Ferdinand. Nein, mein Vater! Friederike von Ostheim konnte jeden Andern zum Glucklichsten machen. (Vor sich in hochster Verwirrung.) Was seine Bosheit an seinem Herzen noch ganz ließ, zerreißt seine Gute.
Prasident (noch immer kein Auge von ihm wendend). Ich warte auf deine Dankbarkeit, Ferdinand-Ferdinand (sturzt auf ihn zu und kußt ihm feurig die Hand). Ihre Gnade entflammt meine ganze Empfindung--Vater! meinen heißesten Dank fur Ihre herzliche Meinung--Ihre Wahl ist untadelhaft--aber--ich kann--ich darf--bedauern Sie mich--ich kann die Grafin nicht lieben!
Prasident (tritt einen Schritt zuruck). Holla! Jetzt hab' ich den jungen Herrn! Also in diese Falle ging er, der listige Heuchler--Also es war nicht die Ehre, die dir die Lady verbot?--Es war nicht die Person, sondern die Heirath, die du verabscheutest?-Ferdinand (steht zuerst wie versteinert, dann fahrt er auf und will fortrennen).
Prasident. Wohin? Halt! Ist das der Respect, den du mir schuldig bist? (Der Major kehrt zuruck.) Du bist bei der Lady gemeldet. Der Furst hat mein Wort. Stadt und Hof wissen es richtig.--Wenn du mich zum Lugner machst, Junge--vor dem Fursten--der Lady--der Stadt--dem Hof mich zum Lugner machst--Hore, Junge--oder wenn ich hinter gewisse Historien komme?--Halt! Holla! Was blast so auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus?
Ferdinand (schneeblaß und zitternd). Wie? Was? Es ist gewiß nichts, mein Vater!
Prasident (einen furchterlichen Blick auf ihn heftend). Und wenn es was ist--und wenn ich die Spur finden sollte, woher diese Widersetzlichkeit stammt--Ha, Junge! der bloße Verdacht schon bringt mich zum Rasen! Geh den Augenblick! Die Wachtparade fangt an! Du wirst bei der Lady sein, sobald die Parole gegeben ist--Wenn ich auftrete, zittert ein Herzogthum. Laß doch sehen, ob mich ein Starrkopf von Sohn meistert. (Er geht und kommt noch einmal wieder.) Junge, ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn! (Er geht ab.)
Ferdinand (erwacht aus einer dumpfen Betaubung). Ist er weg? War das eines Vaters Stimme?--Ja! ich will zu ihr--will hin--will ihr Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten--Nichtswurdige! und wenn du auch noch dann meine Hand verlangst--Im Angesicht des versammelten Adels, des Militars und des Volks--Umgurte dich mit dem ganzen Stolz deines Englands--Ich verwerfe dich--ein deutscher Jungling! (Er eilt hinaus.)
Zweiter Akt.
Ein Saal im Palais der Lady Milford; zur rechten Hand steht ein Sopha, zur linken ein Flugel.
Erste Scene.
Lady in einem freien, aber reizenden Neglige, die Haare noch unfrisiert, sitzt vor dem Flugel und phantasiert; Sophie, die Kammerjungfer, kommt von dem Fenster.
Sophie. Die Officiers gehen auseinander. Die Wachtparade ist aus--aber ich sehe noch keinen Walter.
Lady (sehr unruhig, indem sie aufsteht und einen Gang durch den Saal macht). Ich weiß nicht, wie ich mich heute finde, Sophie--Ich bin noch nie so gewesen--Also du sahst ihn gar nicht?--Freilich wohl--Es wird ihm nicht eilen--Wie ein Verbrechen liegt es auf meiner Brust--Geh, Sophie--Man soll mir den wildesten Renner herausfuhren, der im Marstall ist. Ich muß ins Freie--Menschen sehen und blauen Himmel, und mich leichter reiten ums Herz herum.
Sophie. Wenn Sie sich unpaßlich fuhlen, Milady--berufen Sie Assemblee hier zusammen. Lassen Sie den Herzog hier Tafel halten, oder die l'Hombretische vor Ihren Sopha setzen. Mir sollte der Furst und sein ganzer Hof zu Gebote stehen und eine Grille im Kopfe surren?
Lady (wirft sich in den Sopha). Ich bitte, verschone mich! Ich gebe dir einen Demant fur jede Stunde, wo ich sie mir vom Hals schaffen kann! Soll ich meine Zimmer mit diesem Volk tapezieren?--Das sind schlechte, erbarmliche Menschen, die sich entsetzen, wenn mir ein warmes herzliches Wort entwischt, Mund und Nasen aufreißen, als sahen sie eine Geist--Sklaven eines einzigen Marionettendrahts, den ich leichter als mein Filet regiere!--Was fang' ich mit Leuten an, deren Seelen so gleich als ihre Sackuhren gehen? Kann ich eine Freude dran finden, sie was zu fragen, wenn ich voraus weiß, was sie mir antworten werden? Oder Worte mit ihnen zu wechseln, wenn sie das Herz nicht haben, andrer Meinung als ich zu sein?--Weg mit ihnen! Es ist verdrießlich, ein Roß zu reiten, das nicht auch in den Zugel beißt. (Sie tritt zum Fenster.)
Sophie. Aber den Fursten werden Sie doch ausnehmen, Lady? Den schonsten Mann--den feurigsten Liebhaber--den witzigsten Kopf in seinem ganzen Lande!
Lady (kommt zuruck). Denn es ist sein Land--und nur ein Furstenthum, Sophie, kann meinem Geschmack zur ertraglichen Ausrede dienen--Du sagst, man beneide mich. Armes Ding! Beklagen soll man mich vielmehr! Unter Allen, die an den Brusten der Majestat trinken, kommt die Favoritin am schlechtesten weg, weil sie allein dem großen und reichen Mann auf dem Bettelstabe begegnet--Wahr ist's, er kann mit dem Talisman seiner Große jeden Gelust meines Herzens, wie ein Feenschloß, aus der Erde rufen.--Er setzt den Saft von zwei Indien auf die Tafel--ruft Paradiese aus Wildnissen--laßt die Quellen seines Landes in stolzen Bogen gen Himmel springen, oder das Mark seiner Unterthanen in einem Feuerwerk hinpuffen--Aber kann er auch seinem Herzen befehlen, gegen ein großes, feuriges Herz groß und feurig zu schlagen? Kann er sein darbendes Gehirn auf ein einziges schones Gefuhl exequieren?--Mein Herz hungert bei all dem Vollauf der Sinne; und was helfen mich tausend beßre Empfindungen, wo ich nur Wallungen loschen darf?
Sophie (blickt sie verwundernd an). Wie lang ist es denn aber, daß ich Ihnen diene, Milady?
Lady. Weil du erst heute mit mir bekannt wirst?--Es ist wahr, liebe Sophie--ich habe dem Fursten meine Ehre verkauft; aber mein Herz habe ich frei behalten--ein Herz, meine Gute, das vielleicht eines Mannes noch werth ist--uber welches der giftige Wind des Hofes nur wie der Hauch uber den Spiegel ging--Trau' es mir zu, meine Liebe, daß ich es langst gegen diesen armseligen Fursten behauptet hatte, wenn ich es nur von meinem Ehrgeiz erhalten konnte, einer Dame am Hof den Rang vor mir einzuraumen.
Sophie. Und dieses Herz unterwarf sich dem Ehrgeiz so gern?
Lady (lebhaft). Als wenn es sich nicht schon geracht hatte?--Nicht jetzt noch rachte?--Sophie! (Bedeutend, indem sie die Hand auf Sophiens Achsel fallen laßt.) Wir Frauenzimmer konnen nur zwischen Herrschen und Dienen wahlen, aber die hochste Wonne der Gewalt ist doch nur ein elender Behelf, wenn uns die großere Wonne versagt wird, Sklavinnen eines Mannes zu sein, den wir lieben.
Sophie. Eine Wahrheit, Milady, die ich von Ihnen zuletzt horen wollte!
Lady. Und warum, meine Sophie? Sieht man es denn dieser kindischen Fuhrung des Scepters nicht an, daß wir nur fur das Gangelband taugen? Sahst du es denn diesem launischen Flattersinn nicht an--diesen wilden Ergotzungen nicht an, daß sie nur wildere Wunsche in meiner Brust uberlarmen sollten?
Sophie (tritt erstaunt zuruck). Lady!
Lady (lebhafter). Befriedige diese! Gib mir den Mann, den ich jetzt denke--den ich anbete--sterben, Sophie, oder besitzen muß. (Schmelzend.) Laß mich aus seinem Mund es vernehmen, daß Thranen der Liebe schoner glanzen in unsern Augen, als die Brillanten in unserm Haar, (feurig) und ich werfe dem Fursten sein Herz und sein Furstenthum vor die Fuße, fliehe mit diesem Mann, fliehe in die entlegenste Wuste der Welt-Sophie (blickt sie erschrocken an). Himmel! Was machen Sie? Wie wird Ihnen, Lady?
Lady (besturzt). Du entfarbst dich?--Hab' ich vielleicht etwas zu viel gesagt? O so laß mich deine Zunge mit meinem Zutrauen binden--hore noch mehr--hore Alles-Sophie (schaut sich angstlich um). Ich furchte, Milady--ich furchte--ich brauch' es nicht mehr zu horen.
Lady. Die Verbindung mit dem Major--Du und die Welt stehen im Wahn, sie sei eine Hof-Kabale--Sophie--errothe nicht--schame dich meiner nicht--sie ist das Werk--meiner Liebe!
Sophie. Bei Gott! Was mir ahnete!
Lady. Sie ließen sich beschwatzen, Sophie--der schwache Furst--der hofschlaue Walter--der alberne Marschall--Jeder von ihnen wird darauf schworen, daß diese Heirath das unfehlbarste Mittel sei, mich dem Herzog zu retten, unser Band um so fester zu knupfen!--Ja! es auf ewig zu trennen! auf ewig diese schandlichen Ketten zu brechen! --Belogene Lugner! Von einem schwachen Weib uberlistet! Ihr selbst fuhrt mir jetzt meinen Geliebten zu! Das war es ja nur, was ich wollte--Hab' ich ihn einmal--hab' ich ihn--o dann auf immer gute Nacht, abscheuliche Herrlichkeit-
Zweite Scene.
Ein alter Kammerdiener des Fursten, der ein Schmuckkastchen tragt. Die Vorigen.
Kammerdiener. Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Milady zu Gnaden und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen so eben erst aus Venedig.
Lady (hat das Kastchen geoffnet und fahrt erschrocken zuruck). Mensch! was bezahlt dein Herzog fur diese Steine?
Kammerdiener (mit finsterm Gesicht). Sie kosten ihn keinen Heller!
Lady. Was? Bist du rasend? Nichts?--und (indem sie einen Schritt von ihm wegtritt) du wirfst mir ja einen Blick zu, als wenn du mich durchbohren wolltest--Nichts kosten ihn diese unermeßlich kostbaren Steine?
Kammerdiener. Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika fort--die bezahlen Alles.
Lady (setzt den Schmuck plotzlich nieder und geht rasch durch den Saal, nach einer Pause zum Kammerdiener). Mann! Was ist dir? Ich glaube, du weinst?
Kammerdiener (wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimme, alle Glieder zitternd). Edelsteine, wie diese da--ich hab' auch ein paar Sohne drunter.
Lady (wendet sich bebend weg, seine Hand fassend). Doch keinen gezwungenen?
Kammerdiener (lacht furchterlich). O Gott!--Nein--lauter Freiwillige! Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch' vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie theuer der Furst das Joch Menschen verkaufe. --Aber unser gnadigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir horten die Buchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe! nach Amerika!-Lady (fallt mit Entsetzen in den Sopha). Gott! Gott!--Und ich horte nichts? Und ich merkte nichts?
Kammerdiener. Ja, gnadige Frau--Warum mußtet ihr denn mit unserm Herrn gerad' auf die Barenhatz reiten, als man den Larmen zum Aufbruch schlug?--Die Herrlichkeit hattet ihr doch nicht versaumen sollen, wie uns die gellenden Trommeln verkundigten, es ist Zeit, und heulende Waisen dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine wuthende Mutter lief, ihr saugendes Kind an Bajonetten zu spießen, und wie man Brautigam und Braut mit Sabelhieben auseinander riß, und wir Graubarte verzweiflungsvoll da standen und den Burschen auch zuletzt die Krucken noch nachwarfen in die neue Welt--Oh, und mitunter das polternde Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns nicht sollte beten horen-Lady (steht auf, heftig bewegt). Weg mit diesen Steinen--sie blitzen Hollenflammen in mein Herz. (Sanfter zum Kammerdiener.) Maßige dich, armer alter Mann. Sie werden wieder kommen. Sie werden ihr Vaterland wieder sehen.
Kammerdiener (warm und voll). Das weiß der Himmel! Das werden sie! --Noch am Stadtthor drehten sie sich um und schrieen: "Gott mit euch, Weib und Kinder!--Es leb' unser Landesvater--Am jungsten Gericht sind wir wieder da!"-Lady (mit starkem Schritt auf und nieder gehend). Abscheulich! Furchterlich!--Mich beredet man, ich habe sie alle getrocknet, die Thranen des Landes--Schrecklich, schrecklich gehen mir die Augen auf--Geb du--Sag deinem Herrn--Ich werd' ihm personlich danken! (Kammerdiener will gehen, sie wirft ihm ihre Geldborse in den Hut.) Und das nimm, weil du mir Wahrheit sagtest-Kammerdiener (wirft sie verachtlich auf den Tisch zuruck). Legt's zu dem Ubrigen. (Er geht ab.)
Lady (sieht ihm erstaunt nach). Sophie, spring ihm nach, frag' ihn um seinen Namen! Er soll seine Sohne wieder haben. (Sophie ab. Lady nachdenkend auf und nieder. Pause. Zu Sophien, die wieder kommt.) Ging nicht jungst ein Gerucht, daß das Feuer eine Stadt an der Grenze verwustet und bei vierhundert Familien an den Bettelstab gebracht habe? (Sie klingelt.)
Sophie. Wie kommen Sie auf das? Allerdings ist es so, und die mehresten dieser Unglucklichen dienen jetzt ihren Glaubigern als Sklaven, oder verderben in den Schachten der furstlichen Silberbergwerke.
Bedienter (kommt). Was befehlen Milady?
Lady (gibt ihm den Schmuck). Daß das ohne Verzug in die Landschaft gebracht werde!--Man soll es sogleich zu Geld machen, befehl' ich, und den Gewinst davon unter die Vierhundert verteilen, die der Brand ruiniert hat.
Sophie. Milady, bedenken Sie, daß Sie die hochste Ungnade wagen!
Lady (mit Große). Soll ich den Fluch seines Landes in meinen Haaren tragen? (Sie winkt dem Bedienten; dieser geht.) Oder willst du, daß ich unter dem schrecklichen Geschirr solcher Thranen zu Boden sinke?--Geh, Sophie--Es ist besser, falsche Juwelen im Haar und das Bewußtsein dieser That im Herzen zu haben!
Sophie. Aber Juwelen wie diese! Hatten Sie nicht Ihre schlechtern nehmen konnen? Nein, wahrlich, Milady! es ist Ihnen nicht zu vergeben.
Lady. Narrisches Madchen! Dafur werden in einem Augenblick mehr Brillanten und Perlen fur mich fallen, als zehn Konige in ihren Diademen getragen, und schonere-Bedienter (kommt zuruck). Major von Walter-Sophie (springt auf die Lady zu). Gott! Sie verblassen-Lady. Der erste Mann, der mir Schrecken macht--Sophie--Jetzt sei unpaßlich, Eduard--Halt--Ist er aufgeraumt? Lacht er? Was spricht er? O, Sophie! Nicht wahr, ich sehe haßlich aus?
Sophie. Ich bitte Sie, Lady-Bedienter. Befehlen Sie, daß ich ihn abweise?
Lady (stotternd). Er soll mir willkommen sein. (Bedienter hinaus.) Sprich, Sophie--Was sag' ich ihm? Wie empfang' ich ihn?--Ich werde stumm sein.--Er wird meiner Schwache spotten--Er wird--o was ahnet mir--Du verlassest mich, Sophie?--Bleib!--Doch nein! Gehe!--So bleib doch! (Der Major kommt durch das Vorzimmer.)
Sophie. Sammeln Sie sich! Er ist schon da!
Dritte Scene.
Ferdinand von Walter. Die Vorigen.
Ferdinand (mit einer kurzen Verbeugung). Wenn ich Sie worin unterbreche, gnadige Frau-Lady (unter merkbarem Herzklopfen). In nichts, Herr Major, das mir wichtiger ware.
Ferdinand. Ich komme auf Befehl meines Vaters-Lady. Ich bin seine Schuldnerin.
Ferdinand. Und soll Ihnen melden, daß wir uns heirathen--So weit der Auftrag meines Vaters.
Lady (entfarbt sich und zittert). Nicht Ihres eigenen Herzens?
Ferdinand. Minister und Kuppler pflegen das niemals zu fragen.
Lady (mit einer Beangstigung, daß ihr die Worte versagen). Und Sie selbst hatten sonst nichts beizusetzen?
Ferdinand (mit einem Blick auf die Mamsell). Noch sehr viel, Milady!
Lady (gibt Sophien einen Wink, diese entfernt sich). Darf ich Ihnen diesen Sopha anbieten?
Ferdinand. Ich werde kurz sein, Milady!
Lady. Nun?
Ferdinand. Ich bin ein Mann von Ehre.
Lady. Den ich zu schatzen weiß.
Ferdinand. Cavalier.
Lady. Kein beßrer im Herzogthum.
Ferdinand. Und Officier.
Lady (schmeichelhaft). Sie beruhren hier Vorzuge, die auch Andere mit Ihnen gemein haben. Warum verschweigen Sie großere, worin Sie einzig sind?
Ferdinand (frostig). Hier brauch' ich sie nicht.
Lady (mit immer steigender Angst). Aber fur was muß ich diesen Vorbericht nehmen?
Ferdinand (langsam und mit Nachdruck). Fur den Einwurf der Ehre, wenn Sie Lust haben sollten, meine Hand zu erzwingen.
Lady (auffahrend). Was ist das, Herr Major?
Ferdinand (gelassen). Die Sprache meines Herzens--meines Wappens--und dieses Degens.
Lady. Diesen Degen gab Ihnen der Furst.
Ferdinand. Der Staat gab mir ihn durch die Hand des Fursten--mein Herz Gott--mein Wappen ein halbes Jahrtausend.
Lady. Der Name des Herzogs-Ferdinand (hitzig). Kann der Herzog Gesetze der Menschheit verdrehen, oder Handlungen munzen wie seine Dreier?--Er selbst ist nicht uber die Ehre erhaben, aber er kann ihren Mund mit seinem Golde verstopfen. Er kann den Hermelin uber seine Schande herwerfen. Ich bitte mir aus, davon nichts mehr, Milady.--Es ist nicht mehr die Rede von weggeworfenen Aussichten und Ahnen--oder von dieser Degenquaste--oder von der Meinung der Welt. Ich bin bereit, Dies alles mit Fußen zu treten, sobald Sie mich nur uberzeugt haben werden, daß der Preis nicht schlimmer noch als das Opfer ist.
Lady (schmerzhaft von ihm weggehend). Herr Major! das hab' ich nicht verdient.
Ferdinand (ergreift ihre Hand). Vergeben Sie. Wir reden hier ohne Zeugen. Der Umstand, der Sie und mich--heute und nie mehr--zusammenfuhrt, berechtigt mich, zwingt mich, Ihnen mein geheimstes Gefuhl nicht zuruck zu halten.--Es will mir nicht zu Kopfe, Milady, daß eine Dame von so viel Schonheit und Geist--Eigenschaften, die ein Mann schatzen wurde--sich an einen Fursten sollte wegwerfen konnen, der nur das Geschlecht an ihr zu bewundern gelernt hat, wenn sich diese Dame nicht schamte, vor einen Mann mit ihrem Herzen zu treten.
Lady (schaut ihm groß ins Gesicht). Reden Sie ganz aus!
Ferdinand. Sie nennen sich eine Brittin. Erlauben Sie mir--ich kann es nicht glauben, daß Sie eine Brittin sind. Die freigeborne Tochter des freiesten Volks unter dem Himmel--das auch zu stolz ist, fremder Tugend zu rauchern--kann sich nimmermehr an fremdes Laster verdingen. Es ist nicht moglich, daß Sie eine Brittin sind,--oder das Herz dieser Brittin muß um so viel kleiner sein, als großer und kuhner Britanniens Adern schlagen.
Lady. Sind Sie zu Ende?
Ferdinand. Man konnte antworten, es ist weibliche Eitelkeit--Leidenschaft--Temperament--Hang zum Vergnugen. Schon ofters uberlebte Tugend die Ehre. Schon Manche, die mit Schande in diese Schranke trat, hat nachher die Welt durch edle Handlungen mit sich ausgesohnt und das haßliche Handwerk durch einen schonen Gebrauch geadelt--Aber woher denn jetzt diese ungeheure Pressung des Landes, die vorher nie so gewesen?--Das war im Namen des Herzogthums. --Ich bin zu Ende.
Lady (mit Sanftmuth und Hoheit). Es ist das Erstemal, Walter, daß solche Reden an mich gewagt werden, und Sie sind der einzige Mensch, dem ich darauf antworte--Daß Sie meine Hand verwerfen, darum schatz' ich Sie. Daß Sie meine Hand lastern, vergebe ich Ihnen. Daß es Ihr Ernst ist, glaube ich Ihnen nicht. Wer sich herausnimmt, Beleidigungen dieser Art einer Dame zu sagen, die nicht mehr als eine Nacht braucht, ihn ganz zu verderben, muß dieser Dame eine große Seele zutrauen, oder--von Sinnen sein--Daß Sie den Ruin des Landes auf meine Brust walzen, vergebe Ihnen Gott der Allmachtige, der Sie und mich und den Fursten einst gegen einander stellt.--Aber Sie haben die Englanderin in mir aufgefordert, und auf Vorwurfe dieser Art muß mein Vaterland Antwort haben.
Ferdinand (auf seinen Degen gestutzt). Ich bin begierig.
Lady. Horen Sie also, was ich, außer Ihnen, noch Niemand vertraute, noch jemals einem Menschen vertrauen will.--Ich bin nicht die Abenteurerin, Walter, fur die Sie mich halten. Ich konnte groß thun und sagen: ich bin furstlichen Gebluths--aus des unglucklichen Thomas Norfolks Geschlechte, der fur die schottische Maria ein Opfer ward. --Mein Vater, des Konigs oberster Kammerer, wurde bezichtigt, in verratherischem Vernehmen mit Frankreich zu stehen, durch einen Spruch der Parlamente verdammt und enthauptet.--Alle unsre Guter fielen der Krone zu. Wir selbst wurden des Landes verwiesen. Meine Mutter starb am Tage der Hinrichtung. Ich--ein vierzehnjahriges Madchen--flohe nach Deutschland mit meiner Warterin--einem Kastchen Juwelen--und diesem Familienkreuz, das meine sterbende Mutter mit ihrem letzten Segen mir an den Busen steckte.
Ferdinand (wird nachdenkend und heftet warmere Blicke auf die Lady).
Lady (fahrt fort mit immer zunehmender Ruhrung). Krank--ohne Namen--ohne Schutz und Vermogen--eine auslandische Waise, kam ich nach Hamburg. Ich hatte nichts gelernt, als das Bischen Franzosisch--ein wenig Filet und den Flugel--desto besser verstund ich, auf Gold und Silber zu speisen, unter damastenen Decken zu schlafen, mit einem Wink zehn Bediente fliegen zu machen und die Schmeicheleien der Großen Ihres Geschlechts aufzunehmen.--Sechs Jahre waren schon hingeweint.--Und die letzte Schmucknadel flog dahin--Meine Warterin starb--und jetzt fuhrte mein Schicksal Ihren Herzog nach Hamburg. Ich spazierte damals an den Ufern der Elbe, sah in den Strom und fing eben an zu phantasieren, ob dieses Wasser oder mein Leiden das Tiefste ware?--Der Herzog sah mich, verfolgte mich, fand meinen Aufenthalt,--lag zu meinen Fußen und schwur, daß er mich liebe. (Sie halt in großen Bewegungen inne, dann fahrt sie fort mit weinender Stimme.) Alle Bilder meiner glucklichen Kindheit wachten jetzt wieder mit verfuhrendem Schimmer auf--Schwarz wie das Grab graute mich eine trostlose Zukunft an--Mein Herz brannte nach einem Herzen--Ich sank an das seinige. (Von ihm wegsturzend.). Jetzt verdammen Sie mich!
Ferdinand (sehr bewegt, eilt ihr nach und halt sie zuruck). Lady! o Himmel! Was hor' ich? Was that ich?--Schrecklich enthullt sich mein Frevel mir. Sie konnen mir nicht mehr vergeben.
Lady (kommt zuruck und hat sich zu sammeln gesucht). Horen Sie weiter. Der Furst uberraschte zwar meine wehrlose Jugend--aber das Blut der Norfolk emporte sich in mir: Du, eine geborene Furstin, Emilie, rief es, und jetzt eines Fursten Concubine?--Stolz und Schicksal kampften in meiner Brust, als der Furst mich hieher brachte und auf einmal die schauderndste Scene vor meinen Augen stand!--Die Wollust der Großen dieser Welt ist die nimmersatte Hyane, die sich mit Heißhunger Opfer sucht.--Furchterlich hatte sie schon in diesem Lande gewuthet--hatte Braut und Brautigam zertrennt--hatte selbst der Ehen gottliches Band zerrissen--hier das stille Gluck einer Familie geschleift--dort ein junges unerfahrenes Herz der verheerenden Pest aufgeschlossen, und sterbende Schulerinnen schaumten den Namen ihres Lehrers unter Fluchen und Zuckungen aus--Ich stellte mich zwischen das Lamm und den Tiger, nahm einen furstlichen Eid von ihm in einer Stunde der Leidenschaft, und diese abscheuliche Opferung mußte aufhoren.
Ferdinand (rennt in der heftigsten Unruhe durch den Saal). Nichts mehr, Milady! Nicht weiter!
Lady. Diese traurige Periode hatte einer noch traurigern Platz gemacht. Hof und Serail wimmelten jetzt von Italiens Auswurf. Flatterhafte Pariserinnen tandelten mit dem furchtbaren Scepter, und das Volk blutete unter ihren Launen--Sie alle erlebten ihren Tag. Ich sah sie neben mir in den Staub sinken, denn ich war mehr Kokette, als sie alle. Ich nahm dem Tyrannen den Zugel ab, der wollustig in meiner Umarmung erschlappte--dein Vaterland, Walter, fuhlte zum erstenmal eine Menschenhand und sank vertrauend an meinen Busen. (Pause, worin sie ihn schmelzend ansieht.) O daß der Mann, von dem ich allein nicht verkannt sein mochte, mich jetzt zwingen muß, groß zu prahlen und meine stille Tugend am Licht der Bewunderung zu versengen!--Walter, ich habe Kerker gesprengt--habe Todesurtheile zerrissen und manche entsetzliche Ewigkeit auf Galeeren verkurzt. In unheilbare Wunden hab' ich doch wenigstens stillenden Balsam gegossen--machtige Frevler in Staub gelegt und die verlorene Sache der Unschuld oft noch mit einer buhlerischen Thrane gerettet--Ha, Jungling, wie suß war mir das! Wie stolz konnte mein Herz jede Anklage meiner furstlichen Geburt widerlegen!--Und jetzt kommt der Mann, der allein mir Das alles belohnen sollte--der Mann, den mein erschopftes Schicksal vielleicht zum Ersatz meiner vorigen Leiden schuf--der Mann, den ich mit brennender Sehnsucht im Traum schon umfasse-Ferdinand (fallt ihr ins Wort, durch und durch erschuttert). Zu viel! zu viel! Das ist wieder die Abrede, Lady. Sie sollten sich von Anklagen reinigen und machen mich zu einem Verbrecher. Schonen Sie--ich beschwore Sie--schonen Sie meines Herzens, das Beschamung und wuthende Reue zerreißen-Lady (halt seine Hand fest). Jetzt oder nimmermehr! Lange genug hielt die Heldin Stand--das Gewicht dieser Thranen mußt du noch fuhlen. (Im zartlichsten Ton.) Hore, Walter--wenn eine Ungluckliche--unwiderstehlich, allmachtig an dich gezogen--sich an dich preßt mit einem Busen voll gluhender, unerschopflicher Liebe--Walter!--und du jetzt noch das kalte Wort Ehre sprichst--wenn diese Ungluckliche--niedergedruckt vom Gefuhl ihrer Schande--des Lasters uberdrussig--heldenmaßig emporgehoben vom Rufe der Tugend--sich so--in deine Arme wirft (sie umfaßt ihn, beschworend und feierlich)--durch dich gerettet--durch dich dem Himmel wieder geschenkt sein will, oder (das Gesicht von ihm abgewandt, mit hohler bebender Stimme) deinem Bild zu entfliehen, dem furchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorsam, in noch abscheulichere Tiefen des Lasters wieder hinuntertaumelt-Ferdinand (von ihr losreißend, in der schrecklichsten Bedrangniß). Nein, beim großen Gott! ich kann das nicht aushalten--Lady, ich muß--Himmel und Erde liegen auf mir--ich muß Ihnen ein Gestandniß thun, Lady!
Lady (von ihm wegfliehend). Jetzt nicht! Jetzt nicht, bei Allem, was heilig ist--in diesem entsetzlichen Augenblick nicht, wo mein zerrissenes Herz an tausend Dolchstichen blutet--Sei's Tod oder Leben--ich darf es nicht--ich will es nicht horen!
Ferdinand. Doch, doch, beste Lady! Sie mussen es. Was ich Ihnen jetzt sagen werde, wird meine Strafbarkeit mindern und eine warme Abbitte des Vergangenen sein--Ich habe mich in Ihnen betrogen, Milady. Ich erwartete--ich wunschte, Sie meiner Verachtung wurdig zu finden. Fest entschlossen, Sie zu beleidigen und Ihren Haß zu verdienen, kam ich her--Glucklich wir Beide, wenn mein Vorsatz gelungen ware! (Er schweigt eine Weile, darauf leise und schuchterner.) Ich liebe, Milady--liebe ein burgerliches Madchen--Luise Millerin, eines Musikus Tochter. (Lady wendet sich bleich von ihm weg, er fahrt lebhafter fort.) Ich weiß, worein ich mich sturze; aber wenn auch Klugheit die Leidenschaft schweigen heißt, so redet die Pflicht desto lauter--Ich bin der Schuldige. Ich zuerst zerriß ihrer Unschuld goldenen Frieden--wiegte ihr Herz mit vermessenen Hoffnungen und gab es verratherisch der wilden Leidenschaft Preis--Sie werden mich an Stand--an Geburt--an die Grundsatze meines Vaters erinnern--aber ich liebe.--Meine Hoffnung steigt um so hoher, je tiefer die Natur mit Convenienzen zerfallen ist.--Mein Entschluß und das Vorurtheil!--Wir wollen sehen, ob die Mode oder die Menschheit auf dem Platz bleiben wird. (Lady hat sich unterdeß bis an das außerste Ende des Zimmers zuruckgezogen und halt das Gesicht mit beiden Handen bedeckt. Er folgt ihr dahin.) Sie wollten mir etwas sagen, Milady?
Lady (im Ausdruck des heftigsten Leidens). Nichts, Herr von Walter! Nichts, als daß Sie sich und mich und noch eine Dritte zu Grund richten.
Ferdinand. Noch eine Dritte?
Lady. Wir konnen mit einander nicht glucklich w. Wir mussen doch der Voreiligkeit Ihres Vaters zum Opfer werden. Nimmermehr werd' ich das Herz eines Mannes haben, der mir seine Hand nur gezwungen gab.
Ferdinand. Gezwungen? Lady? gezwungen gab? und also doch gab? Konnen Sie eine Hand ohne Herz erzwingen? Sie einem Madchen den Mann entwenden, der die ganze Welt dieses Madchens ist? Sie einen Mann von dem Madchen reißen, das die ganze Welt dieses Mannes ist? Sie, Milady--vor einem Augenblick die bewundernswurdige Britten?--Sie konnen das?
Lady. Weil ich es muß. (Mit Ernst und Starke.) Meine Leidenschaft, Walter, weicht meiner Zartlichkeit fur Sie. Meine Ehre kann's nicht mehr--Unsre Verbindung ist das Gesprach des ganzen Landes. Alle Augen, alle Pfeile des Spotts sind auf mich gespannt. Die Beschimpfung ist unausloschlich, wenn ein Unterthan des Fursten mich ausschlagt. Rechten Sie mit Ihrem Vater. Wehren Sie sich, so gut Sie konnen.--Ich lass' alle Minen springen. (Sie geht schnell ab. Der Major bleibt in sprachloser Erstarrung stehen. Pause. Dann sturzt er fort durch die Flugelthure.)
Vierte Scene.
Zimmer beim Musikanten.
Miller. Frau Millerin. Luise treten auf.
Miller (hastig ins Zimmer). Ich hab's ja zuvor gesagt!
Luise (sprengt ihn angstlich an). Was, Vater? was?
Miller (rennt wie toll auf und nieder). Meinen Staatsrock her--hurtig--ich muß ihm zuvorkommen--und ein weißes Manschettenhemd! --Das hab' ich mir gleich eingebildet!
Luise. Um Gotteswillen! Was?
Millerin. Was gibt's denn? was ist's denn?
Miller (wirft seine Perrucke ins Zimmer). Nur gleich zum Friseur das! --Was es gibt? (Vor den Spiegel gesprungen.) Und mein Bart ist auch wieder fingerslang--Was es gibt?--Was wird's geben, du Rabenaas?--Der Teufel ist los, und dich soll das Wetter schlagen!
Frau. Da sehe man! Uber mich muß gleich alles kommen.
Miller. Uber dich? Ja, blaues Donnermaul! und uber wen anders? Heute fruh mit deinem diabolischen Junker--Hab ich's nicht im Moment gesagt?--Der Wurm hat geplaudert.
Frau. Ah was! Wie kannst du das wissen?
Miller. Wie kann ich das wissen?--Da!--unter der Hausthure spukt ein Kerl des Ministers und fragt nach dem Geiger.
Luise. Ich bin des Todes!
Miller. Du aber auch mit deinen Vergißmeinnicht-Augen! (Lacht voller Bosheit.) Das hat seine Richtigkeit, wem der Teufel ein Ei in die Wirthschaft gelegt hat, dem wird eine hubsche Tochter geboren--Jetzt hab' ich's blank.
Frau. Woher weißt du denn, daß es der Luise gilt?--Du kannst dem Herzog recommendiert worden sein. Er kann dich ins Orchester verlangen.
Miller (springt nach seinem Rohr). Daß dich der Schwefelregen von Sodom!--Orchester!--Ja, wo du Kupplerin den Discant wirst heulen und mein blauer Hinterer den Conterbaß vorstellen! (Wirft sich in seinen Stuhl.) Gott im Himmel!
Luise (setzt sich todtenbleich nieder). Mutter! Vater! Warum wird mir auf einmal so bange?
Miller (springt wieder vom Stuhl auf). Aber soll mir der Dintenkleckser einmal in den Schuß laufen?--Soll er mir laufen? Es sei in dieser oder in jener Welt--Wenn ich ihm nicht Leib und Seele breiweich zusammendresche, alle zehen Gebote und alle sieben Bitten im Vaterunser, und alle Bucher Mosis und der Propheten aufs Leder schreibe, daß man die blauen Flecken bei der Auferstehung der Todten noch sehen soll-Frau. Ja! fluch du und poltre du! Das wird jetzt den Teufel bannen! Hilf, heiliger Herregott! Wo hinaus nun? Wie werden wir Rath schaffen? Was nun anfangen? Vater Miller, so rede doch! (Sie lauft heulend durchs Zimmer.)
Miller. Auf der Stell zum Minister will ich. Ich zuerst will mein Maul aufthun--ich selbst will es angeben. Du hast es vor mir gewußt. Du hattest mir einen Wink geben konnen. Das Madel hatt' sich noch weisen lassen. Es ware noch Zeit gewesen--aber nein!--Da hat sich was makeln lassen; da hat sich was fischen lassen! Da hast du noch Holz obendrein zugetragen!--Jetzt sorg' auch fur deinen Kuppelpelz. Friß aus, was du einbrocktest! Ich nehme meine Tochter in Arm, und marsch mit ihr uber die Grenze!
Funfte Scene.
Ferdinand von Walter sturzt erschrocken und außer Athem ins Zimmer. Die Vorigen.
Ferdinand. War mein Vater da?
Luise (fahrt mit Schrecken auf). Sein Vater! Allmachtiger Gott!
Frau (zugleich; schlagt die Hande zusammen). Der Prasident! Es ist aus mit uns!
Miller (zugleich; lacht voller Bosheit). Gottlob! Gottlob! da haben wir ja die Bescherung!
Ferdinand (eilt auf Luisen zu und druckt sie stark in die Arme). Mein bist du, und warfen Holl' und Himmel sich zwischen uns!
Luise. Mein Tod ist gewiß--Rede weiter--Du sprachst einen schrecklichen Namen aus--Dein Vater?
Ferdinand. Nichts. Nichts. Es ist uberstanden. Ich hab' dich ja wieder. Du hast mich ja wieder. O, laß mich Athem schopfen an dieser Brust! Es war eine schreckliche Stunde.
Luise. Welche? Du todtest mich?
Ferdinand (tritt zuruck und schaut sie bedeutend an). Eine Stunde, Luise, wo zwischen mein Herz und dich eine fremde Gewalt sich warf--wo meine Liebe vor meinem Gewissen erblaßte--wo meine Luise aufhorte, ihrem Ferdinand Alles zu sein-Luise (sinkt mit verhulltem Gesicht auf den Sessel nieder).
Ferdinand (geht schnell auf sie zu, bleibt sprachlos mit starrem Blick vor ihr stehen, dann verlaßt er sie plotzlich, in großer Bewegung). Nein! Nimmermehr! Unmoglich, Lady! Zu viel verlangt! Ich kann dir diese Unschuld nicht opfern--Nein, beim unendlichen Gott! ich kann meinen Eid nicht verletzen, der mich laut wie des Himmels Donner aus diesem brechenden Auge mahnt--Lady, blick hieher--hieher, du Rabenvater--Ich soll diesen Engel wurgen! Die Holle soll ich in diesen himmlischen Busen schutten? (Mit Entschluß auf sie zueilend.) Ich will sie fuhren vor des Weltrichters Thron, und ob meine Liebe Verbrechen ist, soll der Ewige sagen. (Er faßt sie bei der Hand und hebt sie vom Sessel.) Fasse Muth, meine Theuerste!--Du hast gewonnen! Als Sieger komm' ich aus dem gefahrlichsten Kampf zuruck.
Luise. Nein! Nein! Verhehle mir nichts. Sprich es aus, das entsetzliche Urtheil. Deinen Vater nanntest du? Du nanntest die Lady?--Schauer des Todes ergreifen mich--Man sagt, sie wird heirathen.
Ferdinand (sturzt betaubt zu Luisens Fußen nieder). Mich, Ungluckselige!
Luise (nach einer Pause, mit stillem bebenden Ton und schrecklicher Ruhe). Nun--was erschreck' ich denn? Der alte Mann dort hat mir's ja oft gesagt--ich hab' es ihm nie glauben wollen. (Pause, dann wirft sie sich Millern laut weinend in die Arme.). Vater, hier ist deine Tochter wieder--Verzeihung, Vater!--Dein Kind kann ja nicht dafur, daß dieser Traum so schon war, und--so furchterlich jetzt das Erwachen-Miller. Luise! Luise!--O Gott, sie ist von sich--Meine Tochter, mein armes Kind--Fluch uber den Verfuhrer!--Fluch uber das Weib, das ihm kuppelte!
Frau (wirft sich jammernd auf Luisen). Verdien' ich diesen Fluch, meine Tochter? Vergeb's Ihnen Gott, Baron!--Was hat dieses Lamm gethan, daß Sie es wurgen?
Ferdinand (springt an ihr auf, voll Entschlossenheit). Aber ich will seine Kabalen durchbohren--durchreißen will ich alle diese eisernen Ketten des Vorurtheils--Frei wie ein Mann will ich wahlen, daß diese Insektenseelen am Riesenwerk meiner Liebe hinaufschwindeln! (Er will fort.)
Frau (eilt ihm nach, hangt sich an ihn). Der Prasident wird hieher kommen--Er wird unser Kind mißhandeln--Er wird uns mißhandeln--Herr von Walter, und Sie verlassen uns?
Miller (lacht wuthend). Verlaßt uns! Freilich! Warum nicht?--Sie gab ihm ja Alles hin! (Mit der einen Hand den Major, mit der andern Luisen fassend.) Geduld, Herr! der Weg aus meinem Hause geht nur uber diese da--Erwarte erst deinen Vater! wenn du kein Bube bist--Erzahl' es ihm, wie du dich in ihr Herz stahlst, Betruger, oder, bei Gott! (Ihm seine Tochter zuschleudernd, wild und heftig.) Du sollst mir zuvor diesen wimmernden Wurm zertreten, den Liebe zu dir so zu Schanden richtete!
Ferdinand (kommt zuruck und geht auf und ab in tiefen Gedanken). Zwar die Gewalt des Prasident ist groß--Vaterrecht ist ein weites Wort--der Frevel selbst kann sich in seinen Falten verstecken, er kann es weit damit treiben--weit!--Doch aufs Außerste treibt's nur die Liebe--Hier, Luise! Deine Hand ist die meinige! (Er faßt diese heftig.) So wahr mich Gott im letzten Hauch nicht verlassen soll! --der Augenblick, der diese zwei Hande trennt, zerreißt auch den Faden zwischen mir und der Schopfung!
Luise. Mir wird bange! Blick' weg! Deine Lippen beben! Dein Auge rollt furchterlich-Ferdinand. Nein, Luise! Zittre nicht! Es ist nicht Wahnsinn, was aus mir redet. Es ist das kostliche Geschenk des Himmels, Entschluß in dem geltenden Augenblick, wo die gepreßte Brust nur durch etwas Unerhortes sich Luft macht--Ich liebe dich, Luise--Du sollst mir bleiben, Luise--Jetzt zu meinem Vater! (Er eilt schnell fort und rennt--gegen den Prasident.)
Sechste Scene.
Der Prasident mit einem Gefolge von Bedienten. Vorige.
Prasident (im Hereintreten). Da ist er schon.
Alle (erschrocken).
Ferdinand (weicht einige Schritte zuruck). Im Hause der Unschuld.
Prasident. Wo der Sohn Gehorsam gegen den Vater lernt?
Ferdinand. Lassen Sie und das-Prasident (unterbricht ihn, zu Millern). Er ist der Vater?
Miller. Stadtmusikant Miller.
Prasident (zur Frau). Sie die Mutter?
Frau. Ach ja, die Mutter!
Ferdinand (zu Millern). Vater, bring Er die Tochter weg--sie droht eine Ohnmacht.
Prasident. Uberflussige Sorgfalt! Ich will sie anstreichen. (Zu Luisen.) Wie lang kennt Sie den Sohn des Prasidenten?
Luise. Diesem habe ich nie nachgefragt. Ferdinand von Walter besucht mich seit dem November.
Ferdinand. Betet sie an.
Prasident. Erhielt sie Versicherungen?
Ferdinand. Vor wenig Augenblicken die feierlichste im Angesicht Gottes.
Prasident (zornig zu seinem Sohn). Zur Beichte deiner Thorheit wird man dir schon das Zeichen geben. (Zu Luisen.) Ich warte auf Antwort.
Luise. Er schwur mir Liebe.
Ferdinand. Und wird sie halten.
Prasident. Muß ich befehlen, daß du schweigst?--Nahm Sie den Schwur an?
Luise (zartlich). Ich erwiederte ihn.
Ferdinand (mit fester Stimme). Der Bund ist geschlossen.
Prasident. Ich werde das Echo hinaus werfen lassen. (Boshaft zu Luisen.) Aber er bezahlte Sie doch jederzeit baar? |
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