2015년 7월 22일 수요일

A German Reader with Practical Exercises 10

A German Reader with Practical Exercises 10



Eine Stunde darauf, nachdem er die Teigkruste abgewaschen und sich
in sein Hausgewand geworfen hatte, saß er schon wieder auf seinem
Erbschemel und flickte, als sei zwischen gestern und heute gar nichts
Besonderes vorgefallen, die Schuhe, welche die Nachbarin am vorigen
Abend hereingebracht hatte.
 
Fort in die Fremde begehrte er nicht mehr, sondern suchte sich nach
dem Wunsche der Mutter eine Lebensgefährtin aus und hielt nach einigen
Monaten eine große Hochzeit.
 
Etliche Tage zuvor aber fiel ihm der Hochzeitsteig wieder ein, den er
auf seiner Reise nach Amerika verdorben hatte, und er schickte dem Wirt
in Merkendorf zur vollen Entschädigung drei neue Kronentaler mit der
Post, jedoch ohne Namensunterschrift.
 
/Karl Stöber./
 
 
Wie man Diebe fängt.
 
An einem Juliabend im Jahre 1836 saß ein alter Seekapitän auf der
Veranda seines schönen, großen Landhauses, ein halb Stündlein von
der holländischen Stadt Haarlem. Und warum sollte er auch nicht dort
sitzen? Hatte er sich doch draußen auf See vierzig Jahre lang Wind und
Wetter um die Ohren wehen lassen, und sein Gesicht sah aus wie eine
verwitterte Felswand.
 
Er rauchte vom feinsten Kubatabak aus einem echten türkischen Kopf und
trank dazu langsam aus einer echten japanischen Tasse den teuersten
Mokkakaffee, dachte an seine Fahrten auf fremden Meeren und freute
sich, daß er das Seine ins trockene gebracht und nun in Frieden
genießen konnte. Denn drinnen im Hause waren allerhand rare Schätze
aus fernen Ländern aufgestapelt, und außerdem viel Silber und Gold in
schweren Truhen.
 
Sein Diener, ein alter Matrose, den er nach Haarlem geschickt hatte,
um Einkäufe zu machen, war zur Stunde noch nicht wieder aus der Stadt
zurück. Da nun aber die Sonne schon untergegangen war und die feuchten
Nebel heraufstiegen, so dachte der alte Mynheer: »Du willst doch in
deinem Alter nicht noch den Schnupfen kriegen«, klopfte seine Pfeife
aus, ging hinein, verschloß die Tür und legte sich bald darauf ins Bett.
 
Er mochte wohl so im ersten Halbschlummer liegen und von den Chinesen
träumen mit ihren Mandelaugen und langen Zöpfen, da hört er am Fenster
etwas bohren, als ob einer da hereinwolle statt durch die Haustür. Er
steht also behutsam auf und merkt auch sogleich, daß wirklich jemand
draußen unterm Fenster ist, der ihm nächtlings, und zwar unangemeldet,
einen Besuch machen will, vielleicht weniger ihm selbst als seinen
goldenen Vögeln. Da fällt’s nun dem Alten siedendheiß auf die Seele,
daß leider alle seine Säbel, Flinten und Pistolen in der Waffensammlung
am andern Ende des weitläufigen Hauses sind: er hat deshalb kein
einziges Stück, womit er sich wehren kann, und weiß zuerst nicht recht,
was er anfangen soll.
 
Mittlerweile ist der Dieb mit seinen Vorbereitungen fertig geworden und
hat eine Fensterscheibe aus dem Rahmen entfernt. Da aber ist auch unser
alter Seemann seinerseits bereit, ihn zu empfangen.
 
Er hat sich nämlich schnell besonnen, daß auf dem Tisch neben seinem
Bett eine Flasche Selterwasser steht, fest zugekorkt und oben noch mit
dem Draht darum. Schnell hat er den Draht abgenommen und hält nun den
Daumen auf den Kork, stellt sich hinter den Fenstervorhang und wartet
ab.
 
Eben steckt der Dieb seinen Kopf durch die Scheibe und denkt: »Wo der
durchgeht, geht auch der ganze Leib nach!« Da drückt der alte Herr an
dem Kork der Flasche, die er vorher noch tüchtig geschüttelt hat: es
knallt wie eine Pistole, und der Kork mitsamt dem Selterwasser fährt
dem Langfingrigen auf die Stirn und ins Gesicht. Der glaubt nicht
anders, als daß er zum Tode getroffen sei und das Blut ihm bereits
übers Gesicht laufe, biegt sich vor Schrecken vom Fenster zurück und
stürzt dann von der Leiter in den mehrere Fuß tiefer liegenden Hof
hinab.
 
Nun wußte aber der alte Kapitän aus seinem Seeleben, daß man einem
geschlagenen Feinde keine Ruhe gönnen darf. Er stieg deshalb sofort dem
Einbrecher nach, der noch betäubt am Boden lag, und band ihm den Hals
mit seinem langen Schnupftuch von echter chinesischer Seide so fest
zu, als ob’s ein Halseisen wäre. Und da der Dieb auch glücklicherweise
einen derben Strick mitgebracht hatte, womit er wohl die gestohlenen
Sachen zusammenschnüren wollte, so brauchte der Kapitän diesen, um
ihm auch noch die Hände auf dem Rücken festzubinden. Darauf machte er
seinen alten Tyras von der Kette los und brachte mit dessen Beistand
den Übeltäter noch in derselben Nacht hinein auf das Haarlemer
Polizeiamt.
 
[Illustration: /Wie man Diebe fängt./]
 
Dafür bekam er denn auch vom König von Holland ein ganz besonderes
Dankschreiben, daß er einen so gefährlichen Spitzbuben eigenhändig
eingefangen und abgeliefert hatte.
 
Merke drum: Das Selterwasser ist ein gut Wässerlein, und zwar nicht
bloß gegen den Durst und allerhand Krankheiten, sondern auch, um Diebe
damit zu fangen!
 
/Emil Frommel./
 
 
Die Grenzfichte.
 
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hausten in der Nähe eines
süddeutschen Dorfes zwei große Bauern, der Dohlenhamer und der
Ermansperger, jener im Tal, dieser auf der Höhe. Sie lebten zwar in
keiner tödlichen Feindschaft miteinander, allein sie hatten doch einen
eigentümlichen Streit unter sich, der nicht enden zu wollen schien.
 
Gerade auf der Grenze nämlich, wo ihre Ländereien zusammenstießen,
erhob sich eine tausendästige, dunkle Riesenfichte, die gewiß schon
einer der Urgroßväter gepflanzt hatte, und die im Laufe der Zeit zum
Gegenstand des Streites zwischen den beiden Großhöfen geworden war.
Noch immer stand sie von Axt und Säge unversehrt da, denn je mehr sie
wuchs, desto weniger war der eine der nunmehrigen Großbauern geneigt,
den prächtigen Bretterbaum mit dem andern gemeinsam zu fällen und
redlich zu teilen; im Gegenteil, jeder behauptete steif und fest, die
Fichte stehe auf seinem Grund und Boden und gehöre ihm allein zu eigen.
 
So vernünftig waren die beiden Bauern allerdings gewesen, daß sie nicht
gleich Advokaten annahmen und denen zusammen zwanzigmal mehr zahlten,
als die ganze Grenzfichte wert war. Allein tief drinnen im Herzen
schlug dennoch einem jeden der großbäuerliche Stolz und Neid.
 
Wenn der Dohlenhamer nun einmal Hilfe im Hause brauchte, so ging er
beileibe nicht zu seinem nächsten Nachbar, dem Ermansperger, sondern
eine schöne Strecke weiter fort, und der Ermansperger machte es
seinerseits ebenso. Natürlich herrschte die gleiche Kälte auch zwischen
ihren Weibern und Kindern, ihren Mägden und Knechten, ihren Vettern und
Basen, -- ja sogar die Hofhunde hatten zuletzt den Groll in den Nasen
und knurrten aufeinander!
 
Brave Männer versuchten oftmals, die starren Streithänse auszusöhnen,
aber vergebens. »Gehört mir doch die Fichte allein!« sagte jedesmal der
Dohlenhamer mit stechenden Augen und verbissenen Lippen. Aber ebenso
sprach auch der Ermansperger. So wurden denn die Friedenstifter ihrer
Liebesdienste endlich müde.
 
Obgleich die beiden Hartnäckigen, wie gesagt, nicht im Dorf wohnten, so
zog ihr Streit doch immer weitere Kreise, bis zuletzt auch mancher mit
hineingeriet, der es gern vermieden hätte. So ging es einst dem derben
Hufschmied, und als er sich nicht mehr zu helfen wußte, brach er in
die zornigen Worte aus: »Wenn doch nur einmal das Donnerwetter in die
vermaledeite Grenzfichte schlüge!«
 
Aber Jahr um Jahr verging. Ein Gewitter nach dem andern zog wie sonst
ohne Blitzschlag über Dorf und Höhe dahin, und die herrliche Fichte
streckte ihre Äste immer höher, immer breiter aus.
 
Nun schrieb man das Jahr 1845. Das Gesinde der beiden Großhöfe war auf
den anstoßenden Feldern mit dem Binden der Erntegarben beschäftigt.
Die feindlichen Bauern selbst standen beaufsichtigend unter ihren
Leuten. Von Zeit zu Zeit warfen sie, der Dohlenhamer von rechts, der
Ermansperger von links, einen begehrlichen Blick hinauf zur Fichte und
dann eine finster grollende Miene hinüber zum Nachbarn. Das Gesinde
merkte es und blinzelte mit händellüsternen Gesichtern; zugleich aber
beeilten sich alle unter dem kalten, scharfen Blick ihrer Herren, denn
aus Nordwest zogen über das wellige Gebirge rabenschwarze Wetterwolken
heran.
 
Schon standen die Weizengarben in Reih’ und Glied aufgerichtet. »So!
Jetzt heim! Geschwind!« befahl hüben der Ermansperger und drüben der
Dohlenhamer. Aber wie man sich anschickte, das Feld zu verlassen
und das schützende Dach zu gewinnen, fegte schon mit unheimlichem
Sausen eine schwefelgelbe Wolke über ihren Häuptern dahin. Ein
jäher Blitzstrahl, ein Donnerkrach, als hätten Riesenfäuste tausend
Planken mit einem Male entzweigebrochen, und -- von der verwünschten
Grenzfichte lag die rechte Hälfte auf dem Felde des Dohlenhamer und
die linke auf dem des Ermansperger. Vom Gipfel bis zur Wurzel war sie
unparteiisch gespalten und geteilt.
 
Die beiden Großbauern standen starr vor Schrecken und bekreuzten sich.
Dann traten sie zur Grenzfichte heran und blickten erstaunt in das Werk
des feurigen Schiedsrichters. »Da liegt nun, was jedem gehört!« sagte
der Dohlenhamer ernst und streckte seinem Nachbarn die Hand hin.
 
»Das war der drohende Finger Gottes: unser Streit ist entschieden!«
sprach der Ermansperger sichtlich bewegt und ergriff die dargebotene
Rechte.
 
»Da hat der Blitz den Richter gemacht!« erzählten sich nun alle und
dachten dabei an die Worte des Dorfschmieds. Noch heute aber lebt
das seltsame Gewitter fort im Gedächtnis und Munde des Volks, das
Ermansperg und Dohlenham umwohnt.
 
/Joseph Schlicht./
 
 
Das Abenteuer im Walde.
 
Es regnete, was vom Himmel herunterwollte. Die Tannen schüttelten den
Kopf und sagten zueinander: »Wer hätte am Morgen gedacht, daß es so
kommen würde!« Es tropfte von den Bäumen auf die Sträucher, von den
Sträuchern auf das Farnkraut und lief in unzähligen kleinen Bächen
zwischen dem Moose und den Steinen. Am Nachmittag hatte der Regen
angefangen, und nun wurde es schon dunkel, und der Laubfrosch, der vor
dem Schlafengehen noch einmal nach dem Wetter sah, sagte zu seinem
Nachbar: »Vor morgen früh wird es nicht aufhören.«
 
Derselben Ansicht war eine Ameise, die bei diesem Wetter durch den
Wald mußte. Sie war am Vormittag mit Eiern in Tannenberg auf dem Markt
gewesen und trug jetzt das dafür gelöste Geld in einem kleinen, blauen
Leinwandbeutel nach Hause. Bei jedem Schritt seufzte und jammerte
sie. »Das Kleid ist hin,« sagte sie, »und der Hut auch! Hätt’ ich nur
den Regenschirm nicht stehenlassen, oder hätt’ ich wenigstens die
Überschuhe angezogen! Aber mit Zeugschuhen in solchem Regen ist gar
kein Weiterkommen!«
 
Während sie so sprach, sah sie gerade vor sich in der Dämmerung einen
großen Pilz. Freudig ging sie darauf zu. »Das paßt,« rief sie, »das
ist ja ein Wetterdach, wie man es sich nicht besser wünschen kann.
Hier bleib’ ich, bis es aufhört zu regnen. Wie es scheint, wohnt hier
niemand -- desto besser! Ich werde mich sogleich häuslich einrichten.«
 
Das tat sie denn auch. Sie war eben daran, das Regenwasser aus den
Schuhen zu gießen, als sie bemerkte, daß draußen eine kleine Grille
stand, die auf dem Rücken ihr Violinchen trug.
 
»Hör’, Ameischen,« hub die Grille an, »ist es erlaubt, hier unterzutreten?

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