2015년 1월 26일 월요일

Aus Berg und Tal 3

Aus Berg und Tal 3

III.Der Winter, der diesmal seine strenge Herrschaft auch in D. geltend gemacht
hatte, begann dem Fruhling zu weichen. Ein lauer Fohn, im Bunde mit den
kraftigen Strahlen der Marzsonne, hatte die machtigen Schneemassen schon
ein gutes Stuck den Hang hinauf zum Schmelzen gebracht. Die Wiesen ob dem
Dorfe begannen sich mit zartem Grun zu bedecken, in den Baumgarten bluhten
die Maßliebchen, und hie und da begann schon eine vorwitzige Primel
ihre gelben Bluten zu entfalten. Die Zeit ruckte allgemach heran, wo die
Landwirte wieder ihre Arbeit draußen in Feld und Wiese aufnehmen konnten.

Unsere Liese freute sich, daß auch sie bald wieder hie und da das Haus
verlassen und ihre Gartenarbeit aufnehmen konne. Schon im Herbst hatte
Martin neben dem Haus zwei große, aber altersschwache Birnbaume gefallt
und so einen freien und sehr gunstig gelegenen Platz fur einen kleinen
Hausgarten gewonnen. Ebenfalls schon vor Anbruch des Winters wurde die
Erde gut umgearbeitet und mit Dunger durchsetzt. Es hatte dann auch Tage
gegeben, an welchen Martin seiner gewohnten Arbeit nicht nachgehen konnte;
da wurde dann Holz vorbereitet fur einen Gartenzaun und ein Gartenhauschen,
welche jetzt beide beinahe vollstandig erstellt waren. Liese hatte an
einer Gerollhalde unweit vom Dorfe geeignete Steine entdeckt, die fur die
Wegeinfassungen paßten; diese wurden jetzt mit dem Handwagen unter Beihilfe
der Kinder herbeigefahren und den Wegen entlang so aufrecht eingegraben,
daß die Erde nicht in die Wege hinausfallen konnte. Dann holte Elise auch
noch Sand, den der Bergbach hie und da an seinen Ufern ablagerte, um
die Wege etwa funf Centimeter hoch damit zu bedecken. Die Einteilung des
Gartens war hochst einfach ausgefuhrt. Rings um den Garten herum,
sowohl dem Zaune, als dem Hause entlang wurde eine Rabatte angelegt, die
80 Centimeter breit war; auf dieser sollten gegen den Zaun hin allerlei
Beerenstraucher Platz finden. Die am Hause gelegene Rabatte, welche sehr
geschutzt und sonnig gelegen war, wollte Elise im Fruhjahr teils
als Anzuchtsbeet fur fruhe Setzlinge, teils zur zeitigen Aussaat von
Schnittsalat, Kresse, Radieschen u. s. w. benutzen. Ein Mittelweg, der von
der hintern Hausture zum Gartenhauschen fuhrte, teilte den Garten in zwei
Halften, wahrend ein anderer, etwas schmalerer, rings herum fuhrte und die
Rabatte von den beiden Quartieren trennte.

Die notwendigen Samereien hatte Liese schon beizeiten aus einer großeren
Samenhandlung kommen lassen, und als nun die Erde etwas abgetrocknet und
sonst alles vorbereitet war, ging es an das Umgraben und Ausebnen des
Bodens; es wurden Beete abgeteilt und solche Gemuse ausgesat, die von der
Kalte nicht so schnell leiden. Die Kinder mußten bei dieser Arbeit helfen,
und bald lag der Garten in schonster Ordnung da. Die Sicherheit, mit
welcher unserer Liese diese Verrichtungen durch die Hand gingen, ließ
leicht erkennen, daß sie mit den Gartenarbeiten vertraut war. Sie hatte
auch in der Tat schon als kleines Madchen von der Mutter Anregung zu
allerlei leichten Beschaftigungen im Garten erhalten, und als sie dann
spater an einem Gemusebaukurs teilgenommen hatte, wurde ihr der
Garten sozusagen ganz allein zur Besorgung ubertragen. Auch nach ihrer
Verheiratung verfugte sie uber einen kleinen Hausgarten, wo sie dann erst
recht nach ihrem eigenen Willen schalten und walten konnte. Ihr Gartchen
war denn auch immer ein wahres Schmuckstuck gewesen; denn sie hatte nicht
nur immer die schonsten Gemuse gehabt, sondern auch ihre Blumenrabatten
hatten manchen der Vorubergehenden gezwungen, stehen zu bleiben und einen
bewundernden Blick uber den Zaun zu werfen. Hier in D. hoffte sie nun, noch
bessere Erfolge mit dem Garten zu erzielen; hatte sie ja doch schon bei der
Anlage auf alles ihr Wunschenswerte Rucksicht nehmen konnen; auch war der
Garten ihr Eigentum und sie brauchte also nicht zu befurchten, denselben
nach einiger Zeit wieder andern Handen ubergeben zu mussen.

Freilich wußte Liese wohl, daß nicht alles, was sie aus ihrem Garten zu
machen gedachte, gleich im ersten Jahre moglich war. Sie wollte sich auch
gerne mit manchem gedulden und zufrieden sein, wenn sie es nur soweit
brachte, daß der Garten so viel Gemuse hervorbrachte, als sie fur ihre
Familie das ganze Jahr uber notwendig hatte.

Martin und seine Familie waren so an den Genuß von Gemuse gewohnt, daß sie
kaum erwarten konnten, bis die erste Kresse geschnitten werden konnte, und
als Liese an einem Sonntag die ersten Radieschen auf den Tisch brachte, da
gab es besonders bei den Kindern großen Jubel.

Der neue Garten und besonders das Gartenhauschen beim Mullerschen Hause
hatte in D. wieder viel zu reden gegeben. Daß sich der Pfarrer mit solchen
Sachen abgab, das war weiter nicht aufgefallen. Immer konnte er doch nicht
innerhalb seiner vier Wande sitzen, und wenn er also zum Zeitvertreib sich
im Garten beschaftigte, so konnte man ihm diese Liebhaberei wohl verzeihen.
Er musse ja auch nicht streng arbeiten -- hieß es -- und da schade es ihm
nichts, wenn er zur Abwechslung von seinem Grunzeug esse. Spare er damit
etwas an seiner Lebenshaltung, so sei das fur alle gut, weil es ihm dann
viel weniger in den Sinn komme, auf eine Gehaltserhohung bei der Gemeinde
zu dringen.

Mit ganz andern Augen verfolgte man hingegen die Bestrebungen von Martin
und Liese. Daß ein einfacher Zimmermann, von dem man wußte, daß er nicht
reich war, sich den Luxus erlaubte, einen Garten anzulegen und sogar eine
Laube zu erstellen, das konnte niemand recht begreifen. Man glaubte in D.
allgemein, daß Martin weit uber seine Mittel hinausgehe. Wenn er bis jetzt
auch einen guten Verdienst gehabt habe und Anzeichen vorhanden seien,
daß derselbe nicht so bald nachlasse, so durfe er doch nicht gleich daran
denken, es den Herrenleuten nachmachen zu wollen und alles aufs feinste
einzurichten.

≫Wenn das sein Vater selig wußte, wie jetzt mit dem ererbten Heimwesen
umgegangen wird!≪ meinte einer. ≫Was war doch der Weibelhannes fur ein
einfacher Mann! Nie hat er einen Rappen umsonst ausgegeben, und kaum hat
nun der Martin sich ins warme Nest gesetzt, so ist ihm auch nichts mehr gut
genug; er tut gerade, als wenn er in der Fremde Wunder was verdient oder
erheiratet hatte, wahrend man doch gesehen hat, daß es mitunter auch recht
alter Plunder war, den er mitbrachte, so daß er recht froh sein konnte, daß
der großte Teil der Mobel vom Vater auch noch da war.≪

≫Ich wette,≪ meinte ein anderer, ≫daß Martin auch anders ware, wenn ihm die
Unterlanderliese nicht ganz den Kopf verdreht hatte. Sie will jetzt einmal
ihren Garten haben und dabei bleibt's! Aber, was gilt's, dem Martin werden
schon die Augen aufgehen, wenn ihm erst einmal all das Kraut aufgetischt
wird, das die Liese in ihrem Garten großzieht! Grunfutter ist gut furs
liebe Vieh; aber um die Arbeit eines Zimmermanns verrichten zu konnen, muß
einer etwas anderes als Salat und Spinat im Magen haben.≪

Wie es immer in der Welt zu gehen pflegt, daß man das Alte ob dem Neuen
vergißt, so ging es auch hier. Als die Gartenangelegenheit und die
vermeintliche Verschwendungssucht Martins genugend breitgeschlagen und
durchgeklatscht war, begann man sich allmahlich zu beruhigen. Die Arbeiten
in Feld und Wiese wurden auch immer dringender, und bald ging jedermann an
dem neuen Zaune voruber, ohne etwas besonderes zu denken, ja einige Frauen
begannen sich schon hie und da fur die so regelmaßig aufgehenden Saaten zu
interessieren.

Bald ruckte wieder die Zeit des allgemeinen Auszuges heran; der großte
Teil der jungen Manner, der Junglinge und erwachsenen Tochter traten ihre
gewohnten Saisonstellen an, und es wurde sehr ruhig in D.

Martin hatte fur zwei Neubauten die Zimmerarbeit ubernommen, und es fehlte
ihm deshalb nicht an Beschaftigung. Neben den Hausarbeiten besorgte Liese
die zwei kleinen Aecker, die sie mit Kartoffeln bepflanzt hatte, oder sie
hatte im Garten irgend eine Verrichtung; war sie aber mit allem fertig, so
saß sie in der Laube bei irgend einer Naharbeit. Die Kinder, welche jetzt
im Sommer nicht mehr den ganzen Tag in der Schule zubringen mußten, halfen,
wo sie konnten, nach Kraften mit. Die beiden Knaben zogen wohl auch mit
einem leichten Wagen auf die Landstraße hinaus, um Mist zu sammeln, der
dann an geeigneter Stelle zusammen mit allerlei Abfallen auf einen Haufen
geschuttet wurde und Kompost fur den Garten liefern sollte. Das gab
den Leuten wieder frischen Stoff zu allerlei Gerede, und manniglich
bemitleidete die ≫armen Buben≪, welche stets barfußig waren, und wie
es schien, mit dem großten Vergnugen dem Geschafte des Dungersammelns
nachgingen. In D. war es nie der Brauch gewesen, barfuß zu gehen, und
selbst die kleinen Kinder trugen auch im Hochsommer Schuhe und Strumpfe;
deshalb fiel es auf, daß Liese ihre Kinder barfuß laufen ließ, und gleich
hieß es: ≫Da sieht man es. Zu Hause ein solcher Luxus, und dabei haben die
Kinder nicht einmal Schuhe, und sogar Mist mussen sie zusammenlesen. Es ist
also bei Mullers doch nicht alles Gold, was glanzt, sonst mußten sie nicht
am Notwendigsten sparen.≪

Elise, der wohl hie und da von solchen abfalligen Redensarten etwas zu
Ohren kam, kehrte sich nicht im mindesten daran. Sie merkte es an den roten
Backen der Kinder, daß ihnen das Barfußgehen nicht schade. Mit Freuden sah
sie auch ihren Komposthaufen zu immer großeren Dimensionen anwachsen. Sie
betrachtete ihn als eine Sparbuchse, gespeist mit Kapitalien, die sonst
nutzlos auf der Straße zugrunde gehen wurden.

Die Gemuse in Lieses Garten standen prachtvoll, und als erst die
verschiedenen Sommerblumen auf den Rabatten zu bluhen begannen, da dachten
sogar einige der Nachbarinnen, daß so ein Gartchen doch unter Umstanden
eine angenehme Sache sei. Die eine oder andere der Frauen blieb hie und
da am Zaune stehen, wenn Elise im Garten arbeitete, und hatte bald dieses,
bald jenes zu fragen. Besonders suchten sie in Erfahrung zu bringen,
wie dem Martin die Gemusekost munde, und erstaunten nicht wenig, als sie
horten, daß er sich ja langst daran gewohnt habe, und ohne Gemuse gar nicht
mehr sein konnte. Freilich, erklarte ihnen Elise, mussen alle Gemuse auch
gut und schmackhaft zubereitet werden, das sei gerade so notwendig als die
richtige Kultur im Garten selbst. Sie rief auch manchmal diese oder jene
der Frauen in die Kuche, machte sie mit der Art und Weise des Kochens der
Gartengewachse bekannt oder ließ sie die fertigen Gerichte probieren. Sie
zeigte ihnen auch, wie sie Gemuse in Glaser einmache, um auch Vorrate fur
den Winter zu haben. Bald sahen denn auch die Nachbarinnen die Gartenkunst
Elisens mit ganz andern Augen an, und manche begann, sich auch einen
kleinen Garten zu wunschen.

Indessen waren es nicht nur Lieses Nachbarinnen, welche der Sache Interesse
abgewannen, sondern auch in weiteren Kreisen wurde man auf das schmucke
Gartchen und seine Produkte aufmerksam.

Als einst ein Hotelbesitzer aus dem benachbarten Kurort F. mit seinem Wagen
durch D. fuhr und in der Post einkehrte, bewunderte er die gut entwickelten
Gemuse in dem Mullerschen Hausgarten und fragte gleich bei Elise an, ob sie
nicht gewillt sei, ihm von ihren Gartenerzeugnissen etwas zu verkaufen;
er sei bereit, gute Preise zu bezahlen, da es stets an frischen Gemusen
mangle. Er sehe sich genotigt, seinen ganzen Bedarf kommen zu lassen, und
musse da oft mit ganz minderwertiger Ware vorlieb nehmen. Sie bedeutete
ihm, daß sie leider zum Verkauf nicht eingerichtet sei; daß sie aber ein
anderes Jahr leicht auf einem Acker Gemuse bauen konne, und wenn er ihr
Aussichten auf Absatz eroffne, so werde sie das auch ausfuhren. Der Herr
war damit ganz einverstanden, und nachdem ihn Liese noch mit einem hubschen
Blumenstrauße beschenkt hatte, fuhr er von dannen.

Es braucht wohl nicht besonders bemerkt zu werden, daß Elise ob den andern
Arbeiten ihre Topfpflanzen nicht vergaß. Als sie im Fruhjahr einmal in der
Stadt war, hatte sie beim Gartner noch einige junge Pflanzen von leicht zu
kultivierenden Arten gekauft; diese gediehen jetzt prachtig und bluhten
zum Teil schon. Der Pfarrer hatte ihr einige Ableger von jenen großblumigen
Nelken geschenkt, die man im Kanton Graubunden in einigen Talschaften
in oft prachtvollen Exemplaren bewundern kann. Diese bildeten nun ihren
besondern Stolz, da sie schon im Unterland von diesen Riesennelken gehort,
nie aber welche gesehen hatte. Elise besaß schon vorher einige hubsche,
wenn auch kleinblumige Topfnelkenarten, und so konnte sie jetzt zwei
Fenster gegen die Straße, wo die Sonne nicht so heiß hinbrannte, mit
ihren Nelkenstocken dekorieren. Diese Nelken bildeten nun einen besonderen
Gegenstand ihrer Pflege; denn sie hatte von jeher eine große Liebhaberei
fur diese Blumen gehabt. Als dann aber die Blutezeit herannahte, sah sie
sich auch reichlich fur alle Muhe entschadigt. Die Pflanzen waren in Laub
und Blute wunderbar gut entwickelt, und weit herum waren keine solchen
Nelken zu sehen.

Da geschah es eines Tages, daß eine reiche Familie aus Deutschland nach D.
kam. Sie wollte nach F. reisen, es war aber unterwegs etwas an dem Wagen
gebrochen, und somit gab es hier einen unfreiwilligen Aufenthalt, bis
der Schaden wieder gut gemacht war. Nachdem die Fremden im Gasthaus eine
Erfrischung genommen hatten, machten sie einen Spaziergang durch das Dorf
und entdeckten dabei gar bald Elisens Nelkenstocke. Ganz verwundert blieben
sie unter den Fenstern stehen; denn solche Nelken hatten sie noch nie
gesehen. Die junge Frau außerte denn auch sofort den Wunsch, eine solche
Pflanze zu kaufen, um sie mit nach Deutschland zu nehmen.

Elise war gerade in der Kuche mit Konservieren von Gemuse beschaftigt und
erstaunte nicht wenig, als die Herrschaft bei ihr eintrat; fast noch mehr
erstaunt aber war sie, als sie horte, daß sie einen ihrer Nelkenstocke
verkaufen sollte. Ganz unumwunden erklarte sie denn auch, daß sie diese
Nelken nicht zum Verkaufen, sondern aus eigener Liebhaberei gezogen habe.
Das half indessen nicht viel, der Herr, welcher den Wunsch seiner Frau zu
dem seinigen gemacht hatte, fuhr fort zu bitten; er versprach, gerne jeden
verlangten Preis zu bezahlen und offerierte, als Liese noch zogerte, 15 Fr.
fur eine der großblumigen Pflanzen. Als Elise diesen Preis nennen horte,
meinte sie doch, es ware eine Sunde, eine solche Einnahme von der Hand zu
weisen. Sie willigte also in den Handel ein und erlaubte der Dame, unter
samtlichen Pflanzen diejenige auszuwahlen, welche ihr am besten gefalle. So
war denn die Sache zur allgemeinen Zufriedenheit geregelt, und wahrend der
Nelkenstock verpackt wurde, ermunterte die fremde Dame Elise, nur moglichst
viele solcher Nelkenpflanzen zu ziehen, an Absatz werde es ihr gewiß
nicht fehlen. Der Herr war der gleichen Meinung und versprach, einen ihm
bekannten Blumenhandler in F. auf diese prachtvollen Blumen aufmerksam zu
machen. Es sei ja gar nicht ausgeschlossen, daß dieser dann auch allerlei
andere Blumen in D. ziehen lasse, sobald sich Elise nur entschließen konne,
einen solchen Auftrag zu ubernehmen. Diese dankte ihren Gonnern fur das
bewiesene Wohlwollen und versprach, die Sache uberlegen zu wollen; es sei
ihr selbst auch schon durch den Sinn gefahren, ob sie vielleicht nicht
imstande ware, mit Gemuse- und Blumenzucht ein hubsches Stuck Geld zu
verdienen. Sie erzahlte dann von dem Besuch des fremden Hotelbesitzers und
wie sie darauf den Vorsatz gefaßt habe, nachstes Fruhjahr mit der Zucht von
Gemusen zum Verkauf beginnen zu wollen. Nun ihr auch Aussicht gemacht
sei, Blumen und namentlich Nelken gut verkaufen zu konnen, so wurde es
vielleicht nicht schaden, auch damit einen Versuch zu wagen. Nachdem die
Fremden versprochen hatten, Elise im nachsten Sommer wieder zu besuchen,
nahmen sie Abschied, und der kleine Hans trug ihnen den gekauften
Nelkenstock noch bis zum Wagen.

Martin war nicht recht einverstanden, als Elise ihm ihren Plan mitteilte,
im kommenden Jahr einen kleinen Gemuseversand einrichten zu wollen. Er
meinte, das verursache im Verhaltnis zur Einnahme viel zu viel Arbeit,
und es sei ja nicht notwendig, daß sich Liese uber Gebuhr anstrenge wegen
einigen Franken, die vielleicht damit zu verdienen seien. Im Geheimen
mochte er wohl Angst haben, daß Elise die Hausgeschafte vernachlassige,
wenn die vermehrte Gartenarbeit auf sie einsturme, und denken, daß es dann
um die Gemutlichkeit in seinem Hause geschehen sei. Sobald deshalb Elise
auf diesen Gegenstand zu sprechen kam, gab er ausweichende Antworten und
suchte das Gesprach auf etwas anderes zu bringen.

Als ihm nun aber Elise die 15 Fr. fur die Topfnelke aufzahlte, da meinte
er nun doch: ≫Ja, wenn solche Preise die Regel waren, wurde ich Dir selbst
raten, die Sache in etwas großerem Maßstabe zu probieren. Ueberhaupt
glaube ich, daß bei der Blumenzucht mehr herausschauen durfte, als beim
Gemusebau.≪ ≫Aber schau Martin,≪ entgegnete Elise, ≫ich kann ganz gut
das eine tun und das andere nicht lassen. Manche Flickerei und andere
Handarbeiten kann ich ganz gut auf den Winter versparen. Dann mußt Du
bedenken, daß die Kinder großer werden und manches zu helfen imstande sind.
Auch wirst Du verstehen, daß ich mich mit keinem Gedanken mit der ganzen
Angelegenheit befassen wurde, wenn ich denken mußte, deswegen auch nur das
Kleinste der notwendigen Hausgeschafte vernachlassigen zu mussen.≪ So ward
denn der Widerstand Martins gebrochen, und es wurde endgultig der Beschluß
gefaßt, nachstes Jahr regelrechten Gartenbau zu treiben und den Verkauf der
erzielten Produkte an die Hand zu nehmen.




IV.


Der zweite Winter war fur die Familie Muller wieder so ruhig verlaufen
wie der erste. Liese hatte in verschiedener Beziehung aufs kommende Jahr
vorgearbeitet. Furs erste hatte sie sich mit allerlei Naharbeiten, mit
Strumpfestricken und dergleichen derart beflissen, daß sie sich damit im
Sommer -- von etwa notig werdenden Ausbesserungen abgesehen -- nicht
zu befassen brauchte. Dann hatte sie auch schon fur das notwendige
Packmaterial gesorgt. Ein Korbmacher erbot sich, allerlei großere und
kleinere Korbe jetzt billiger zu liefern als im Sommer. Im Laden hatte
sie passende Kistchen fur den Blumenversand erstanden, und auch gebrauchte
Packleinwand zum Uebernahen der Gemusekorbe erhielt sie dort fur billiges
Geld.

Auch Martin war in seiner freien Zeit fur das Gartengeschaft tatig.
Im Herbst schon hatte er an einer geschutzten Stelle im Garten einen
Fruhbeetkasten angebracht, denselben mit guter Erde gefullt und gegen Frost
gut bedeckt. Nun arbeitete er an den Fenstern und bald gingen sie ihrer
Vollendung entgegen. Aus Gipslattchen wurden Schattengitter hergestellt,
welche bei Aussaaten ins Fruhbeet die grellen Sonnenstrahlen fernhalten
sollten. Selbst einige Dutzend Ansteckholzer zum Bezeichnen der
verschiedenen Sorten hatte er an einigen der langen Winterabende
angefertigt. So lag denn alles bereit, um beim ersten Fruhlingszeichen mit
dem Aussaen beginnen zu konnen.

Der Winter war dieses Mal ungewohnlich streng und schneereich gewesen; als
aber Ende Februar die Sonne schon ziemliche Kraft entfaltete, glaubte Liese
nicht mehr langer warten zu durfen. Sie deckte den Kasten ab, lockerte
die Erde und legte die Fenster auf. Als dann nach einigen Tagen die Erde
abgetrocknet war, saete sie Sellerie, Lauch, Salat, Blumenkohl, Wirsing und
uberhaupt allerlei Setzlinge, welche sie fruh haben wollte. So folgten
dann in kurzen Abstanden mehrere Aussaaten aufeinander, und als im Marz
die Sonne und der Fohn den Schnee hinweggeschmolzen hatten, konnten die
Arbeiten auch im freien Lande beginnen. Die Setzlinge im Fruhbeet waren
schnell auch zum Auspflanzen groß genug, und bald prangte der Garten wieder
im schonsten Grun. Aber nicht nur im Garten, sondern auch auf dem Acker,
wo Liese namentlich solche Gemuse gepflanzt und gesat hatte, welche einer
weniger sorgfaltigen Kultur bedurften, versprach es einen guten Ertrag
zu geben. War also in Bezug auf die Gemuse alles in bester Ordnung, so
berechtigten die Blumen nicht weniger zu den besten Hoffnungen.

Weil Liese im Herbst ihre Nelken so stark als nur moglich durch Stecklinge
und Ableger vermehrt hatte, so besaß sie jetzt uber hundert Stuck, die mehr
oder weniger Blutenstengel getrieben hatten. Da an den Fenstern
naturlich nicht fur so viele Pflanzen Platz war, so hatte Martin an einer
halbschattigen Hauswand ein Gestell angebracht, auf welchem nun die in
großere und kleinere Holzkistchen gepflanzten Nelken Aufstellung fanden.
Im Garten befanden sich noch einige hundert Nelkenpflanzen, die Liese aus
Samen gezogen hatte, und die nun hauptsachlich billigere Schnittblumen
liefern sollten. Liese hatte einstweilen davon abgesehen, andere Blumen
zum Verkauf zu ziehen; denn erstens wollte sie nicht zu viel auf einmal
beginnen, und zweitens hatte ihr der Blumenhandler keine sehr verlockenden
Preise in Aussicht gestellt.

Als Ende Juni die Fremdensaison allmahlich in Gang kam, konnte endlich der
Versand der Gemuse beginnen, und bald gingen auch die ersten Kistchen mit
abgeschnittenen Nelken nach F. ab.

Es ist naturlich, daß sich das ganze Geschaft nur in sehr kleinem Rahmen
bewegte; waren es ja nur zwei Kunden, an welche Liese ihre Produkte
lieferte, namlich der Hotelbesitzer, welcher voriges Jahr die erste
Aufmunterung zum Gemuseversand gegeben, und der Blumenhandler, welchem der
deutsche Kurgast Liese empfohlen hatte. Aber selbst diesen beiden konnte
nicht genug geliefert werden. Die Art und Weise, wie sich der Versand
vollzog war sehr einfach. Liese machte wochentlich zwei Sendungen, bald
großere, bald kleinere, je nachdem, was sie gerade abzugeben hatte. Sie
brauchte also nicht auf Bestellungen zu warten, weil ihre Abnehmer alles
verwenden konnten, sobald es nur schone, vollwertige Ware war. Daran ließ
es nun Liese freilich nicht fehlen; denn sie handelte nach dem Grundsatz,
fur ihre Kundschaft sei das Beste gerade gut genug. Fur alles, was nicht
von erster Qualitat war, hatte sie im eigenen Haushalt ja gute Verwendung,
und sie kam schon deswegen nicht in Versuchung, ihr Absatzgebiet durch
unreelle Lieferung zu verscherzen.

Gerade der gewissenhaften und punktlichen Bedienung war es zuzuschreiben,
daß Liese fur ihre Produkte einen schonen Preis erzielte. Trotz des
verhaltnismaßig kleinen Quantums, das sie absetzen konnte, hatte sie doch
bis zum Herbst eine ganz hubsche Einnahme erzielt -- die Nelkenblumen
allein brachten ihr einen Erlos von uber hundert Franken.

Nun lachte auch niemand mehr in D. uber Lieses Liebhaberei fur den
Gartenbau; alles mußte vielmehr lobend anerkennen, daß sie es verstanden
hatte, nicht nur notwendige Lebensmittel fur den eigenen Haushalt zu
pflanzen und mit ihren Blumen ihr Heim zu verschonern, sondern Gemuse- und
Blumenzucht auch zu einer ergiebigen Einnahmsquelle zu gestalten.

Weil man Liese fast nie anders sah als im Garten oder mit ihren Blumen
beschaftigt, so nannte man sie jetzt nur die ≫Blumenliese≪, und diesen
Namen behielt sie fortan, weshalb auch wir sie nur noch so nennen wollen.

Hatten schon im vorigen Sommer einige Frauen den Wunsch gehegt, gleich wie
die Blumenliese ein Gartchen zu haben, so nahmen jetzt solche Wunsche eine
bestimmtere Gestalt an. Man hoffte jetzt eher auf die Einwilligung der
Manner, wo man ihnen nun doch schlagend beweisen konnte, daß ein Garten
nicht einfach als ein Luxus zu bezeichnen sei, wie man bisher angenommen
habe. Einige der Manner kamen denn wirklich auch den Frauen schon auf
halbem Wege entgegen; denn auch sie waren hingerissen von den Erfolgen der
Blumenliese.

Wenn die Anlage von verschiedenen Garten nicht sofort an die Hand genommen
wurde, so hatte das seinen Grund nur darin, daß niemand etwas von der Sache
verstand. Man besturmte deshalb die Blumenliese von allen Seiten mit den
verschiedensten Fragen und Auskunftsbegehren. Diese freute sich naturlich,
daß es ihr so schnell gelungen, die Leute fur den Gartenbau zu begeistern,
und ließ es an gutem Rat nie fehlen, wo solcher verlangt wurde. Indessen
sah sie ein und außerte sich gelegentlich daruber, daß es gewiß nicht gut
werde, wenn jetzt alles uber Hals und Kopf planlos sich auf den Gartenbau
sturze, in der Meinung, damit in einigen Jahren reich zu werden; man sollte
sich doch vorerst die allernotigsten Kenntnisse verschaffen und erst auf
Grund derselben zielbewußt vorgehen.

Der Pfarrer war auch der gleichen Ansicht; er dachte, es musse etwas
geschehen, um einerseits die gegenwartige Begeisterung nicht unbenutzt
vorubergehen zu lassen, anderseits aber die Leute vor einem Mißerfolg zu
bewahren. Er beriet sich zu diesem Zweck mit einem der Lehrer, von dem er
wußte, daß er ebenfalls ein Gartenfreund sei, und dieser meinte, es ware am
besten, in D. einen Gemusebaukurs abhalten zu lassen, an welchem dann die
Leute Gelegenheit hatten, sich uber die verschiedenen Fragen klar zu werden
und sich grundlegende Kenntnisse zu erwerben, auf denen sie dann ihre
Praxis aufzubauen imstande waren. Er selbst wolle sich der Sache annehmen,
eine Versammlung im Schulhause einberufen und sehen, was sich dann weiter
tun lasse.

Eine solche Versammlung fand dann auch richtig statt, und es ergab sich,
daß eine genugende Anzahl von Frauen und Tochtern -- sogar einige
Manner hatten sich angemeldet -- bereit waren, an einem Gartenbaukurs
teilzunehmen. Der betreffende Lehrer stellte dann im Namen der Angemeldeten
bei der Regierung das Gesuch um Bewilligung eines solchen Kurses, welchem
Ansuchen auch gerne entsprochen wurde. Damit war die Angelegenheit
einstweilen geregelt und in die richtige Bahn geleitet.

Als im Fruhjahr die gunstige Zeit herangeruckt war, erschien der von der
Regierung bestimmte Kursleiter und begann seine Unterweisungen. Er zeigte
den Teilnehmern nicht nur, wie man einen Garten anlegen solle, wie man den
Boden bearbeite, ihn verbessere und dunge, wie man saen und pflanzen solle,
sondern wies auch auf die eigenartigen Verhaltnisse in D. hin, Belehrungen
anknupfend, wie man dieselben am geeignetsten ausnutzen konne. Er hob
besonders hervor, daß es in erster Linie gelte, fur die eigenen Bedurfnisse
zu sorgen. An den Verkauf konne man erst denken, wenn man durch die Praxis
die notwendige Routine erworben habe, welche erforderlich sei, um
Gemuse erster Qualitat zu ziehen; denn nur mit solchen konne der Verkauf
andauernden Erfolg haben. Die Aussichten, daß D. Hauptproduktionsgebiet
von Gemusen fur die benachbarten Kurorte werden konne, seien vorhanden.
Indessen durfe man nicht meinen, daß es sofort alle der Blumenliese
gleichtun konnen. Sobald eben mehrere die Sache einander nachmachen, gebe
es Konkurrenz; die Preise werden heruntergetrieben, und in einigen Jahren
finde alles, daß sich in hiesiger Gegend der Gemusebau nicht rentiere. Der
Gemusebau zum Verkauf konne, so wie die Verhaltnisse liegen, nur dann
ein befriedigendes Resultat zeitigen, wenn der Handel richtig organisiert
werde, d. h. wenn man ihn genossenschaftlich betreibe. Diese Einrichtung
ermogliche es allein, erstens hohe Preise zu erzielen, zweitens
große Quantitaten liefern zu konnen und drittens auch dem kleinsten
Gartenbesitzer die Moglichkeit zu bieten, sich am Verkaufe zu beteiligen.

Solche und ahnliche Belehrungen waren geeignet, die Teilnehmer fur die
Sache zu begeistern. Mit ganz andern Begriffen konnten sie jetzt, als der
Kurs beendigt war, die Anlage ihrer Garten an die Hand nehmen.

Soweit war nun alles so ziemlich im richtigen Geleise. In den neuen
Gartchen keimte und grunte es, daß es eine Freude war. Da und dort war
schon der Spinat zum Schneiden groß genug, hie und da sah man schon
ziemlich entwickelte Salatkopfe, und in einem Garten streckten schon die
Erbsen ihre jungen Schotchen aus den abwelkenden Bluten hervor. Bald kam
also der Zeitpunkt, wo man neben Fleisch und Kartoffeln auch etwas
≫Grunes≪ auf den Tisch stellen konnte. Die meisten der glucklichen
Gartenbesitzerinnen sahen mit einiger Sorge diesem Ereignis entgegen; denn
erstens beschlich manche ein banges Gefuhl, wenn sie an die Zubereitung der
Gemuse dachte. Andere aber fragten sich: ≫Was werden wohl die Manner dazu
sagen?≪ Diese Sorgen waren berechtigt; denn weil Gemuse in den meisten
Haushaltungen in D. etwas neues waren, so hatten die Hausfrauen und Tochter
bis jetzt auch keine Gelegenheit gehabt, sich im Kochen der Gemuse zu uben.
Den Mannern aber steckte der Erfolg im Kopfe, den die Blumenliese mit dem
Verkauf ihrer Gemuse erzielte. Als es aber hieß, man musse vorlaufig im
eigenen Haushalt den Genuß der Gemuse einfuhren, da waren sie unzufrieden,
und gerade die alteren Manner, welche im Sommer daheim geblieben, waren
sehr hartnackig; denn sie wollten sich in ihren alten Tagen nicht mehr an
das ≫Grunfutter≪ gewohnen, wie sie das Gemuse verachtlich nannten.

Es ging indessen alles viel besser als man meinte. Die Blumenliese mußte
mit ihren Ratschlagen und Rezepten den mangelnden Kenntnissen in der
Kochkunst nachhelfen, und als dann Erbsen, Spinat, Kohlrabi u. s. w.
richtig zubereitet auf dem Tisch erschienen, da probierten aus purer
Neugierde auch die Manner die bisher unbekannten Speisen, fanden sie zuerst
leidlich, dann gut, und hatten bald nichts mehr dagegen einzuwenden, ein
Zeichen, daß sie sich schnell daran gewohnt hatten.

Indessen konnte schon wider Erwarten in diesem ersten Jahre von mancher der
neugebackenen Gartnerinnen ziemlich viel verkauft werden. Die Blumenliese
wurde namlich mit Bestellungen uberhauft und um manchmal einen guten
Auftrag nicht zuruckweisen zu mussen, kaufte sie da und dort schone Gemuse
zusammen und leitete so einen allgemeinen Gemuseexport aus D. ein.

Der Gemusebau, den die Blumenliese unter so kleinen Verhaltnissen begonnen
hatte, nahm nun einen raschen Aufschwung. Schon im folgenden Jahre wurde
eine Genossenschaft zum Zwecke des Gemuseversandes in großerem Maßstabe
gegrundet. Diese Grundung wurde besonders dadurch ermoglicht, daß ein
junger, unternehmender Mann, der schon mehrere Jahre die Stelle eines
Kontrolleurs in einem Hotel versehen hatte und also genaue Kenntnis, von
dem was in einem Hotel gebraucht wird, besaß, die Leitung und den Verkauf
der von den Genossenschaftern erzielten Produkte ubernahm. Auch die
Blumenliese trat dieser Vereinigung bei, und so geht denn in D. bis auf
den heutigen Tag der Verkauf samtlicher Gemuse nur durch eine Hand, namlich
durch die Genossenschaftsleitung. Es kann sich auch die armste Frau, die
nur ein kleines Gartchen hat, an dem Versand beteiligen; die einzelne
Gartenbesitzerin braucht sich nicht um Absatzgebiete zu kummern und der
Preis wird nicht durch zu große Konkurrenz herabgedruckt.

Als man den großen Erfolg mit dem Gemusebau sah, blieb man
selbstverstandlich dabei nicht stehen. Einige Frauen versuchten sich mit
Gluck in der Nelkenzucht. Ein denkender Bauer dachte, der Obstbau konnte
jedenfalls auch noch viel eintraglicher gemacht werden, wenn er etwas
intensiver betrieben wurde. Er bezog aus einer landwirtschaftlichen
Bibliothek Bucher, holte sich auch personlich von Fachleuten Belehrung,
verbesserte seinen Baumbestand durch Neupflanzungen und Umpfropfen und
brachte dann durch rationelle Dungung und gute Pflege seinen Baumgarten zu
so reichen Ertragen, daß ihm viele nachzuahmen begannen.

Jetzt sah man auf einmal ein, daß in D. auf landwirtschaftlichem Gebiet
viel mehr zu machen war, als man fruher annahm. Mancher, der vielleicht
schon seit mehreren Jahren gewohnt war, seinen Verdienst auswarts zu suchen
und noch vor kurzer Zeit gewiß steif und fest behauptet hatte, daß es in D.
einfach unmoglich sei, so viel zu verdienen, um anstandig leben zu konnen,
fing an ernstlich zu erwagen, ob es vielleicht nicht besser sei, zu Hause
zu bleiben und nach irgend einer Richtung hin sich mit der Landwirtschaft
abzugeben.

Weil man jetzt anfing, intensiver zu wirtschaften, den alten Schlendrian
beiseite zu lassen und nach vollstandig neuen Gesichtspunkten zu handeln,
so mußten allerlei Verbesserungen die notwendige Folge sein. Die Feldwege
wurden verbessert und neue angelegt, durch Kauf und Austausch suchte man
die Guter zu arrondieren, und der allgemeine Weidgang wurde abgeschafft.

Freilich lief das alles nicht so glatt ab, und gegen manche Neuerung wurde
heftig Opposition gemacht; aber als dann alles glucklich durchgefuhrt
war, sah man allgemein den Nutzen ein. Man fuhlte auch das Bedurfnis
nach Belehrung in den verschiedenen landwirtschaftlichen Fragen. Es wurde
deshalb ein landwirtschaftlicher Lokalverein gegrundet, der namentlich
im Winter eine regsame Tatigkeit entwickelte. Vortrage und Kurse uber
die verschiedensten Zweige der Landwirtschaft wurden abgehalten und
die Wanderlehrer waren haufige Gaste in D. Zwei Junglinge besuchten die
landwirtschaftliche Schule. Einer war der jungere Sohn Martins -- der
altere war wie sein Vater Zimmermann geworden.

Alle die Veranderungen, die in den letzten Jahren in D. vor sich gegangen
waren, wirkten auch gunstig auf die moralischen Verhaltnisse ein, und wer
heute durch die Ortschaft wandert, erhalt einen ganz andern Eindruck
als fruher. Die sauber gehaltenen Garten, die gesunden, kraftstrotzenden
Obstbaume, die bluhenden Topfgewachse geben dem Dorf ein freundlicheres
Ansehen. Die Manner haben die schweren Arbeiten langst den Frauen
abgenommen. Infolgedessen sind sie so beschaftigt, daß sie nicht mehr Zeit
haben, alle Tage ins Wirtshaus zu gehen, und geschieht es hie und da, so
haben sie auch dort besseres zu tun als Karten zu spielen; denn es gibt
offentliche Angelegenheiten zu besprechen, uber wichtige Projekte und
Tagesfragen zu verhandeln etc. Die hauslichen Verhaltnisse sind angenehmere
geworden, und der veredelnde Einfluß eines glucklichen Familienverbandes
macht sich immer mehr geltend. Die Auswanderung hat zwar nicht ganz
aufgehort, aber sie beschrankt sich auf das richtige Maß. Dafur hat
sich ein Stand von tuchtigen Professionisten am Orte gebildet, und die
verschiedensten Handwerker aus D. sind auch in den benachbarten Dorfern
geschatzt und geachtet.

Der alte Pfarrer, der noch immer in der Gemeinde amtiert, hat seine
helle Freude an den Veranderungen, die in seiner Pfarrei vorgehen, und
er behauptet steif und fest, daß man das alles nur dem gutem Beispiel der
Mullerschen Familie zu verdanken habe, und namentlich die Blumenliese habe
den deutlichen Beweis geleistet, wie sehr es auch heutzutage noch auf die
Tuchtigkeit einer Frau ankomme. Man durfe daher nicht außer acht lassen,
die heranwachsenden Madchen auf ihren zukunftigen Beruf vorzubereiten und
sie vor allem zu guten Hausfrauen und pflichtgetreuen Muttern zu erziehen.

Martin meint zwar, der Pfarrer ubertreibe mit seinem Lob, er und seine
Frau hatten sich nicht besonders hervorgetan, sie seien vielmehr stets nur
bestrebt gewesen, dafur zu sorgen, daß sie fur ihre Verhaltnisse moglichst
zufrieden und sorgenlos haben leben konnen. Als ihnen das gelungen, haben
es zwar andere nachzumachen gesucht; aber das sei noch lange nicht der
Grund zu dem allgemeinen Umschwung gewesen; dieser sei vielmehr bedingt
worden durch das Unhaltbare der Zustande, die man gehabt habe. Es habe
einsichtige Leute genug gegeben, die Verbesserungen fur unabweisbar hielten
und sie auch durchfuhrten.

Sei dem nun wie ihm wolle; Tatsache ist, daß die Bewohner von D. mit
großer Achtung von der Blumenliese sprechen. Sie ist immer noch die gleiche
bescheidene, tuchtige Hausfrau. Auch ihre Liebhaberei fur Gartenbau und
Blumenzucht hat sie bewahrt, wenigstens kann man sie haufig im Garten
hantieren sehen, wenn man durch D. geht.

[Illustration]




[Illustration]




Auf dem Lindenbuhl.




I.


In einem fruchtbaren Tale, durch welches sich ein breiter Fluß windet und
dessen beide Flanken hohe Berge bilden, liegt auf einem Schuttkegel sehr
malerisch gruppiert das Dorfchen Haldenburg.

Wer von der Landstraße, welche sich mitten durch das Tal, dem
Flusse entlang dahinzieht, nach Haldenburg gelangen will, muß in ein
Seitenstraßchen einbiegen, das in einigen Windungen sich durch uppige
Wiesen und wohlgepflegte Baumgarten den Hugel hinaufschlangelt, auf welchem
das Dorf liegt.

Noch vor 10 Jahren fuhrte dieser Weg in gerader Richtung, den sogenannten
≫Haldenburgerstutz≪ bildend, den Berg hinauf. Rechts und links waren
halb zerfallene Mauern, in deren Trummern hie und da Holunder- und
Spitzbeerenstraucher wucherten. Der Fußganger, der die steile Straße
hinaufkeuchte, mußte unwillkurlich daran denken, wie beschwerlich es sein
musse, das Heu und andere Produkte, aus den Gutern, die da unten in der
Ebene liegen, ins Dorf hinauf zu schaffen. Die Haldenburger aber waren
daran gewohnt; denn seit Menschengedenken war es nicht anders gewesen. Wenn
es je einem einfiel, ihnen den Rat zu erteilen, sich durch den Bau einer
neuen Straße bequemere Verhaltnisse zu schaffen, so wurde er ausgelacht
und gefragt, wer da wohl die Kosten zu ubernehmen hatte? Ob vielleicht die
Gemeinde es tun solle? Die habe sonst schon Schulden ubergenug. Die reichen
Bauern werden sicher auch nicht in die Tasche greifen wollen; denn wenn
eine Last zu schwer sei fur ein Pferd, so spannen sie eben zwei an. Die
armen Kuhbauern aber wurden sich schon gar nicht an einem Straßenbau
beteiligen wollen, der andern großeren Nutzen bringen mußte, als ihnen.
Man sieht, die guten Haldenburger waren nicht so leicht fur Neuerungen
zu haben, sie meinten, was von alters her gut gewesen sei, musse es auch
ferner sein.

Dieses starre Festhalten am Althergebrachten machte sich denn in Haldenburg
allenthalben geltend, und wer den steilen Stutz uberwunden und sich,
nachdem er den Schweiß abgetrocknet und ein wenig atemholend einen Blick
auf das schone Landschaftsbild, das sich hier einem darbietet, geworfen,
dem Innern des Dorfes zuwandte, fand nicht gerade die einladendsten
Zustande.

Die Dorfstraßen waren locherig und kotig oder staubig, je nach der
Jahreszeit oder der Witterung, und namentlich die Umgebung der großen
Brunnen, wo das Vieh zur Tranke gefuhrt wurde, war derart, daß man sie in
weitem Bogen umgehen mußte, wollte man nicht riskieren, im Moraste stecken
zu bleiben. Es fehlten in Haldenburg zwar nicht einige massiv gebaute
Bauernhauser, mit allerlei unnutzem Zierrat ausgeschmuckt, welche den
Reichtum der Besitzer protzig zur Schau stellten; aber auch da vermißte
man die saubere Umgebung, welche auf den Fremden so einladend wirkt. Einen
geradezu klaglichen Eindruck aber machten die Behausungen und Stalle
der armeren Bauern. Schiefe Dacher, graue verwitterte Mauern, wackelige
Fensterladen und trube Scheiben, durch welche trube Gesichter schauten,
gaben Zeugnis von der wenig beneidenswerten Lage der Leute, die da hausten.

Garten sah man wenig und gutgepflegte schon gar keine, statt dessen aber
hart an den Straßen verschiedene großere und kleinere Miststocke, umgeben
von den obligaten braunen Pfutzen, aus denen sich ganze Schwarme von Mucken
und Fliegen erhoben, wenn man sich im Sommer ihnen naherte.

Rumpfte etwa ein Fremder uber die Zustande in Haldenburg die Nase, so
machte sich niemand etwas daraus; man war uberhaupt nicht gut auf die
Fremden zu sprechen, und man meinte, es sei das beste, wenn sie wegblieben.
Nach diesem Grundsatz behandelte man auch die wenigen ortsansassigen
Nichtburger, die sogenannten Beisasse, denen man zwar großmutig einen guten
Teil der Steuern aufburdete, es ihnen aber furchtbar ubel nahm, wenn sie
auch einmal in die Gemeindeangelegenheiten hineinreden wollten.

Daraus sieht man schon, daß auch in der Gemeindeverwaltung verschiedenes
faul war. Es hatte sich mit der Zeit in Haldenburg ein eigentliches
Dorfmagnatentum herausgebildet. Weil die armeren Bauern von den reichen
abhangig waren, so wurden selbstverstandlich nur die letzteren in den
Vorstand gewahlt, und diese wußten es stets so einzurichten, daß sie
dabei in erster Linie auf ihre Rechnung kamen; ein System, das, wenn auch
langsam, so doch sicher zum Ruin der Gemeinde fuhren mußte, wenn nicht eine
Aenderung eintrat. Eine solche Aenderung kam und sie war notwendig; denn
der allgemeine Kredit hatte schon stark gelitten.

Wer heute Haldenburg betritt, dem bietet sich ein ganz anderes Bild
als ehedem. Die Straßen sind sauber und gut im Stande gehalten; die
Dungerstatten sind großtenteils hinter die Hauser verlegt worden oder, wo
das nicht anging, doch wenigstens mit Mauern umgeben, und die Bauern haben
jedenfalls indessen gelernt, die Dungemittel besser zu verwerten, als sie
nutzlos auf der Straße zu Grunde gehen zu lassen. Hie und da sind kleinere
und großere Hausgarten entstanden, die dem Ort zur Zierde gereichen. An
vorher kahlen Wanden sieht man jetzt gut gezogene Spalierbaume, und an
manchen Fenstern prangen schon bluhende Topfpflanzen. Auch an der kleinsten
Hutte sieht man, daß der Wohlstand gestiegen ist. Haldenburg wird jetzt
von den Sommergasten als Ausflugspunkt geschatzt, und aus dem gut
eingerichteten Gasthaus und dem reichhaltigen Ansichtspostkarten-Sortiment
im Schaufenster des Kramerladens schließen wir, daß man heute das Geld sehr
zu schatzen weiß, welches diese Fremden ins Dorf bringen.

Woher nun dieser auffallende Umschwung? Die nachfolgende Schilderung soll
die verehrten Leser daruber aufklaren.

Etwas abseits vom Dorfe liegt auf einem terrassenartigen Vorsprunge des
Gelandes ein kleineres Bauerngut. Zwischen dem zweistockigen Wohnhaus,
dessen Bauart ein schon hohes Alter verrat, und der gegenuberliegenden
Scheune befindet sich ein geraumiger Hof, welcher von den machtigen Kronen
zweier Linden beschattet wird. Diesen majestatischen Baumen hat das Anwesen
seinen Namen ≫Lindenbuhl≪ zu verdanken.

Wenn heute die blankgeputzten Fensterscheiben, das nett in Ordnung
gehaltene Gartchen und die ganze reinliche Umgebung des Gehoftes auf
geordnete Zustande des Besitzers schließen lassen, so war das noch vor
wenigen Jahren ganz und gar nicht der Fall. Damals gehorte der Lindenbuhl
einem Manne, der sich zwar auch Bauer nannte, sich aber in Wahrheit um
den Stand seiner Wiesen und Aecker wenig kummerte. Um der Arbeit besser
ausweichen zu konnen, und um fur sein Herumtreiben in den Wirtshausern und
auf den Markten eine Ausrede zu haben, betrieb er den Viehhandel, der ihm
aber haufiger Verlust als Gewinn einbrachte; denn auch beim Handel ist es
mit hohlen Redensarten und prahlerischem Wirtshausgeschwatz nicht getan.
Gewandtheit und Energie aber gingen ihm ab. So kam er immer mehr zuruck,
die Schuldenlast, welche auf seinem Heimwesen ruhte, wurde immer großer,
und zuletzt kam es so weit, daß ihm alles versteigert wurde, und er mit
seiner Familie im Hauszinse wohnen und als Taglohner seinen Unterhalt
verdienen mußte.

Den Lindenbuhl erwarb nun ein junger Landwirt, der bisher auf einem
großeren Gute eine Verwalterstelle innegehabt hatte, aber schon lange
darnach trachtete, ein eigenes Heimwesen zu kaufen, auf dem er nach eigenem
Gutdunken schalten und walten konne.

Johannes Wachter, so heißt der jetzige Bauer auf dem Lindenbuhl, ist der
jungste Sohn eines sehr vermoglichen Bauern, der einen großen Hof im Kanton
Thurgau besitzt.

Weil Johannes sich schon in der Schule durch große Intelligenz und emsigen
Fleiß im Lernen auszeichnete, so hatte es sein Vater gerne gesehen, wenn
er sich hatte zum Studieren entschließen konnen. Es hatte dem alten Wachter
geschmeichelt, wenn sein Jungster dereinst Pfarrer, Arzt oder gar Advokat
geworden ware. Johannes wollte indessen davon nichts wissen, und er bat den
Vater, ihn nicht in einen Beruf hineinzwingen zu wollen, zu dem er keine
Neigung verspure. ≫Ich bin bei der Landwirtschaft aufgewachsen,≪ sagte er,
≫und mochte auch beim Bauernstand verbleiben. Du hast ja schon oft selbst
behauptet, daß ein rechter Bauer auch ein heller Kopf sein musse; es
widerspricht also Deinen eigenen Ansichten, wenn Du mich der Landwirtschaft
entfremden willst, nur weil ich zufallig in der Schule etwas weiter voran
bin als mancher andere. Schau, solche, die sich dem Studium zuwenden, gibt
es schon genug; hingegen wird allenthalben geklagt, daß sich niemand mehr
mit der Landwirtschaft abgeben will. Zeige deshalb, daß Du Deinen Beruf
hoch halst, und Deine Sohne das werden lassest, was Du selber bist, namlich
richtige, schlichte Bauern, die zeigen wollen, daß auch heute noch die
Scholle ihren Besitzer nahrt.≪

Vater Wachter war wirklich ein Bauer, der, wie man sagt, mit Leib und Seele
an seinem schonen Berufe hing. So konnte er nicht anders als Freude
haben an solchen Aeußerungen seines Sohnes, und gerne gab er ihm die
Einwilligung, ein Landwirt werden zu durfen, obwohl er anfanglich der
Meinung war, daß es genuge, wenn einer seiner Sohne sich dem Bauernstande
widme, um dereinst den Hof ubernehmen zu konnen. Es erfullte ihn auch
stets mit Stolz, daß Franz, sein Aeltester, in dieser Beziehung ganz seinen
Wunschen entsprach. Zu Johannes aber sprach er: ≫Es fallt mir nicht ein,
Dich zum Studieren zwingen zu wollen, wenn Du nicht Lust dazu hast, und daß
Du gerade so große Neigung verspurst, ein Bauer zu werden, obwohl Dir im
ganzen auch die Leiden und Unannehmlichkeiten, die dieser Stand mit sich
bringt, bekannt sind, das freut mich; denn es gibt mir den Beweis, daß es
Dir ernst ist mit Deiner Wahl. Wenn ich nun endgiltig Deiner Bitte Gehor
schenke, so mußt Du mir auch versprechen, daß Du alles daran setzen willst,
in allen Teilen ein rechter Bauer zu werden. Die heutige Zeit erfordert fur
unsern Beruf ganze Manner, die uber ein vollgerutteltes Maß von Kenntnissen
verfugen und dieselben mit Fleiß und Energie stets am rechten Orte
anzuwenden wissen. Werde aber nicht nur ein rechter Bauer, sondern im
ganzen ein guter, rechtschaffener Mensch; erfulle stets getreulich Deine
Pflichten in der Familie, in der Gemeinde und im Staate. Es ist ein
schwerer Irrtum, wenn mancher Bauer glaubt, er habe nur auf sich selbst
zu schauen, die Interessen anderer aber gehen ihn nichts an. Manche schone
Ziele der Landwirtschaft lassen sich eben nur gemeinsam erreichen. Zeige
deshalb stets einen gemeinnutzigen und genossenschaftlichen Sinn und
bedenke, daß Du, indem Du andern hilfst, Dir selbst auch Hilfe sicherst.
Halte nie mit Erfahrungen und Beobachtungen hinter dem Berg; denn indem
Du andere belehrst, arbeitest Du an der Hebung des bauerlichen Berufes und
kommst so selbst auf eine hohere Stufe. Auf politischem Gebiete verfechte
stets die Sache der Landwirtschaft und halte treu zu ihrer Fahne; vertraue
unsern Fuhrern, sie meinen es gut und wissen, wo die Bauern der Schuh
druckt. Mehr will ich Dir heute nicht sagen; es wird noch oft genug
Gelegenheit geben, wo Dir meine vaterlichen Ermahnungen und Winke nutzlich
sein konnen.≪

Es wurde nun einstweilen nicht mehr viel uber die Sache gesprochen, und
Vater und Sohn betrachteten die Angelegenheit als endgiltig beschlossen.

Als Johannes die Realschule seines Heimatortes absolviert hatte, verblieb
er vorerst im vaterlichen Hause, um unter Anleitung seines Vaters die
wichtigsten landwirtschaftlichen Arbeiten grundlich kennen zu lernen. Diese
grundlegende Praxis -- so meinte Vater Wachter -- sei notwendig, um mit
Erfolg eine landwirtschaftliche Winterschule besuchen zu konnen.

≫Ich halte nicht viel davon,≪ sagte er zu Johannes, ≫wenn Burschchen,
welche den Ernst der Arbeit noch nicht kennen, in solche Schulen eintreten.
Auch den eifrigsten und fleißigsten dieser jungen Schuler wird es an dem
notwendigen Verstandnis fur die theoretischen Wissenschaften fehlen, und
sie werden nur zu oft geneigt sein, manches fur nebensachlich und weniger
notwendig zu halten, was doch fur eine der heutigen Zeit entsprechende
Praxis von großer Wichtigkeit ist. Die theoretische Bildung eines
Landwirtes ist heutzutage von so großer Bedeutung, daß man sich ihr
mit vollem Eifer widmen muß, und das kann nach meiner Ansicht nur dann
geschehen, wenn man den Ernst des Lebens schon kennt. Lerne deshalb erst
praktisch arbeiten, und Du wirst sehen, daß Du dann Deine Lehrer viel
besser verstehen kannst, weil Du einsiehst, wie wichtig ihre Lehren fur
Deine spatere Praxis sind.≪

Johannes sah ein, daß sein Vater recht hatte. Er gab sich Muhe, alle
Arbeiten, die man ihm auftrug, richtig auszufuhren und sich Uebung zu
verschaffen. Oft genug kam es freilich vor, daß ihm selbst einfache
Hantierungen nicht gelingen wollten. Da hieß es dann probieren, bis es
ging. Bei solchen Gelegenheiten trat dann oft der Vater hinzu und machte
ihn auf diesen oder jenen Vorteil aufmerksam, mit dem die Sache angefaßt
werden mußte, und auf dessen Anwendung oft genug das Gelingen beruhte. Der
alte Wachter bestand uberhaupt darauf, daß alles grundlich gemacht wurde,
und duldete auch bei seinen Sohnen nicht, daß sie uber Ungenauigkeiten
einfach hinweggingen. So sprach er einmal ermahnend zu Johannes:

≫Schau, Du mußt Dich von Anfang an schon daran gewohnen, alles recht zu
machen. Halbe Arbeit ist keine Arbeit. Weil Du dieses oder jenes erst
lernen mußt, wirst Du langere Zeit dazu gebrauchen; das schadet jedoch
nichts, wenn's nur schließlich recht herauskommt. Ein großer Fehler aber
ware es, wenn Du schnell uber eine Arbeit hinweg hasten wurdest, nur um sie
so schnell zu Ende zu fuhren wie ein geubter Knecht. Der Wert der Arbeit
eines Lernenden liegt nicht in der Quantitat, sondern in der Qualitat.
Wer sich das Pfuschen einmal angewohnt, der bleibt sein Leben lang ein
Pfuscher; ein solcher aber taugt in der Landwirtschaft so wenig als in jedem andern Beruf.

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