2014년 10월 30일 목요일

Kabale und Liebe 2

Kabale und Liebe 2


Ferdinand.  Nein, mein Vater!  Friederike von Ostheim konnte jeden
Andern zum Glucklichsten machen.  (Vor sich in hochster Verwirrung.)
Was seine Bosheit an seinem Herzen noch ganz ließ, zerreißt seine
Gute.

Prasident (noch immer kein Auge von ihm wendend).  Ich warte auf
deine Dankbarkeit, Ferdinand-Ferdinand (sturzt auf ihn zu und kußt
ihm feurig die Hand).  Ihre Gnade entflammt meine ganze
Empfindung--Vater! meinen heißesten Dank fur Ihre herzliche
Meinung--Ihre Wahl ist untadelhaft--aber--ich kann--ich
darf--bedauern Sie mich--ich kann die Grafin nicht lieben!

Prasident (tritt einen Schritt zuruck).  Holla!  Jetzt hab'
ich den jungen Herrn!  Also in diese Falle ging er, der
listige Heuchler--Also es war nicht die Ehre, die dir die Lady
verbot?--Es war nicht die Person, sondern die Heirath, die du
verabscheutest?-Ferdinand (steht zuerst wie versteinert, dann
fahrt er auf und will fortrennen).

Prasident.  Wohin?  Halt!  Ist das der Respect, den du mir schuldig
bist?  (Der Major kehrt zuruck.)  Du bist bei der Lady gemeldet.  Der
Furst hat mein Wort.  Stadt und Hof wissen es richtig.--Wenn du mich
zum Lugner machst, Junge--vor dem Fursten--der Lady--der Stadt--dem
Hof mich zum Lugner machst--Hore, Junge--oder wenn ich hinter gewisse
Historien komme?--Halt!  Holla!  Was blast so auf einmal das Feuer in
deinen Wangen aus?

Ferdinand (schneeblaß und zitternd).  Wie?  Was?  Es ist gewiß nichts,
mein Vater!

Prasident (einen furchterlichen Blick auf ihn heftend).  Und wenn es
was ist--und wenn ich die Spur finden sollte, woher diese
Widersetzlichkeit stammt--Ha, Junge! der bloße Verdacht schon bringt
mich zum Rasen!  Geh den Augenblick!  Die Wachtparade fangt an!  Du
wirst bei der Lady sein, sobald die Parole gegeben ist--Wenn ich
auftrete, zittert ein Herzogthum.  Laß doch sehen, ob mich ein
Starrkopf von Sohn meistert.  (Er geht und kommt noch einmal wieder.)
Junge, ich sage dir, du wirst dort sein, oder fliehe meinen Zorn!
(Er geht ab.)

Ferdinand (erwacht aus einer dumpfen Betaubung).  Ist er weg?  War
das eines Vaters Stimme?--Ja! ich will zu ihr--will hin--will ihr
Dinge sagen, will ihr einen Spiegel vorhalten--Nichtswurdige! und
wenn du auch noch dann meine Hand verlangst--Im Angesicht des
versammelten Adels, des Militars und des Volks--Umgurte dich mit dem
ganzen Stolz deines Englands--Ich verwerfe dich--ein deutscher
Jungling!  (Er eilt hinaus.)




Zweiter Akt.

Ein Saal im Palais der Lady Milford; zur rechten Hand steht ein Sopha,
zur linken ein Flugel.



Erste Scene.

Lady in einem freien, aber reizenden Neglige, die Haare noch
unfrisiert, sitzt vor dem Flugel und phantasiert; Sophie, die
Kammerjungfer, kommt von dem Fenster.


Sophie.  Die Officiers gehen auseinander.  Die Wachtparade ist
aus--aber ich sehe noch keinen Walter.

Lady (sehr unruhig, indem sie aufsteht und einen Gang durch den Saal
macht).  Ich weiß nicht, wie ich mich heute finde, Sophie--Ich bin
noch nie so gewesen--Also du sahst ihn gar nicht?--Freilich wohl--Es
wird ihm nicht eilen--Wie ein Verbrechen liegt es auf meiner
Brust--Geh, Sophie--Man soll mir den wildesten Renner herausfuhren,
der im Marstall ist.  Ich muß ins Freie--Menschen sehen und blauen
Himmel, und mich leichter reiten ums Herz herum.

Sophie.  Wenn Sie sich unpaßlich fuhlen, Milady--berufen Sie
Assemblee hier zusammen.  Lassen Sie den Herzog hier Tafel halten,
oder die l'Hombretische vor Ihren Sopha setzen.  Mir sollte der Furst
und sein ganzer Hof zu Gebote stehen und eine Grille im Kopfe surren?

Lady (wirft sich in den Sopha).  Ich bitte, verschone mich!  Ich gebe
dir einen Demant fur jede Stunde, wo ich sie mir vom Hals schaffen
kann!  Soll ich meine Zimmer mit diesem Volk tapezieren?--Das sind
schlechte, erbarmliche Menschen, die sich entsetzen, wenn mir ein
warmes herzliches Wort entwischt, Mund und Nasen aufreißen, als sahen
sie eine Geist--Sklaven eines einzigen Marionettendrahts, den ich
leichter als mein Filet regiere!--Was fang' ich mit Leuten an, deren
Seelen so gleich als ihre Sackuhren gehen?  Kann ich eine Freude dran
finden, sie was zu fragen, wenn ich voraus weiß, was sie mir
antworten werden?  Oder Worte mit ihnen zu wechseln, wenn sie das
Herz nicht haben, andrer Meinung als ich zu sein?--Weg mit ihnen!  Es
ist verdrießlich, ein Roß zu reiten, das nicht auch in den Zugel
beißt.  (Sie tritt zum Fenster.)

Sophie.  Aber den Fursten werden Sie doch ausnehmen, Lady?  Den
schonsten Mann--den feurigsten Liebhaber--den witzigsten Kopf in
seinem ganzen Lande!

Lady (kommt zuruck).  Denn es ist sein Land--und nur ein Furstenthum,
Sophie, kann meinem Geschmack zur ertraglichen Ausrede dienen--Du
sagst, man beneide mich.  Armes Ding!  Beklagen soll man mich
vielmehr!  Unter Allen, die an den Brusten der Majestat trinken,
kommt die Favoritin am schlechtesten weg, weil sie allein dem großen
und reichen Mann auf dem Bettelstabe begegnet--Wahr ist's, er kann
mit dem Talisman seiner Große jeden Gelust meines Herzens, wie ein
Feenschloß, aus der Erde rufen.--Er setzt den Saft von zwei Indien
auf die Tafel--ruft Paradiese aus Wildnissen--laßt die Quellen seines
Landes in stolzen Bogen gen Himmel springen, oder das Mark seiner
Unterthanen in einem Feuerwerk hinpuffen--Aber kann er auch seinem
Herzen befehlen, gegen ein großes, feuriges Herz groß und feurig zu
schlagen?  Kann er sein darbendes Gehirn auf ein einziges schones
Gefuhl exequieren?--Mein Herz hungert bei all dem Vollauf der Sinne;
und was helfen mich tausend beßre Empfindungen, wo ich nur Wallungen
loschen darf?

Sophie (blickt sie verwundernd an).  Wie lang ist es denn aber, daß
ich Ihnen diene, Milady?

Lady.  Weil du erst heute mit mir bekannt wirst?--Es ist wahr, liebe
Sophie--ich habe dem Fursten meine Ehre verkauft; aber mein Herz habe
ich frei behalten--ein Herz, meine Gute, das vielleicht eines Mannes
noch werth ist--uber welches der giftige Wind des Hofes nur wie der
Hauch uber den Spiegel ging--Trau' es mir zu, meine Liebe, daß ich es
langst gegen diesen armseligen Fursten behauptet hatte, wenn ich es
nur von meinem Ehrgeiz erhalten konnte, einer Dame am Hof den Rang
vor mir einzuraumen.

Sophie.  Und dieses Herz unterwarf sich dem Ehrgeiz so gern?

Lady (lebhaft).  Als wenn es sich nicht schon geracht hatte?--Nicht
jetzt noch rachte?--Sophie!  (Bedeutend, indem sie die Hand auf
Sophiens Achsel fallen laßt.)  Wir Frauenzimmer konnen nur zwischen
Herrschen und Dienen wahlen, aber die hochste Wonne der Gewalt ist
doch nur ein elender Behelf, wenn uns die großere Wonne versagt wird,
Sklavinnen eines Mannes zu sein, den wir lieben.

Sophie.  Eine Wahrheit, Milady, die ich von Ihnen zuletzt horen
wollte!

Lady.  Und warum, meine Sophie?  Sieht man es denn dieser kindischen
Fuhrung des Scepters nicht an, daß wir nur fur das Gangelband taugen?
Sahst du es denn diesem launischen Flattersinn nicht an--diesen
wilden Ergotzungen nicht an, daß sie nur wildere Wunsche in meiner
Brust uberlarmen sollten?

Sophie (tritt erstaunt zuruck).  Lady!

Lady (lebhafter).  Befriedige diese!  Gib mir den Mann, den ich jetzt
denke--den ich anbete--sterben, Sophie, oder besitzen muß.
(Schmelzend.)  Laß mich aus seinem Mund es vernehmen, daß Thranen der
Liebe schoner glanzen in unsern Augen, als die Brillanten in unserm
Haar, (feurig)  und ich werfe dem Fursten sein Herz und sein
Furstenthum vor die Fuße, fliehe mit diesem Mann, fliehe in die
entlegenste Wuste der Welt-Sophie (blickt sie erschrocken an).
Himmel!  Was machen Sie?  Wie wird Ihnen, Lady?

Lady (besturzt).  Du entfarbst dich?--Hab' ich vielleicht etwas zu
viel gesagt?  O so laß mich deine Zunge mit meinem Zutrauen
binden--hore noch mehr--hore Alles-Sophie (schaut sich angstlich um).
Ich furchte, Milady--ich furchte--ich brauch' es nicht mehr zu horen.

Lady.  Die Verbindung mit dem Major--Du und die Welt stehen im Wahn,
sie sei eine Hof-Kabale--Sophie--errothe nicht--schame dich meiner
nicht--sie ist das Werk--meiner Liebe!

Sophie.  Bei Gott!  Was mir ahnete!

Lady.  Sie ließen sich beschwatzen, Sophie--der schwache Furst--der
hofschlaue Walter--der alberne Marschall--Jeder von ihnen wird darauf
schworen, daß diese Heirath das unfehlbarste Mittel sei, mich dem
Herzog zu retten, unser Band um so fester zu knupfen!--Ja! es auf
ewig zu trennen! auf ewig diese schandlichen Ketten zu brechen!
--Belogene Lugner!  Von einem schwachen Weib uberlistet!  Ihr selbst
fuhrt mir jetzt meinen Geliebten zu!  Das war es ja nur, was ich
wollte--Hab' ich ihn einmal--hab' ich ihn--o dann auf immer gute
Nacht, abscheuliche Herrlichkeit-



Zweite Scene.

Ein alter Kammerdiener des Fursten, der ein Schmuckkastchen tragt.
Die Vorigen.


Kammerdiener.  Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Milady zu
Gnaden und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit.  Sie kommen
so eben erst aus Venedig.

Lady (hat das Kastchen geoffnet und fahrt erschrocken zuruck).
Mensch! was bezahlt dein Herzog fur diese Steine?

Kammerdiener (mit finsterm Gesicht).  Sie kosten ihn keinen Heller!

Lady.  Was?  Bist du rasend?  Nichts?--und (indem sie einen Schritt
von ihm wegtritt)  du wirfst mir ja einen Blick zu, als wenn du mich
durchbohren wolltest--Nichts kosten ihn diese unermeßlich kostbaren
Steine?

Kammerdiener.  Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika
fort--die bezahlen Alles.

Lady (setzt den Schmuck plotzlich nieder und geht rasch durch den
Saal, nach einer Pause zum Kammerdiener).  Mann!  Was ist dir?  Ich
glaube, du weinst?

Kammerdiener (wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimme, alle
Glieder zitternd).  Edelsteine, wie diese da--ich hab' auch ein paar
Sohne drunter.

Lady (wendet sich bebend weg, seine Hand fassend).  Doch keinen
gezwungenen?

Kammerdiener (lacht furchterlich).  O Gott!--Nein--lauter Freiwillige!
Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch' vor die Front heraus und
fragten den Obersten, wie theuer der Furst das Joch Menschen verkaufe.
--Aber unser gnadigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem
Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen.  Wir
horten die Buchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster
spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe! nach Amerika!-Lady
(fallt mit Entsetzen in den Sopha).  Gott!  Gott!--Und ich horte
nichts?  Und ich merkte nichts?

Kammerdiener.  Ja, gnadige Frau--Warum mußtet ihr denn mit unserm
Herrn gerad' auf die Barenhatz reiten, als man den Larmen zum
Aufbruch schlug?--Die Herrlichkeit hattet ihr doch nicht versaumen
sollen, wie uns die gellenden Trommeln verkundigten, es ist Zeit, und
heulende Waisen dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine
wuthende Mutter lief, ihr saugendes Kind an Bajonetten zu spießen,
und wie man Brautigam und Braut mit Sabelhieben auseinander riß, und
wir Graubarte verzweiflungsvoll da standen und den Burschen auch
zuletzt die Krucken noch nachwarfen in die neue Welt--Oh, und
mitunter das polternde Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns
nicht sollte beten horen-Lady (steht auf, heftig bewegt).  Weg mit
diesen Steinen--sie blitzen Hollenflammen in mein Herz.  (Sanfter zum
Kammerdiener.)  Maßige dich, armer alter Mann.  Sie werden wieder
kommen.  Sie werden ihr Vaterland wieder sehen.

Kammerdiener (warm und voll).  Das weiß der Himmel!  Das werden sie!
--Noch am Stadtthor drehten sie sich um und schrieen: "Gott mit euch,
Weib und Kinder!--Es leb' unser Landesvater--Am jungsten Gericht sind
wir wieder da!"-Lady (mit starkem Schritt auf und nieder gehend).
Abscheulich!  Furchterlich!--Mich beredet man, ich habe sie alle
getrocknet, die Thranen des Landes--Schrecklich, schrecklich gehen
mir die Augen auf--Geb du--Sag deinem Herrn--Ich werd' ihm personlich
danken!  (Kammerdiener will gehen, sie wirft ihm ihre Geldborse in
den Hut.)  Und das nimm, weil du mir Wahrheit sagtest-Kammerdiener
(wirft sie verachtlich auf den Tisch zuruck).  Legt's zu dem Ubrigen.
(Er geht ab.)

Lady (sieht ihm erstaunt nach).  Sophie, spring ihm nach, frag' ihn
um seinen Namen!  Er soll seine Sohne wieder haben.  (Sophie ab.
Lady nachdenkend auf und nieder.  Pause.  Zu Sophien, die wieder
kommt.)  Ging nicht jungst ein Gerucht, daß das Feuer eine Stadt an
der Grenze verwustet und bei vierhundert Familien an den Bettelstab
gebracht habe?  (Sie klingelt.)

Sophie.  Wie kommen Sie auf das?  Allerdings ist es so, und die
mehresten dieser Unglucklichen dienen jetzt ihren Glaubigern als
Sklaven, oder verderben in den Schachten der furstlichen
Silberbergwerke.

Bedienter (kommt).  Was befehlen Milady?

Lady (gibt ihm den Schmuck).  Daß das ohne Verzug in die Landschaft
gebracht werde!--Man soll es sogleich zu Geld machen, befehl' ich,
und den Gewinst davon unter die Vierhundert verteilen, die der Brand
ruiniert hat.

Sophie.  Milady, bedenken Sie, daß Sie die hochste Ungnade wagen!

Lady (mit Große).  Soll ich den Fluch seines Landes in meinen Haaren
tragen?  (Sie winkt dem Bedienten; dieser geht.)  Oder willst du, daß
ich unter dem schrecklichen Geschirr solcher Thranen zu Boden
sinke?--Geh, Sophie--Es ist besser, falsche Juwelen im Haar und das
Bewußtsein dieser That im Herzen zu haben!

Sophie.  Aber Juwelen wie diese!  Hatten Sie nicht Ihre schlechtern
nehmen konnen?  Nein, wahrlich, Milady! es ist Ihnen nicht zu
vergeben.

Lady.  Narrisches Madchen!  Dafur werden in einem Augenblick mehr
Brillanten und Perlen fur mich fallen, als zehn Konige in ihren
Diademen getragen, und schonere-Bedienter (kommt zuruck).  Major von
Walter-Sophie (springt auf die Lady zu).  Gott!  Sie verblassen-Lady.
Der erste Mann, der mir Schrecken macht--Sophie--Jetzt sei unpaßlich,
Eduard--Halt--Ist er aufgeraumt?  Lacht er?  Was spricht er?  O,
Sophie!  Nicht wahr, ich sehe haßlich aus?

Sophie.  Ich bitte Sie, Lady-Bedienter.  Befehlen Sie, daß ich ihn
abweise?

Lady (stotternd).  Er soll mir willkommen sein.  (Bedienter hinaus.)
Sprich, Sophie--Was sag' ich ihm?  Wie empfang' ich ihn?--Ich werde
stumm sein.--Er wird meiner Schwache spotten--Er wird--o was ahnet
mir--Du verlassest mich, Sophie?--Bleib!--Doch nein!  Gehe!--So bleib
doch!  (Der Major kommt durch das Vorzimmer.)

Sophie.  Sammeln Sie sich!  Er ist schon da!



Dritte Scene.

Ferdinand von Walter.  Die Vorigen.


Ferdinand (mit einer kurzen Verbeugung).  Wenn ich Sie worin
unterbreche, gnadige Frau-Lady (unter merkbarem Herzklopfen).  In
nichts, Herr Major, das mir wichtiger ware.

Ferdinand.  Ich komme auf Befehl meines Vaters-Lady.  Ich bin seine
Schuldnerin.

Ferdinand.  Und soll Ihnen melden, daß wir uns heirathen--So weit der
Auftrag meines Vaters.

Lady (entfarbt sich und zittert).  Nicht Ihres eigenen Herzens?

Ferdinand.  Minister und Kuppler pflegen das niemals zu fragen.

Lady (mit einer Beangstigung, daß ihr die Worte versagen).  Und Sie
selbst hatten sonst nichts beizusetzen?

Ferdinand (mit einem Blick auf die Mamsell).  Noch sehr viel, Milady!

Lady (gibt Sophien einen Wink, diese entfernt sich).  Darf ich Ihnen
diesen Sopha anbieten?

Ferdinand.  Ich werde kurz sein, Milady!

Lady.  Nun?

Ferdinand.  Ich bin ein Mann von Ehre.

Lady.  Den ich zu schatzen weiß.

Ferdinand.  Cavalier.

Lady.  Kein beßrer im Herzogthum.

Ferdinand.  Und Officier.

Lady (schmeichelhaft).  Sie beruhren hier Vorzuge, die auch Andere
mit Ihnen gemein haben.  Warum verschweigen Sie großere, worin Sie
einzig sind?

Ferdinand (frostig).  Hier brauch' ich sie nicht.

Lady (mit immer steigender Angst).  Aber fur was muß ich diesen
Vorbericht nehmen?

Ferdinand (langsam und mit Nachdruck).  Fur den Einwurf der Ehre,
wenn Sie Lust haben sollten, meine Hand zu erzwingen.

Lady (auffahrend).  Was ist das, Herr Major?

Ferdinand (gelassen).  Die Sprache meines Herzens--meines
Wappens--und dieses Degens.

Lady.  Diesen Degen gab Ihnen der Furst.

Ferdinand.  Der Staat gab mir ihn durch die Hand des Fursten--mein
Herz Gott--mein Wappen ein halbes Jahrtausend.

Lady.  Der Name des Herzogs-Ferdinand (hitzig).  Kann der Herzog
Gesetze der Menschheit verdrehen, oder Handlungen munzen wie seine
Dreier?--Er selbst ist nicht uber die Ehre erhaben, aber er kann
ihren Mund mit seinem Golde verstopfen.  Er kann den Hermelin uber
seine Schande herwerfen.  Ich bitte mir aus, davon nichts mehr,
Milady.--Es ist nicht mehr die Rede von weggeworfenen Aussichten und
Ahnen--oder von dieser Degenquaste--oder von der Meinung der Welt.
Ich bin bereit, Dies alles mit Fußen zu treten, sobald Sie mich nur
uberzeugt haben werden, daß der Preis nicht schlimmer noch als das
Opfer ist.

Lady (schmerzhaft von ihm weggehend).  Herr Major! das hab' ich nicht
verdient.

Ferdinand (ergreift ihre Hand).  Vergeben Sie.  Wir reden hier
ohne Zeugen.  Der Umstand, der Sie und mich--heute und nie
mehr--zusammenfuhrt, berechtigt mich, zwingt mich, Ihnen mein
geheimstes Gefuhl nicht zuruck zu halten.--Es will mir nicht
zu Kopfe, Milady, daß eine Dame von so viel Schonheit und
Geist--Eigenschaften, die ein Mann schatzen wurde--sich an einen
Fursten sollte wegwerfen konnen, der nur das Geschlecht an ihr
zu bewundern gelernt hat, wenn sich diese Dame nicht schamte,
vor einen Mann mit ihrem Herzen zu treten.

Lady (schaut ihm groß ins Gesicht).  Reden Sie ganz aus!

Ferdinand.  Sie nennen sich eine Brittin.  Erlauben Sie mir--ich kann
es nicht glauben, daß Sie eine Brittin sind.  Die freigeborne Tochter
des freiesten Volks unter dem Himmel--das auch zu stolz ist, fremder
Tugend zu rauchern--kann sich nimmermehr an fremdes Laster verdingen.
Es ist nicht moglich, daß Sie eine Brittin sind,--oder das Herz
dieser Brittin muß um so viel kleiner sein, als großer und kuhner
Britanniens Adern schlagen.

Lady.  Sind Sie zu Ende?

Ferdinand.  Man konnte antworten, es ist weibliche
Eitelkeit--Leidenschaft--Temperament--Hang zum Vergnugen.  Schon
ofters uberlebte Tugend die Ehre.  Schon Manche, die mit Schande in
diese Schranke trat, hat nachher die Welt durch edle Handlungen mit
sich ausgesohnt und das haßliche Handwerk durch einen schonen
Gebrauch geadelt--Aber woher denn jetzt diese ungeheure Pressung des
Landes, die vorher nie so gewesen?--Das war im Namen des Herzogthums.
--Ich bin zu Ende.

Lady (mit Sanftmuth und Hoheit).  Es ist das Erstemal, Walter, daß
solche Reden an mich gewagt werden, und Sie sind der einzige Mensch,
dem ich darauf antworte--Daß Sie meine Hand verwerfen, darum schatz'
ich Sie.  Daß Sie meine Hand lastern, vergebe ich Ihnen.  Daß es Ihr
Ernst ist, glaube ich Ihnen nicht.  Wer sich herausnimmt,
Beleidigungen dieser Art einer Dame zu sagen, die nicht mehr als eine
Nacht braucht, ihn ganz zu verderben, muß dieser Dame eine große
Seele zutrauen, oder--von Sinnen sein--Daß Sie den Ruin des Landes
auf meine Brust walzen, vergebe Ihnen Gott der Allmachtige, der Sie
und mich und den Fursten einst gegen einander stellt.--Aber Sie haben
die Englanderin in mir aufgefordert, und auf Vorwurfe dieser Art muß
mein Vaterland Antwort haben.

Ferdinand (auf seinen Degen gestutzt).  Ich bin begierig.

Lady.  Horen Sie also, was ich, außer Ihnen, noch Niemand vertraute,
noch jemals einem Menschen vertrauen will.--Ich bin nicht die
Abenteurerin, Walter, fur die Sie mich halten.  Ich konnte groß thun
und sagen: ich bin furstlichen Gebluths--aus des unglucklichen Thomas
Norfolks Geschlechte, der fur die schottische Maria ein Opfer ward.
--Mein Vater, des Konigs oberster Kammerer, wurde bezichtigt, in
verratherischem Vernehmen mit Frankreich zu stehen, durch einen
Spruch der Parlamente verdammt und enthauptet.--Alle unsre Guter
fielen der Krone zu.  Wir selbst wurden des Landes verwiesen.  Meine
Mutter starb am Tage der Hinrichtung.  Ich--ein vierzehnjahriges
Madchen--flohe nach Deutschland mit meiner Warterin--einem Kastchen
Juwelen--und diesem Familienkreuz, das meine sterbende Mutter mit
ihrem letzten Segen mir an den Busen steckte.

Ferdinand (wird nachdenkend und heftet warmere Blicke auf die Lady).

Lady (fahrt fort mit immer zunehmender Ruhrung).  Krank--ohne
Namen--ohne Schutz und Vermogen--eine auslandische Waise, kam ich
nach Hamburg.  Ich hatte nichts gelernt, als das Bischen
Franzosisch--ein wenig Filet und den Flugel--desto besser verstund
ich, auf Gold und Silber zu speisen, unter damastenen Decken zu
schlafen, mit einem Wink zehn Bediente fliegen zu machen und die
Schmeicheleien der Großen Ihres Geschlechts aufzunehmen.--Sechs Jahre
waren schon hingeweint.--Und die letzte Schmucknadel flog
dahin--Meine Warterin starb--und jetzt fuhrte mein Schicksal Ihren
Herzog nach Hamburg.  Ich spazierte damals an den Ufern der Elbe, sah
in den Strom und fing eben an zu phantasieren, ob dieses Wasser oder
mein Leiden das Tiefste ware?--Der Herzog sah mich, verfolgte mich,
fand meinen Aufenthalt,--lag zu meinen Fußen und schwur, daß er mich
liebe.  (Sie halt in großen Bewegungen inne, dann fahrt sie fort mit
weinender Stimme.)  Alle Bilder meiner glucklichen Kindheit wachten
jetzt wieder mit verfuhrendem Schimmer auf--Schwarz wie das Grab
graute mich eine trostlose Zukunft an--Mein Herz brannte nach einem
Herzen--Ich sank an das seinige.  (Von ihm wegsturzend.).  Jetzt
verdammen Sie mich!

Ferdinand (sehr bewegt, eilt ihr nach und halt sie zuruck).  Lady! o
Himmel!  Was hor' ich?  Was that ich?--Schrecklich enthullt sich mein
Frevel mir.  Sie konnen mir nicht mehr vergeben.

Lady (kommt zuruck und hat sich zu sammeln gesucht).  Horen Sie
weiter.  Der Furst uberraschte zwar meine wehrlose Jugend--aber das
Blut der Norfolk emporte sich in mir: Du, eine geborene Furstin,
Emilie, rief es, und jetzt eines Fursten Concubine?--Stolz und
Schicksal kampften in meiner Brust, als der Furst mich hieher brachte
und auf einmal die schauderndste Scene vor meinen Augen stand!--Die
Wollust der Großen dieser Welt ist die nimmersatte Hyane, die sich
mit Heißhunger Opfer sucht.--Furchterlich hatte sie schon in diesem
Lande gewuthet--hatte Braut und Brautigam zertrennt--hatte selbst der
Ehen gottliches Band zerrissen--hier das stille Gluck einer Familie
geschleift--dort ein junges unerfahrenes Herz der verheerenden Pest
aufgeschlossen, und sterbende Schulerinnen schaumten den Namen ihres
Lehrers unter Fluchen und Zuckungen aus--Ich stellte mich zwischen
das Lamm und den Tiger, nahm einen furstlichen Eid von ihm in einer
Stunde der Leidenschaft, und diese abscheuliche Opferung mußte
aufhoren.

Ferdinand (rennt in der heftigsten Unruhe durch den Saal).  Nichts
mehr, Milady!  Nicht weiter!

Lady.  Diese traurige Periode hatte einer noch traurigern Platz
gemacht.  Hof und Serail wimmelten jetzt von Italiens Auswurf.
Flatterhafte Pariserinnen tandelten mit dem furchtbaren Scepter, und
das Volk blutete unter ihren Launen--Sie alle erlebten ihren Tag.
Ich sah sie neben mir in den Staub sinken, denn ich war mehr Kokette,
als sie alle.  Ich nahm dem Tyrannen den Zugel ab, der wollustig in
meiner Umarmung erschlappte--dein Vaterland, Walter, fuhlte zum
erstenmal eine Menschenhand und sank vertrauend an meinen Busen.
(Pause, worin sie ihn schmelzend ansieht.)  O daß der Mann, von dem
ich allein nicht verkannt sein mochte, mich jetzt zwingen muß, groß
zu prahlen und meine stille Tugend am Licht der Bewunderung zu
versengen!--Walter, ich habe Kerker gesprengt--habe Todesurtheile
zerrissen und manche entsetzliche Ewigkeit auf Galeeren verkurzt.  In
unheilbare Wunden hab' ich doch wenigstens stillenden Balsam
gegossen--machtige Frevler in Staub gelegt und die verlorene Sache
der Unschuld oft noch mit einer buhlerischen Thrane gerettet--Ha,
Jungling, wie suß war mir das!  Wie stolz konnte mein Herz jede
Anklage meiner furstlichen Geburt widerlegen!--Und jetzt kommt der
Mann, der allein mir Das alles belohnen sollte--der Mann, den mein
erschopftes Schicksal vielleicht zum Ersatz meiner vorigen Leiden
schuf--der Mann, den ich mit brennender Sehnsucht im Traum schon
umfasse-Ferdinand (fallt ihr ins Wort, durch und durch erschuttert).
Zu viel! zu viel!  Das ist wieder die Abrede, Lady.  Sie sollten sich
von Anklagen reinigen und machen mich zu einem Verbrecher.  Schonen
Sie--ich beschwore Sie--schonen Sie meines Herzens, das Beschamung
und wuthende Reue zerreißen-Lady (halt seine Hand fest).  Jetzt oder
nimmermehr!  Lange genug hielt die Heldin Stand--das Gewicht dieser
Thranen mußt du noch fuhlen.  (Im zartlichsten Ton.)  Hore,
Walter--wenn eine Ungluckliche--unwiderstehlich, allmachtig an dich
gezogen--sich an dich preßt mit einem Busen voll gluhender,
unerschopflicher Liebe--Walter!--und du jetzt noch das kalte Wort
Ehre sprichst--wenn diese Ungluckliche--niedergedruckt vom Gefuhl
ihrer Schande--des Lasters uberdrussig--heldenmaßig emporgehoben vom
Rufe der Tugend--sich so--in deine Arme wirft (sie umfaßt ihn,
beschworend und feierlich)--durch dich gerettet--durch dich dem
Himmel wieder geschenkt sein will, oder (das Gesicht von ihm
abgewandt, mit hohler bebender Stimme)  deinem Bild zu entfliehen, dem
furchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorsam, in noch abscheulichere
Tiefen des Lasters wieder hinuntertaumelt-Ferdinand (von ihr
losreißend, in der schrecklichsten Bedrangniß).  Nein, beim großen
Gott! ich kann das nicht aushalten--Lady, ich muß--Himmel und Erde
liegen auf mir--ich muß Ihnen ein Gestandniß thun, Lady!

Lady (von ihm wegfliehend).  Jetzt nicht!  Jetzt nicht, bei Allem,
was heilig ist--in diesem entsetzlichen Augenblick nicht, wo mein
zerrissenes Herz an tausend Dolchstichen blutet--Sei's Tod oder
Leben--ich darf es nicht--ich will es nicht horen!

Ferdinand.  Doch, doch, beste Lady!  Sie mussen es.  Was ich Ihnen
jetzt sagen werde, wird meine Strafbarkeit mindern und eine warme
Abbitte des Vergangenen sein--Ich habe mich in Ihnen betrogen, Milady.
Ich erwartete--ich wunschte, Sie meiner Verachtung wurdig zu finden.
Fest entschlossen, Sie zu beleidigen und Ihren Haß zu verdienen,
kam ich her--Glucklich wir Beide, wenn mein Vorsatz gelungen ware!
(Er schweigt eine Weile, darauf leise und schuchterner.)  Ich liebe,
Milady--liebe ein burgerliches Madchen--Luise Millerin, eines Musikus
Tochter.  (Lady wendet sich bleich von ihm weg, er fahrt lebhafter
fort.)  Ich weiß, worein ich mich sturze; aber wenn auch Klugheit die
Leidenschaft schweigen heißt, so redet die Pflicht desto lauter--Ich
bin der Schuldige.  Ich zuerst zerriß ihrer Unschuld goldenen
Frieden--wiegte ihr Herz mit vermessenen Hoffnungen und gab es
verratherisch der wilden Leidenschaft Preis--Sie werden mich an
Stand--an Geburt--an die Grundsatze meines Vaters erinnern--aber ich
liebe.--Meine Hoffnung steigt um so hoher, je tiefer die Natur mit
Convenienzen zerfallen ist.--Mein Entschluß und das Vorurtheil!--Wir
wollen sehen, ob die Mode oder die Menschheit auf dem Platz bleiben
wird.  (Lady hat sich unterdeß bis an das außerste Ende des Zimmers
zuruckgezogen und halt das Gesicht mit beiden Handen bedeckt.  Er
folgt ihr dahin.)  Sie wollten mir etwas sagen, Milady?

Lady (im Ausdruck des heftigsten Leidens).  Nichts, Herr von Walter!
Nichts, als daß Sie sich und mich und noch eine Dritte zu Grund
richten.

Ferdinand.  Noch eine Dritte?

Lady.  Wir konnen mit einander nicht glucklich w.  Wir mussen doch
der Voreiligkeit Ihres Vaters zum Opfer werden.  Nimmermehr werd' ich
das Herz eines Mannes haben, der mir seine Hand nur gezwungen gab.

Ferdinand.  Gezwungen?  Lady? gezwungen gab? und also doch gab?
Konnen Sie eine Hand ohne Herz erzwingen?  Sie einem Madchen den Mann
entwenden, der die ganze Welt dieses Madchens ist?  Sie einen Mann
von dem Madchen reißen, das die ganze Welt dieses Mannes ist?  Sie,
Milady--vor einem Augenblick die bewundernswurdige Britten?--Sie
konnen das?

Lady.  Weil ich es muß.  (Mit Ernst und Starke.)  Meine Leidenschaft,
Walter, weicht meiner Zartlichkeit fur Sie.  Meine Ehre kann's nicht
mehr--Unsre Verbindung ist das Gesprach des ganzen Landes.  Alle
Augen, alle Pfeile des Spotts sind auf mich gespannt.  Die
Beschimpfung ist unausloschlich, wenn ein Unterthan des Fursten mich
ausschlagt.  Rechten Sie mit Ihrem Vater.  Wehren Sie sich, so gut
Sie konnen.--Ich lass' alle Minen springen.  (Sie geht schnell ab.
Der Major bleibt in sprachloser Erstarrung stehen.  Pause.  Dann
sturzt er fort durch die Flugelthure.)



Vierte Scene.

Zimmer beim Musikanten.


Miller.  Frau Millerin.  Luise treten auf.

Miller (hastig ins Zimmer).  Ich hab's ja zuvor gesagt!

Luise (sprengt ihn angstlich an).  Was, Vater? was?

Miller (rennt wie toll auf und nieder).  Meinen Staatsrock
her--hurtig--ich muß ihm zuvorkommen--und ein weißes Manschettenhemd!
--Das hab' ich mir gleich eingebildet!

Luise.  Um Gotteswillen!  Was?

Millerin.  Was gibt's denn? was ist's denn?

Miller (wirft seine Perrucke ins Zimmer).  Nur gleich zum Friseur das!
--Was es gibt?  (Vor den Spiegel gesprungen.)  Und mein Bart ist auch
wieder fingerslang--Was es gibt?--Was wird's geben, du Rabenaas?--Der
Teufel ist los, und dich soll das Wetter schlagen!

Frau.  Da sehe man!  Uber mich muß gleich alles kommen.

Miller.  Uber dich?  Ja, blaues Donnermaul! und uber wen anders?
Heute fruh mit deinem diabolischen Junker--Hab ich's nicht im Moment
gesagt?--Der Wurm hat geplaudert.

Frau.  Ah was!  Wie kannst du das wissen?

Miller.  Wie kann ich das wissen?--Da!--unter der Hausthure spukt ein
Kerl des Ministers und fragt nach dem Geiger.

Luise.  Ich bin des Todes!

Miller.  Du aber auch mit deinen Vergißmeinnicht-Augen!  (Lacht
voller Bosheit.)  Das hat seine Richtigkeit, wem der Teufel ein Ei in
die Wirthschaft gelegt hat, dem wird eine hubsche Tochter
geboren--Jetzt hab' ich's blank.

Frau.  Woher weißt du denn, daß es der Luise gilt?--Du kannst dem
Herzog recommendiert worden sein.  Er kann dich ins Orchester
verlangen.

Miller (springt nach seinem Rohr).  Daß dich der Schwefelregen von
Sodom!--Orchester!--Ja, wo du Kupplerin den Discant wirst heulen und
mein blauer Hinterer den Conterbaß vorstellen!  (Wirft sich in seinen
Stuhl.)  Gott im Himmel!

Luise (setzt sich todtenbleich nieder).  Mutter!  Vater!  Warum wird
mir auf einmal so bange?

Miller (springt wieder vom Stuhl auf).  Aber soll mir der
Dintenkleckser einmal in den Schuß laufen?--Soll er mir laufen?  Es
sei in dieser oder in jener Welt--Wenn ich ihm nicht Leib und Seele
breiweich zusammendresche, alle zehen Gebote und alle sieben Bitten
im Vaterunser, und alle Bucher Mosis und der Propheten aufs Leder
schreibe, daß man die blauen Flecken bei der Auferstehung der Todten
noch sehen soll-Frau.  Ja! fluch du und poltre du!  Das wird jetzt
den Teufel bannen!  Hilf, heiliger Herregott!  Wo hinaus nun?  Wie
werden wir Rath schaffen?  Was nun anfangen?  Vater Miller, so rede
doch!  (Sie lauft heulend durchs Zimmer.)

Miller.  Auf der Stell zum Minister will ich.  Ich zuerst will mein
Maul aufthun--ich selbst will es angeben.  Du hast es vor mir gewußt.
Du hattest mir einen Wink geben konnen.  Das Madel hatt' sich noch
weisen lassen.  Es ware noch Zeit gewesen--aber nein!--Da hat sich
was makeln lassen; da hat sich was fischen lassen!  Da hast du noch
Holz obendrein zugetragen!--Jetzt sorg' auch fur deinen Kuppelpelz.
Friß aus, was du einbrocktest!  Ich nehme meine Tochter in Arm, und
marsch mit ihr uber die Grenze!



Funfte Scene.

Ferdinand von Walter sturzt erschrocken und außer Athem ins Zimmer.
Die Vorigen.


Ferdinand.  War mein Vater da?

Luise (fahrt mit Schrecken auf).  Sein Vater!  Allmachtiger Gott!

Frau (zugleich; schlagt die Hande zusammen).  Der Prasident!  Es ist
aus mit uns!

Miller (zugleich; lacht voller Bosheit).  Gottlob!  Gottlob! da haben
wir ja die Bescherung!

Ferdinand (eilt auf Luisen zu und druckt sie stark in die Arme).
Mein bist du, und warfen Holl' und Himmel sich zwischen uns!

Luise.  Mein Tod ist gewiß--Rede weiter--Du sprachst einen
schrecklichen Namen aus--Dein Vater?

Ferdinand.  Nichts.  Nichts.  Es ist uberstanden.  Ich hab' dich ja
wieder.  Du hast mich ja wieder.  O, laß mich Athem schopfen an
dieser Brust!  Es war eine schreckliche Stunde.

Luise.  Welche?  Du todtest mich?

Ferdinand (tritt zuruck und schaut sie bedeutend an).  Eine Stunde,
Luise, wo zwischen mein Herz und dich eine fremde Gewalt sich
warf--wo meine Liebe vor meinem Gewissen erblaßte--wo meine Luise
aufhorte, ihrem Ferdinand Alles zu sein-Luise (sinkt mit verhulltem
Gesicht auf den Sessel nieder).

Ferdinand (geht schnell auf sie zu, bleibt sprachlos mit starrem
Blick vor ihr stehen, dann verlaßt er sie plotzlich, in großer
Bewegung).  Nein!  Nimmermehr!  Unmoglich, Lady!  Zu viel verlangt!
Ich kann dir diese Unschuld nicht opfern--Nein, beim unendlichen Gott!
ich kann meinen Eid nicht verletzen, der mich laut wie des Himmels
Donner aus diesem brechenden Auge mahnt--Lady, blick hieher--hieher,
du Rabenvater--Ich soll diesen Engel wurgen!  Die Holle soll ich in
diesen himmlischen Busen schutten?  (Mit Entschluß auf sie zueilend.)
Ich will sie fuhren vor des Weltrichters Thron, und ob meine Liebe
Verbrechen ist, soll der Ewige sagen.  (Er faßt sie bei der Hand und
hebt sie vom Sessel.)  Fasse Muth, meine Theuerste!--Du hast gewonnen!
Als Sieger komm' ich aus dem gefahrlichsten Kampf zuruck.

Luise.  Nein!  Nein!  Verhehle mir nichts.  Sprich es aus, das
entsetzliche Urtheil.  Deinen Vater nanntest du?  Du nanntest die
Lady?--Schauer des Todes ergreifen mich--Man sagt, sie wird heirathen.

Ferdinand (sturzt betaubt zu Luisens Fußen nieder).  Mich,
Ungluckselige!

Luise (nach einer Pause, mit stillem bebenden Ton und schrecklicher
Ruhe).  Nun--was erschreck' ich denn?  Der alte Mann dort hat mir's
ja oft gesagt--ich hab' es ihm nie glauben wollen.  (Pause, dann
wirft sie sich Millern laut weinend in die Arme.).  Vater, hier ist
deine Tochter wieder--Verzeihung, Vater!--Dein Kind kann ja nicht
dafur, daß dieser Traum so schon war, und--so furchterlich jetzt das
Erwachen-Miller.  Luise!  Luise!--O Gott, sie ist von sich--Meine
Tochter, mein armes Kind--Fluch uber den Verfuhrer!--Fluch uber das
Weib, das ihm kuppelte!

Frau (wirft sich jammernd auf Luisen).  Verdien' ich diesen Fluch,
meine Tochter?  Vergeb's Ihnen Gott, Baron!--Was hat dieses Lamm
gethan, daß Sie es wurgen?

Ferdinand (springt an ihr auf, voll Entschlossenheit).  Aber ich will
seine Kabalen durchbohren--durchreißen will ich alle diese eisernen
Ketten des Vorurtheils--Frei wie ein Mann will ich wahlen, daß diese
Insektenseelen am Riesenwerk meiner Liebe hinaufschwindeln!  (Er will
fort.)

Frau (eilt ihm nach, hangt sich an ihn).  Der Prasident wird hieher
kommen--Er wird unser Kind mißhandeln--Er wird uns mißhandeln--Herr
von Walter, und Sie verlassen uns?

Miller (lacht wuthend).  Verlaßt uns!  Freilich!  Warum nicht?--Sie
gab ihm ja Alles hin!  (Mit der einen Hand den Major, mit der andern
Luisen fassend.)  Geduld, Herr! der Weg aus meinem Hause geht nur uber
diese da--Erwarte erst deinen Vater! wenn du kein Bube bist--Erzahl'
es ihm, wie du dich in ihr Herz stahlst, Betruger, oder, bei Gott!
(Ihm seine Tochter zuschleudernd, wild und heftig.)  Du sollst mir
zuvor diesen wimmernden Wurm zertreten, den Liebe zu dir so zu
Schanden richtete!

Ferdinand (kommt zuruck und geht auf und ab in tiefen Gedanken).
Zwar die Gewalt des Prasident ist groß--Vaterrecht ist ein weites
Wort--der Frevel selbst kann sich in seinen Falten verstecken, er
kann es weit damit treiben--weit!--Doch aufs Außerste treibt's nur
die Liebe--Hier, Luise!  Deine Hand ist die meinige!  (Er faßt diese
heftig.)  So wahr mich Gott im letzten Hauch nicht verlassen soll!
--der Augenblick, der diese zwei Hande trennt, zerreißt auch den
Faden zwischen mir und der Schopfung!

Luise.  Mir wird bange!  Blick' weg!  Deine Lippen beben!  Dein Auge
rollt furchterlich-Ferdinand.  Nein, Luise!  Zittre nicht!  Es ist
nicht Wahnsinn, was aus mir redet.  Es ist das kostliche Geschenk des
Himmels, Entschluß in dem geltenden Augenblick, wo die gepreßte Brust
nur durch etwas Unerhortes sich Luft macht--Ich liebe dich, Luise--Du
sollst mir bleiben, Luise--Jetzt zu meinem Vater!  (Er eilt schnell
fort und rennt--gegen den Prasident.)



Sechste Scene.

Der Prasident mit einem Gefolge von Bedienten.  Vorige.


Prasident (im Hereintreten).  Da ist er schon.

Alle (erschrocken).

Ferdinand (weicht einige Schritte zuruck).  Im Hause der Unschuld.

Prasident.  Wo der Sohn Gehorsam gegen den Vater lernt?

Ferdinand.  Lassen Sie und das-Prasident (unterbricht ihn, zu
Millern).  Er ist der Vater?

Miller.  Stadtmusikant Miller.

Prasident (zur Frau).  Sie die Mutter?

Frau.  Ach ja, die Mutter!

Ferdinand (zu Millern).  Vater, bring Er die Tochter weg--sie droht
eine Ohnmacht.

Prasident.  Uberflussige Sorgfalt!  Ich will sie anstreichen.  (Zu
Luisen.)  Wie lang kennt Sie den Sohn des Prasidenten?

Luise.  Diesem habe ich nie nachgefragt.  Ferdinand von Walter
besucht mich seit dem November.

Ferdinand.  Betet sie an.

Prasident.  Erhielt sie Versicherungen?

Ferdinand.  Vor wenig Augenblicken die feierlichste im Angesicht
Gottes.

Prasident (zornig zu seinem Sohn).  Zur Beichte deiner Thorheit wird
man dir schon das Zeichen geben.  (Zu Luisen.)  Ich warte auf Antwort.

Luise.  Er schwur mir Liebe.

Ferdinand.  Und wird sie halten.

Prasident.  Muß ich befehlen, daß du schweigst?--Nahm Sie den Schwur
an?

Luise (zartlich).  Ich erwiederte ihn.

Ferdinand (mit fester Stimme).  Der Bund ist geschlossen.

Prasident.  Ich werde das Echo hinaus werfen lassen.  (Boshaft zu Luisen.)  Aber er bezahlte Sie doch jederzeit baar?

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