2014년 10월 30일 목요일

Kabale und Liebe 1

Kabale und Liebe 1


Kabale und Liebe: Friedrich (Johann Christoph Friedrich von ) Schiller


Personen:

Prasident von Walter,  am Hof eines deutschen Fursten.
Ferdinand,  sein Sohn, Major.
Hofmarschall von Kalb.
Lady Milford,  Favoritin des Fursten.
Wurm,  Haussecretar des Prasidenten.
Miller,  Stadtmusikant oder, wie man sie an einigen Orten
  nennt, Kunstpfeifer.
Dessen Frau.
Luise,  dessen Tochter.
Sophie,  Kammerjungfer der Lady.
Ein Kammerdiener des Fursten.
Verschiedene Nebenpersonen.




Erster Akt.



Erste Scene.

Zimmer beim Musikus.


Miller steht eben vom Sessel auf und stellt sein Violoncell auf die
Seite.  An einem Tisch sitzt Frau Millerin noch im Nachtgewand und
trinkt ihren Kaffee.


Miller (schnell auf- und abgehend).  Einmal fur allemal!  Der Handel
wird ernsthaft.  Meine Tochter kommt mit dem Baron ins Geschrei.
Mein Haus wird verrufen.  Der Prasident bekommt Wind, und kurz und
gut, ich biete dem Junker aus.

Frau.  Du hast ihn nicht in dein Haus geschwatzt--hast ihm deine
Tochter nicht nachgeworfen.

Miller.  Hab' ihn nicht in mein Haus geschwatzt--hab' ihm 's Madel
nicht nachgeworfen; wer nimmt Notiz davon?--Ich war Herr im Haus.
Ich hatt' meine Tochter mehr coram nehmen sollen.  Ich hatt' dem
Major besser auftrumpfen sollen--oder hatt' gleich Alles Seiner
Excellenz, dem Herrn Papa, stecken sollen.  Der junge Baron bringt's
mit einem Wischer hinaus, das muß ich wissen, und alles Wetter kommt
uber den Geiger.

Frau (schlurft eine Tasse aus).  Possen!  Geschwatz!  Was kann uber
dich kommen?  Wer kann dir was anhaben?  Du gehst deiner Profession
nach und raffst Scholaren zusammen, wo sie zu kriegen sind.

Miller.  Aber, sag mir doch, was wird bei dem ganzen Commerz auch
herauskommen?--Nehmen kann er das Madel nicht--Vom Nehmen ist gar die
Rede nicht, und zu einer--daß Gott erbarm?--Guten Morgen!--Gott, wenn
so ein Musje von sich da und dort, und dort und hier schon
herumbeholfen hat, wenn er, der Henker weiß! was als? gelost hat,
schmeckt's meinem guten Schlucker freilich, einmal auf suß Wasser zu
graben.  Gib du Acht! gib du Acht! und wenn du aus jedem Astloch ein
Auge strecktest und vor jedem Blutstropfen Schildwache standest, er
wird sie, dir auf der Nase, beschwatzen, dem Madel Eins hinsetzen und
fuhrt sich ab, und das Madel ist verschimpfiert auf ihr Lebenlang,
bleibt sitzen, oder hat's Handwerk verschmeckt, treibt's fort.  (Die
Hand vor der Stirn) Jesus Christus!

Frau.  Gott behut' uns in Gnaden!

Miller.  Es hat sich zu behuten.  Worauf kann so ein Windfuß wohl
sonst sein Absehen richten?--Das Madel ist schon--schlank--fuhrt
seinen netten Fuß.  Unterm Dach mag's aussehen, wie's will.  Daruber
guckt man bei euch Weibsleuten weg, wenn's nur der liebe Gott
parterre nicht hat fehlen lassen--Stobert mein Springinsfeld erst
noch dieses Kapital aus--he da! geht ihm ein Licht auf, wie meinem
Rodney, wenn er die Witterung eines Franzosen kriegt, und nun mussen
alle Segel dran, und drauf los, und--ich verdenk's ihm gar nicht.
Mensch ist Mensch.  Das muß ich wissen.

Frau.  Solltest nur die wunderhubsche Billeter auch lesen, die der
gnadige Herr an deine Tochter als schreiben thut.  Guter Gott! da
sieht man's ja sonnenklar, wie es ihm pur um ihre schone Seele zu
thun ist.

Miller.  Das ist die rechte Hohe.  Auf den Sack schlagt man, den Esel
meint man.  Wer einen Gruß an das liebe Fleisch zu bestellen hat,
darf nur das gute Herz Boten gehen lassen.  Wie hab' ich's gemacht?
Hat man's nur erst so weit im Reinen, daß die Gemuther topp machen,
wutsch! nehmen die Korper ein Exempel; das Gesind macht's der
Herrschaft nach, und der silberne Mond ist am End nur der Kuppler
gewesen.

Frau.  Sieh doch nur erst die prachtigen Bucher an, die der Herr
Major ins Haus geschafft haben.  Deine Tochter betet auch immer draus.

Miller (pfeift).  Hui da!  Betet!  Du hast den Witz davon.  Die rohen
Kraftbruhen der Natur sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen noch zu
hart.--Er muß sie erst in der hollischen Pestilenzkuche der
Belletristen kunstlich aufkochen lassen.  Ins Feuer mit dem Quark.
Da saugt mir das Madel--weiß Gott, was als fur?--uberhimmlische
Alfanzereien ein, das lauft dann wie spanische Mucken ins Blut und
wirft mir die Handvoll Christenthum noch gar auseinander, die der
Vater mit knapper Noth soso noch zusammenhielt.  Ins Feuer, sag' ich.
Das Madel setzt sich alles Teufelsgezeug in den Kopf; uber all dem
Herumschwanzen in der Schlaraffenwelt findet's zuletzt seine Heimath
nicht mehr, vergißt, schamt sich, daß sein Vater Miller der Geiger
ist, und verschlagt mir am End einen wackern ehrbaren Schwiegersohn,
der sich so warm in meine Kundschaft hineingesetzt hatte--Nein!  Gott
verdamm mich!  (Er springt auf, hitzig.) Gleich muß die Pastete auf
den Herd, und dem Major--ja ja, dem Major will ich weisen, wo Meister
Zimmermann das Loch gemacht hat.  (Er will fort.)

Frau.  Sei artig, Miller.  Wie manchen schonen Groschen haben uns nur
die Prasenter-Miller (kommt zuruck und bleibt vor ihr stehen).  Das
Blutgeld meiner Tochter?--Schier dich zum Satan, infame Kupplerin!
--Eh will ich mit meiner Geig' auf den Bettel herumziehen und das
Concert um was Warmes geben--eh will ich mein Violoncello zerschlagen
und Mist im Sonanzboden fuhren, eh ich mir's schmecken lass' von dem
Geld, das mein einziges Kind mit Seel' und Seligkeit abverdient.
--Stell den vermaledeiten Kaffee ein und das Tobackschnupfen, so
brauchst du deiner Tochter Gesicht nicht zu Markt zu treiben.  Ich
hab mich satt gefressen und immer ein gutes Hemd auf dem Leib gehabt,
eh so ein vertrackter Tausendsasa in meine Stube geschmeckt hat.

Frau.  Nur nicht gleich mit der Thur ins Haus!  Wie du doch den
Augenblick in Feuer und Flammen stehst!  Ich sprech ja nur, man muss'
den Herrn Major nicht disguschthuren, weil Sie des Prasidenten Sohn
sind.

Miller.  Da liegt der Haas im Pfeffer.  Darum, just eben darum muß
die Sach noch heut auseinander.  Der Prasident muß es mir Dank wissen,
wenn er ein rechtschaffener Vater ist.  Du wirst mir meinen rothen
pluschenen Rock ausbursten, und ich werde mich bei Seiner Excellenz
anmelden lassen.  Ich werde sprechen zu seiner Excellenz: Dero Herr
Sohn haben ein Aug auf meine Tochter; meine Tochter ist zu schlecht
zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes Hure ist meine
Tochter zu kostbar, und damit basta!--Ich heiße Miller.



Zweite Scene.

Secretar Wurm.  Die Vorigen.


Frau.  Ah guten Morgen, Herr Sekertare!  Hat man auch einmal wieder
das Vergnugen von Ihnen?

Wurm.  Meinerseits, meinerseits, Frau Base!  Wo eine Cavaliersgnade
einspricht, kommt mein burgerliches Vergnugen in gar keine Rechnung.

Frau.  Was Sie nicht sagen, Herr Sekertare!  Des Herrn Majors von
Walter hohe Gnaden machen uns wohl je und je das Blasier; doch
verachten wir darum Niemand.

Miller (verdrießlich).  Dem Herrn einen Sessel, Frau.  Wollen's
ablegen, Herr Landsmann?

Wurm (legt Hut und Stock weg, setzt sich).  Nun! nun! und wie
befindet sich denn meine Zukunftige--oder Gewesene?--Ich will doch
nicht hoffen--kriegt man sie nicht zu sehen--Mamsell Luisen?

Frau.  Danken der Nachfrage, Herr Sekertare.  Aber meine Tochter ist
doch gar nicht hochmuthig.

Miller (argerlich, stoßt sie mit dem Ellenbogen).  Weib!

Frau.  Bedauern's nur, daß sie die Ehre nicht haben kann vom Herrn
Sekertare.  Sie ist eben in der Meß, meine Tochter.

Wurm.  Das freut mich, freut mich.  Ich werd' mal eine fromme,
christliche Frau an ihr haben.

Frau (lachelt dumm-vornehm).  Ja--aber, Herr Sekertare-Miller (in
sichtbarer Verlegenheit, kneipt sie in die Ohren).  Weib!

Frau.  Wenn Ihnen unser Haus sonst irgend wo dienen kann--mit allem
Vergnugen, Herr Sekertare-Wurm (macht falsche Augen).  Sonst irgendwo!
Schonen Dank!  Schonen Dank!--Hem! hem! hem!

Frau.  Aber--wie der Herr Sekertare selber die Einsicht werden
haben-Miller (voll Zorn seine Frau vor den Hintern stoßend).  Weib!

Frau.  Gut ist gut, und besser ist besser, und einem einzigen Kind
mag man doch auch nicht vor seinem Gluck sein.  (Baurisch-stolz.) Sie
werden mich ja doch wohl merken, Herr Sekertare?

Wurm (ruckt unruhig im Sessel, kratzt hinter den Ohren und zupft an
Manschetten und Jabot).  Merken?  Nicht doch--O ja--Wie meinen Sie
denn?

Frau.  Nu--nu--ich dachte nur--ich meine, (hustet) weil eben halt der
liebe Gott meine Tochter barrdu zur gnadigen Madam will haben-Wurm
(fahrt vom Stuhl).  Was sagen Sie da?  Was?

Miller.  Bleiben sitzen!  Bleiben sitzen, Herr Secretarius!  Das Weib
ist eine alberne Gans.  Wo soll eine gnadige Madam herkommen?  Was
fur ein Esel streckt sein Langohr aus diesem Geschwatze?

Frau.  Schmahl du, so lang du willst.  Was ich weiß, weiß ich--und
was der Herr Major gesagt hat, das hat er gesagt.

Miller (aufgebracht, springt nach der Geige).  Willst du dein Maul
halten?  Willst du das Violoncell am Hirnkasten wissen?--Was kannst
du wissen?  Was kann er gesagt haben?--Kehren sich an das Geklatsch
nicht, Herr Vetter--Marsch du, in deine Kuche!--Werden mich doch
nicht fur des Dummkopfs leiblichen Schwager halten, daß ich oben aus
woll' mit dem Madel?  Werden doch das nicht von mir denken, Herr
Secretarius?

Wurm.  Auch hab' ich es nicht um Sie verdient, Herr Musikmeister.
Sie haben mich jederzeit den Mann von Wort sehen lassen und meine
Anspruche auf Ihre Tochter waren so gut als unterschrieben.  Ich habe
ein Amt, das seinen guten Haushalter nahren kann; der Prasident ist
mir gewogen; an Empfehlungen kann's nicht fehlen, wenn ich mich hoher
poussieren will.  Sie sehen, daß meine Absichten auf Mamsell Luisen
ernsthaft sind, wenn Sie vielleicht von einem adeligen Windbeutel
herumgeholt-Frau.  Herr Sekertare Wurm!  Mehr Respect, wenn man
bitten darf-Miller.  Halt du dein Maul, sag' ich--Lassen Sie es gut
sein, Herr Vetter!  Es bleibt beim Alten.  Was ich Ihnen verwichenen
Herbst zum Bescheid gab, bring' ich heut wieder.  Ich zwinge meine
Tochter nicht.  Stehen Sie ihr an--wohl und gut, so mag sie zusehen,
wie sie glucklich mit Ihnen wird.  Schuttelt sie den Kopf--noch
besser--in Gottes Namen wollt' ich sagen--so stecken Sie den Korb ein
und trinken eine Bouteille mit dem Vater--Das Madel muß mit Ihnen
leben--ich nicht.--Warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht
schmecken kann, aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen?--Daß
mich der bose Feind in meinen eisgrauen Tagen noch wie sein Wildpret
herumhetzt--daß ich's in jedem Glas Wein zu saufen--in jeder Suppe zu
fressen kriege: Du bist der Spitzbube, der sein Kind ruiniert hat.

Frau.  Und kurz und gut--ich geb meinen Consenz absolut nicht; meine
Tochter ist zu was Hohem gemunzt, und ich lauf' in die Gerichte, wenn
mein Mann sich beschwatzen laßt.

Miller.  Willst du Arm und Bein entzwei haben, Wettermaul?

Wurm (zu Millern).  Ein vaterlicher Rath vermag bei der Tochter viel,
und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr Miller?

Miller.  Daß dich alle Hagel! 's Madel muß Sie kennen.  Was ich alter
Knasterbart an Ihnen abgucke, ist just kein Fressen furs junge
naschhafte Madel.  Ich will Ihnen aufs Haar hin sagen, ob Sie ein
Mann furs Orchester sind--aber eine Weiberseel' ist auch fur einen
Kapellmeister zu spitzig.--Und dann von der Brust weg, Herr
Vetter--ich bin halt ein plumper gerader deutscher Kerl--fur meinen
Rath wurden Sie sich zuletzt wenig bedanken.  Ich rathe meiner
Tochter zu Keinem--aber Sie mißrath ich meiner Tochter, Herr
Secretarius!  Lassen mich ausreden.  Einem Liebhaber, der den Vater
zu Hilfe ruft, trau' ich--erlauben Sie--keine hohle Haselnuß zu.  Ist
er was, so wird er sich schamen, seine Talente durch diesen
altmodischen Kanal vor seine Liebste zu bringen--Hat er's Courage
nicht, so ist er ein Hasenfuß, und fur den sind keine Luisen
gewachsen--Da! hinter dem Rucken des Vaters muß er sein Gewerb an die
Tochter bestellen.  Machen muß er, daß das Madel lieber Vater und
Mutter zum Teufel wunscht, als ihn fahren laßt,--oder selber kommt,
dem Vater zu Fußen sich wirft und sich um Gotteswillen den schwarzen
gelben Tod oder den Herzeinigen ausbittet--Das nenn' ich einen Kerl!
das heißt lieben!--und wer's bei dem Weibsvolk nicht so weit bringt,
der soll--auf seinem Gansekiel reiten.

Wurm (greift nach Hut und Stock und zum Zimmer hinaus).  Obligation,
Herr Miller!

Miller (geht ihm langsam nach).  Fur was? fur was?  Haben Sie ja doch
nichts genossen, Herr Secretarius!  (Zuruckkommend.)  Nichts hort er,
und hin zieht er--Ist mir's doch wie Gift und Operment, wenn ich den
Federfuchser zu Gesichte krieg'.  Ein confiscierter widriger Kerl,
als hatt' ihn irgend ein Schleichhandler in die Welt meines Herrgotts
hineingeschachert--Die kleinen tuckischen Mausaugen--die Haare
brandroth--das Kinn herausgequollen, gerade als wenn die Natur fur
purem Gift uber das verhunzte Stuck Arbeit meinen Schlingel da
angefaßt und in irgend eine Ecke geworfen hatte--Nein! eh ich meine
Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir--Gott
verzeih mir's-Frau (spuckt aus, giftig).  Der Hund!--aber man wird
dir's Maul sauber halten!

Miller.  Du aber auch mit deinem pestilenzialischen Junker--Hast mich
vorhin auch so in Harnisch gebracht--Bist doch nie dummer, als wenn
du um Gotteswillen gescheidt sein solltest.  Was hat das Getratsch
von einer gnadigen Madam und deiner Tochter da vorstellen sollen?
Das ist mir der Alte!  Dem muß man so was an die Nase heften, wenn's
morgen am Marktbrunnen ausgeschellt sein soll.  Das ist just so ein
Musje, wie sie in der Leute Hausern herumriechen, uber Keller und
Koch rasonnieren, und springt einem ein nasenweises Wort ubers
Maul--Bumbs! haben's Furst und Matreß und Prasident, und du hast das
siedende Donnerwetter am Halse.



Dritte Scene.

Luise Millerin kommt, ein Buch in der Hand.  Vorige.


Luise (legt das Buch nieder, geht zu Millern und druckt ihm die Hand).
Guten Morgen, lieber Vater.

Miller (warm).  Brav, meine Luise--Freut mich, daß du so fleißig an
deinen Schopfer denkst.  Bleib immer so, und sein Arm wird dich
halten.

Luise.  O! ich bin eine schwere Sunderin, Vater--War er da, Mutter?

Frau.  Wer, mein Kind?

Luise.  Ah! ich vergaß, daß es noch außer ihm Menschen gibt--Mein
Kopf ist so wuste--Er war nicht da?  Walter?

Miller (traurig und ernsthaft).  Ich dachte, meine Luise hatte den
Namen in der Kirche gelassen?

Luise (nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen).  Ich versteh'
ihn, Vater--fuhle das Messer, das Er in mein Gewissen stoßt; aber es
kommt zu spat.--Ich hab' keine Andacht mehr, Vater--der Himmel und
Ferdinand reißen an meiner blutenden Seele, und ich furchte--ich
furchte--(Nach einer Pause.)  Doch nein, guter Vater.  Wenn wir ihn
uber dem Gemalde vernachlassigen, findet sich ja der Kunstler am
feinsten gelobt.--Wenn meine Freude uber sein Meisterstuck mich ihn
selbst ubersehen macht, Vater, muß das Gott nicht ergotzen?

Miller (wirft sich unmuthig in den Stuhl).  Da haben wir's!  Das ist
die Frucht von dem gottlosen Lesen.

Luise (tritt unruhig an ein Fenster).  Wo er wohl jetzt ist?--Die
vornehmen Fraulein, die ihn sehen--ihn horen--ich bin ein schlechtes,
vergessenes Madchen.  (Erschrickt an dem Wort und sturzt ihrem Vater
zu.)  Doch nein, nein! verzeih' Er mir.  Ich beweine mein Schicksal
nicht.  Ich will ja nur wenig--an ihn denken--das kostet ja nichts.
Dies Bischen Leben--durft' ich es hinhauchen in ein leises,
schmeichelndes Luftchen, sein Gesicht abzukuhlen;--dies Blumchen
Jugend--war' es ein Veilchen, und er trate drauf, und es durfte
bescheiden unter ihm sterben!--Damit genugte mir, Vater!  Wenn die
Mucke in ihren Strahlen sich sonnt--kann sie das strafen, die stolze
majestatische Sonne?

Miller (beugt sich geruhrt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das
Gesicht).  Hore, Luise--das Bissel Bodensatz meiner Jahre, ich gab'
es hin, hattest du den Major nie gesehen.

Luise (erschrocken).  Was sagt Er da? was?--Nein, er meint es anders,
der gute Vater.  Er wird nicht wissen, daß Ferdinand mein ist, mir
geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden.  (Sie steht
nachdenkend.)  Als ich ihn das Erstemal sah--(rascher) und mir das
Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung
sprach, jeder Athem lispelte: er ist's!--und mein Herz den
Immermangelnden erkannte, bekraftigte: er ist's! und wie das
wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt!  Damals--o damals ging
in meiner Seele der erste Morgen auf.  Tausend junge Gefuhle schossen
aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn's Fruhling
wird.  Ich sah keine Welt mehr, und doch besinn' ich mich, daß sie
niemals so schon war.  Ich wußte von keinem Gott mehr, und doch hatt'
ich ihn nie so geliebt.

Miller (tritt auf sie zu, druckt sie wider seine Brust).
Luise--theures--herrliches Kind--nimm meinen alten murben Kopf--nimm
Alles--Alles!--den Major--Gott ist mein Zeuge--ich kann dir ihn
nimmer geben.  (Er geht ab.)

Luise.  Auch will ich ihn ja jetzt nicht, mein Vater!  Dieser karge
Thautropfen Zeit--schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wollustig
auf.  Ich entsag' ihm fur dieses Leben.  Dann, Mutter--dann wenn die
Schranken des Unterschieds einsturzen--wenn von uns abspringen all
die verhaßten Hulsen des Standes--Menschen nur Menschen sind--Ich
bringe nichts mit mir, als meine Unschuld; aber der Vater hat ja so
oft gesagt, daß der Schmuck und die prachtigen Titel wohlfeil werden,
wenn Gott kommt, und die Herzen im Preise steigen.  Ich werde dann
reich sein.  Dort rechnet man Thranen fur Triumphe und schone
Gedanken fur Ahnen an.  Ich werde dann vornehm sein, Mutter--Was
hatte er dann noch vor seinem Madchen voraus?

Frau (fahrt in die Hohe).  Luise! der Major!  Er springt uber die
Planke.  Wo verberg' ich mich doch?

Luise (fangt an zu zittern).  Bleib Sie doch, Mutter!

Frau.  Mein Gott!  Wie seh' ich aus; ich muß mich ja schamen.  Ich
darf mich nicht vor seiner Gnaden so sehen lassen.  (Ab.)



Vierte Scene.

Ferdinand von Walter.  Luise.


(Er fliegt auf sie zu--sie sinkt entfarbt und matt auf einen
Sessel--er bleibt vor ihr stehn--sie sehen sich eine Zeitlang
stillschweigend an.  Pause.)

Ferdinand.  Du bist blaß, Luise?

Luise (steht auf und fallt ihm um den Hals).  Es ist nichts! nichts!
Du bist ja da.  Es ist voruber.

Ferdinand (ihr Hand nehmend und zum Munde fuhrend).  Und liebt mich
meine Luise noch?  Mein Herz ist das gestrige, ist's auch das deine
noch?  Ich fliege nur her, will sehen, ob du heiter bist, und gehn
und es auch sein--Du bist's nicht.

Luise.  Doch, doch, mein Geliebter.

Ferdinand.  Rede mir Wahrheit.  Du bist's nicht.  Ich schau durch
deine Seele, wie durch das klare Wasser dieses Brillanten.  (Zeigt
auf seinen Ring.)  Hier wirft sich kein Blaschen auf, das ich nicht
merkte--kein Gedanke tritt in dies Angesicht, der mir entwischte.
Was hast du?  Geschwind!  Weiß ich nur diesen Spiegel helle, so lauft
keine Wolke uber die Welt.  Was bekummert dich?

Luise (sieht ihn eine Weile stumm und bedeutend an, dann mit Wehmuth).
Ferdinand!  Ferdinand!  Daß du doch wußtest, wie schon in dieser
Sprache das burgerliche Madchen sich ausnimmt-Ferdinand.  Was ist
das?  (Befremdet.)  Madchen!  Hore! wie kommst du auf das?--Du bist
meine Luise.  Wer sagt dir, daß du noch etwas sein solltest?  Siehst
du, Falsche, auf welchem Kaltsinn ich dir begegnen muß.  Warest du
ganz nur Liebe fur mich, wann hattest du Zeit gehabt, eine
Vergleichung zu machen?  Wenn ich bei dir bin, zerschmilzt meine
Vernunft in einen Blick--in einen Traum von dir, wenn ich weg bin,
und du hast noch eine Klugheit neben deiner Liebe?--Schame dich!
Jeder Augenblick, den du an diesen Kummer verlorst, war deinem
Jungling gestohlen.

Luise (faßt seine Hand, indem sie den Kopf schuttelt).  Du willst
mich einschlafern, Ferdinand--willst meine Augen von diesem Abgrund
hinweglocken, in den ich ganz gewiß sturzen muß.  Ich seh' in die
Zukunft--die Stimme des Ruhms--deine Entwurfe--dein Vater--mein
Nichts.  (Erschrickt und laßt plotzlich seine Hand fahren.)  Ferdinand!
Ein Dolch uber dir und mir!--Man trennt uns!

Ferdinand.  Trennt uns!  (Er springt auf.)  Woher bringst du diese
Ahnung, Luise?  Trennt uns?--Wer kann den Bund zweier Herzen losen,
oder die Tone eines Accords auseinander reißen?--Ich bin ein
Edelmann--Laß doch sehen, ob mein Adelbrief alter ist, als der Riß
zum unendlichen Weltall? oder mein Wappen gultiger, als die
Handschrift des Himmels in Luisens Augen: dieses Weib ist fur diesen
Mann?--Ich bin des Prasidenten Sohn.  Eben darum.  Wer, als die Liebe,
kann mir die Fluche versußen, die mir der Landeswucher meines Vaters
vermachen wird?

Luise.  O wie sehr furcht' ich ihn--diesen Vater!

Ferdinand.  Ich furchte nichts--nichts--als die Grenzen deiner Liebe.
Laß auch Hindernisse wie Gebirge zwischen uns treten, ich will sie
fur Treppen nehmen und druber hin in Luisens Arme fliegen.  Die
Sturme des widrigen Schicksals sollen meine Empfindung emporblasen,
Gefahren werden meine Luise nur reizender machen.--Also nichts mehr
von Furcht, meine Liebe.  Ich selbst--ich will uber dir wachen, wie
der Zauberdrach uber unterirdischem Golde--Mir vertraue dich!  Du
brauchst keinen Engel mehr--Ich will mich zwischen dich und das
Schicksal werfen--empfangen fur dich jede Wunde--auffassen fur dich
jeden Tropfen aus dem Becher der Freude--dir ihn bringen in die
Schale der Liebe.  (Sie zartlich umfassend.)  An diesem Arm soll meine
Luise durchs Leben hupfen; schoner, als er dich von sich ließ, soll
der Himmel dich wieder haben und mit Verwunderung eingestehn, daß nur
die Liebe die letzte Hand an die Seelen legte-Luise (druckt ihn von
sich, in großer Bewegung).  Nichts mehr!  Ich bitte dich, schweig!
--Wußtest du--Laß mich--du weißt nicht, daß deine Hoffnungen mein
Herz wie Furien anfallen.  (Will fort.)

Ferdinand (halt sie auf).  Luise?  Wie!  Was!  Welche Anwandlung?

Luise.  Ich hatte diese Traume vergessen und war glucklich--Jetzt!
jetzt! von heut an--der Friede meines Lebens ist aus--Wilde
Wunsche--ich weiß es--werden in meinem Busen rasen.--Geh--Gott
vergebe dir's--Du hast den Feuerbrand in mein junges, friedsames Herz
geworfen, und er wird nimmer, nimmer geloscht werden.  (Sie sturzt
hinaus.  Er folgt ihr sprachlos nach.)



Funfte Scene.

Saal beim Prasidenten.


Der Prasident, ein Ordenskreuz um den Hals, einen Stern an der Seite,
und Secretar Wurm treten auf.

Prasident.  Ein ernsthaftes Attachement!  Mein Sohn?--Nein, Wurm, das
macht Er mich nimmermehr glauben.

Wurm.  Ihro Excellenz haben die Gnade, mir den Beweis zu befehlen.

Prasident.  Daß er der Burgercanaille den Hof macht--Flatterieen
sagt--auch meinetwegen Empfindungen vorplaudert--das sind lauter
Sachen, die ich moglich finde--verzeihlich finde--aber--und noch gar
die Tochter eines Musikus, sagt Er?

Wurm.  Musikmeister Millers Tochter.

Prasident.  Hubsch--Zwar das versteht sich.

Wurm (lebhaft).  Das schonste Exemplar einer Blondine, die, nicht zu
viel gesagt, neben den ersten Schonheiten des Hofes noch Figur machen
wurde.

Prasident (lacht).  Er sagt mir, Wurm--Er habe ein Aug auf das
Ding--das find' ich.  Aber sieht Er, mein lieber Wurm--daß mein Sohn
Gefuhl fur das Frauenzimmer hat, macht mir Hoffnung, daß ihn die
Damen nicht hassen werden.  Er kann bei Hof etwas durchsetzen.  Das
Madchen ist schon, sagt Er; das gefallt mir an meinem Sohn, daß er
Geschmack hat.  Spiegelt er der Narrin solide Absichten vor?  Noch
besser--so seh' ich, daß er Witz genug hat, in seinen Beutel zu lugen.
Er kann Prasident werden.  Setzt er es noch dazu durch?  Herrlich!
das zeigt mir an, daß er Gluck hat.--Schließt sich die Farce mit
einem gesunden Enkel--unvergleichlich! so trink' ich auf die guten
Aspecten meines Stammbaums eine Bouteille Malaga mehr und bezahle die
Scortationsstrafe fur seine Dirne.

Wurm.  Alles, was ich wunsche, Ihr' Excellenz, ist, daß Sie nicht
nothig haben mochten, diese Bouteille zu Ihrer Zerstreuung zu trinken.

Prasident (ernsthaft).  Wurm, besinn' Er sich, daß ich, wenn ich
einmal glaube, hartnackig glaube; rase, wenn ich zurne--Ich will
einen Spaß daraus machen, daß Er mich aufhetzen wollte.  Daß Er sich
seinen Nebenbuhler gern vom Hals geschafft hatte, glaub' ich Ihm
herzlich gern.  Da Er meinen Sohn bei dem Madchen auszustechen Muhe
haben mochte, soll Ihm der Vater zur Fliegenklatsche dienen, das
find' ich wieder begreiflich--und daß er einen so herrlichen Ansatz
zum Schelmen hat, entzuckt mich sogar--Nur, mein lieber Wurm, muß Er
mich nicht mit prellen wollen.--Nur, versteht Er mich, muß Er den
Pfiff nicht bis zum Einbruch in meine Grundsatze treiben.

Wurm.  Ihro Excellenz verzeihen.  Wenn auch wirklich--wie Sie
argwohnen--die Eifersucht hier im Spiel sein sollte, so ware sie es
wenigstens nur mit den Augen und nicht mit der Zunge.

Prasident.  Und ich dachte, sie bliebe ganz weg. Dummer Teufel, was
verschlagt es denn Ihm, ob Er die Karolin frisch aus der Munze oder vom
Bankier bekommt.  Trost' Er sich mit dem hiesigen Adel--wissentlich
oder nicht--bei uns wird selten eine Mariage geschlossen, wo nicht
wenigstens ein halb Dutzend der Gaste--oder der Aufwarter--das Paradies
des Brautigams geometrisch ermessen kann.

Wurm (verbeugt sich).  Ich mache hier gern den Burgersmann, gnadiger
Herr.

Prasident.  Uberdies kann Er mit Nachstem die Freude haben, seinem
Nebenbuhler den Spott auf die schonste Art heimzugeben.  Eben jetzt
liegt der Anschlag im Kabinet, daß, auf die Ankunft der neuen
Herzogin, Lady Milford zum Schein den Abschied erhalten und, den
Betrug vollkommen zu machen, eine Verbindung eingehen soll.  Er weiß,
Wurm, wie sehr sich mein Ansehen auf den Einfluß der Lady stutzt--wie
uberhaupt meine machtigsten Springfedern in die Wallungen des Fursten
hineinspielen.  Der Herzog sucht eine Partie fur die Milford.  Ein
Anderer kann sich melden--den Kauf schließen, mit der Dame das
Vertrauen des Fursten anreißen, sich ihm unentbehrlich machen--Damit
nun der Furst im Netz meiner Familie bleibe, soll mein Ferdinand die
Milford heirathen--Ist Ihm das helle?

Wurm.  Daß mich die Augen beißen--Wenigstens bewies der Prasident
hier, daß der Vater nur ein Anfanger gegen ihn ist.  Wenn der Major
Ihnen eben so den gehorsamen Sohn zeigt, als Sie ihm den zartlichen
Vater, so durfte Ihre Anforderung mit Protest zuruckkommen.

Prasident.  Zum Gluck war mir noch nie fur die Ausfuhrung eines
Entwurfes bang, wo ich mich mit einem: es soll so sein! einstellen
konnte.--Aber seh' Er nun, Wurm, das hat uns wieder auf den vorigen
Punkt geleitet.  Ich kundige meinem Sohn noch diesen Vormittag seine
Vermahlung an.  Das Gesicht, das er mir zeigen wird, soll Seinen
Argwohn entweder rechtfertigen oder ganz widerlegen.

Wurm.  Gnadiger Herr, ich bitte sehr um Vergebung.  Das finstre
Gesicht, das er Ihnen ganz zuverlassig zeigt, laßt sich eben so gut
auf die Rechnung der Braut schreiben, die Sie ihm zufuhren, als
derjenigen, die Sie ihm nehmen.  Ich ersuche Sie um eine scharfere
Probe.  Wahlen Sie ihm die untadelichste Partie im Lande, und sagt er
Ja, so lassen Sie den Secretar Wurm drei Jahre Kugeln schleifen.

Prasident (heißt die Lippen).  Teufel!

Wurm.  Es ist nicht anders!  Die Mutter--die Dummheit selbst--hat mir
in der Einfalt zu viel geplaudert.

Prasident (geht auf und nieder, preßt seinen Zorn zuruck).  Gut!
Diesen Morgen noch.

Wurm.  Nur vergessen Ew.  Excellenz nicht, daß der Major--der Sohn
meines Herrn ist!

Prasident.  Er soll geschont werden, Wurm.

Wurm.  Und daß der Dienst, Ihnen von einer unwillkommenen
Schwiegertochter zu helfen-Prasident.  Den Gegendienst werth ist, Ihm
zu einer Frau zu helfen?--Auch das, Wurm!

Wurm (buckt sich vergnugt).  Ewig der Ihrige, gnadiger Herr!  (Er
will gehen.)

Prasident.  Was ich Ihm vorhin vertraut habe, Wurm!  (Drohend.)  Wenn
Er plaudert-Wurm (lacht).  So zeigen Ihr' Excellenz meine falschen
Handschriften auf. (er geht ab.)

Prasident.  Zwar bist du mir gewiß!  Ich halte dich an deiner eigenen
Schurkerei, wie den Schroter am Faden.

Ein Kammerdiener (tritt herein).  Hofmarschall von Kalb-Prasident.
Kommt wie gerufen.--Er soll mir angenehm sein.  (Kammerdiener geht.)



Sechste Scene.

Hofmarschall von Kalb in einem reichen, aber geschmacklosen Hofkleid,
mit Kammerherrnschlusseln, zwei Uhren und einem Degen, Chapeaubas und
frisiert a la Herisson.  Er fliegt mit großem Gekreisch auf den
Prasidenten zu und breitet einen Bisamgeruch uber das ganze Parterre.
Prasident.


Hofmarschall (ihn umarmend).  Ah guten Morgen, mein Bester!  Wie geruht?
wie geschlafen?--Sie verzeihen doch, daß ich so spat das Vergnugen
habe--dringende Geschafte--der Kuchenzettel--Visitenbillets--das
Arrangement der Partieen auf die heutige Schlittenfahrt--Ah--und dann
mußt' ich ja auch bei dem Lever zugegen sein und Seiner Durchleucht das
Wetter verkundigen.

Prasident.  Ja, Marschall, da haben Sie freilich nicht abkommen
konnen.

Hofmarschall.  Oben drein hat mich ein Schelm von Schneider noch
sitzen lassen.

Prasident.  Und doch fix und fertig?

Hofmarschall.  Das ist noch nicht Alles.--Ein Malheur jagt heut das
andere.  Horen Sie nur!

Prasident (zerstreut).  Ist das moglich?

Hofmarschall.  Horen Sie nur!  Ich steige kaum aus dem Wagen, so
werden die Hengste scheu, stampfen und schlagen aus, daß mir--ich
bitte Sie!--der Gassenkoth uber und uber an die Beinkleider spritzt.
Was anzufangen?  Setzen Sie sich um Gotteswillen in meine Lage, Baron!
Da stand ich.  Spat war es.  Eine Tagreise ist es--und in dem
Aufzug vor Seine Durchleucht!  Gott der Gerechte!--Was fallt mir bei?
Ich fingiere eine Ohnmacht.  Man bringt mich uber Hals und Kopf in
die Kutsche.  Ich in voller Carriere nach Haus--wechsle die
Kleider--fahre zuruck--Was sagen Sie?--und bin noch der erste in der
Antichambre--Was denken Sie?-Prasident.  Ein herrliches Impromptu des
menschlichen Witzes--Doch das beiseite, Kalb--Sie sprachen also schon
mit dem Herzog?

Hofmarschall (wichtig).  Zwanzig Minuten und eine halbe.

Prasident.  Das gesteh' ich!--und wissen wir also ohne Zweifel eine
wichtige Neuigkeit?

Hofmarschall (ernsthaft, nach einigem Stillschweigen).  Seine
Durchleucht haben heute einen Merde d'Oye Biber an.

Prasident.  Man denke!--Nein, Marschall, so hab' ich doch eine
bessere Zeitung fur Sie--Daß Lady Milford Majorin von Walter wird,
ist Ihnen gewiß etwas Neues?

Hofmarschall.  Denken Sie!--Und das ist schon richtig gemacht?

Prasident.  Unterschrieben, Marschall--und Sie verbinden mich, wenn
Sie ohne Aufschub dahin gehen, die Lady auf seinen Besuch praparieren
und den Entschluß meiner Ferdinands in der ganzen Residenz bekannt
machen.

Hofmarschall (entzuckt).  O mit tausend Freuden, mein Bester!--Was
kann mir erwunschter kommen?--Ich fliege sogleich--(Umarmt ihn.)
Leben Sie wohl--in drei Viertelstunden weiß es die ganze Stadt.
(Hupft hinaus.)

Prasident (lacht dem Marschall nach).  Man sage noch, daß diese
Geschopfe in der Welt zu nichts taugen--Nun muß ja mein Ferdinand
wollen, oder die ganze Stadt hat gelogen.  (Klingelt--Wurm kommt.)
Mein Sohn soll hereinkommen.  (Wurm geht ab, der Prasident auf und
nieder, gedankenvoll.)



Siebente Scene.

Ferdinand.  Prasident.  Wurm, welcher gleich abgeht.


Ferdinand.  Sie haben befohlen, gnadiger Herr Vater-Prasident.
Leider muß ich das, wenn ich meines Sohns einmal froh werden
will--Laß Er uns allein, Wurm!--Ferdinand, ich beobachte dich schon
eine Zeitlang und finde die offene rasche Jugend nicht mehr, die mich
sonst so entzuckt hat.  Ein seltsamer Gram brutet auf deinem Gesicht.
Du fliehst mich--du fliehst deine Zirkel--Pfui!--Deinen Jahren
verzeiht man zehn Ausschweifungen vor einer einzigen Grille.
Uberlaß diese mir, lieber Sohn!  Mich laß an deinem Gluck arbeiten
und denke auf nichts, als in meine Entwurfe zu spielen.--Komm! umarme
mich, Ferdinand!

Ferdinand.  Sie sind heute sehr gnadig, mein Vater.

Prasident.  Heute, du Schalk--und dieses Heute noch mit der herben
Grimasse?  (Ernsthaft.)  Ferdinand!--Wem zu lieb hab' ich die
gefahrliche Bahn zum Herzen des Fursten betreten?  Wem zu lieb bin
ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel zerfallen?--Hore,
Ferdinand!--Ich spreche mit meinem Sohn--Wem hab' ich durch die
Hinwegraumung meines Vorgangers Platz gemacht--eine Geschichte, die
desto blutiger in mein Inwendiges schneidet, je sorgfaltiger ich das
Messer der Welt verberge!  Hore! sage mir, Ferdinand!  Wem that ich
Dies alles?

Ferdinand (tritt mit Schrecken zuruck).  Doch mir nicht, mein Vater?
Doch auf mich soll der blutige Widerschein dieses Frevels nicht
fallen?  Beim allmachtigen Gott! es ist besser, gar nicht geboren zu
sein, als dieser Missethat zur Ausrede dienen!

Prasident.  Was war das?  Was?  Doch ich will es dem Romanenkopfe zu
gut halten!--Ferdinand!--ich will mich nicht erhitzen, vorlauter
Knabe--Lohnst du mir also fur meine schlaflosen Nachte?  Also fur
meine rastlose Sorge?  Also fur den ewigen Scorpion meines
Gewissens?--Auf mich fallt die Last der Verantwortung--auf mich der
Fluch, der Donner des Richters--Du empfangst dein Gluck von der
zweiten Hand--das Verbrechen klebt nicht am Erbe.

Ferdinand (streckt die rechte Hand gen Himmel).  Feierlich entsag'
ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater
erinnert.

Prasident.  Hore, junger Mensch, bringe mich nicht auf!--Wenn es nach
deinem Kopf ginge, du krochest dein Lebenlang im Staube.

Ferdinand.  O, immer noch besser, Vater, als ich kroch' um den Thron
herum.

Prasident (verbeißt seinen Zorn).  Hum!--Zwingen muß man dich,
dein Gluck zu erkennen.  Wo zehn Andre mit aller Anstrengung
nicht hinaufklimmen, wirst du spielend, im Schlafe gehoben.  Du
bist im zwolften Jahre Fahndrich.  Im zwanzigsten Major.  Ich
hab' es durchgesetzt beim Fursten.  Du wirst die Uniform
ausziehen und in das Ministerium eintreten.  Der Furst sprach
vom Geheimenrath--Gesandtschaften--außerordentlichen Gnaden.
Eine herrliche Aussicht dehnt sich vor dir!--Die ebene Straße
zunachst nach dem Throne--zum Throne selbst, wenn anders die
Gewalt so viel werth ist, als ihr Zeichen--das begeistert dich
nicht?

Ferdinand.  Weil meine Begriffe von Große und Gluck nicht ganz die
Ihrigen sind--Ihre Gluckseligkeit macht sich nur selten anders, als
durch Verderben bekannt.  Neid, Furcht, Verwunschung sind die
traurigen Spiegel, worin sich die Hoheit eines Herrschers belachelt.
--Thranen, Fluche, Verzweiflung die entsetzliche Mahlzeit, woran
diese gepriesenen Glucklichen schwelgen, von der sie betrunken
aufstehen und so in die Ewigkeit vor den Thron Gottes taumeln--Mein
Ideal von Gluck zieht sich genugsamer in mich selbst zuruck.  In
meinem Herzen liegen alle meine Wunsche begraben.-Prasident.
Meisterhaft!  Unverbesserlich!  Herrlich!  Nach dreißig Jahren die
erste Vorlesung wieder!--Schade nur, daß mein funfzigjahriger Kopf zu
zah fur das Lernen ist!--Doch--dies seltne Talent nicht einrosten zu
lassen, will ich dir Jemand an die Seite geben, bei dem du dich in
dieser buntscheckigen Tollheit nach Wunsch exercieren kannst.--Du
wirst dich entschließen--noch heute entschließen--eine Frau zu nehmen.

Ferdinand (tritt besturzt zuruck).  Mein Vater?

Prasident.  Ohne Complimente.--Ich habe der Lady Milford in deinem
Namen eine Karte geschickt.  Du wirst dich ohne Aufschub bequemen,
dahin zu gehen und ihr zu sagen, daß du ihr Brautigam bist!

Ferdinand.  Der Milford, mein Vater?

Prasident.  Wenn sie dir bekannt ist-Ferdinand (außer Fassung).
Welcher Schandsaule im Herzogthum ist sie das nicht!--Aber ich bin
wohl lacherlich, lieber Vater, daß ich Ihre Laune fur Ernst aufnehme?
Wurden Sie Vater zu dem Schurken Sohn sein wollen, der eine
privilegierte Buhlerin heirathete?

Prasident.  Noch mehr!  Ich wurde selbst um sie werben, wenn sie
einen Funfziger mochte--Wurdest du zu dem Schurken Vater nicht Sohn
sein wollen?

Ferdinand.  Nein!  So wahr Gott lebt!

Prasident.  Eine Frechheit, bei meiner Ehre! die ich ihrer Seltenheit
wegen vergebe-Ferdinand.  Ich bitte Sie, Vater!  Lassen Sie mich
nicht langer in einer Vermuthung, wo es mir unertraglich wird, mich
Ihren Sohn zu nennen.

Prasident.  Junge, bist du toll?  Welcher Mensch von Vernunft wurde
nicht nach der Distinction geizen, mit seinem Landesherrn an einem
dritten Orte zu wechseln?

Ferdinand.  Sie werden mir zum Rathsel, mein Vater.  Distinction
nennen Sie es--Distinction, da mit dem Fursten zu theilen, wo er auch
unter den Menschen hinunterkriecht?

Prasident (schlagt ein Gelachter auf).

Ferdinand.  Sie konnen lachen--und ich will uber das hinweggehen,
Vater.  Mit welchem Gesicht soll ich unter den schlechtesten
Handwerker treten, der mit seiner Frau wenigstens doch einen ganzen
Korper zum Mitgift bekommt?  Mit welchem Gesicht vor die Welt?  Vor
den Fursten?  Mit welchem vor die Buhlerin selbst, die den
Brandflecken ihrer Ehre in meiner Schande auswaschen wurde?

Prasident.  Wo in aller Welt bringst du das Maul her, Junge?

Ferdinand.  Ich beschwore Sie bei Himmel und Erde!  Vater, Sie konnen
durch diese Hinwerfung Ihres einzigen Sohnes so glucklich nicht
werden, als Sie ihn unglucklich machen.  Ich gebe Ihnen mein Leben,
wenn das Sie steigen machen kann.  Mein Leben hab' ich von Ihnen, ich
werde keinen Augenblick anstehen, es ganz Ihrer Große zu opfern.
--Meine Ehre, Vater--wenn Sie mir diese nehmen, so war es ein
leichtfertiges Schelmenstuck, mir das Leben zu geben, und ich muß den
Vater wie den Kuppler verfluchen.

Prasident (freundlich, indem er ihn auf die Achsel klopft).  Brav,
lieber Sohn.  Jetzt seh' ich, daß du ein ganzer Kerl bist und der
besten Frau im Herzogthum wurdig.  Sie soll dir werden--noch diesen
Mittag wirst du dich mit der Grafin von Ostheim verloben.

Ferdinand (aufs Neue betreten).  Ist diese Stunde bestimmt, mich ganz
zu zerschmettern?

Prasident (einen lauernden Blick auf ihn werfend).  Wo doch
hoffentlich deine Ehre nichts einwenden wird?

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