Goethe und Werther 15
Goethe an Kestner.
_acc._ Wetzl. d. 19. Jenner 73.
Eh ich mich zu Bette lege ist mirs noch so euch eine gute Nacht zu
sagen, und der süsen Lotte, der zwar heut schon viel guten Tag und
guten Abend gesagt worden ist. Vielleicht sizt ihr eben beysammen,
es ist nicht viel über 10. Vielleicht tanzt ihr. Wo ihr auch seyd
glücklich, und geliebt auch von mir mehr als von irgend einem andern
hierunten. Und auch ich binn glücklich, ist in mir selbst wohl, denn
von aussen fehlt mir nie was. Adieu ihr lieben Schreibt mir doch offt
Kestner, ich binn sehr Künstler jetzt, und Künstler wißt ihr schreiben
nicht gern. Ihr sollt auch dann wieder was gezeichnetes sehn.
47.
Goethe an Kestner.
_acc._ W. 20. Januar 73.
Wir sind eben von Tisch aufgestanden und mir fällt ein euch eine
gesegnete Mahlzeit zu wünschen, und eine Zeitung zu schicken, dass ihr
sehet wie das geworden ist. Das Publikum hier meynt der Ton habe sich
nicht sehr geändert.
Adieu lieber, grüsse mir die liebe Lotte und Lengen. und die Bubens
ich bin immer der eurige. Fragt Lotten ob sie mein Portrait annehmen
wollte, es ist zwar nicht gemacht, aber wenns gemacht wäre. Adieu.
Grüsst mir die Dorthel auch. Da habt ihr euren Jerusalem.[18]
48.
Goethe an Kestner.
_acc._ Wetzl. d. 27. Jan. 73.
So seegn euch Gott lieber Kestner, wenn ihr auch meiner gedenket, um
meinetwillen. Ich binn so gewohnt Briefe von euch zu haben dass mirs
wohl unfreundlich ist wenn ich von Tische aufsteh und kein Brief da ist.
Lotten sagt: ein gewisses Mädgen hier das ich von Herzen lieb habe und
das ich wenn ich zu heurathen hätte gewiß vor allen andern griffe ist
auch den 11. Januar[19] gebohren. Wäre wohl hübsch so zwey Paare. Wer
weis was Gottes Wille ist.
Die Philosophie solle sie doch ia lesen, sagt ihr. Bey Gott sie wird
ein ganz andres herrlicheres Geschöpf werden; werden ihr von den Augen
fallen wie Schuppen, Irrthum, Vorurteile &c. Und wird seyn wie der
heiligen Götter eine.
Sagt ihr das und gebt ihr das Buch, und wenn sie ein Blatt drinne
herabliest so will ich -- _Carte blanche_ für das scheuslichste
Ragout das der Teufel erfinden mag -- fressen will ichs. Ich glaub
Lotte hält mich und euch fürn Narren. Sie -- in mittem Carneval -- eine
Philosophie. Mach sie sich einen Domino zurecht und lass sie solche
Grillen der Reuters -- die Gott weiss wenn sie alle Gaben hätte, wie
St. Paulus spricht und mit Engel und Menschen Weisheit und Zungen
spräche, fehlt ihr die Liebe doch und ist ein tönend Erz und eine
klingende Schelle.
Sagt der goldnen Lotte ich würds ihr denken dass sie uns den Streich
gespielt.
Nun Adieu. Die Anzeige des ~Visitations-Wesens~ kommt nicht in
unsre Zeitung. Der Verleger fürchtet es möchte der Teufel dahinter
stecken hier ist Titel und Register. Und ein Blat. Verwischts nur und
die andern auch, ich brauchs nicht.
49.
Goethe an Kestner.
_acc._ 29. Januar 73. Donnerstags Vormittag.
Das waren wunderliche 24 Stunden. Gestern Abend putzt ich meine
Freundinnen auf den Ball, ob ich gleich nicht selbst mitging. Der einen
hat ich aus der Fülle ihres Reichthums eine Egrette von Juwelen und
Federn zusammengestuzt, und sie herrlich geziert. Und einmal fiel mirs
ein wärst du doch bey Lotten und puztest sie so aus. Dann ging ich
mit Antoinetten und Nannen auf die Brücke einen Nachtspaziergang. Das
Wasser ist sehr gross, rauschte stark und die Schiffe alle versammelt
in einander, und der liebe trübe Mond ward freundlich gegrüßt, und
Antoinette fand das alles paradiesisch schön und alle Leute so
glücklich die auf dem Land leben, und auf Schiffen, und unter Gottes
Himmel. Ich lass ihr die lieben Träume gern, macht ihr noch mehr dazu
wenn ich könnte. Wir gingen nach Hause und übersetzt ihnen Homer, das
ietzt gewöhnliche Lieblingslektüre ist. Die andern waren gefahren zu
tanzen.
Heut Nacht weckt mich ein grässlicher Sturm um Mitternacht. Er riss
und heulte, da dacht ich an die Schiffe und Antoinetten und lies mir
wohl seyn in meinem zivilisirten Bette. Kaum eingeschlafen weckt mich
der Trommelschlag und Lerm und Feuerrufen, ich spring ans fenster,
und sehe den Schein starck aber weit. Und binn angezogen. und dort.
Ein großes weites Haus, das Dach in vollen Flammen. Und das glühende
Balkenwerk, Und die fliegenden Funken, und den Sturm in Glut und
Wolken. Es war schweer. Immer herunter brants, und herum. Ich lief zur
Grosmutter die dorthin wohnt. sie war im Ausräumen des Silberzeugs. Wir
brachten alle Kostbaarkeiten in Sicherheit und nun warteten wir des
Schicksaals Weeg ab. Es dauerte von Ein Uhr bis vollen Tag. Das Haus
mit Seiten und hintergebäuden auch Nachbaars Werke liegt. Das Feuer
ist erstickt, nicht gelöscht. Sie sind ihm nun gewachsen es wird nicht
wieder aufkommen. Und so sag ich euch nun geseegnete Mahlzeit. Mit
überwachten Sinnen ein wenig als hätt ich getanzt, und andere Bilder in
der Immagination. Wie werden meine Tänzer nach Hause kommen seyn? Adieu
liebe Lotte, liebr Kestner.
50.
Goethe an Kestner.
_acc._ W. 6. Febr. 73.
Nichts denn gute Nachrichten lieber Kestner. Eure Perrücken sind
halsstarrige Köpfe, biss ihnen das Wasser übern Kopf geht. Nun denn
zu wisitirt, und predige denen Herren ihr guter Geist fleissig über
~Pred. Sal.~ C. 7. v. 17.[20] Da wird alles wohl seyn: Nun richtet
euch ein Kestner. Zur Hochzeit komm ich nicht, aber nachher solls Leben
angehn. Dass Kielmansegge so glücklich war ist mir von Herzen lieb, und
allen die ihn kennen durch mich, glückwünscht ihm von meinetwegen.
Mit eurem Brief erhielt ich von Mercken dass er kommt. heute Freytags
früh wird er anlangen, und Leuschenring mit, und über das alles
Schlittschuh Bahn herrlich, wo ich die Sonne gestern herauf und hinab
mit Kreistänzen geehret habe. Und noch andere Süjets der Freude die
ich nicht sagen kann. Darüber lasst euch wohl seyn, dass ich fast so
glücklich binn als Leute die sich lieben wie ihr, dass eben so viel
Hoffnung in mir ist als in liebenden, dass ich sogar Zeither einige
Gedichte gefühlt und was mehr ist dergleichen. Es grüsst euch meine
Schwester, es grüsen euch meine Mädgen es grüsen euch meine Götter.
Namentlich der schöne Paris hier zur rechten, die goldne Venus dort und
der Bote Merkurius, der Freude hat an den schnellen, und mir gestern
unter die Füse band seine göttliche Solen die schönen, goldnen, die ihn
tragen über das unfruchtbaare Meer und die unendliche Erde, mit dem
Hauche des Windes. Und so seegnen euch die lieben Dinger im Himmel.
51.
Goethe an Kestner.
_acc._ 7. Febr. 73.
Merck ist da lieber Kestner, und grüsst euch und Lotten. Hat das
einliegende _novum_ mitgebracht das ich euch sende. Schafft mir
doch die Blätter des Giesser Wochenblatts, da inne der Brief von
Zimmermann über seine Unterredung mit dem König steht, Es werden die
ersten seyn dieses Jahrs. Grüsst lenchen und meine Bubens.
52.
Goethe an Kestner.
_acc._ W. d. 12. Febr. 73.
hat mich nach so langer Pause euer Brief wohl ergötzt, und ist gut dass
alles so ist.
Die Reuters dauern mich und Lotte mit.
Merck ist fort und hat ein neu Papier unter Lottens Gesicht
veranstaltet so schön blau wie aus dem Himmel herunter geschienen, ich
habe mich gestern lang mit meinem Vater drüber unterhalten das sich
endigte: ob denn Kestner sie nicht bald herüber brächte, meynte er,
dass man sie auch kennen lernte.
Ich bereite ietzo ein stattlich Stück Arbeit zum Druck. wenns fertig
ist, komm ich, es euch vorzulesen.
Ehstertage schick ich euch wieder ein ganz abenteuerlich _novum_.
Das Mädgen grüsst Lotten, im Charackter hat sie viel von Lengen sieht
ihr auch gleich sagt meine Schwester nach der Silhouette. Hätten wir
einander so lieb wie ihr zwey -- ich heisse sie indessen mein liebes
Weibgen, den neulich als sie in Gesellschafft um uns Junggesellen
würfelten, fiel ich ihr zu. Sie sollte 17 abwerfen, hatte schon den
Muth aufgeben und warf glücklich alle 6. Adieu Alter. Erinnere die
Leute fleisig an mich.
53.
Goethe an Kestner.
Ich hab allerley tentirt, aber der Mez blieb steif und fest drauf.
Endlich lies er die Xr. Da sind die _Conti_.
Der Merkur kommt auf den Freytag und das Päckel an Boie.
Seegnen alle gute Geister eure Reise. Ich binn beschäfftigt genug und
vergnügt. Meine Einsamkeit bekommt mir wohl. Wie langs währt. Adieu lieb Lotte nun einmal im rechten Ernst Adieu.
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