf
wieder nach oben kam, und so von Ast zu Ast rutschend und stürzend
gelangte er, indem er rechtzeitig seinen Fall durch wiederholtes
Eingreifen in die Zweige milderte, glücklich unten an.
 
»Gut, mein Sohn,« rief Herr Lindow, »kannst mal herkommen!« Nachdem er
den Knaben für seine Leistung reichlich mit Obst belohnt hatte, wandte
er sich zu mir und sagte: »Eine alte Familienkunst, die ich schon von
meinem Vater gelernt habe, und die hoch in Ehren gehalten wird, seitdem
sie mir einmal einen so großen Dienst geleistet hat.«
 
»Welcher Art war dieser Dienst?« fragte ich etwas verwundert.
 
Der Doktor lehnte sich in seinen Gartenstuhl zurück und sah sinnend vor
sich hin wie einer, der sich eine Geschichte im Geiste zurechtlegt,
und sagte dann: »Sie wissen doch, daß ich als Student zu zehnjähriger
Festungshaft verurteilt worden bin?«
 
»Ja, gewiß!« antwortete ich. »Damals, als auch Fritz Reuter zu dieser
Strafe verdammt wurde, und aus denselben Gründen.«
 
»Gewiß,« fuhr Lindow fort, »allein ich hatte es in einer Hinsicht
besser als Reuter, da ich meine Zeit in der einzigen kleinen Festung
meines engeren Vaterlandes absitzen durfte, wo ich es verhältnismäßig
gut hatte. Diese war nun eigentlich gar keine Festung mehr, denn die
Außenwerke hatte man längst geschleift, und nur ein auf einem steilen
Felsen gelegenes Kastell war übriggeblieben, welches dann und wann als
Gefängnis benutzt wurde. Dort hatte ich ein ganz wohnliches Zimmer, allerdings mit schwerer, eisenbeschlagener Tür und einem tief in die dicke Mauer eingeschnittenen, stark vergitterten Fenster.

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