2015년 5월 11일 월요일

goether und werther 30

goether und werther 30


Kestner an v. Hennings.
 
 
Wetzlar den 2. Nov. 1768.
 
Mein Liebster,
 
Ohngeachtet mein letzter Brief von ansehnlicher Länge ist; so erschöpft
er doch lange nicht Alles, was ich Ihnen zu sagen habe......
 
Ich kann nicht sagen ob es möglich ist eine Schöne zu lieben, deren
Eigenschaften des Guten, Erhabenen und Edlen ermangeln; denn meine
Geliebte vereinigt dies Alles. Ich setze mich mehr in ihrem Herzen
fest, je mehr ich mich bestrebe, der Pflicht nichts nachzusetzen.
Mein Gesandter ist, von allen die hier sind, der arbeitsamste und
unermüdetste, doch habe ich ihm, bis jetzt wenigstens, Genüge
geleistet. Die schönsten Augenblicke opfere ich der Arbeit oft auf.
Der Gedanke an meine Geliebte versüßet sie mir. Mein Verlangen zu ihr
zu eilen, verdoppelt meine Kräfte, und beschleunigt die Vollendung der
Arbeit. Welch ein Vergnügen, wenn ich dann hinfliege, die Belohnung
meiner Aufopferung einzuärndten; wenn ich dann ein geliebtes Gesicht
sich aufheitern sehe, wenn zärtliche Blicke mich bewillkommen, und ein
sanfter Druck der Hand mir sagt, daß man mich schon lange erwartet hat;
wenn ein schöner Mund über das lange Verweilen sich beschwert, gegen
die Arbeit zärtlich zürnt, und mich deswegen bedauert; wenn die beste
Mutter und die gute Schwester mich gleichfalls freundlich empfangen,
und der redliche Vater lobt, wenn man seine Geschäfte vorzüglich
verrichtet. Dann höre ich, was in meiner Abwesenheit geschehen,
gehört und gesprochen ist. Oft kleine Begebenheiten, die aber,
angenehm erzählt, wichtig werden. Oft zielt die Erzählung dahin, einer
zärtlichen Besorgniß, sonst Eifersucht genannt, zuvorzukommen; doch auf
die ungezwungenste, natürlichste Weise. Dann machen artige Einfälle,
Munterkeit und Laune, die Stunden dahinfliegen, wie Minuten; und dieses
nicht allein mir oder meiner Geliebten, auch der Mutter, der Schwester
und dem Vater. Ein: »~Ach, da schlägt es schon!~« -- gewährt mit
dem Schmerz der Trennung das unaussprechliche Vergnügen, welches dem
nächsten Besuch zum Voraus einen Reitz bereitet.
 
Oft auch kommt anderer Besuch. Denn das Haus wird gern besucht wegen
der Ruhe, die da herrscht, wegen der angenehmen Unterhaltung, wegen
der freundschaftlichen Bemühungen, kein finsteres Gesicht von sich
zu lassen, und selbst den Kummer und die Sorge aus dem Herzen zu
verjagen; denn hierin findet die Menschenliebe der besten Mutter
ihren Beruf, und ihre Weisheit, ihr Verstand, ihre Einsicht weiß
ihren Wunsch möglich zu machen. Abends um 8 Uhr pflegen sich dann
die fremden Besuche, die ohne Anmeldung und Ceremoniel, und ohne die
frauenzimmerlichen Arbeiten zu unterbrechen, angenommen werden, zu
verlieren. Wenn ich nicht zum Essen da bleiben muß, so gehe ich dann
auch nach Haus, esse schnell, besorge ein und anderes und finde mich
wieder ein, wenn ich nicht abgehalten werde.
 
Alsdann bin ich gewöhnlich Abends von halb 9 oder 9 bis 11 Uhr wieder
da. Diese sind meine schönsten Stunden; -- Sie sind auch meine
ruhigsten. Meine Geschäfte sind gethan, und mein Gesandter geht früh zu
Bette.....
 
Durch dieses Schreiben wollte ich Ihnen Rechenschaft geben, daß ich
auch liebend meines Freundes nicht unwerth bin, wofern ich jemals durch
andere Eigenschaften seiner werth gewesen. Ihre Güte, Ihre Freundschaft
und Liebe sagt: ja! und ich beruhige mich dabey. Urtheilen Sie nun und
weisen Sie mich zurecht, wo Sie glauben daß ich fehlen könnte.
 
Noch Eins: Ich glaube, daß zur Erhaltung einer so reizenden Verbindung
mit einem Frauenzimmer nothwendig ist, daß man in Beobachtung seiner
übrigen Pflichten sehr strenge ist, damit man sich keine Vorwürfe zu
machen habe, zumal wenn man sich einmal gewisse Regeln, Vorschriften
und Pflichten gesetzt hat... Hierdurch weiß ich, daß ich das Herz
meiner Geliebten ganz besitze. Der Himmel erhalte es mir.......
 
Sagen Sie mir auch was Sie in Coppenhagen gemacht haben, und was Sie
künftig zu thun denken?......
 
Leben Sie wohl. Lieben Sie mich, wie ich Sie liebe. Meinen Gruß Ihrem
Hrn. Bruder. -- Ich bin unaufhörlich der
 
Ihrige
 
_Kestner_.
 
Wetzlar d. 2. November 1768.
 
 
141.
 
Kestner an v. Hennings.
 
 
Wetzlar den 25. August 1770.
 
Wie konnte ich es von mir erhalten, in so langer Zeit Ihnen nicht
zu schreiben. Ich mag das _datum_ Ihres Briefs nicht ansehen.
-- Und dennoch muß es eine ~ganz~ andere Ursache haben, als
Mangel der wärmsten Freundschaft. Und Sie können nimmer aufhören mein
Freund zu seyn. Lassen Sie mich unser beyder Sache vertheidigen. Nur
gewöhnliche Freunde brauchen einander ihr Andenken zu erneuern, aber
unser Seelenverkehr bedarf keines Briefwechsels, um immer fortzudauern.
Aufs heiligste kann ich Ihnen bey unsrer Freundschaft versichern, daß
ich oft an Sie denke, oft von Ihnen rede als von meinem besten Freunde
-- Sie können schon denken mit wem. Sie verlangen von meiner Charlotte
mehr zu hören und auch von mir.....
 
Meine Situation ist nicht ganz nach meinem Geschmack, es fehlt Vieles
daran. -- Die gegenwärtige Visitations-Versammlung zeichnet sich
darin vor andern aus, daß sie die Sachen sehr weitläuftig tractirt.
Hierzu kommt, daß unser Gesandter der arbeitsamste unter allen ist,
welches natürlicher Weise auch auf mich einen großen Bezug hat. Viele
von meinen Beschäftigungen sind sehr unangenehm und verdrießlich. Man
ist nichts mehr als eine Maschine, welche sich bewegt, wenn es andere
wollen, und so auch wieder stille steht. Das Bewußtseyn, auf solche Art
gearbeitet zu haben, hat gar wenig befriedigendes. Nicht studieren, die
Wißbegierde nicht stillen, die Seele nicht erheben zu können; Freunde
zu haben und nicht an sie schreiben, nicht zu ihnen gehen zu können;
die Zeit des Frühlings, des kühlen Morgens oder der erquickenden
Dämmerung &c. zu fühlen, schätzen zu wißen, aber nicht zu genießen,
u.s.w. Sagen Sie, ist das nicht bitter. So viele um sich sehen, gegen
die man aus Pflicht mißtrauisch und zurückhaltend seyn muß. -- In
einer Stadt zu seyn, wo wenig Geschmack, -- wo Gelehrter- Ahnen- und
Stolz auf niedrigen Gewinn, Härte gegen anderer Unglück, Cabale &c.
Tyrannisiren &c. -- Da ist der Ort die Standhaftigkeit zu üben, das
Böse zum Guten zu benutzen. -- Einen Augenblick bin ich unzufrieden
darüber, in dem andern tadle ich mich selbst. Ich suche meinem
Schicksal Trotz zu bieten. Meine Geschäfte expediere ich so geschwind,
wie möglich, und erzwinge mir einige Muße. Ich gehe spät zu Bette, und
stehe früh wieder auf. In solcher Muße ziehe ich meine Wissenschaften
hervor, Arbeiten die meine Seele befriedigen. Die anderen Uebel
korrigire ich dadurch, daß ich mich in das politische Interesse
nicht vertiefe. Der Catholische ist mir so lieb, wie ein anderer
&c. In Gesellschaften komme ich nicht viel; nur um die Kenntniß des
_Publici_ zu behalten. Uebrigens habe ich eine Auswahl von Leuten
gemacht. Man findet immer noch gute, wenn gleich der größte Theil
nicht viel werth ist. Einigen geschickten Assessoren bin ich bekannt
-- und besuche sie von Zeit zu Zeit -- Einen Procurator (dieß sind
hier angesehene Leute) kenne ich, welcher die Probe völlig aushalten
kann. Ehrlich, redlich, menschenliebend, einsichtsvoll, und der keine
Sache annimmt, welche er nicht für gegründet hält, und alsdann treulich
dient und hilft. Unter meines Gleichen sind auch ein Paar, welche
Hochachtung verdienen. Um andere bekümmere ich mich nicht, außer dem
allgemeinen Umgange. -- Für den Mangel an Geschmack und Empfindung, die
hier herrscht, werde ich durch ein einziges schadlos gehalten. Dieses
habe ich Ihnen schon längst geschrieben. Es ist die Familie meiner
Charlotte. Daher hole ich mir meine Geduld, meine Standhaftigkeit,
meine Ermunterung, mein Vergnügen. So oft ich vom Tische komme, um
halb 2 oder 2 Uhr, ist mein Gang dahin gerichtet -- da bleibe ich bis
3 Uhr -- und kann durch diese Stunde ausruhn, die schwerste Arbeit
ertragen. Abends, wenn die Arbeit erlaubt, gehe ich um 9 Uhr wieder
dahin bis 11 Uhr. Diese Stunden sind der Liebe, der Freundschaft und
dem vertraulichen Gespräch gewidmet. Die Unschuld und Tugend setzt die
Gränzen. -- Die würdigste, die sanfteste und tugendhafteste Mutter hat
ihre Kinder allezeit unter Augen, und diese entziehen sich ihr nie. --
Meine Charlotte bildet sich täglich mehr aus. Sie können denken, daß
dieses einem Mädchen von 18 Jahren einen Reiz giebt, welcher weit mehr
bezaubert, als wenn sie die größte Schönheit wäre......
 
Die Erfahrung, welche Sie an Ihrem Bedienten gemacht, habe ich auch
gemacht. Ich habe immer geurtheilt, daß die wenigsten Herrn mit ihren
Bedienten umgingen, wie es seyn sollte. Ich nahm mir daher vor, den
meinigen, welchen ich hierher mitnahm, wie meines Gleichen zu begegnen,
und keineswegs als eine niedrigere Gattung Menschen zu betrachten.
Ich hielt ihn gut. Er hatte gute Tage; ich ließ mir nicht, wie sonst
gewöhnlich, aufwarten, und wollte ihn gleichsam nur als einen Gehülfen
in denjenigen Sachen haben, wozu ich nicht Zeit hatte, sie zu besorgen.
Zwar wußte er es wohl zu erkennen, und hätte vielleicht sein Leben für
mich gewagt. Allein, meine Nachsicht, seine guten Tage, der Ueberfluß,
machten ihn unordentlich. Er hielt sich viel im Wirtshause auf, blieb
wohl des Nachts aus, gerieth in Schlägereyen, und ward ein Held, und
furchtbar unter seinen Cameraden, lange ohne mein Wissen. Als ich es
erfuhr, rieth ich ihm ernstlich davon ab, aber vielleicht mit zu viel
Gelindigkeit. Er kam in eine Schlägerey, ward in Arrest genommen, und
wegen der Streitigkeiten, welche unter dem Reichsmarschall-Amte und den
Gesandtschaften wegen der Jurisdiction über die Bedienten sind, war ich
endlich genöthigt, ihn abzuschaffen, nachdem ich ihn schon einmal nach
einer solchen Affaire wieder angenommen hatte. Die gute Begegnung war
ihm also nur schädlich gewesen, ob ich mir gleich sonst Mühe gab, ihn
zu bessern, und ihn geschickt zu machen, in solchen Sachen, die sich
für seinen Stand schickten. Ich verschaffte ihm indessen nachher einen
guten Herrn wieder.
 
Darauf habe ich einen andern Bedienten angenommen, welchem ich weder so
viel Kost und Lohn gebe, noch in der Aufwartung so viel einräume, und
er ist hundertmal besser, als der erste......
 
Meine Charlotte ist Ihnen zuvorgekommen, und hat Ihren Auftrag schon
vorher ausgerichtet. Sie hat mich oft erinnert Ihnen wieder zu
schreiben. Sie wollte gar zu gern wieder einen Brief von Ihnen lesen
hören. Ich werde bald eifersüchtig, denn ohne Sie von Person zu kennen,
ist sie von Ihnen eingenommen. Wäre dieß nicht, so würde ich Sie bitten
einmal hierher zu kommen, da es Ihnen doch gleich viel zu seyn scheint,
in welchem Theile der Welt Sie sind. Immerhin sollen Sie mir willkommen

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