Luise (aufmerksam). Diese Frage verstehe ich nicht ganz.
Prasident (mit beißendem Lachen). Nicht? Nun! ich meine nur--Jedes Handwerk hat, wie man sagt, einen goldenen Boden--auch Sie, hoff' ich, wird Ihre Gunst nicht verschenkt haben--oder war's Ihr vielleicht mit dem bloßen Verschluß gedient? Wie?
Ferdinand (fahrt wie rasend auf). Holle! was war das?
Luise (zum Major mit Wurde und Unwillen). Herr von Walter, jetzt sind Sie frei.
Ferdinand. Vater! Ehrfurcht befiehlt die Tugend auch im Bettlerkleid.
Prasident (lacht lauter). Eine lustige Zumuthung! Der Vater soll die Hure des Sohns respectieren.
Luise (sturzt nieder). O Himmel und Erde!
Ferdinand (mit Luisen zu gleicher Zeit, indem er den Degen nach dem Prasidenten zuckt, den er aber schnell wieder sinken laßt). Vater! Sie hatten einmal ein Leben an mich zu fordern--Es ist bezahlt. (Den Degen einsteckend.) Der Schuldbrief der kindlichen Pflicht liegt zerrissen da-Miller (der bis jetzt furchtsam auf der Seite gestanden, tritt hervor in Bewegung, wechselweis vor Wuth mit den Zahnen knirschend und vor Angst damit klappernd): Euer Excellenz--Das Kind ist des Vaters Arbeit--Halten zu Gnaden--Wer das Kind eine Mahre schilt, schlagt den Vater ans Ohr, und Ohrfeig um Ohrfeig--Das ist so Tax bei uns--Halten zu Gnaden.
Frau. Hilf, Herr und Heiland!--Jetzt bricht auch der Alte los--uber unserm Kopf wird das Wetter zusammenschlagen.
Prasident (der es nur halb gehort hat). Regt sich der Kuppler auch?--Wir sprechen uns gleich, Kuppler.
Miller. Halten zu Gnaden. Ich heiße Miller, wenn Sie ein Adagio horen wollen--mit Buhlschaften dien' ich nicht. So lang der Hof da noch Vorrath hat, kommt die Lieferung nicht an uns Burgersleut'. Halten zu Gnaden.
Frau. Um des Himmels willen, Mann! Du bringst Weib und Kind um.
Ferdinand. Sie spielen hier eine Rolle, mein Vater, wobei Sie sich wenigstens die Zeugen hatten ersparen konnen.
Miller (kommt ihm naher, herzhafter). Deutsch und verstandlich. Halten zu Gnaden. Euer Excellenz schalten und walten im Land. Das ist meine Stube. Mein devotestes Compliment, wenn ich dermaleins ein pro memoria bringe, aber den ungehobelten Gast werf' ich zur Thur hinaus--Halten zu Gnaden.
Prasident (vor Wuth blaß). Was?--Was ist das? (Tritt naher.)
Miller (zieht sich sachte zuruck). Das war nur so meine Meinung, Herr--Halten zu Gnaden.
Prasident (in Flammen). Ha, Spitzbube! Ins Zuchthaus spricht dich deine vermessene Meinung--Fort! Man soll Gerichtsdiener holen. (Einige vom Gefolge gehen ab; der Prasident rennt voll Wuth durch das Zimmer.) Vater ins Zuchthaus--an den Pranger Mutter und Metze von Tochter!--Die Gerechtigkeit soll meiner Wuth ihre Arme borgen. Fur diesen Schimpf muß ich schreckliche Genugthuung haben--Ein solches Gesindel sollte meine Plane zerschlagen und ungestraft Vater und Sohn aneinander hetzen?--Ha, Verflucht! Ich will meinen Haß an eurem Untergang sattigen, die ganze Brut, Vater, Mutter und Tochter, will ich meiner brennenden Rache opfern.
Ferdinand (tritt gelassen und standhaft unter sie hin). O nicht doch! Seit außer Furcht! Ich bin zugegen. (Zum Prasidenten mit Unterwurfigkeit.) Keine Ubereilung, mein Vater! Wenn Sie sich selbst lieben, keine Gewaltthatigkeit!--Es gibt eine Gegend in meinem Herzen, worin das Wort Vater noch nie gehort worden ist--Dringen Sie nicht bis in diese.
Prasident. Nichtswurdiger! Schweig! Reize meinen Grimm nicht noch mehr!
Miller (kommt aus einer dumpfen Betaubung zu sich selbst). Schau du nach deinem Kinde, Frau. Ich laufe zum Herzog--Der Leibschneider--das hat mir Gott eingeblasen!--der Leibschneider lernt die Flote bei mir. Es kann mir nicht fehlen beim Herzog. (Er will gehen.)
Prasident. Beim Herzog, sagst du?--Hast du vergessen, daß ich die Schwelle bin, woruber du springen oder den Hals brechen mußt?--Beim Herzog, du Dummkopf?--Versuch' es, wenn du, lebendig todt, eine Thurmhohe tief, unter dem Boden im Kerker liegst, wo die Nacht mit der Holle liebaugelt und Schall und Licht wieder umkehren. Raßle dann mit deinen Ketten und wimmre: Mir ist zu viel geschehen.
Siebente Scene.
Gerichtsdiener. Die Vorigen.
Ferdinand (eilt auf Luisen zu, die ihm halb todt in die Arme fallt). Luise! Hilfe! Rettung! Der Schrecken uberwaltigt sie!
Miller (ergreift sein spanisches Rohr, setzt den Hut auf und macht sich zum Angriff gefaßt).
Frau (wirft sich auf die Kniee vor dem Prasident).
Prasident (zu den Gerichtsdienern, seinen Orden entbloßend). Legt Hand an, im Namen des Herzogs--Weg von der Metze, Junge--Ohnmachtig oder nicht--wenn sie nur erst das eiserne Halsband um hat, wird man sie schon mit Steinwurfen aufwecken.
Frau. Erbarmung, Ihro Excellenz! Erbarmung! Erbarmung!
Miller (reißt seine Frau in die Hohe). Knie vor Gott! alte Heulhure, und nicht vor--Schelmen, weil ich ja doch schon ins Zuchthaus muß.
Prasident (beißt die Lippen). Du kannst dich verrechnen, Bube. Es stehen noch Galgen leer! (Zu den Gerichtsdienern.) Muß ich es noch einmal sagen?
Gerichtsdiener (dringen auf Luisen ein).
Ferdinand (springt an ihr auf und stellt sich vor sie, grimmig). Wer will was? (Er zieht den Degen sammt der Scheide und wehrt sich mit dem Gefaß.) Wag' es, sie anzuruhren, wer nicht auch die Hirnschale an die Gerichte vermiethet hat. (Zum Prasident.) Schonen Sie Ihrer selbst! Treiben Sie mich nicht weiter, mein Vater.
Prasident (drohend zu den Gerichtsdienern). Wenn euch euer Brod lieb ist, Memmen-Gerichtsdiener (greifen Luisen wieder an).
Ferdinand. Tod und alle Teufel! Ich sage: Zuruck!--Noch einmal! Haben Sie Erbarmen mit sich selbst. Treiben Sie mich nicht aufs Außerste, Vater.
Prasident (aufgebracht zu den Gerichtsdienern). Ist das euer Diensteifer, Schurken?
Gerichtsdiener (greifen hitziger an).
Ferdinand. Wenn es denn sein muß (indem er den Degen zieht und einige von denselben verwundet), so verzeih mir, Gerechtigkeit!
Prasident (voll Zorn). Ich will doch sehen, ob auch ich diesen Degen fuhle. (Er faßt Luisen selbst, zerrt sie in die Hohe und ubergibt sie einem Gerichtsknecht.)
Ferdinand (lacht erbittert). Vater, Vater! Sie machen hier ein beißendes Pasquill auf die Gottheit, die sich so ubel auf ihre Leute verstund und aus vollkommenen Henkersknechten schlechte Minister machte.
Prasident (zu den Ubrigen). Fort mit ihr!
Ferdinand. Vater, sie soll an den Pranger stehen, aber mit dem Major, des Prasidenten Sohn--Bestehen Sie noch darauf?
Prasident. Desto possierlicher wird das Spektakel--Fort!
Ferdinand. Vater, ich werfe meinen Officiersdegen auf das Madchen. --Bestehen Sie noch darauf?
Prasident. Das Porte-Epee ist an deiner Seite des Prangerstehens gewohnt worden--Fort! Fort! Ihr wißt meinen Willen.
Ferdinand (druckt einen Gerichtsdiener weg, faßt Luisen an einem Arm, mit dem andern zuckt er den Degen auf sie). Vater! Eh Sie meine Gemahlin beschimpfen, durchstoß' ich sie--Bestehen Sie noch darauf?
Prasident. Thu' es, wenn deine Klinge noch spitzig ist.
Ferdinand (laßt Luisen fahren und blickt furchterlich zum Himmel). Du, Allmachtiger, bist Zeuge! Kein menschliches Mittel ließ ich unversucht--ich muß zu einem teuflischen schreiten--Ihr fuhrt sie zum Pranger fort, unterdessen (dem Prasidenten ins Ohr rufend) erzahl' ich der Residenz eine Geschichte, wie man Prasident wird. (Ab.)
Prasident (wie vom Blitz geruhrt). Was ist das?--Ferdinand--Laßt sie ledig! (Er eilt dem Major nach.)
Dritter Akt.
Saal beim Prasidenten.
Erste Scene.
Der Prasident und Sekretar Wurm kommen.
Prasident. Der Streich war verwunscht.
Wurm. Wie ich befurchtete, gnadiger Herr. Zwang erbittert die Schwarmer immer, aber bekehrt sie nie.
Prasident. Ich hatte mein bestes Vertrauen in diesen Anschlag gesetzt. Ich urtheilte so: Wenn das Madchen beschimpft wird, muß er, als Officier, zurucktreten.
Wurm. Ganz vortrefflich. Aber zum Beschimpfen hatt' es auch kommen sollen.
Prasident. Und doch--wenn ich es jetzt mit kaltem Blut uberdenke--Ich hatte mich nicht sollen eintreiben lassen--Es war eine Drohung, woraus er wohl nimmermehr Ernst gemacht hatte.
Wurm. Das denken Sie ja nicht. Der gereizten Leidenschaft ist keine Thorheit zu bunt. Sie sagen mir, der Herr Major habe immer den Kopf zu Ihrer Regierung geschuttelt. Ich glaub's. Die Grundsatze, die er aus Akademien hieher brachte, wollten mir gleich nicht recht einleuchten. Was sollten auch die phantastischen Traumereien von Seelengroße und personlichem Adel an einem Hof, wo die großte Weisheit diejenige ist, im rechten Tempo, auf eine geschickte Art, groß und klein zu sein! Er ist zu jung und zu feurig, um Geschmack am langsamen, krummen Gang der Kabale zu finden, und nichts wird seine Ambition in Bewegung setzen, als was groß ist und abenteuerlich.
Prasident (verdrießlich). Aber was wird diese wohlweise Anmerkung an unserm Handel verbessern?
Wurm. Wie wird Ew. Excellenz auf die Wunde hinweisen, und auch vielleicht auf den Verband. Einen solchen Charakter--erlauben Sie--hatte man entweder nie zum Vertrauten, oder niemals zum Feind machen sollen. Er verabscheut das Mittel, wodurch Sie gestiegen sind. Vielleicht war es bis jetzt nur der Sohn, der die Zunge des Verrathers band. Geben Sie ihm Gelegenheit, jenen rechtmaßig abzuschutteln; machen Sie ihn durch wiederholte Sturme auf seine Leidenschaft glauben, daß Sie der zartliche Vater nicht sind, so dringen die Pflichten des Patrioten bei ihm vor. Ja, schon allein die seltsame Phantasie, der Gerechtigkeit ein so merkwurdiges Opfer zu bringen, konnte Reiz genug fur ihn haben, selbst seinen Vater zu sturzen.
Prasident. Wurm--Wurm--Er fuhrt mich da vor einen entsetzlichen Abgrund.
Wurm. Ich will Sie zuruckfuhren, gnadiger Herr. Darf ich freimuthig reden?
Prasident (indem er sich niedersetzt). Wie ein Verdammter zum Mitverdammten.
Wurm. Also verzeihen Sie--Sie haben, dunkt mich, der biegsamen Hofkunst den ganzen Prasidenten zu danken, warum vertrauen Sie ihr nicht auch den Vater an? Ich besinne mich, mit welcher Offenheit Sie Ihren Vorganger damals zu einer Partie Piquet beredeten und bei ihm die halbe Nacht mit freundschaftlichem Burgunder hinwegschwemmten, und das war doch die namliche Nacht, wo die große Mine losgehen und den guten Mann in die Luft blasen sollte--Warum zeigten Sie Ihrem Sohne den Feind? Nimmermehr hatte dieser erfahren sollen, daß ich um seine Liebesangelegenheit wisse. Sie hatten den Roman von Seiten des Madchens unterhohlt und das Herz Ihres Sohnes behalten. Sie hatten den klugen General gespielt, der den Feind nicht am Kern seiner Truppen faßt, sondern Spaltungen unter den Gliedern stiftet.
Prasident. Wie war das zu machen?
Wurm. Auf die einfachste Art--und die Karten sind noch nicht ganz vergeben. Unterdrucken Sie eine Zeit lang, daß Sie Vater sind. Messen Sie sich mit einer Leidenschaft nicht, die jeder Widerstand nur machtiger machte--Uberlassen Sie es mir, an ihrem eigenen Feuer den Wurm auszubruten, der sie zerfrißt.
Prasident. Ich bin begierig.
Wurm. Ich mußte mich schlecht auf den Barometer der Seele verstehen, oder der Herr Major ist in der Eifersucht schrecklich, wie in der Liebe. Machen Sie ihm das Madchen verdachtig--Wahrscheinlich oder nicht. Ein Gran Hefe reicht hin, die ganze Masse in eine zerstorende Gahrung zu jagen.
Prasident. Aber woher diesen Gran nehmen?
Wurm. Da sind wir auf dem Punkt--vor allen Dingen, gnadiger Herr, erklaren Sie sich mir, wie viel Sie bei der ferneren Weigerung des Majors auf dem Spiel haben--in welchem Grade es Ihnen wichtig ist, den Roman mit dem Burgermadchen zu endigen und die Verbindung mit Lady Milford zu Stand zu bringen?
Prasident. Kann Er noch fragen, Wurm?--Mein ganzer Einfluß ist in Gefahr, wenn die Partie mit der Lady zuruckgeht, und wenn ich den Major zwinge, mein Hals.
Wurm (munter). Jetzt haben Sie die Gnade und horen--Den Herrn Major umspinnen wir mit List. Gegen das Madchen nehmen wir Ihre ganze Gewalt zu Hilfe. Wir dictieren ihr ein Billetdoux an eine dritte Person in die Feder und spielen das mit guter Art dem Major in die Hande.
Prasident. Toller Einfall! Als ob sie sich so geschwind hin bequemen wurde, ihr eigenes Todesurtheil zu schreiben?
Wurm. Sie muß, wenn Sie mir freie Hand lassen wollen. Ich kenne das gute Herz auf und nieder. Sie hat nicht mehr als zwo todtliche Seiten, durch welche wir ihre Gewissen besturmen konnen--ihren Vater und den Major. Der letztere bleibt ganz und gar aus dem Spiel; desto freier konnen wir mit dem Musikanten umspringen.
Prasident. Als zum Exempel?
Wurm. Nach Dem, was Ew. Excellenz mir von dem Auftritt in seinem Hause gesagt haben, wird nichts leichter sein, als den Vater mit einem Halsproceß zu bedrohen. Die Person des Gunstlings und Siegelbewahrers ist gewissermaßen der Schatten der Majestat--Beleidigungen gegen jenen sind Verletzungen dieser--Wenigstens will ich den armen Schacher mit diesem zusammengeflickten Kobold durch ein Nadelohr jagen.
Prasident. Doch--ernsthaft durfte der Handel nicht werden.
Wurm. Ganz und gar nicht--Nur in so weit, als es nothig ist, die Familie in die Klemme zu treiben--Wir setzen also in aller Stille den Musikus fest--Die Noth um so dringender zu machen, konnte man auch die Mutter mitnehmen,--sprechen von peinlicher Anklage, von Schaffot, von ewiger Festung, und machen den Brief der Tochter zur einzigen Bedingung seiner Befreiung.
Prasident. Gut! Gut! Ich verstehe.
Wurm. Sie liebt ihren Vater--bis zur Leidenschaft, mocht' ich sagen. Die Gefahr seines Lebens--seiner Freiheit zum Mindesten--die Vorwurfe ihres Gewissens, den Anlaß dazu gegeben zu haben--die Unmoglichkeit, den Major zu besitzen--endlich die Betaubung ihres Kopfs, die ich auf mich nehme--es kann nicht fehlen--sie muß in die Falle gehn.
Prasident. Aber mein Sohn? Wird er nicht auf der Stelle Wind davon haben?
Wurm. Das lassen Sie meine Sorge sein, gnadiger Herr--Vater und Mutter werden nicht eher freigelassen, bis die ganze Familie einen korperlichen Eid darauf abgelegt, den ganzen Vorgang geheim zu halten und den Betrug zu bestatigen.
Prasident. Einen Eid? Was wird ein Eid fruchten, Dummkopf?
Wurm. Nichts bei uns, gnadiger Herr! Bei dieser Menschenart Alles--Und sehen Sie nun, wie schon wir Beide auf diese Manier zum Ziele kommen werden--Das Madchen verliert die Liebe des Majors und den Ruf ihrer Tugend. Vater und Mutter ziehen gelindere Saiten auf, und durch und durch weich gemacht von Schicksalen dieser Art, erkennen sie's noch zuletzt fur Erbarmung, wenn ich der Tochter durch meine Hand ihre Reputation wieder gebe.
Prasident (lacht unter Kopfschutteln). Ja, ich gebe mich dir uberwunden, Schurke! Das Geweb' ist satanisch fein. Der Schuler ubertrifft seinen Meister--Nun ist die Frage, an wen das Billet muß gerichtet werden? Mit wem wir sie in Verdacht bringen mussen?
Wurm. Nothwendig mit Jemand, der durch den Entschluß Ihres Sohnes Alles gewinnen oder Alles verlieren muß.
Wurm (nach einigem Nachdenken). Ich weiß nur den Hofmarschall.
Wurm (zuckt die Achseln). Mein Geschmack war' es nun freilich nicht, wenn ich Luise Millerin hieße.
Prasident. Und warum nicht? Wunderlich! Eine blendende Garderobe--Eine Atmosphare von Eau de mille fleurs und Bisam--und jedes alberne Wort eine Handvoll Ducaten--und alles Das sollte die Delicatesse einer burgerlichen Dirne nicht endlich bestechen konnen? O, guter Freund! so scrupulos ist die Eifersucht nicht! Ich schicke zum Marschall. (Klingelt.)
Wurm. Unterdessen, daß Ew. Excellenz dieses und die Gefangennehmung des Geigers besorgen, werd' ich hingehen und den bewußten Liebesbrief aufsetzen.
Prasident (zum Schreibpult gehend). Den Er mir zum Durchlesen heraufbringt, sobald er zu Stand sein wird. (Wurm geht ab. Der Prasident setzt sich zu schreiben; ein Kammerdiener kommt; er steht auf und gibt ihm ein Papier.) Dieser Verhaftsbefehl muß ohne Aufschub in die Gerichte--ein Andrer von euch wird den Hofmarschall zu mir bitten.
Kammerdiener. Der gnadige Herr sind so eben hier angefahren.
Prasident. Noch besser--aber die Anstalten sollen mit Vorsicht getroffen werden, sagt ihr, daß kein Aufstand erfolgt.
Kammerdiener. Sehr wohl, Ihr' Excellenz!
Prasident. Versteht ihr? Ganz in der Stille!
Kammerdiener. Ganz gut, Ihr' Excellenz! (Ab.)
Zweite Scene.
Der Prasident und der Hofmarschall.
Hofmarschall (eilfertig). Nur en passant, mein Bester!--Wie leben Sie? Wie befinden Sie sich?--Heute Abend ist große Opera Dido--das superbeste Feuerwerk--eine ganze Stadt brennt zusammen--Sie sehen sie doch auch brennen? Was?
Prasident. Ich habe Feuerwerk genug in meinem eigenen Hause, das meine ganze Herrlichkeit in die Luft nimmt--Sie kommen erwunscht, lieber Marschall, mir in einer Sache zu rathen, thatig zu helfen, die uns Beide poussiert, oder vollig zu Grund richtet. Setzen Sie sich.
Hofmarschall. Machen Sie mir nicht Angst, mein Sußer.
Prasident. Wie gesagt--poussiert, oder ganz zu Grund richtet. Sie wissen mein Project mit dem Major und der Lady. Sie begreifen auch, wie unentbehrlich es war, unser Beider Gluck zu fixieren. Es kann Alles zusammenfallen, Kalb. Mein Ferdinand will nicht.
Hofmarschall. Will nicht--will nicht--ich hab's ja in der ganzen Stadt schon herumgesagt. Die Mariage ist in Jedermanns Munde.
Prasident. Sie konnen vor der ganzen Stadt als Windmacher dastehen. Er liebt eine Andere.
Hofmarschall. Sie scherzen. Ist das auch wohl ein Hindernis?
Prasident. Bei dem Trotzkopf das unuberwindlichste.
Hofmarschall. Er soll so wahnsinnig sein und sein Fortune von sich stoßen? Was?
Prasident. Fragen Sie ihn das und horen Sie, was er antwortet.
Hofmarschall. Aber, mon Dieu! was kann er denn antworten?
Prasident. Daß er der ganzen Welt das Verbrechen entdecken wolle, wodurch wir gestiegen sind--daß er unsere falschen Briefe und Quittungen angeben--daß er uns Beide ans Messer liefern wolle--das kann er antworten.
Hofmarschall. Sind Sie von Sinnen?
Prasident. Das hat er geantwortet. Das war er schon Willens, ins Werk zu richten--Davon hab' ich ihn kaum noch durch meine hochste Erniedrigung abgebracht. Was wissen Sie hierauf zu sagen?
Hofmarschall (mit einem Schafsgesicht). Mein Verstand steht still.
Prasident. Das konnte noch hingehen. Aber zugleich hinterbringen mir meine Spionen, daß der Oberschenk von Bock auf dem Sprunge sei, um die Lady zu werben.
Hofmarschall. Sie machen mich rasend. Wer sagen Sie? von Bock sagen Sie?--Wissen Sie denn auch, daß wir Todfeinde zusammen sind? Wissen Sie auch, warum wir es sind?
Prasident. Das erste Wort, das ich hore.
Hofmarschall. Bester! Sie werden horen, und aus der Haut werden Sie fahren--Wenn Sie sich noch des Hofballs entsinnen--es geht jetzt ins einundzwanzigste Jahr--wissen Sie, worauf man den ersten Englischen tanzte, und dem Grafen von Meerschaum das heiße Wachs von einem Kronleuchter auf den Domino tropfelte--Ach Gott, das mussen Sie freilich noch wissen!
Prasident. Wer konnte so was vergessen?
Hofmarschall. Sehen Sie! da hatte Prinzessin Amalie in der Hitze des Tanzes ein Strumpfband verloren--Alles kommt, wie befreiflich ist, in Allarm--von Bock und ich--wir waren noch Kammerjunker--wir kriechen durch den ganzen Redoutensaal, das Strumpfband zu suchen--endlich erblick ich's--von Bock merkt's--von Bock darauf zu, reißt es mir aus den Handen--ich bitte Sie!--bringt's der Prinzessin und schnappt mir glucklich das Compliment weg--Was denken Sie?
Prasident. Impertinent!
Hofmarschall. Schnappt mir das Compliment weg--Ich meine in Ohnmacht zu sinken. Eine solche Malice ist gar nicht erlebt worden.--Endlich ermann' ich mich, nahere mich Ihrer Durchlaucht und spreche: Gnadigste Frau! von Bock war so glucklich, Hochstdenenselben das Strumpfband zu uberreichen, aber wer das Strumpfband zuerst erblickte, belohnt sich in der Stille und schweigt.
Prasident. Bravo, Marschall! Bravissimo!
Hofmarschall. Und schweigt--Aber ich werd's dem von Bock bis zum jungsten Gerichte noch nachtragen--der niedertrachtige, kriechende Schmeichler!--Und das war noch nicht genug--wie wir beide zugleich auf das Strumpfband zu Boden fallen, wischt mir von Bock an der rechten Frisur allen Puder weg, und ich bin ruiniert auf den ganzen Ball.
Prasident. Das ist der Mann, der die Milford heirathen und die erste Person am Hof werden wird.
Hofmarschall. Sie stoßen mir ein Messer ins Herz. Wird? wird? Warum wird er? Wo ist die Nothwendigkeit?
Prasident. Weil mein Ferdinand nicht will und sonst Keiner sich meldet.
Hofmarschall. Aber wissen Sie denn gar kein einziges Mittel, den Major zum Entschluß zu bringen?--Sei's auch noch so bizarr, so verzweifelt!--Was in der Welt kann so widrig sein, das uns jetzt nicht willkommen ware, den verhaßten von Bock auszustechen?
Prasident. Ich weiß nur eines, und das bei Ihnen steht.
Hofmarschall. Bei mir steht? Und das ist?
Prasident. Den Major mit seiner Geliebten zu entzweien.
Hofmarschall. Zu entzweien? Wie meinen Sie das?--Und wie mach' ich das?
Prasident. Alles ist gewonnen, sobald wir ihm das Madchen verdachtig machen.
Hofmarschall. Daß sie stehle, meinen Sie?
Prasident. Ach nein doch! Wie glaubte er das?--daß sie es noch mit einem Andern habe.
Hofmarschall. Dieser Andre?
Prasident. Mußten Sie sein, Baron.
Hofmarschall. Ich sein? Ich?--Ist sie von Adel?
Prasident. Wozu das? Welcher Einfall!--Eines Musikanten Tochter.
Hofmarschall. Burgerlich also? Das wird nicht angehen. Was?
Prasident. Was wird nicht angehen? Narrenspossen! Wem unter der Sonne wird es einfallen, ein paar runde Wangen nach dem Stammbaum zu fragen?
Hofmarschall. Aber bedenken Sie doch, ein Ehmann! Und meine Reputation bei Hofe.
Prasident. Das ist was anders. Verzeihen Sie. Ich habe das noch nicht gewußt, daß Ihnen der Mann von unbescholtenen Sitten mehr ist, als der von Einfluß. Wollen wir abbrechen?
Hofmarschall. Seien Sie klug, Baron. Es war ja nicht so verstanden.
Prasident (frostig). Nein--nein! Sie haben vollkommen Recht. Ich bin es auch mude. Ich lasse den Karren stehen. Dem von Bock wunsch' ich Gluck zum Premierminister. Die Welt ist noch anderswo. Ich fordre meine Entlassung vom Herzog.
Hofmarschall. Und ich?--Sie haben gut schwatzen, Sie! Sie sind ein Studierter! Aber ich,--mon Dieu!--was bin dann ich, wenn mich Seine Durchleucht entlassen?
Prasident. Ein Bonmot von vorgestern. Die Mode vom vorigen Jahr.
Hofmarschall. Ich beschwore Sie, Theurer, Goldner!--Ersticken Sie diesen Gedanken! Ich will mir ja Alles gefallen lassen.
Prasident. Wollen Sie Ihren Namen zu einem Rendez-vous hergeben, den Ihnen diese Millerin schriftlich vorschlagen soll?
Hofmarschall. Im Namen Gottes! Ich will ihn hergeben.
Prasident. Und den Brief irgendwo herausfallen lassen, wo er dem Major zu Gesicht kommen muß?
Hofmarschall. Zum Exempel auf der Parade will ich ihn, als von ungefahr, mit dem Schnupftuch heraus schleudern.
Prasident. Und die Rolle ihres Liebhabers gegen den Major behaupten?
Hofmarschall. Mort de ma vie! Ich will ihn schon waschen! Ich will dem Naseweis den Appetit nach meinen Amouren verleiden.
Prasident. Nun geht's nach Wunsch. Der Brief muß noch heute geschrieben sein. Sie mussen vor Abend noch herkommen, ihn abzuholen und Ihre Rolle mit mir zu berichtigen.
Hofmarschall. Sobald ich sechzehn Visiten werde gegeben haben, die von allerhochster Importance sind. Verzeihen Sie also, wenn ich mich ohne Aufschub beurlaube. (Geht.)
Prasident (klingelt). Ich zahle auf Ihre Verschlagenheit, Marschall.
Hofmarschall (ruft zuruck). Ah, mon Dieu!--Sie kennen mich ja.
Dritte Scene.
Der Prasident und Wurm.
Wurm. Der Geiger und seine Frau sind glucklich und ohne alles Gerausch in Verhaft gebracht. Wollen Ew. Excellenz jetzt den Brief uberlesen?
Prasident (nachdem er gelesen). Herrlich! herrlich, Secretar! Auch der Marschall hat angebissen!--Ein Gift wie das mußte die Gesundheit selbst in eiternden Aussatz verwandeln--Nun gleich mit den Vorschlagen zum Vater, und dann warm zu der Tochter. (Gehen ab zu verschiedenen Seiten.)
Vierte Scene.
Zimmer in Millers Wohnung.
Luise und Ferdinand.
Luise. Ich bitte dich, hore auf. Ich glaube an keine glucklichen Tage mehr. Alle meine Hoffnungen sind gesunken.
Ferdinand. So sind die meinigen gestiegen. Mein Vater ist aufgereizt; mein Vater wird alle Geschutze gegen uns richten. Er wird mich zwingen, den unmenschlichen Sohn zu machen. Ich stehe nicht mehr fur meine kindliche Pflicht. Wuth und Verzweiflung werden mir das schwarze Geheimniß seiner Mordthat erpressen. Der Sohn wird den Vater in die Hande des Henkers liefern--Es ist die hochste Gefahr--und die hochste Gefahr mußte da sein, wenn meine Liebe den Riesensprung wagen sollte--Hore, Luise--Ein Gedanke, groß und vermessen wie meine Leidenschaft, drangt sich vor meine Seele--Du, Luise, und ich und die Liebe!--liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? oder brauchst du noch etwas Viertes dazu?
Luise. Brich ab. Nichts mehr. Ich erblasse uber Das, was du sagen willst.
Ferdinand. Haben wir an die Welt keine Forderung mehr, warum denn ihren Beifall erbetteln? Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und Alles verloren werden kann?--Wird dieses Aug nicht eben so schmelzend funkeln, ob es im Rhein oder in der Elbe sich spiegelt, oder im baltischen Meer? Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt. Deine Fußtapfe in wilden, sandigten Wusten mir interessanter, als das Munster in meiner Heimath--Werden wir die Pracht der Stadte vermissen? Wo wir sein mogen, Luise, geht eine Sonne auf, eine unter--Schauspiele, neben welchen der uppigste Schwung der Kunste verblaßt. Werden wir Gott in keinem Tempel mehr dienen, so ziehet die Nacht mit begeisterndem Schauern auf, der wechselnde Mond predigt uns Buße, und eine andachtige Kirche von Sternen betet mit uns. Werden wir uns in Gesprachen der Liebe erschopfen?--Ein Lacheln meiner Luise ist Stoff fur Jahrhunderte, und der Traum des Lebens ist aus, bis ich diese Thrane ergrunde.
Luise. Und hattest du sonst keine Pflicht mehr als deine Liebe?
Ferdinand (sie umarmend). Deine Ruhe ist meine heiligste.
Luise (sehr ernsthaft). So schweig und verlaß mich--Ich habe einen Vater, der kein Vermogen hat, als diese einzige Tochter--der morgen sechzig wird--der der Rache des Prasidenten gewiß ist.-Ferdinand (fallt rasch ein). Der uns begleiten wird. Darum keinen Einwurf mehr, Liebe. Ich gehe, mache meine Kostbarkeiten zu Geld, erhebe Summen auf meinen Vater. Es ist erlaubt, einen Rauber zu plundern, und sind seine Schatze nicht Blutgeld des Vaterlands?--Schlag ein Uhr um Mitternacht wird ein Wagen hier anfahren. Ihr werft euch hinein. Wir fliehen.
Luise. Und der Fluch deines Vaters uns nach?--ein Fluch, Unbesonnener, den auch Morder nie ohne Erhorung aussprechen, den die Rache des Himmels auch dem Dieb auf dem Rade halt, der uns Fluchtlinge unbarmherzig wie ein Gespenst von Meer zu Meer jagen wurde?--Nein, mein Geliebter! Wenn nur ein Frevel dich mir erhalten kann, so hab' ich noch Starke, dich zu verlieren.
Ferdinand (steht still und murmelt duster). Wirklich?
Luise. Verlieren!--O, ohne Grenzen entsetzlich ist der Gedanke--graßlich genug, den unsterblichen Geist zu durchbohren und die gluhende Wange der Freude zu bleichen--Ferdinand! dich zu verlieren! Doch, man verliert ja nur, was man besessen hat, und dein Herz gehort deinem Stande--Mein Anspruch war Kirchenraub, und schaudernd geb' ich ihn auf.
Ferdinand (das Gesicht verzerrt und an der Unterlippe nagend). Gibst du ihn auf.
Luise. Nein! Sieh mich an, lieber Walter. Nicht so bitter die Zahne geknirscht. Komm! Laß mich jetzt deinen sterbenden Muth durch mein Beispiel beleben. Laß mich die Heldin dieses Augenblicks sein--einem Vater den entflohenen Sohn wieder schenken--einem Bundniß entsagen, das die Fugen der Burgerwelt auseinander treiben und die allgemeine ewige Ordnung zu Grund sturzen wurde--Ich bin die Verbrecherin--mit frechen, thorigten Wunschen hat sich mein Busen getragen--mein Ungluck ist meine Strafe, so laß mir doch jetzt die suße, schmeichelnde Tauschung, daß es mein Opfer war--Wirst du mir diese Wollust mißgonnen?
Ferdinand (hat in der Zerstreuung und Wuth eine Violine ergriffen und auf derselben zu spielen versucht--Jetzt zerreißt er die Saiten, zerschmettert das Instrument auf dem Boden und bricht in ein lautes Gelachter aus).
Luise. Walter! Gott im Himmel! Was soll das?--Ermanne dich! --Fassung verlangt diese Stunde--es ist eine trennende. Du hast ein Herz, lieber Walter. Ich kenne es.--Warm wie das Leben ist deine Liebe, und ohne Schranken wie das Unermeßliche--Schenke sie einer Edeln und Wurdigern--sie wird die Glucklichste ihres Geschlechts nicht beneiden--(Thranen unterdruckend.) Mich sollst du nicht mehr sehn--Das eitle betrogene Madchen verweine seinen Gram in einsamen Mauern, um seine Thranen wird sich Niemand bekummern--Leer und erstorben ist meine Zukunft--Doch werd' ich noch je und je am verwelkten Strauß der Vergangenheit riechen. (Indem sie ihm mit abgewandtem Gesicht ihre zitternde Hand gibt.) Leben Sie wohl, Herr von Walter.
Ferdinand (springt aus seiner Betaubung auf). Ich entfliehe, Luise. Willst du mir wirklich nicht folgen?
Luise (hat sich im Hintergrund des Zimmers niedergesetzt und halt das Gesicht mit beiden Handen bedeckt). Meine Pflicht heißt mich bleiben und dulden.
Ferdinand. Schlange, du lugst. Dich fesselt was anders hier.
Luise (im Ton des tiefsten inwendigen Leidens). Bleiben Sie bei dieser Vermuthung--sie macht vielleicht weniger elend.
Ferdinand. Kalte Pflicht gegen feurige Liebe!--Und mich soll das Marchen blenden? Ein Liebhaber fesselt dich, und Weh uber dich und ihn, wenn mein Verdacht sich bestatigt. (Geht schnell ab.)
Funfte Scene.
Luise allein.--(Sie bleibt noch eine Zeit lang ohne Bewegung und stumm in dem Sessel liegen, endlich steht sie auf, kommt vorwarts und sieht furchtsam herum.)
Wo meine Eltern bleiben?--Mein Vater versprach, in wenigen Minuten zuruck zu sein, und schon sind funf volle furchterliche Stunden voruber--Wenn ihm ein Unfall--wie wird mir?--Warum geht mein Odem so angstlich?
(Jetzt tritt Wurm in das Zimmer und bleibt im Hintergrund stehen, ohne von ihr bemerkt zu werden.)
Es ist nichts Wirkliches--Es ist nichts als das schaudernde Gaukelspiel des erhitzten Gebluths--Hat unsre Seele nur einmal Entsetzen genug in sich getrunken, so wird das Aug in jedem Winkel Gespenster sehn.
Sechste Scene.
Luise und Secretar Wurm.
Wurm (kommt naher). Guten Abend, Jungfer.
Luise. Gott! Wer spricht da? (Sie dreht sich um, wird den Secretar gewahr und tritt erschrocken zuruck.) Schrecklich! Schrecklich! Meiner angstlichen Ahnung eilt schon die ungluckseligste Erfullung nach. (Zum Secretar mit einem Blick voll Verachtung.) Suchen Sie etwa den Prasidenten? Er ist nicht mehr da.
Wurm. Jungfer, ich suche Sie.
Luise. So muß ich mich wundern, daß Sie nicht nach dem Marktplatz gingen.
Wurm. Warum eben dahin?
Luise. Ihre Braut von der Schaubuhne abzuholen.
Wurm. Mamsell Millerin, Sie haben einen falschen Verdacht-Luise (unterdruckt eine Antwort). Was steht Ihnen zu Diensten?
Wurm. Ich komme, geschickt von Ihrem Vater.
Luise (besturzt). Von meinem Vater?--Wieder ist mein Vater?
Wurm. Wo er nicht gern ist.
Luise. Um Gotteswillen! Geschwind! Mich befallt eine uble Ahnung--Wo ist mein Vater?
Wurm. Im Thurm, wenn Sie es ja wissen wollen.
Luise (mit einem Blick zum Himmel). Das noch! Das auch noch!--Im Thurm? Und warum im Thurm?
Wurm. Auf Befehl des Herzogs.
Luise. Des Herzogs?
Wurm. Der die Verletzung der Majestat in der Person seines Stellvertreters-Luise. Was? was? O ewige Allmacht!
Wurm. Auffallend zu ahnden beschlossen hat.
Luise. Das war noch ubrig! Das!--Freilich, freilich, mein Herz hatte noch außer dem Major etwas Theures--das durfte nicht ubergangen werden--Verletzung der Majestat--Himmlische Vorsicht! Rette! o rette meinen sinkenden Glauben!--Und Ferdinand?
Wurm. Wahlt Lady Milford, oder Fluch und Enterbung.
Luise. Entsetzliche Freiheit!--Und doch--doch ist er glucklicher. Er hat keinen Vater zu verlieren. Zwar keinen haben, ist Verdammniß genug!--Mein Vater auf Verletzung der Majestat--mein Geliebter die Lady oder Fluch und Enterbung--Wahrlich bewundernswerth! Eine vollkommene Buberei ist auch eine Vollkommenheit--Vollkommenheit? Nein! dazu fehlt noch etwas--Wo ist meine Mutter?
Wurm. Im Spinnhaus.
Luise (mit schmerzvollem Lacheln). Jetzt ist es vollig!--Vollig, und jetzt war' ich ja frei--Abgeschalt von allen Pflichten--und Thranen--und Freuden. Abgeschalt von der Vorsicht. Ich brauch' sie ja nicht mehr--(Schreckliches Stillschweigen.) Haben Sie vielleicht noch eine Zeitung? Reden Sie immerhin. Jetzt kann ich Alles horen.
Wurm. Was geschehen ist, wissen Sie. |
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