2015년 1월 26일 월요일

Aus Berg und Tal 5

Aus Berg und Tal 5

Solche und ahnliche Ermahnungen und Lehren erteilte der Vater seinem Sohne
stets, wenn sie miteinander arbeiteten oder am Sonntag einen Spaziergang
durch Wald und Flur machten, und der Samen solcher Unterweisungen fiel
bei Johannes auf einen fruchtbaren Boden. Er gewohnte sich unter der
vaterlichen Leitung daran, uber jede Arbeit nachzudenken und nicht nur
mechanisch in den Tag hinein zu arbeiten. Wer ihm bei der Arbeit zusah, der
merkte gleich, daß er mit Lust und Liebe dabei war, und mußte sich sagen,
daß er das Zeug habe, um dereinst ein tuchtiger Bauer zu werden.

So waren denn zwei Jahre verstrichen und Johannes hatte in dieser Zeit
in den meisten landwirtschaftlichen Arbeiten eine derartige Fertigkeit
erlangt, daß er es bald mit einem tuchtigen Knecht aufnehmen konnte.
Der Vater meinte, es ware jetzt an der Zeit, daß sein Sohn eine
landwirtschaftliche Winterschule besuche, und Johannes war mit Freuden dazu
bereit.

Weil sein alterer Bruder schon fruher die gleiche Schule besucht hatte, in
die auch er nun eintreten sollte, so wußte er im großen und ganzen schon,
wie es in einer solchen Anstalt zugeht; trotzdem aber fand er sich bei
seinem Eintritt wie in einer fremden Welt. In gar vielen Sachen, in denen
er zu Haus seine Eltern hatte sorgen lassen, fand er sich jetzt auf sich
selbst angewiesen. Das Internat, die strenge Disziplin und Hausordnung,
die punktlich nach Minuten abgemessene Zeiteinteilung, die ganz andere Kost
u. s. w. waren alles Dinge, die ihm ganz ungewohnt vorkamen. Johannes hatte
sich indessen von Anfang an vorgenommen, sich in alles zu fugen, eingedenk
des Sprichwortes: ≫Lehrjahre sind keine Herrenjahre≪. Er war sich wohl
bewußt, daß er noch vieles uber sich ergehen lassen musse, bis er ein
rechter Bauer sei und selbstandig nach eigenem Gutdunken schalten und
walten konne.

So hatten denn der Direktor und die Lehrer an dem jungen Wachter einen
willigen und gehorsamen Schuler, der sich ohne Murren in alles fugte und
bald als Muster und Vorbild fur die andern Schuler gelten konnte. Weil
er einer der altesten Schuler seiner Klasse war, sich durch seine großen
Fahigkeiten und ein mannliches Auftreten auszeichnete, so errang er
sich, ohne daß er es eigentlich wollte, eine gewisse Autoritat uber seine
Mitschuler und ubte einen vorteilhaften Einfluß auf dieselben aus.

Johannes wollte die Zeit, die er in der Schule zu verbringen hatte, so gut
als moglich ausnutzen; er betrachtete deshalb das Lernen nicht als eine
Last, sondern als ein wichtiges Mittel, sich zum brauchbaren Landwirt
auszubilden.

Schon durch das, was im ersten Winterhalbjahr im Unterricht geboten wurde,
lernte er die Landwirtschaft von einer neuen Seite kennen, und als er nach
wohlbestandenem Examen zunachst wieder auf das vaterliche Gut zuruckkehrte,
schaute er alles mit ganz andern Augen an.

Unter fleißiger Arbeit verstrich der Sommer rasch, und Johannes freute
sich, bald wieder in die Schule zuruckkehren und das Studium von neuem
aufnehmen zu konnen.

Der zweite Lehrkursus wurde mit dem gleichen Eifer absolviert wie der
erste, und ausgerustet mit einem guten Zeugnis und dem Abgangsdiplom der
Schule, begleitet von den Gluckwunschen des Direktors und der Lehrer,
konnte der junge Wachter hinaustreten ins praktische Leben, um seine
erworbenen Kenntnisse zu seinem Lebensunterhalte zu verwerten.

Sein Vater und auch der Direktor waren der Ansicht, daß es Johannes bei
seiner Tuchtigkeit wohl wagen durfe, irgend eine Stelle als Oberknecht oder
Werkfuhrer anzunehmen; doch Johannes wollte davon nichts wissen. Er meinte,
es sei besser als einfacher Knecht anzufangen; denn um dereinst Dienstboten
richtig behandeln und befehligen zu konnen, musse er selbst ein solcher
gewesen sein. Er habe sich vorgenommen, in allen Teilen ein richtiger Bauer
zu werden, und da sei es notwendig, unten anzufangen. Seine Kenntnisse
konne er als Knecht auch wohl gebrauchen, man klage ja immer uber großen
Mangel an tuchtigen Dienstboten.

So arbeitete denn der energische junge Landwirt in verschiedenen großeren
und kleineren Betrieben mehrere Jahre als Knecht und lernte gar mancherlei
Verhaltnisse kennen. Mit eisernem Fleiß tat er uberall seine Pflicht,
freute sich am Angenehmen und fugte sich dem unabweisbaren Unangenehmen,
das er sehr oft auch zu kosten bekam. Er merkte gar bald, daß wenn die
Dienstbotenfrage in gunstigem Sinne gelost werden solle, auch von seiten
der Arbeitgeber manche Reformen durchgefuhrt werden mussen, und nahm sich
vor, darnach zu handeln, wenn er erst sein eigener Herr geworden sei.

Zuletzt diente Johannes auf einem großen Gute, dem ein Verwalter vorstand,
der ein sehr tuchtiger Mann, aber etwas kranklich war und oft Muhe hatte,
seinen Pflichten in vollem Umfange nachzukommen. Der Besitzer, der nur
kurze Zeit des Jahres auf dem Gute anwesend war, wollte seinen treuen
Beamten schonen und bevollmachtigte ihn, eine tuchtige Kraft zu seiner
Unterstutzung anzustellen. Als daher der Verwalter auf die Fahigkeiten
seines Knechtes Wachter aufmerksam wurde, erhob er denselben zum
Unterverwalter und stellte namentlich die ganze Feldwirtschaft unter seine
Aufsicht.

Jetzt zeigte es sich, daß Johannes nicht nur gelernt hatte zu gehorchen,
sondern wenn es sein mußte, auch zu befehlen verstand. Die Knechte und
Taglohner stellten sich willig unter seinen Befehl, weil er nicht mit
Stolz und Ueberhebung auf sie herabsah und nicht nur Pflichten von ihnen
verlangte, sondern ihnen auch diejenigen Rechte einraumte, die jeder
Arbeiter von seite seines Arbeitgebers verlangen darf. Weil jeder das
Gefuhl hatte, daß das was man ihnen befahl, auch wirklich das Richtige sei,
so wurde es auch ausgefuhrt ohne Widerrede und Murren.

Der Zustand des Verwalters verschlimmerte sich immer mehr und bald ruhte
die ganze Gutsverwaltung auf den Schultern des Unterverwalters. Zeitweilig
besorgte Johannes sogar die samtlichen Bureauarbeiten, und es zeigte sich,
daß er uberall gleich tuchtig war. Man bemerkte an ihm nichts von jenem
unsicheren Umherhasten. Zielbewußt wurden die verschiedenen Arbeiten in
richtiger Reihenfolge durchgefuhrt, so daß stets alles zur rechten Zeit
fertig wurde.

Es war eine Freude zu sehen, wie Johannes sich selbst durch die
schwierigsten Verwaltungsgeschafte verhaltnismaßig leicht hindurcharbeitete
und sich vollste Autoritat zu verschaffen wußte, was jedenfalls nicht
leicht war, wenn man bedenkt, daß er vorher einfacher Knecht gewesen und
mit denen auf gleicher Stufe stand, die jetzt seinen Befehlen zu gehorchen
hatten. Man sah da wieder deutlich, was sich durch richtigen Takt erreichen
laßt.

Johannes war nicht nur bemuht, das Gut unter seiner Leitung auf gleicher
Hohe zu erhalten, sondern er bestrebte sich auch, durch geeignete
Verbesserungen den Ertrag zu steigern und den Wert der Besitzung zu
erhohen. Jetzt konnte er endlich seine praktischen und theoretischen
Kenntnisse selbstandig verwerten und seiner Freude am landwirtschaftlichen
Berufe Genuge leisten.

Der Gutseigentumer sah denn auch gar bald ein, daß er in dem jungen Wachter
eine sehr brauchbare Personlichkeit gewonnen habe, und als der Verwalter
seinen Leiden erlegen war, bat er Johannes, die Stelle, der er ja schon
einige Zeit mit dem besten Erfolge aushilfsweise vorgestanden, nun
definitiv zu ubernehmen.

Dieser hatte zwar von Anfang den Plan gefaßt, einmal ein eigenes Gut zu
erwerben, um unumschrankt nach seinem alleinigen Gutdunken schalten und
walten zu konnen. Er dachte aber, als ihm sein Herr ein so vorteilhaftes
Anerbieten machte, daß es bei seiner Jugend noch immer Zeit sei, sich
selbstandig zu machen. Dann sah er auch ein, daß er in seiner jetzigen
Stelle noch manche wertvollen Erfahrungen sammeln konne, die ihm spater im
eigenen Betrieb von großem Nutzen sein konnten. So teilte er denn seinem
Herrn ganz offen seine Absichten mit und sagte ihm, daß er seine Offerte
dankbar annehme, wenn er sich einverstanden erklare, ihn nach einigen
Jahren ziehen zu lassen.

Der Gutsbesitzer mochte denken, es werde ihm im Laufe der Zeit noch
gelingen, den jungen Wachter ganz an sich zu fesseln. Dieser willigte ein
und wurde nun Verwalter des schonen Gutes, auf das er vor etwas mehr als
einem Jahr als einfacher Knecht gekommen war.

Es ist hier nun nicht der Platz, die Laufbahn Wachters als Verwalter weiter
zu schildern; nur eine Begebenheit, die in diese Zeit fallt, soll erwahnt
werden, namlich die Verehelichung Johannes und die Umstande, welche
dieselbe vorbereiteten.

Seine Stellung brachte es mit sich, daß er haufig mit den benachbarten
Bauern zusammenkam, sie auf ihren Hofen dieses oder jenes Geschaftes wegen
besuchte, und weil der junge Verwalter bald uberall als ein tuchtiger
Landwirt bekannt war, der gerne von seinem Wissen auch andern mitteilte und
stets mit gutem Rat zur Hand war, wo solcher gewunscht wurde, niemals aber
sich wichtig zu machen suchte, oder gleich alles heruntermachte was ihm
gerade nicht gefiel, so sah man seine Besuche gerne und trachtete, davon so
viel als moglich zu profitieren.

Namentlich eines der Nachbarguter schien das Interesse Johannes in hohem
Grade erweckt zu haben, wenigstens hatte er auffallend oft dort Geschafte
und bald wollten einige, welche gewohnt waren, ihre Nasen besonders tief
in die Angelegenheiten anderer zu stecken, wissen, daß nicht allein
der musterhafte Betrieb des Gutes und der leutselige Charakter der dort
hausenden Bauersleute den Anziehungspunkt ausmache, und die Folge bewies,
daß sie im Grunde nicht so unrecht hatten.

Gleich das erste Mal, als er wegen eines Ochsenhandels auf den besprochenen
Nachbarhof kam, fiel ihm dort eine Magd auf, die zwar nicht gerade das
darstellte, was man eine besondere Schonheit zu nennen pflegt, aber durch
ihr munteres Wesen, durch die Art und Weise wie sie ihre Arbeit verrichtete
und durch ihre bei aller Aermlichkeit doch sauberer Kleidung einen außerst
vorteilhaften Eindruck machte. Auf Johannes wirkte dieser Eindruck derart,
daß er beschloß, dieses Madchen moglichst zu beobachten und soweit das
unauffallig geschehen konnte, auch Erkundigungen uber sie einzuziehen.
So erfuhr er denn, daß Marie -- so hieß die Magd -- die Tochter armer
Taglohnersleute aus einem benachbarten Dorfe sei. Die Eltern seien vor
mehreren Jahren gestorben und infolgedessen sei die Tochter schon sehr fruh
darauf angewiesen gewesen, auf eigenen Fußen stehen zu mussen. So kam sie
in den Dienst der Bauerin und fand in ihr eine gute Lehrmeisterin, die sie
in alles einfuhrte, was eine Bauerin wissen und kennen muß. Marie war
eine gelehrige Schulerin und hatte sich nach und nach zur rechten Hand und
wirksamen Stutze der Meisterin aufgeschwungen. Diese sowohl, als auch der
Bauer waren voll Anerkennung uber ihre Magd, und sie hielten auch nicht mit
ihrem Lobe hinter dem Berge; denn sie glaubten nicht Angst haben zu mussen,
daß der Herr Verwalter etwa dadurch bewogen werden konnte, Marie fur seinen
Dienst zu gewinnen; sie kannten ihn zu gut, als daß sie ihn zu einer solch
eigennutzigen Handlung fur fahig hielten, und außerdem wurde ja das Madchen
nie in ein solches Anerbieten eingewilligt haben. Daß es ihm gar einfallen
wurde, ihre Magd zu seiner Frau zu machen, das kam ihnen gar nicht in
den Sinn; denn ein Mann in solcher Stellung, der zugleich der Sohn eines
vermoglichen Großbauern sei, wurde ja nach ihrer Meinung gewiß nicht die
Torheit begehen, ein blutarmes Madchen zu ehelichen.

Johannes indessen war von ganz andern Anschauungen beseelt; er fand durch
seine Beobachtungen und Erkundigungen gar bald heraus, daß Marie in reichem
Maße gerade diejenigen Eigenschaften besaß, die nach seiner Ansicht eine
gute Bauerin haben musse. Daß sie arm sei, war in seinen Augen kein Grund,
der ihn bewegen konnte, vor einer Heirat mit ihr zuruckzuschrecken.

Der geneigte Leser hat unsern Johannes bereits als einen Mann kennen
gelernt, der zwar alles reiflich uberlegte, aber das als gut und richtig
erkannte dann auch mit zaher Energie in Angriff nahm und durchfuhrte. So
handelte er auch in dieser Heiratsangelegenheit. Sobald er mit sich daruber
im reinen war, daß er das Madchen liebe und sie fur ihn passe, so suchte
er zu erfahren, wie es selbst in dieser wichtigen Angelegenheit denke;
denn alles hing ja schließlich doch davon ab, ob Marie auch wirklich
einwilligte, seine Frau zu werden. Er nahm sich also vor, bei nachster
Gelegenheit mit ihr zu reden und ihr seine Hand anzubieten.

Eine solche Gelegenheit fand sich bald. Als er an einem der nachsten Tage
bei seinem Nachbar vorbeiging, fand er Marie allein im Garten beschaftigt.
Er trat zu ihr hinein und teilte ihr ohne Umschweife den Zweck seines
Kommens mit. Er sagte ihr, wie sie schon bei der ersten Begegnung Eindruck
auf ihn gemacht habe, und was er seither von ihr erfahren und an ihr
beobachtet habe, sei dazu angetan gewesen, ihm Liebe und Achtung zu ihr
einzufloßen. Er hoffe, daß auch sie ihn lieben lerne, und wenn sich diese
Hoffnung erfulle, so ware es sein sehnlichster Wunsch, daß sie seine Frau
werde.

Man kann sich denken, daß Marie erstaunt war ob diesem unvermittelten
Antrag. Sie sagte denn auch weder ja noch nein, sondern gab einfach
zur Antwort, daß sie sich geehrt fuhle durch das Anerbieten des Herrn
Verwalters, aber sie habe bis jetzt noch gar nicht ans Heiraten gedacht,
und eine solch hochwichtige Sache wolle gehorig uberlegt sein. Auch musse
sie mit ihren Meistersleuten sprechen; denn weil sie ja keine Eltern und
nahe Verwandte mehr habe, so seien das ihre einzigen Berater.

Johannes mußte einsehen, daß das Madchen recht habe, er versprach, geduldig
warten zu wollen und sich in einigen Tagen den Entscheid zu holen.

Als Marie wieder allein war, wollte es mit der Arbeit nicht mehr recht
vorwarts; immer mußte sie an das Ereignis denken, das sie so unerwartet
traf, und je mehr sie daruber nachgrubelte, wie sie sich nun verhalten
solle, desto verwirrter wurde sie. Zwei Stimmen in ihrem Innern stritten
um den Entscheid. Die eine sagte ihr, es sei ein großes Gluck, daß sie als
arme Waise fur wurdig befunden werde, einem so tuchtigen Manne, wie Herr
Wachter, die Hand zur ehelichen Verbindung zu reichen, und daß es eine
große Torheit genannt werden mußte, wollte sie ein solches Anerbieten von
der Hand weisen, das anzunehmen manche reiche Bauerntochter sich keinen
Augenblick besinnen wurde. Die andere Stimme hingegen riet ihr, die Sache
von der andern Seite zu betrachten und zu untersuchen, ob vielleicht
nicht doch -- trotzdem sie arm sei -- Johannes bei seinem Antrag von
eigennutzigen Bestrebungen geleitet worden sei. Konnte er nicht am Ende auf
ihre Arbeitskraft spekuliert haben, denkend, daß sie ihm eine Magd ersparen
wurde? Und konnte nicht gerade ihre Armut spater der Anstoß zu allerlei
Unzufriedenheiten werden? Alles dieses und noch mehr des Unangenehmen
konne ja sehr leicht hervorgehen, wo so ungleiche Verhaltnisse sich
zusammenfinden, wie das ja tatsachlich bei ihr und Johannes der Fall sei.
Ungetrubtes Ehegluck konne jedenfalls aus einer solchen Verbindung nur dann
hervorgehen, wenn die Ungleichheiten ausgeebnet werden durch eine wahre,
uneigennutzige Liebe. Aber liebte sie denn Johannes? Bis jetzt hatte sie
ihn ja kaum gekannt, also konnte vorerst noch von Liebe nicht die Rede
sein. Sie glaubte zwar, daß sie ihn lieben lernen konne, den schonen
stattlichen Mann mit dem ernsten und doch sanften Blick, den sie schon
so oft als das Muster eines tuchtigen Landwirtes hatte erwahnen horen.
Wenigstens hatte sie eine hohe Achtung vor demselben, und das konnte
immerhin der Anfang von der Liebe sein.

So von streitenden Gefuhlen erfullt, in tiefes Nachsinnen versunken auf
die Hacke gelehnt, sah sie sich auf einmal von der Bauerin ertappt, die
unvermerkt zu ihr in den Garten getreten war.

Diese merkte gleich an der Verwirrung und an dem tiefen Erroten der Magd,
daß etwas besonderes vorgefallen sein musse, und auf ihre Frage erzahlte
denn auch Marie die ganze Begebenheit, sie zugleich um ihren Rat bittend in
der fur ihre Zukunft so wichtigen Angelegenheit.

Nun war das Erstaunen auf seite der Meisterin, und das erste, was ihr bei
der Erzahlung Maries durch den Kopf fuhr, war der egoistische Gedanke, ihre
treue Magd verlieren zu mussen. Doch sprach sie diesen Gedanken nicht aus;
denn die angeborene Gutmutigkeit und ihr Wohlwollen gegen Marie siegten
schnell uber den anfangs sich regenden Eigennutz. Ein wenig machte sich
auch der Stolz bei ihr geltend in dem Gedanken, selbst am meisten dazu
beigetragen zu haben, daß Marie das geworden war, was sie heute so
begehrenswert erscheinen ließ.

≫Liebes Kind,≪ sprach sie, ≫Du weißt, daß ich stets wie eine Mutter an Dir
gehandelt und auch in dieser Sache gewiß nur Dein Bestes im Auge habe. So
wirst Du es also auch nicht als eine leere Redensart betrachten, wenn
ich Dir sage, daß Dir durch den Antrag des Herrn Verwalters ein Gluck
widerfahren ist, das Du nicht von der Hand weisen solltest. Deine Zweifel,
die Du mir gegenuber geaußert hast, kann ich nicht gelten lassen. Es
freut mich zwar, daß Du Dich nicht kopfuber, ohne zu uberlegen, in die Ehe
sturzen willst, aber gar zu bescheiden brauchst Du auch nicht zu sein.
Wenn Du auch kein Barvermogen besitzest, so fallen dagegen andere Deiner
Eigenschaften umso mehr in die Wagschale. Deine Treue, Deine Arbeitslust,
Dein Sinn fur Ordnung und Reinlichkeit und Dein munteres Wesen gelten
in den Augen des Herrn Verwalters mehr als Geld und Gut und gerade das
Vorhandensein dieser Wertschatzung solcher Eigenschaften bietet die beste
Gewahr fur Euer zukunftiges Gluck. Mein Rat geht also dahin, Deine Zweifel
niederzuschlagen und den Antrag anzunehmen, und ich glaube bestimmt, daß es
Euch beiden so gut gehen wird, wie Ihr es in der Tat verdient. Mit meinem
Gluckwunsch will ich aber gleich eine Mahnung fur Dich verbinden, die Du
nicht vergessen darfst, sie lautet: Werde nicht stolz. Die Bescheidenheit,
die als Magd Dich zierte, behalte bei auch als Frau Verwalter; nichts steht
einer Bauersfrau, ob sie so oder anders tituliert werde, weniger gut an als
der Stolz. Schaue nie mit Ueberhebung auf Deine Untergebenen herab, dann
wirst Du von ihnen gerade so geachtet werden, wie der Herr Verwalter heute
geliebt und geschatzt wird von seinen Dienstboten, in deren Mitte er einst
selbst gedient hatte. Bedenke auch, daß es Deine Pflicht sei, namentlich
auf jungere Leute erzieherisch einzuwirken, ihnen mit dem guten Beispiel
voranzugehen und sie so zu brauchbaren, braven Dienstboten zu machen. Es
ist meine feste Ueberzeugung, daß der Mangel an guten landwirtschaftlichen
Arbeitskraften nicht zum wenigsten daher ruhrt, daß keine solchen erzogen
werden. Das, liebe Marie, sind einstweilen diejenigen Ratschlage, die ich
Dir geben mochte, falls Du das Anerbieten annimmst und Frau Verwalterin
wirst.≪

Auch der Bauer, als er von dem Vorfall Kunde erhielt, war der gleichen
Meinung wie seine Frau; auch er sagte, daß das Zuruckweisen eines solchen
Antrages gleichbedeutend ware mit einem leichtsinnigen Verscherzen seines
Gluckes.

So gab denn Marie dem Johannes ihr Jawort und knupfte nur daran noch die
Bedingung, daß auch seine Eltern mit seiner Wahl zufrieden seien; denn
nie solle es auch nur den Anschein haben, als hatte sie sich in eine
wohlhabende Familie hineindrangen wollen.

Johannes konnte ihr uber diesen Punkt sofort zufriedenstellende Auskunft
geben; denn schon bevor er bei Marie seine Werbung angebracht, hatte er
seinen Eltern geschrieben und ihren Rat eingeholt.

Der alte Wachter, der mit Johannes von Anfang an etwas hoher hinaus wollte,
war mit dessen Wahl zuerst nicht ganz einverstanden, zuletzt mußte er
aber selbst zugeben, daß Reichtum nicht diejenige Eigenschaft einer
Frau ausmache, auf die zuerst gesehen werden musse. Auch er schatzte die
Tugenden, die Marie nach den Angaben seines Sohnes hatte, und namentlich
fur einen Bauer, als bedeutend wertvoller denn eine reiche Mitgift, und so
meinte er selbst, daß sein Johannes glucklich werden konne mit der von
ihm erwahlten Braut, und gegen das Gluck seiner Kinder wolle er nichts
unternehmen.

So waren denn alle Hindernisse beseitigt, die Verlobung konnte gefeiert
werden, und als Marie noch einen Kurs an einer Haushaltungsschule
durchgemacht hatte, zog sie als Frau Verwalter auf dem Gutshofe ein.




II.


Johannes hatte mit seiner jungen Frau bereits mehrere Jahre das ihm
unterstellte Gut verwaltet, und war in dieser Zeit so mit seinem
Wirkungskreise verwachsen, daß er gar nicht mehr daran dachte, einen
eigenen Hof zu erwerben. Das Verhaltnis zwischen ihm und seinem Herrn
war ein so schones, daß es ihn nicht sonderlich drangte, seine gesicherte
Existenz mit einer andern zu vertauschen.

Da trat auf einmal ganz unverhofft ein Ereignis ein, das seinem friedlichen
Wirken einen argen Stoß versetzte.

Bei einem Unfall, den der Gutsherr erlitt, bußte dieser sein Leben ein.
Seine drei Sohne beschlossen, das Gut weder zu verteilen noch zu veraußern,
sondern es gelegentlich als Landaufenthalt zu benutzen und sich in den
Ertrag, den es abwarf, zu teilen.

So bekam Johannes nun statt eines Herrn deren drei, und zwar solche, deren
Beruf weit ab von dem des Landwirtes lag. Wenn nun zwar auch keiner direkt
in den Gutsbetrieb hineinregieren wollte, so hatte doch jeder Wunsche, die
sich manchmal nicht mit der rationellen Bewirtschaftung in Einklang bringen
ließen.

Es ist begreiflich, daß dieser Besitzwechsel manche Verdrießlichkeit fur
den Verwalter im Gefolge hatte, und Frau Marie bemerkte ofters, daß sich
eine Wolke auf der sonst so heiteren Stirne ihres Mannes lagerte, die zu
zerstreuen ihr mit all ihrem Liebreiz nicht immer gelang.

Als deshalb Johannes nach und nach wieder auf seinen alten Plan zuruckkam,
ein eigenes Gut erwerben zu wollen, unterstutzte sie denselben lebhaft, und
die Suche nach einem geeigneten Kaufobjekt begann.

An Angeboten fehlte es nicht. In allen Landesgegenden waren große und
kleine Bauernguter feil, und gar bald begann fur Johannes die Qual der
Wahl. Als Verwalter hatte er sich an große Verhaltnisse gewohnt, und es
ware deshalb nur zu naturlich gewesen, wenn er sich fur einen großeren
Betrieb entschieden hatte. Seine praktischen Erfahrungen und die Lehren,
die er in der Schule erhalten hatte, waren indessen bei ihm zu tief
gewurzelt, als daß er die Klugheit seinen personlichen Liebhabereien
geopfert hatte. Er sagte sich, daß der Grundsatz, die verfugbaren Mittel
allein uber die Große des zu erwerbenden Gutes entscheiden zu lassen, der
allein richtige sei.

So entschied er sich denn fur den Lindenbuhl. Johannes mußte zwar zugeben,
daß dieser Besitz seine Vorteile und Nachteile hatte, aber er sagte sich,
daß es ihm schwerlich gelingen konnte, ein Gut zu finden, an welchem es
nicht das oder jenes auszusetzen gebe. Fur den Erwerb des Lindenbuhls
sprachen hauptsachlich die geeignete Große, die gunstige Lage, der gute
Boden und der verhaltnismaßig billige Kaufpreis. Bei sofortiger Barzahlung
behielt Johannes noch genugend Kapital, um das sehr vernachlassigte Anwesen
wieder einigermaßen in den Stand zu setzen, die mangelhaften Einrichtungen
zu erganzen und den Betrieb rationell zu regeln.

Das alles hatte er genau uberlegt und berechnet, und erst nachdem alles,
was fur und gegen den Kauf sprach, genau abgewogen war und sein Vater
den Hof besichtigt und ebenfalls fur den Erwerb eintrat, wurde die
Angelegenheit perfekt.

Nach erfolgter Kundigung verließ er seine Stelle und siedelte nach
Haldenburg uber, um vom Lindenbuhl Besitz zu ergreifen, und dort als
selbstandiger Bauer ein neues Arbeitsfeld zu eroffnen.

Vorerst kummerte sich Wachter um nichts anders, als um sein Heimwesen,
und da gab es wahrlich genug zu tun; denn, wie wir schon wissen, hatte der
fruhere Besitzer sehr schlecht gewirtschaftet, zuletzt alles, was irgend
anging, zu Geld gemacht, das ubrige aber verlottern lassen. Zum Gluck waren
die Gebaude ziemlich gut im Stande; sie waren zwar außerst schlicht und
einfach, und mancher Landwirt, der in so guten Verhaltnissen sich befunden
hatte wie Johannes, hatte sich gewiß mit dem Gedanken getragen, wenigstens
einen Teil der alten Bauten abzutragen und etwas schoneres, der Neuzeit
entsprechenderes an ihre Stelle zu setzen. Unser Wachter aber begnugte
sich, die notwendigen Reparaturen durchzufuhren. Er wußte, daß das
Gebaudekapital bei der Landwirtschaft das allerunproduktivste sei. Die
alten Stalle und Scheunen erlaubten ihm, das Vieh und die Produkte gut
unterzubringen, und das genugte ihm vollstandig. Daß das ganze von außen
nicht gerade luxurios aussah, kummerte ihn nicht so viel. Lieber als
fur Neubauten, wollte er sein Betriebskapital dazu verwenden, den Boden
produktiver zu machen, und dadurch dafur zu sorgen, daß er die alten Stalle
und Vorratsraume wenigstens fullen konnte.

Einigen Aufwand leistete er sich einzig bei der Instandstellung seiner
Wohnung. Da ließ er seiner Frau freien Spielraum, wohl wissend, daß sie die
richtige Grenze einhalten werde zwischen unnotigem Luxus und unangebrachter
Sparsamkeit.

Nach dem gleichen Prinzip wie bei der Renovation der Gebaude verfuhr
Johannes bei der Einrichtung seines ganzen Betriebes. Praktisch und gut
unter Verponung jeden Luxus, das war auch hier sein Grundsatz.

Dem jetzigen Ertrag des Gutes entsprechend, fullte er seinen Stall mit
leistungsfahigem Vieh, bei dessen Ankauf er nicht knauserte. Spater
gedachte er durch Anlegung von Kunstwiesen und durch eine rationelle
Dungerwirtschaft den Futterertrag bedeutend zu steigern und
dementsprechend den Viehstand zu vermehren. Die vorhandenen Gerate und
Betriebseinrichtungen waren großtenteils sehr mangelhaft und unzureichend.
Da wurde denn alles so erganzt, daß nicht unnotige Arbeitskraft
verschwendet werden mußte, und zugleich eine Arbeit geleistet werden
konnte, die einen vollen Erfolg erhoffen ließ. Großes Gewicht wurde
auch darauf gelegt, Einrichtungen zu treffen, um die erzielten Produkte
bestmoglich verwerten und alles gut ausnutzen zu konnen.

So stellte denn das Gehoft unseres Wachter bald, trotz aller Einfachheit
und Schlichtheit, ein Bauerngut dar, das ganz den Anforderungen der
Neuzeit entsprach, das bei der herrschenden Ordnung und Sauberkeit einen
wohltuenden Eindruck machte und vorteilhaft abstach von der im Dorfe
herrschenden Unordnung und Nachlassigkeit.

Die Haldenburger verfolgten alles, was auf dem Lindenbuhl vorging, mit
Mißtrauen, und wo man von Wachters redete, geschah es mit Spott und
unter Anwendung fauler Witze. Daß es dieser Herrenbauer, trotz all seiner
Studiertheit, nicht lange treiben werde mit seinen neumodischen Ideen, wenn
er nicht ein steinreicher Mann sei, daruber schienen alle einig zu
sein. Johannes machte im Anfang auch einige Mißgriffe, welche aus der
ungenugenden Kenntnis der ortlichen Verhaltnisse hervorgingen. Das war dann
Wasser auf die Muhle der Spotter, und es hieß dann gleich allgemein, da
sehe man es, wie weit man komme mit solch gelehrten Firlefanzereien.

Zuerst kummerte sich Johannes gar nicht um das, was man im Dorfe uber ihn
dachte oder redete; er lebte nur fur sich und tat, als ob niemand weiter
fur ihn existiere. Bald aber mußte er einsehen, daß er da einen falschen
Weg eingeschlagen habe, auf dem man nur sehr muhsam und auf großen Umwegen
ans Ziel gelangen konne. Er sah sich bald vor Aufgaben gestellt, die allein
zu erfullen ihm nicht moglich war. Auch merkte er gar bald heraus,
wie schadigend eine schlechte Gemeindeverwaltung in den einzelnen
Landwirtschaftsbetrieb hineingreifen konne, und zur rechten Zeit erinnerte
er sich daran, daß sein Vater ihn einst gelehrt habe, nicht nur an sich
selbst zu denken, und auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein, sondern auch
das Allgemeine im Auge zu haben, und zu arbeiten an der Hebung des gesamten
Bauernstandes.

Er schamte sich jetzt, daß er in seinem Stolze sich hoch erhaben geglaubt
habe uber seine Nachbarn, die doch auch seinesgleichen waren, und die gewiß
auch zum Fortschritt zu bekehren seien, wenn man nur den richtigen Weg
einschlage. Er dachte daran, was sich alles erreichen ließe bei solch
gunstigen klimatischen Boden- und Absatzverhaltnissen, wie sie Haldenburg
aufwies, und es schien ihm jetzt unerklarlich, wie er nur einen Augenblick
hatte von seiner Pflicht abweichen konnen. Freilich durfte er sich
nicht verhehlen, daß es unsagliche Muhe kosten werde, gegen den
tiefeingewurzelten Schlendrian, der sich seit altersher in Haldenburg
breitmachte, anzukampfen und einem gesunden Fortschritt zum Siege zu
verhelfen. Am meisten wurden sich wohl die Reichen und die Dorfmagnaten
dagegen wehren, und weil die Aermeren von den Wohlhabenden mit der Zeit
stark abhangig geworden seien, so werde er auch bei diesen einen schweren
Stand haben. Der Nutzen aber, der fur ihn und das ganze Dorf aus einem
Umschwung zum Besseren resultieren mußte, dunkte ihm eines Kampfes wohl
wert, und so beschloß er denn, das große Werk zu beginnen.

Uebersturzen durfte man die Sache nicht, wenn man ans Ziel gelangen wollte,
das merkte Johannes gleich. Er tat deshalb einstweilen auch nichts weiter,
als daß er sich hie und da mit dem einen oder dem andern seiner Nachbarn
in ein Gesprach uber allgemeine landwirtschaftliche Zustande einließ.
Dabei vermied er es ernstlich, sich als Besserwisser aufzuspielen oder
die Verhaltnisse und Maßnahmen anderer zu kritisieren. Hauptsachlich aber
gedachte er, das gute Beispiel wirken zu lassen und durch die eigenen
Erfolge den Neid der andern zu erwecken, sie so zur Nachahmung zu
veranlassen und also gleichsam aus einem Laster eine Tugend zu machen.

Gar bald zeigte es sich auch, wie richtig diese Voraussetzung gewesen war.
Hatten die Haldenburger Bauern z. B. nur spottisch zugesehen, als Johannes
Kunstdunger auf einer Wiese ausstreute, so standen sie nachher, als der
Erfolg sich zeigte, um so verbluffter an derselben Wiese, und meinten, die
Sache sei doch nicht ganz so dumm. Keiner hatte sich aber herbeigelassen,
bei Johannes anzufragen, wie es sich eigentlich mit dem Kunstdunger
verhalte, ob es verschiedene Qualitaten gebe, wie er am besten angewendet
werde u. s. w. Wohl aber probierte es einer auf eigene Faust; er wußte sich
die Adresse eines Handlers zu verschaffen, verlangte von demselben einfach
Kunstdunger, ohne nahere Bezeichnung der Qualitat, und erhielt so eine ganz
unpassende Marke, und dazu noch geringwertige Ware. Der Kaufmann mochte
denken: Fur einen Haldenburger sei es gut genug, die verstanden es doch
nicht besser. Der Bauer, der diesen Versuch machte, hatte den gleichen
Erfolg erhofft, den Johannes mit seinem Kunstdunger erzielte, sah sich aber
bitter enttauscht, und schwur hoch und teuer, nie mehr etwas von diesem
neumodischen Hokuspokus wissen zu wollen.

Unserm Johannes war die so klug eingeleitete Dungerprobe nicht verborgen
geblieben, und er beschloß, dieselbe fur seine Zwecke auszunutzen. Als er
deshalb einmal mit dem betreffenden Bauer im Wirtshaus zusammentraf, fragte
er ihn moglichst unbefangen, was er fur einen Erfolg erzielt habe mit dem
angewendeten Kunstdunger. Der Mann, der glauben mochte, Johannes wolle
ihn foppen, geriet in Zorn und warf ihm vor, daß er jedenfalls darauf
spekuliert habe, daß man ihm seine Narrheiten nachmache und Spott und
Schaden davontrage; leider sei einer so dumm gewesen, auf den Leim zu
gehen, aber er brauche keine Sorge zu haben, daß es zum zweiten Male
geschehe. Ruhig ließ Johannes die Vorwurfe uber sich ergehen, suchte
dieselben aber zu entkraften durch eine einfache, klare Belehrung uber
das Wesen, den Ankauf, die Anwendung und die Wirkung der Handelsdunger. Er
schloß damit, daß er gerne von Anfang an bereit gewesen ware, jedem, der
sich um die Sache interessiert hatte, genauen Aufschluß zu geben; niemand
aber habe eine Frage an ihn gestellt. ≫Es tut mir leid,≪ sagte er zu dem
betreffenden Bauer, ≫daß Sie durch Ihre Unkenntnis der Sache zu Schaden
gekommen sind. Ein noch großerer Schaden entsteht aber dadurch, daß jetzt
ganz Haldenburg den Kunstdunger fur Schwindel halt, trotz den augenfallig
gunstigen Resultaten, die ich mit demselben erzielte. So liegt aber die
Gefahr nahe, daß bei uns ein sehr wichtiges Hilfsmittel zur Steigerung der
Bodenertrage geraume Zeit nicht zur Anwendung kommen wird. Diese Gefahr
muß abgewendet werden, und dazu ist es notwendig, daß Sie eine zweite Probe
machen. Ich begreife zwar, daß Sie nicht noch einmal Geld fur einen solchen
Versuch auswerfen wollen; aber ich werde Ihnen die Sache erleichtern, und
Ihnen ein Quantum geeigneten Kunstdungers zur Verfugung stellen, den
Sie dann unter meiner Anleitung anwenden. Damit hoffe ich, nicht nur das
untergrabene Ansehen des Kunstdungers wieder herzustellen, sondern auch
eine gunstigere Gesinnung gegen mich bei Ihnen zu erwecken.≪

Diese Ausfuhrungen hatten nicht nur den vorher so aufgebrachten
Kunstdungerfeind wieder besanftigt, sondern auch auf die andern im
Wirtshause anwesenden Bauern einen guten Eindruck gemacht. Johannes
beschloß, diese gunstige Stimmung auszunutzen, begann von allerlei
Verbesserungen zu reden, die in Haldenburg durchgefuhrt werden konnten
und fuhrte an, wie wichtig es ware, daß solche Sachen unter den Bauern
besprochen und erortert wurden. Gerade die Angelegenheit mit dem
Kunstdunger habe gezeigt, wie oft man nur zu geneigt sei, eine sehr
wichtige Neuerung einfach als Schwindel zu erklaren, bloß deswegen, weil
man nichts davon verstehe. Eine einfache Aufklarung aber konne oft die
Sache verstandlich machen und die Zweifel zerstreuen. Er erzahlte, wie
segensreich gerade in dieser Hinsicht die landwirtschaftlichen Lokalvereine
zu wirken imstande seien, hinzufugend, fur wie nutzlich er es halten wurde,
wenn auch in Haldenburg ein solcher Verein ins Leben gerufen wurde. Alle
Anwesenden nahmen diesen Vorschlag begeistert auf und baten Johannes, die
Angelegenheit vorzubereiten und eine Versammlung einzuberufen zur Grundung
eines Bauernvereins.

Eine solche Zusammenkunft wurde denn auch in den nachsten Tagen einberufen
und Wachter, der sich von dem am Sonntag errungenen Erfolg blenden
ließ, setzte große Hoffnungen auf diese Versammlung. Er hatte einen
Statutenentwurf ausgearbeitet und gedachte eine zundende Rede zu halten,
um, wie er meinte, das Eisen zu schmieden so lange es warm sei. Groß war
daher seine Enttauschung, als nur sechs Mann erschienen. Die ≫Großen≪ des
Dorfes hatten von der Sache gehort und befurchteten, daß Johannes zu viel
Einfluß erhalten konnte, wenn der Verein zustande kame. Es gelang ihnen
noch rechtzeitig, die Sache zu vereiteln und dem ≫Fremden≪ ein Schnippchen
zu schlagen.

Jeder andere hatte nun auf eine solche Niederlage hin den Mut sinken
lassen, nicht so unser Johannes. Nachdem es ihm gelungen war, den Aerger zu
unterdrucken, kehrte die gewohnte Energie wieder und er sprach zu den
sechs anwesenden Mannern, daß unter solchen Verhaltnissen naturlich von der
Grundung eines Vereins vorlaufig keine Rede sein konne, daß aber auch ohne
einen solchen ein halbes Dutzend Bauern mehr ausrichten konnen, als ein
einzelner, wenn es ihnen nur nicht an gutem Willen fehle. Daß sie aber
trotz aller Machinationen anders gesinnter hiehergekommen seien, halte er
fur den besten Beweis, daß es ihnen mit ihrem Streben nach Fortschritt auch
wirklich ernst sei. Der herannahende Winter mit den langen Abenden biete
Gelegenheit genug, zu uberlegen und zu beraten, wie sie sich gegenseitig
am besten in ihren Bestrebungen unterstutzen konnen. Gelinge es ihnen,
Vorteile zu erringen, so sei es sicher, daß sie bald Anhang erhalten
werden, und daß in kurzem, trotz aller Anfeindungen, der Verein doch
zustande kommen werde. Er lade sie ein, jede Woche an einem bestimmten Tag
zu ihm auf den Lindenbuhl zu kommen, um zu beraten, was getan werden
konne, um eine Besserung sowohl ihrer eigenen, als auch der allgemeinen
Haldenburger Verhaltnisse anzubahnen. Das wurde beschlossen und
zuversichtlich ging man nach Hause.

Johannes hatte in seinen neuen Anhangern Leute gefunden, die von
ernstlichem Streben beseelt waren. Es waren durchwegs kleinere Bauern,
aber vollstandig unabhangig, so daß sie es nicht notig hatten, sich am
Gangelbande der Großen fuhren zu lassen. Sie erkannten gar bald, daß
Wachter ein Mann sei, dem man vertrauen konne und der es gut mit ihnen
meine. Die Diskussionsabende auf dem Lindenbuhl wurden fleißig besucht und
es begann ein ruhiges, aber zielbewußtes Arbeiten, dessen Fruchte nicht
ausblieben.

Die Hauptaufgabe des kleinen Klubs mußte vorerst darin bestehen, in ihren
eigenen Betrieben Verbesserungen durchzufuhren. An große offentliche
Fragen durften sie ja nicht herantreten. Mit kluger Berechnung blieben sie
uberhaupt allen großen Projekten fern. Sie sagten sich, daß sie nicht zu
viel wollen durfen; denn Mißerfolge konnten auch sie entmutigen und dann
ware alles verloren. Johannes belehrte bei den Zusammenkunften die Leute,
wie sie durch eine rationelle Dungerwirtschaft ihre Guter ertragreicher
machen konnen, wie sie auch mit dem kleinsten haushalten sollen und wie sie
selbst noch aus allen Abfallstoffen, die sie bis jetzt nicht zu beachten
gewohnt waren, noch Nutzen zu ziehen vermogen. Er zeigte ihnen, wie sie
durch richtige Zeiteinteilung und strenge Ordnung in allen Dingen den
Betrieb vereinfachen und muheloser gestalten konnen. Durch gemeinsamen
Bezug von Kunstdunger, Samereien, Futtermitteln u. s. w. verringerten
sie ihre Auslagen, schutzten sich vor Betrug und sicherten sich bessere
Qualitaten. Zufallig hatte man gerade ein sehr gesegnetes Obstjahr, da
legten sie die auf rationelle Art geernteten und sortierten Fruchte
zu gemeinschaftlichem Verkauf zusammen und erzielten, dank der guten
Verbindungen, die Johannes hatte, viel hohere Preise, als die andern
Bauern. Auf diese Weise ist es erklarlich, daß jeder schon im ersten Jahr
einen großen Nutzen aus der zwanglosen Vereinigung davontrug. Das merkten
jetzt naturlich auch die andern Bauern und manchen reute es, daß er an
jenem Abend der Versammlung ferngeblieben war.

Wachter mußte sich sagen, daß er sehr viel erreicht habe, vielleicht sogar
mehr, als wenn vor einem Jahr der Verein wirklich zustande gekommen ware;
denn ≫viel' Kopf', viel' Sinn'≪. Bei einem großeren Verein hatte es gewiß
auch solche gegeben, die der Sache zum mindesten nicht forderlich gewesen
waren, oder gar als Radschuh am Fortschrittswagen figuriert hatten.

Es darf nun hier nicht verschwiegen werden, daß unterdessen auch Frau Marie
nicht untatig geblieben war. Als treue Bundesgenossin ihres Mannes hatte
sie seine Bestrebungen zu den ihrigen gemacht, und hatte jener bei den
Mannern Erfolge aufzuweisen gehabt, so konnte sie sich ruhmen, dasselbe bei
den Frauen erreicht zu haben.

War der Lindenbuhl fur die sechs Manner der Versammlungsort und der
Mittelpunkt ihres Wirkens geworden, so ist es fast selbstverstandlich, daß
auch ihre Frauen hie und da dort verkehrten. Auch sie wollten etwas lernen,
und Marie erteilte gerne Rat, wo sie konnte. Bald hatte sie Fragen zu
beantworten die Kuche betreffend, bald bildete die Milchwirtschaft den
Mittelpunkt der Besprechung, oder es kam das Kapitel Huhnerzucht zur
Erorterung, und als der Fruhling herankam, trat die Gartenwirtschaft in den
Vordergrund. Auf allen diesen Gebieten war ja Frau Wachter vollstandig zu
Hause und in aller Bescheidenheit erteilte sie Auskunft, ohne mit ihren
Kenntnissen zu prahlen.

Bald genug wußte man im Dorfe auch noch von einer andern Tatigkeit Mariens
zu erzahlen, die sich ganz im stillen abspielte. Ihr gutes Herz und ihr
Wohltatigkeitssinn trieben sie, die Not und das Elend zu mindern, wo sie es
antraf. Hier sah man sie mit wohlgefullter Schurze in die Hutte einer armen
Wochnerin eintreten, dort stand sie am Bette eines Schwerkranken, trostend
und helfend, wo sie konnte. Der Arzt und der Pfarrer wußten ihre Dienste
und aufopfernde Mitarbeit dankbar zu schatzen, und manche genesende Person
segnete das stille Walten, das vom Lindenbuhl ausging. Lange bevor Johannes
mit seinen Fortschrittsideen bei den Mannern durchgedrungen war, zollte man
seiner Frau allgemeine Achtung und Verehrung.

Hie und da kam Vater Wachter auf Besuch, um zu sehen, wie sein Sohn
wirtschafte, und er konnte sich nicht genug wundern, was Johannes in
den wenigen Jahren aus dem vernachlassigten Gute gemacht hatte. Er mußte
bekennen, daß sein Sohn sein Wort gehalten und ein rechter Bauer geworden
sei. Die sorgfaltig gefuhrten Bucher ergaben aber auch, daß die Rendite mit
dem außeren Ansehen des Hofes im Einklang stand. Mit Stolz erfullte es ihn,
als er horte, wie, von seinem Sohne ausgehend, eine Hebung der allgemeinen
landwirtschaftlichen Zustande in Haldenburg angestrebt wurde, und er
prophezeite Johannes gerade in dieser Hinsicht noch einen besondern Erfolg.
Er meinte, so hartgesottene Anhanger des Althergebrachten konnen
diese Bauern doch nicht sein, daß sie nicht merken sollten, daß diese
wohlgepflegten Wiesen nicht mehr und besseres Futter liefern, als die
schlechten daneben; daß diese glatthaarigen, wohlgeformten und gutgenahrten
Kuhe nicht leistungsfahiger seien und auf dem Markte einen großeren Wert
reprasentieren, als andere mit allen moglichen Fehlern behaftete, und daß
diese kraftstrotzenden, sauber in Ordnung gehaltenen Obstbaume nicht einen
weit großeren Nutzen abzuwerfen imstande seien, als jene Serblinge, die
uber und uber mit Schmarotzern bedeckt seien. Wenn sie es aber sehen, so
musse der erste Schritt der sein, daß sie es auch so haben wollen.

Wie recht der alte Wachter mit seiner Voraussage hatte, zeigte sich in der
Tat immer mehr. Die Sticheleien, denen Johannes und seine sechs Anhanger im
Anfang ausgesetzt waren, horten nach und nach auf. Man gewohnte sich daran,
sie ihren eigenen Weg gehen zu sehen, und ließ sie gewahren. Als dann aber
so nach und nach die Erfolge ihres veranderten Vorgehens sich bemerkbar
machten, wurde mancher stutzig und fing an zu fragen, was die Ursache
dieser oder jener Erscheinung sei. Bereitwilligst wurde naturlich immer
Auskunft gegeben, und gewohnlich tat man bei solchen Erorterungen auch des
Lindenbuhls Erwahnung, als Ausgangspunkt der verschiedenen Anregungen und
Belehrungen. So begannen denn die Haldenburger Bauern doch einzusehen, daß
man die Ansichten Johannes' etwas mehr beachten musse; denn es seien eben
unzweideutige Beweise vorhanden, daß er mit seiner Methode zu ganz andern
Resultaten gelange, als sie mit ihrem alten System. Verfehlt ware es
jedoch, zu glauben, daß diese guten Leute jetzt ihren Irrtum und ihr
Unrecht offen bekannt hatten. Nein, nur zu hinterst in ihrem Gewissen
begann das Gefuhl, nicht ganz im Recht zu sein, langsam aufzutauchen. Aber
noch ein anderes Gefuhl machte sich geltend, und das war der Neid. Diese
beiden Regungen hielten sich eine Zeitlang die Wage und ließen einander
nicht vorwarts kommen. Zuletzt zeigte sich aber doch der Neid als starker,
und namentlich als man sah, daß Johannes nicht zurnte, sondern gerne jedem
Bescheid gab, der sich an ihn wandte, wollte jeder so viel als moglich von
seinen Kenntnissen profitieren.

Manche der vielen wichtigen Fragen, die da zu erortern waren, ließen sich
indessen nicht nur so im Vorbeigehen behandeln, und man sah ein, daß da
großere Zusammenkunfte notig waren. Immer haufiger sprach man deshalb
wieder von dem Projekt einer landwirtschaftlichen Vereinigung und bedauerte
lebhaft, daß man das vorige Jahr der Sache so feindselig begegnet sei.
Indessen ließe sich vielleicht auf die Angelegenheit zuruckkommen. Und als
sich einmal eine gunstige Gelegenheit bot, frug einer den Johannes, wie es
eigentlich mit der Grundung eines landwirtschaftlichen Vereins stehe, ob
er nicht glaube, daß man noch einmal einen Versuch wagen sollte, das
Entgegenkommen werde jetzt gewiß ein besseres sein, als das erste Mal.

Johannes wollte aber zuerst nichts mehr davon wissen, er sagte: ≫Ich habe
an einer Niederlage gerade genug und bin nicht nach Haldenburg gekommen, um
mich offentlich zum Narren halten zu lassen. Ich hatte lediglich Euer Wohl
im Auge, als ich vor einem Jahr die erste Versammlung einberief. Statt
dieses anzuerkennen, hat man mich sogar noch schlechter Absichten geziehen,
und nun soll ich mich dieser Gefahr von neuem aussetzen?≪

Erst als man von allen Seiten in ihn drang und selbst seine Freunde ihn
eines befriedigenden Erfolges versicherten, beschloß er endlich, nochmals
die Zusammenberufung einer Versammlung zu wagen, hatte dann aber auch die
Freude, die Sache vollstandig gelingen zu sehen. Der Besuch war nicht nur
ein sehr großer, sondern viele der anwesenden Bauern erklarten sich auch
gleich bereit, dem Verein beizutreten.

Johannes, der nun schon aus Erfahrung wußte, daß man so einen aufflammenden
Eifer moglichst gut auszunutzen suchen musse, legte der Versammlung einen
Statutenentwurf vor, und als die verschiedenen Paragraphen durchberaten
und angenommen waren, wurde zur Wahl des Vorstandes geschritten, wobei
naturlich Johannes als Prasident hervorging. So wurde in einer Sitzung
in Haldenburg ein landwirtschaftlicher Verein gegrundet, der uber 30
Mitglieder zahlte. Selbst einige der Dorfmagnaten waren dem Verein
beigetreten. Sie mochten darauf rechnen, auch hier eine Rolle spielen zu
konnen.

Nun ging es in Haldenburg rasch vorwarts mit dem Fortschritt in der
Landwirtschaft. Ein Cyklus von Vortragen uber die verschiedensten Gebiete
der Landwirtschaft, sowie einige Kurse sollten den Bauern Gelegenheit
geben, sich grundlegende Kenntnisse zu verschaffen, mittelst denen es ihnen
moglich sein sollte, aus ihren Betrieben einen großeren Nutzen zu ziehen.

Die Mitglieder des Vereins suchten nicht nur aus Buchern und Zeitschriften
zu erfahren, wie man anderwarts vorgehe, oder diese oder jene Neuerung sich
zunutze mache, sondern sie tauschten auch ihre eigenen Beobachtungen und
Erfahrungen gegenseitig aus, was von großem Nutzen war; denn unter den
verschiedenen Verhaltnissen, namentlich in Bezug auf Boden und Klima,
verandern sich ja bekanntlich die Resultate der landwirtschaftlichen
Tatigkeit oft um ein betrachtliches, so daß die Beobachtungen, die an Ort
und Stelle selbst gemacht werden, immer die beachtenswertesten sind.

Der gemeinschaftliche Bezug von Dunger, Samen und andern
landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln hatte sich schon vorher bewahrt. Es
wurde deshalb diese Institution in die Vereinstatigkeit aufgenommen
und stetig erweitert. So wurde der genossenschaftliche Sinn bei den
Haldenburgern trefflich genahrt, bald wurde eine Viehzuchtgenossenschaft
gegrundet und die Sennerei, die schon fruher genossenschaftlich betrieben
wurde, besser eingerichtet und nach den Anforderungen der Neuzeit
umgestaltet.

Allen diesen Maßnahmen war es zu verdanken, daß nicht nur die Ertrage
betrachtlich erhoht, sondern auch die Produkte bedeutend verbessert wurden,
so daß sie an Ansehen gewannen und marktfahiger wurden. Wahrend man fruher
von Haldenburg nie etwas gutes erwartete und daher der Absatz ein außerst
schlechter war, stellten sich jetzt Kaufer ein, welche gute Ware suchten
und auch dementsprechend bezahlten. So sah man sich jetzt auch fur seine
Muhe entschadigt und arbeitete mit viel großerer Lust. Der Aufschwung
bedeutete also direkten und indirekten Nutzen.

Freilich ware es ein Irrtum, zu glauben, daß sich die gunstige Veranderung,
welche so viel Gutes mit sich brachte, so glatt vollzog, wie sie eben
geschildert wurde. Da galt es anzukampfen gegen eine ganze Menge von
Vorurteilen und Scheingrunden. Die Gutgesinnten bildeten noch lange die
Minderheit. Viele wollten sich durchaus vom Alten nicht losmachen, obwohl
eigentlich mancher keinen andern Grund dafur angeben konnte, als seine
Engherzigkeit, seinen Hochmut und die Lust am Streiten.

Die großten Schwierigkeiten traten ein, als der landwirtschaftliche Verein
es als seine Aufgabe erkannte, sich auch mit Angelegenheiten zu befassen,
welche die Gemeinde angingen, wie z. B. Weganlagen, Alpverbesserungen, eine
neue Waldordnung u. s. w. Alles dies waren Projekte, die nicht mehr langer
aufgeschoben werden durften, wollte man nicht auf halbem Wege stehen
bleiben.

Johannes sah zwar voraus, daß enorme Schwierigkeiten zu uberwinden seien,
bis man in dieser Beziehung ans Ziel gelange, aber jetzt, da er nicht mehr
allein dastand im Kampfe, schreckten ihn die Hindernisse nicht.

Mit wohlberechneter Klugheit trat er nie fur etwas ein, das er nicht vorher
wohlerwogen und ausgedacht hatte. Bevor er einer Verbesserung das Wort
redete, berechnete er immer die Opfer, die dafur zu bringen seien und
den Nutzen, den man nach der Ausfuhrung erwarten durfte. So konnte er der
Opposition mit ziffernmaßigen Belegen gegenubertreten, und dieser Umstand
half manchmal allein schon der Sache zum Durchbruch.

Als einige kleinere Projekte dieser Art wirklich zur Ausfuhrung gelangten
und man allgemein das Gute anerkennen mußte, gewann Johannes immer mehr
Achtung und Ansehen, und er wurde sogar in den Gemeinderat gewahlt.

Dieses Ereignis war ein schwerer Schlag fur den Burgerzopf; denn so etwas
war noch nie erhort worden in Haldenburg, und manches alte Bauerlein, das
sich nicht mehr in die neue Zeit hineinfinden konnte, meinte, die
Vorfahren wurden sich noch im Grabe umdrehen, wenn sie wußten, wie man ihre
heiligsten Ueberlieferungen mißachte.

Von jetzt an ging es rasch vorwarts im neuen Kurs. Der Stein war nun
einmal ins Rollen gekommen und niemand vermochte ihn aufzuhalten.
Die notwendigsten der geplanten Verbesserungen wurden nacheinander
durchgefuhrt, andere, weniger dringende, wurden einstweilen noch
zuruckgelegt, da man bei den mißlichen Verhaltnissen, in welche die
Gemeinde durch die fortwahrend schlechte Verwaltung nach und nach gekommen
war, nicht zu viel auf einmal wagen durfte.

Der allgemeine Aufschwung hatte eine bedeutende Verkehrssteigerung zur
Folge, welche sich hauptsachlich durch vermehrte Ab- und Zufuhr geltend
machte. Auch hatte man durch Entwasserung eines großen Sumpfgebietes in
der Ebene drunten mehr Kulturland gewonnen, dessen Ertrage ins Dorf
heraufgefuhrt werden mußten. So war es zur dringlichen Notwendigkeit
geworden, einen bequemeren Zufahrtsweg zu schaffen. Es gehorte denn bald
auch der beruchtigte ≫Haldenburgerstutz≪ der Vergangenheit an. An einer
Biegung der neuen Straße wurde ein Felsblock aufgestellt, den man beim Bau
derselben ausgegraben hatte, und darauf ist der Spruch eingemeißelt:

  ≫Rastlos vorwarts mußt du streben,
  Nie ermudet stille steh'n,
  Willst du die Vollendung seh'n.≪

Dieses sollte der Wahrspruch werden fur die Weiterentwicklung Haldenburgs,
und wer heute dorthin kommt, der muß bekennen, daß das rastlose,
unermudliche Vorwartsstreben auch zu einem schonen Erfolge gefuhrt hat;
denn Haldenburg kann mit seinen geordneten Verhaltnissen, unter denen
Landwirtschaft und Gewerbe bluhen, den umliegenden Gemeinden als Muster
dienen. Die Geschichte seines Aufschwungs aber beweist, wie wichtig es fur
ein Gemeinwesen ist, wenn Manner in ihm wirken, denen das offentliche Wohl
am Herzen liegt, und die mit Energie und Tatkraft in umsichtiger Weise fur
dasselbe einstehen, wo immer es notwendig ist.

Unsere Bauern aber mogen aus vorstehender Schilderung die Lehre ziehen, wie
notwendig es ist, daß bei der Ausbildung junger Landwirte nichts versaumt
wird. Echte und rechte Bauern sind notwendig, Manner, die imstande sind,
mit Energie und Intelligenz den althergebrachten Ideen und Ansichten die
Stirne zu bieten und einzutreten fur einen gesunden Fortschritt, durch
welchen die Hebung der Landwirtschaft sich vollziehen soll.

In der Voraussetzung also, daß Johannes Wachter nicht nur allein fur
Haldenburg so nutzbringend gewirkt habe, sondern auch vielen andern seiner Berufsgenossen als leuchtendes Beispiel diene, nehmen wir von ihm und dem Lindenbuhl Abschied.

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