2015년 5월 10일 일요일

Goethe und Werther 12

Goethe und Werther 12



Diesen ungefähren Inhalt habe ich von jemand, dem der Gesandte
Höffler ihn im Vertrauen gesagt, welcher daraus auf einen würklich
strafbaren Umgang mit der Frau schliessen will. Allein bey H... war
nicht viel erforderlich, um seine Ruhe zu stören und eine Uneinigkeit
zu bewürken. Der Gesandte, deucht mich, sucht auch die Aufmerksamkeit
ganz von sich, auf diese Liebesbegebenheit zu lenken, da der Verdruß
von ihm wohl zugleich Jerusalem determinirt hat; zumal da der Gesandte
verschiedentlich auf die Abberufung des Jerusalem angetragen, und ihm
noch kürzlich starke _reprochen_ vom Hofe verursacht haben soll.
Hingegen hat der Erbprinz von Braunschweig, der ihm gewogen gewesen,
vor Kurzem geschrieben, daß er sich hier noch ein wenig gedulden mögte,
und wenn er Geld bedürfe, es ihm nur schreiben sollte, ohne sich an
seinen Vater, den Herzog, zu wenden.
 
Nach diesen Vorbereitungen, etwa gegen 1 Uhr, hat er sich denn über
das rechte Auge hinein durch den Kopf geschossen. Man findet die
Kugel nirgends. Niemand im Hause hat den Schuß gehört; sondern der
Franciskaner Pater _Guardian_, der auch den Blick vom Pulver
gesehen, weil es aber stille geworden, nicht darauf geachtet hat. Der
Bediente hatte die vorige Nacht wenig geschlafen und hat sein Zimmer
weit hinten hinaus, wie auch die Leute im Haus, welche unten hinten
hinaus schlafen.
 
Es scheint sitzend im Lehnstuhl vor seinem Schreibtisch geschehen zu
seyn. Der Stuhl hinten im Sitz war blutig, auch die Armlehnen. Darauf
ist er vom Stuhle heruntergesunken, auf der Erde war noch viel Blut. Er
muß sich auf der Erde in seinem Blute gewälzt haben; erst beym Stuhle
war eine große Stelle von Blut; die Weste vorn ist auch blutig; er
scheint auf dem Gesichte gelegen zu haben; dann ist er weiter, um den
Stuhl herum, nach ~dem~ Fenster hin gekommen, wo wieder viel Blut
gestanden, und er auf dem Rücken entkräftet gelegen hat. (Er war in
völliger Kleidung, gestiefelt, im blauen Rock mit gelber Weste.)
 
Morgens vor 6 Uhr geht der Bediente zu seinem Herrn ins Zimmer, ihn zu
wecken; das Licht war ausgebrannt, es war dunkel, er sieht Jerusalem
auf der Erde liegen, bemerkt etwas Nasses, und meynt er möge sich
übergeben haben; wird aber die Pistole auf der Erde, und darauf Blut
gewahr, ruft: Mein Gott, Herr Assessor, was haben Sie angefangen;
schüttelt ihn, er giebt keine Antwort, und röchelt nur noch. Er läuft
zu _Medicis_ und Wundärzten. Sie kommen, es war aber keine
Rettung. _Dr._ Held erzählt mir, als er zu ihm gekommen, habe er
auf der Erde gelegen, der Puls noch geschlagen; doch ohne Hülfe. Die
Glieder alle wie gelähmt, weil das Gehirn lädirt, auch herausgetreten
gewesen; Zum Ueberflusse habe er ihm eine Ader am Arm geöffnet, wobey
er ihm den schlaffen Arm halten müssen, das Blut wäre doch noch
gelaufen. Er habe nichts als Athem geholt, weil das Blut in der Lunge
noch circulirt, und diese daher noch in Bewegung gewesen.
 
Das Gerücht von dieser Begebenheit verbreitete sich schnell; die ganze
Stadt war in Schrecken und Aufruhr. Ich hörte es erst um 9 Uhr, meine
Pistolen fielen mir ein, und ich weiß nicht, daß ich kurzens so sehr
erschrocken bin. Ich zog mich an und gieng hin. Er war auf das Bette
gelegt, die Stirne bedeckt, sein Gesicht schon wie eines Todten,
er rührte kein Glied mehr, nur die Lunge war noch in Bewegung, und
röchelte fürchterlich, bald schwach, bald stärker, man erwartete sein
Ende.
 
Von dem Wein hatte er nur ein Glas getrunken. Hin und wieder lagen
Bücher und von seinen eignen schriftlichen Aufsätzen. Emilia Galotti
lag auf einem Pult am Fenster aufgeschlagen; daneben ein Manuscript
ohngefähr Fingerdick in Quart, philosophischen Inhalts, der erste Theil
oder Brief war überschrieben: ~Von der Freyheit~, es war darin
von der moralischen Freyheit die Rede. Ich blätterte zwar darin, um zu
sehen, ob der Inhalt auf seine letzte Handlung einen Bezug habe, fand
es aber nicht; ich war aber so bewegt und consternirt, daß ich mich
nichts daraus besinne, noch die Scene, welche von der Emilia Galotti
aufgeschlagen war, weiß, ohngeachtet ich mit Fleiß darnach sah.
 
Gegen 12 Uhr starb er. Abends 3/4-11 Uhr ward er auf dem gewöhnlichen
Kirchhof begraben, (ohne daß er seciret ist, weil man von dem
Reichs-Marschall-Amte Eingriffe in die gesandtschaftlichen Rechte
fürchtete) in der Stille mit 12 Laternen und einigen Begleitern;
Barbiergesellen haben ihn getragen; das Kreutz ward voraus getragen;
kein Geistlicher hat ihn begleitet.
 
Es ist ganz ausserordentlich, was diese Begebenheit für einen Eindruck
auf alle Gemüther gemacht. Leute, die ihn kaum einmahl gesehen, können
sich noch nicht beruhigen; viele können seitdem noch nicht wieder
ruhig schlafen; besonders Frauenzimmer nehmen großen Antheil an seinem
Schicksal; er war gefällig gegen das Frauenzimmer, und seine Gestalt
mag gefallen haben &c.
 
Wetzlar d. 2. Nov. 1772.
 
 
29.
 
Nachtrag zur Geschichte von Jerusalems Tode,
 
gefunden in Kestners Papieren.
 
 
Man will geheime Nachrichten aus dem Munde des _Secret._ H...
haben, daß am Mittewochen vor Jerusalems Tode, da dieser beym H...
und seiner Frau zum Kaffee war, der Mann zum Gesandten gehen müssen.
Nachdem der Mann wieder kömmt, bemerckt er an seiner Frau eine
ausserordentliche Ernsthaftigkeit und bey Jerusalem eine Stille,
welche beyde ihm sonderbar und bedencklich geschienen, zumal da er sie
nach seiner Zurückkunft so sehr verändert findet. -- Jerusalem geht
weg. _Secret._ H... macht über obiges seine Betrachtungen; er
faßt Argwohn, ob etwa in seiner Abwesenheit etwas ihm nachtheiliges
vorgegangen sein möchte, denn er ist sehr argwöhnisch und eyfersüchtig.
Er stellt sich jedoch ruhig und lustig; und will seine Frau auf die
Probe stellen. Er sagt: Jerusalem habe ihn doch oft zum Essen gehabt,
was sie meynte, ob sie Jerusalem nicht auch einmal zum Essen bey sich
haben wollten? -- Sie, die Frau, antwortet:
 
Nein; und sie müßten den Umgang mit Jerusalem ganz abbrechen; er finge
an sich so zu betragen, daß sie seinen Umgang ganz vermeiden müßte.
Und sie hielte sich verbunden ihm, dem Manne, zu erzählen, was in
seiner Abwesenheit vorgegangen sey. Jerusalem habe sich vor ihr auf
die Knie geworfen und ihr eine förmliche Liebeserklärung thun wollen.
Sie sey natürlicher Weise darüber aufgebracht worden und hätte ihm
viele Vorwürfe gemacht &c. &c. Sie verlange nun, daß ihr Mann ihm, dem
Jerusalem, das Haus verbieten solle, denn sie könne und wolle nichts
weiter von ihm hören noch sehen.
 
Hierauf habe H... andern Morgens das Billet an Jerusalem geschrieben
&c.
 
 
30.
 
Goethe an Kestner.
 
 
_acc._ von Darmstadt zu Wetzl. 30. Nov. 72.
 
Ich dank euch lieber Kestner für die Nachricht von des armen Jerusalems
Todt, sie hat uns herzlich interessirt. Ihr sollt sie wieder haben wenn
sie abgeschrieben ist.
 
Merck läßt euch grüssen auch seine Frau, die immer darauf besteht
ihr müsstet ein recht braver Mensch seyn. Henry geht alle Abend in
die Komödie und kümmert sich nichts um die Welt. Euer Grus an die
Flachsland hat mir einen Kuss getragen ich bitte euch grüsst öfter,
so mag ich gern Porteur seyn. Ich soll euch sagen, dass sie euch
tausendfaches Liebesglück wünscht, und alle möchten Lotten kennen. Ich
pflege viel von ihr zu erzählen da denn die Leute lächlen und argwohnen
es möchte meine Geliebte seyn, biss Merck versichert von der Seite sey
ich ganz unschuldig. Grüsse mir Dorteln und Carolinen und alle meine
Bubens. Gestern fiel mir ein an Lotten zu schreiben. Ich dachte aber,
alle ihre Antwort ist doch nur, wir wollens so gut seyn lassen, und
erschiessen mag ich mich vor der Hand noch nicht. An Gottern hab ich
eben geschrieben, und ihm eine Baukunst geschickt.
 
Goethe.
 
 
31.
 
Goethes's Schwester an Kestner.
 
 
Dienstag den 1. Dec. (1772.)
 
Hier schick ich Ihnen die Helffte von dem verlangten Buch, die andere
folgt Morgen, weil es auf einmahl ein wenig zu stark geworden wäre.
Das Exemplar habe ich in meines Bruders Zimmer gefunden, wenn er
wiederkommt mag er sich ein anderes kauffen, und dann kann er Ihnen den
Preis melden. -- Leben Sie wohl, lieber Freund, grüsen Sie Lottchen
recht schön und sagen Sie Ihr, dass ich alle Abend um zehn Uhr den
Marsch auf meiner Zitter spiele, und dabey an sie denke --
 
Hr. Schlosser grüsst Sie beyderseits von ganzem Herzen.
 
Goethe.
 
 
32.
 
Goethes's Schwester an Kestner.
 
 
Freytag d. 4. Dec. (1772.)
 
Eben erhalte ich Ihren Brief, lieber Freund, die zwey verlangte
Exemplare sollen ehestens erscheinen; schreiben Sie mir nur ob sie wie
das vorige überschickt werden sollen, und ob's die Post nicht übel
aufnimmt. -- Leben Sie wohl.
 
Mein Bruder hat auch uns geschrieben, er denkt noch nicht ans
wiederkommen.
 
G.
 
 
33.
 
Goethe an Kestner.
 
 
_acc._ Wetzl. 8. Dec. 72. -- Am sechsten.
 
Ich binn noch immer in Darmstadt und -- wie ich immer binn. Gott seegne
euch, und alle Liebe und allen guten Willen auf Erden. Es hat mir viel
Wohl durch meine Glieder gegossen der Aufenthalt hier, doch wirds im
Ganzen nicht besser werden. _Fiat voluntas._ Wie wohl es euch ist,
und nicht erschieserlich, gleich wie es niemanden seyn kann der auf
den drey steinernen Treppen zum Hause des Herren -- Amtmann Buff --
gehet, hab ich aus eurem Briefe ersehen, und geliebt es Gott, also in
_Saecula Saeculorum_. Lottens Wegwerfung, meiner treugesinnten,
Nichtbriefschreibegesinnungen hat mich ein wenig geärgert, das heist
starck, aber nicht lang, wie über alle ihre Unartige Arten mit den
Leuten zu handeln, darüber Dortel Brandt, die Gott bald mit einem
wackern Gemahl versorge, mich mehr als einmal ausgelacht hat. -- Als da sind Pflückerbsen und Kälberbraten &c.

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