2014년 10월 30일 목요일

Kabale und Liebe 3

Kabale und Liebe 3


Luise (aufmerksam).  Diese Frage verstehe ich nicht ganz.

Prasident (mit beißendem Lachen).  Nicht?  Nun! ich meine nur--Jedes
Handwerk hat, wie man sagt, einen goldenen Boden--auch Sie, hoff' ich,
wird Ihre Gunst nicht verschenkt haben--oder war's Ihr vielleicht
mit dem bloßen Verschluß gedient?  Wie?

Ferdinand (fahrt wie rasend auf).  Holle! was war das?

Luise (zum Major mit Wurde und Unwillen).  Herr von Walter, jetzt
sind Sie frei.

Ferdinand.  Vater!  Ehrfurcht befiehlt die Tugend auch im
Bettlerkleid.

Prasident (lacht lauter).  Eine lustige Zumuthung!  Der Vater soll
die Hure des Sohns respectieren.

Luise (sturzt nieder).  O Himmel und Erde!

Ferdinand (mit Luisen zu gleicher Zeit, indem er den Degen nach dem
Prasidenten zuckt, den er aber schnell wieder sinken laßt).  Vater!
Sie hatten einmal ein Leben an mich zu fordern--Es ist bezahlt.  (Den
Degen einsteckend.)  Der Schuldbrief der kindlichen Pflicht liegt
zerrissen da-Miller (der bis jetzt furchtsam auf der Seite gestanden,
tritt hervor in Bewegung, wechselweis vor Wuth mit den Zahnen
knirschend und vor Angst damit klappernd): Euer Excellenz--Das Kind
ist des Vaters Arbeit--Halten zu Gnaden--Wer das Kind eine Mahre
schilt, schlagt den Vater ans Ohr, und Ohrfeig um Ohrfeig--Das ist so
Tax bei uns--Halten zu Gnaden.

Frau.  Hilf, Herr und Heiland!--Jetzt bricht auch der Alte los--uber
unserm Kopf wird das Wetter zusammenschlagen.

Prasident (der es nur halb gehort hat).  Regt sich der Kuppler
auch?--Wir sprechen uns gleich, Kuppler.

Miller.  Halten zu Gnaden.  Ich heiße Miller, wenn Sie ein Adagio
horen wollen--mit Buhlschaften dien' ich nicht.  So lang der Hof da
noch Vorrath hat, kommt die Lieferung nicht an uns Burgersleut'.
Halten zu Gnaden.

Frau.  Um des Himmels willen, Mann!  Du bringst Weib und Kind um.

Ferdinand.  Sie spielen hier eine Rolle, mein Vater, wobei Sie sich
wenigstens die Zeugen hatten ersparen konnen.

Miller (kommt ihm naher, herzhafter).  Deutsch und verstandlich.
Halten zu Gnaden.  Euer Excellenz schalten und walten im Land.  Das
ist meine Stube.  Mein devotestes Compliment, wenn ich dermaleins ein
pro memoria bringe, aber den ungehobelten Gast werf' ich zur Thur
hinaus--Halten zu Gnaden.

Prasident (vor Wuth blaß).  Was?--Was ist das?  (Tritt naher.)

Miller (zieht sich sachte zuruck).  Das war nur so meine Meinung,
Herr--Halten zu Gnaden.

Prasident (in Flammen).  Ha, Spitzbube!  Ins Zuchthaus spricht dich
deine vermessene Meinung--Fort!  Man soll Gerichtsdiener holen.
(Einige vom Gefolge gehen ab; der Prasident rennt voll Wuth durch das
Zimmer.)  Vater ins Zuchthaus--an den Pranger Mutter und Metze von
Tochter!--Die Gerechtigkeit soll meiner Wuth ihre Arme borgen.  Fur
diesen Schimpf muß ich schreckliche Genugthuung haben--Ein solches
Gesindel sollte meine Plane zerschlagen und ungestraft Vater und Sohn
aneinander hetzen?--Ha, Verflucht!  Ich will meinen Haß an eurem
Untergang sattigen, die ganze Brut, Vater, Mutter und Tochter, will
ich meiner brennenden Rache opfern.

Ferdinand (tritt gelassen und standhaft unter sie hin).  O nicht doch!
Seit außer Furcht!  Ich bin zugegen.  (Zum Prasidenten mit
Unterwurfigkeit.)  Keine Ubereilung, mein Vater!  Wenn Sie sich selbst
lieben, keine Gewaltthatigkeit!--Es gibt eine Gegend in meinem Herzen,
worin das Wort Vater noch nie gehort worden ist--Dringen Sie nicht
bis in diese.

Prasident.  Nichtswurdiger!  Schweig!  Reize meinen Grimm nicht noch
mehr!

Miller (kommt aus einer dumpfen Betaubung zu sich selbst).
Schau du nach deinem Kinde, Frau.  Ich laufe zum Herzog--Der
Leibschneider--das hat mir Gott eingeblasen!--der Leibschneider
lernt die Flote bei mir.  Es kann mir nicht fehlen beim Herzog.
(Er will gehen.)

Prasident.  Beim Herzog, sagst du?--Hast du vergessen, daß ich die
Schwelle bin, woruber du springen oder den Hals brechen mußt?--Beim
Herzog, du Dummkopf?--Versuch' es, wenn du, lebendig todt, eine
Thurmhohe tief, unter dem Boden im Kerker liegst, wo die Nacht mit
der Holle liebaugelt und Schall und Licht wieder umkehren.  Raßle
dann mit deinen Ketten und wimmre: Mir ist zu viel geschehen.



Siebente Scene.

Gerichtsdiener.  Die Vorigen.


Ferdinand (eilt auf Luisen zu, die ihm halb todt in die Arme fallt).
Luise!  Hilfe!  Rettung!  Der Schrecken uberwaltigt sie!

Miller (ergreift sein spanisches Rohr, setzt den Hut auf und macht
sich zum Angriff gefaßt).

Frau (wirft sich auf die Kniee vor dem Prasident).

Prasident (zu den Gerichtsdienern, seinen Orden entbloßend).  Legt
Hand an, im Namen des Herzogs--Weg von der Metze, Junge--Ohnmachtig
oder nicht--wenn sie nur erst das eiserne Halsband um hat, wird man
sie schon mit Steinwurfen aufwecken.

Frau.  Erbarmung, Ihro Excellenz!  Erbarmung!  Erbarmung!

Miller (reißt seine Frau in die Hohe).  Knie vor Gott! alte Heulhure,
und nicht vor--Schelmen, weil ich ja doch schon ins Zuchthaus muß.

Prasident (beißt die Lippen).  Du kannst dich verrechnen, Bube.  Es
stehen noch Galgen leer!  (Zu den Gerichtsdienern.)  Muß ich es noch
einmal sagen?

Gerichtsdiener (dringen auf Luisen ein).

Ferdinand (springt an ihr auf und stellt sich vor sie, grimmig).  Wer
will was?  (Er zieht den Degen sammt der Scheide und wehrt sich mit
dem Gefaß.)  Wag' es, sie anzuruhren, wer nicht auch die Hirnschale an
die Gerichte vermiethet hat.  (Zum Prasident.)  Schonen Sie Ihrer
selbst!  Treiben Sie mich nicht weiter, mein Vater.

Prasident (drohend zu den Gerichtsdienern).  Wenn euch euer Brod lieb
ist, Memmen-Gerichtsdiener (greifen Luisen wieder an).

Ferdinand.  Tod und alle Teufel!  Ich sage: Zuruck!--Noch einmal!
Haben Sie Erbarmen mit sich selbst.  Treiben Sie mich nicht aufs
Außerste, Vater.

Prasident (aufgebracht zu den Gerichtsdienern).  Ist das euer
Diensteifer, Schurken?

Gerichtsdiener (greifen hitziger an).

Ferdinand.  Wenn es denn sein muß (indem er den Degen zieht und
einige von denselben verwundet), so verzeih mir, Gerechtigkeit!

Prasident (voll Zorn).  Ich will doch sehen, ob auch ich diesen Degen
fuhle.  (Er faßt Luisen selbst, zerrt sie in die Hohe und ubergibt
sie einem Gerichtsknecht.)

Ferdinand (lacht erbittert).  Vater, Vater!  Sie machen hier ein
beißendes Pasquill auf die Gottheit, die sich so ubel auf ihre Leute
verstund und aus vollkommenen Henkersknechten schlechte Minister
machte.

Prasident (zu den Ubrigen).  Fort mit ihr!

Ferdinand.  Vater, sie soll an den Pranger stehen, aber mit dem Major,
des Prasidenten Sohn--Bestehen Sie noch darauf?

Prasident.  Desto possierlicher wird das Spektakel--Fort!

Ferdinand.  Vater, ich werfe meinen Officiersdegen auf das Madchen.
--Bestehen Sie noch darauf?

Prasident.  Das Porte-Epee ist an deiner Seite des Prangerstehens
gewohnt worden--Fort!  Fort!  Ihr wißt meinen Willen.

Ferdinand (druckt einen Gerichtsdiener weg, faßt Luisen an einem Arm,
mit dem andern zuckt er den Degen auf sie).  Vater!  Eh Sie meine
Gemahlin beschimpfen, durchstoß' ich sie--Bestehen Sie noch darauf?

Prasident.  Thu' es, wenn deine Klinge noch spitzig ist.

Ferdinand (laßt Luisen fahren und blickt furchterlich zum Himmel).
Du, Allmachtiger, bist Zeuge!  Kein menschliches Mittel ließ ich
unversucht--ich muß zu einem teuflischen schreiten--Ihr fuhrt sie zum
Pranger fort, unterdessen (dem Prasidenten ins Ohr rufend) erzahl'
ich der Residenz eine Geschichte, wie man Prasident wird.  (Ab.)

Prasident (wie vom Blitz geruhrt).  Was ist das?--Ferdinand--Laßt sie
ledig!  (Er eilt dem Major nach.)




Dritter Akt.

Saal beim Prasidenten.



Erste Scene.

Der Prasident und Sekretar Wurm kommen.


Prasident.  Der Streich war verwunscht.

Wurm.  Wie ich befurchtete, gnadiger Herr.  Zwang erbittert die
Schwarmer immer, aber bekehrt sie nie.

Prasident.  Ich hatte mein bestes Vertrauen in diesen Anschlag
gesetzt.  Ich urtheilte so: Wenn das Madchen beschimpft wird, muß er,
als Officier, zurucktreten.

Wurm.  Ganz vortrefflich.  Aber zum Beschimpfen hatt' es auch kommen
sollen.

Prasident.  Und doch--wenn ich es jetzt mit kaltem Blut
uberdenke--Ich hatte mich nicht sollen eintreiben lassen--Es war eine
Drohung, woraus er wohl nimmermehr Ernst gemacht hatte.

Wurm.  Das denken Sie ja nicht.  Der gereizten Leidenschaft ist keine
Thorheit zu bunt.  Sie sagen mir, der Herr Major habe immer den Kopf
zu Ihrer Regierung geschuttelt.  Ich glaub's.  Die Grundsatze, die er
aus Akademien hieher brachte, wollten mir gleich nicht recht
einleuchten.  Was sollten auch die phantastischen Traumereien von
Seelengroße und personlichem Adel an einem Hof, wo die großte
Weisheit diejenige ist, im rechten Tempo, auf eine geschickte Art,
groß und klein zu sein!  Er ist zu jung und zu feurig, um Geschmack
am langsamen, krummen Gang der Kabale zu finden, und nichts wird
seine Ambition in Bewegung setzen, als was groß ist und abenteuerlich.

Prasident (verdrießlich).  Aber was wird diese wohlweise Anmerkung an
unserm Handel verbessern?

Wurm.  Wie wird Ew.  Excellenz auf die Wunde hinweisen, und auch
vielleicht auf den Verband.  Einen solchen Charakter--erlauben
Sie--hatte man entweder nie zum Vertrauten, oder niemals zum Feind
machen sollen.  Er verabscheut das Mittel, wodurch Sie gestiegen sind.
Vielleicht war es bis jetzt nur der Sohn, der die Zunge des
Verrathers band.  Geben Sie ihm Gelegenheit, jenen rechtmaßig
abzuschutteln; machen Sie ihn durch wiederholte Sturme auf seine
Leidenschaft glauben, daß Sie der zartliche Vater nicht sind, so
dringen die Pflichten des Patrioten bei ihm vor.  Ja, schon allein
die seltsame Phantasie, der Gerechtigkeit ein so merkwurdiges Opfer
zu bringen, konnte Reiz genug fur ihn haben, selbst seinen Vater zu
sturzen.

Prasident.  Wurm--Wurm--Er fuhrt mich da vor einen entsetzlichen
Abgrund.

Wurm.  Ich will Sie zuruckfuhren, gnadiger Herr.  Darf ich freimuthig
reden?

Prasident (indem er sich niedersetzt).  Wie ein Verdammter zum
Mitverdammten.

Wurm.  Also verzeihen Sie--Sie haben, dunkt mich, der biegsamen
Hofkunst den ganzen Prasidenten zu danken, warum vertrauen Sie ihr
nicht auch den Vater an?  Ich besinne mich, mit welcher Offenheit Sie
Ihren Vorganger damals zu einer Partie Piquet beredeten und bei ihm
die halbe Nacht mit freundschaftlichem Burgunder hinwegschwemmten,
und das war doch die namliche Nacht, wo die große Mine losgehen und
den guten Mann in die Luft blasen sollte--Warum zeigten Sie Ihrem
Sohne den Feind?  Nimmermehr hatte dieser erfahren sollen, daß ich um
seine Liebesangelegenheit wisse.  Sie hatten den Roman von Seiten des
Madchens unterhohlt und das Herz Ihres Sohnes behalten.  Sie hatten
den klugen General gespielt, der den Feind nicht am Kern seiner
Truppen faßt, sondern Spaltungen unter den Gliedern stiftet.

Prasident.  Wie war das zu machen?

Wurm.  Auf die einfachste Art--und die Karten sind noch nicht ganz
vergeben.  Unterdrucken Sie eine Zeit lang, daß Sie Vater sind.
Messen Sie sich mit einer Leidenschaft nicht, die jeder Widerstand
nur machtiger machte--Uberlassen Sie es mir, an ihrem eigenen Feuer
den Wurm auszubruten, der sie zerfrißt.

Prasident.  Ich bin begierig.

Wurm.  Ich mußte mich schlecht auf den Barometer der Seele verstehen,
oder der Herr Major ist in der Eifersucht schrecklich, wie in der
Liebe.  Machen Sie ihm das Madchen verdachtig--Wahrscheinlich oder
nicht.  Ein Gran Hefe reicht hin, die ganze Masse in eine zerstorende
Gahrung zu jagen.

Prasident.  Aber woher diesen Gran nehmen?

Wurm.  Da sind wir auf dem Punkt--vor allen Dingen, gnadiger Herr,
erklaren Sie sich mir, wie viel Sie bei der ferneren Weigerung des
Majors auf dem Spiel haben--in welchem Grade es Ihnen wichtig ist,
den Roman mit dem Burgermadchen zu endigen und die Verbindung mit
Lady Milford zu Stand zu bringen?

Prasident.  Kann Er noch fragen, Wurm?--Mein ganzer Einfluß ist in
Gefahr, wenn die Partie mit der Lady zuruckgeht, und wenn ich den
Major zwinge, mein Hals.

Wurm (munter).  Jetzt haben Sie die Gnade und horen--Den Herrn Major
umspinnen wir mit List.  Gegen das Madchen nehmen wir Ihre ganze
Gewalt zu Hilfe.  Wir dictieren ihr ein Billetdoux an eine dritte
Person in die Feder und spielen das mit guter Art dem Major in die
Hande.

Prasident.  Toller Einfall!  Als ob sie sich so geschwind hin
bequemen wurde, ihr eigenes Todesurtheil zu schreiben?

Wurm.  Sie muß, wenn Sie mir freie Hand lassen wollen.  Ich kenne das
gute Herz auf und nieder.  Sie hat nicht mehr als zwo todtliche
Seiten, durch welche wir ihre Gewissen besturmen konnen--ihren Vater
und den Major.  Der letztere bleibt ganz und gar aus dem Spiel; desto
freier konnen wir mit dem Musikanten umspringen.

Prasident.  Als zum Exempel?

Wurm.  Nach Dem, was Ew.  Excellenz mir von dem Auftritt in
seinem Hause gesagt haben, wird nichts leichter sein, als den
Vater mit einem Halsproceß zu bedrohen.  Die Person des
Gunstlings und Siegelbewahrers ist gewissermaßen der Schatten
der Majestat--Beleidigungen gegen jenen sind Verletzungen
dieser--Wenigstens will ich den armen Schacher mit diesem
zusammengeflickten Kobold durch ein Nadelohr jagen.

Prasident.  Doch--ernsthaft durfte der Handel nicht werden.

Wurm.  Ganz und gar nicht--Nur in so weit, als es nothig ist, die
Familie in die Klemme zu treiben--Wir setzen also in aller Stille den
Musikus fest--Die Noth um so dringender zu machen, konnte man auch
die Mutter mitnehmen,--sprechen von peinlicher Anklage, von Schaffot,
von ewiger Festung, und machen den Brief der Tochter zur einzigen
Bedingung seiner Befreiung.

Prasident.  Gut!  Gut!  Ich verstehe.

Wurm.  Sie liebt ihren Vater--bis zur Leidenschaft, mocht' ich sagen.
Die Gefahr seines Lebens--seiner Freiheit zum Mindesten--die
Vorwurfe ihres Gewissens, den Anlaß dazu gegeben zu haben--die
Unmoglichkeit, den Major zu besitzen--endlich die Betaubung ihres
Kopfs, die ich auf mich nehme--es kann nicht fehlen--sie muß in die
Falle gehn.

Prasident.  Aber mein Sohn?  Wird er nicht auf der Stelle Wind davon
haben?

Wurm.  Das lassen Sie meine Sorge sein, gnadiger Herr--Vater und
Mutter werden nicht eher freigelassen, bis die ganze Familie einen
korperlichen Eid darauf abgelegt, den ganzen Vorgang geheim zu halten
und den Betrug zu bestatigen.

Prasident.  Einen Eid?  Was wird ein Eid fruchten, Dummkopf?

Wurm.  Nichts bei uns, gnadiger Herr!  Bei dieser Menschenart
Alles--Und sehen Sie nun, wie schon wir Beide auf diese Manier zum
Ziele kommen werden--Das Madchen verliert die Liebe des Majors und
den Ruf ihrer Tugend.  Vater und Mutter ziehen gelindere Saiten auf,
und durch und durch weich gemacht von Schicksalen dieser Art,
erkennen sie's noch zuletzt fur Erbarmung, wenn ich der Tochter durch
meine Hand ihre Reputation wieder gebe.

Prasident (lacht unter Kopfschutteln).  Ja, ich gebe mich dir
uberwunden, Schurke!  Das Geweb' ist satanisch fein.  Der Schuler
ubertrifft seinen Meister--Nun ist die Frage, an wen das Billet muß
gerichtet werden?  Mit wem wir sie in Verdacht bringen mussen?

Wurm.  Nothwendig mit Jemand, der durch den Entschluß Ihres Sohnes
Alles gewinnen oder Alles verlieren muß.

Wurm (nach einigem Nachdenken).  Ich weiß nur den Hofmarschall.

Wurm (zuckt die Achseln).  Mein Geschmack war' es nun freilich nicht,
wenn ich Luise Millerin hieße.

Prasident.  Und warum nicht?  Wunderlich!  Eine blendende
Garderobe--Eine Atmosphare von Eau de mille fleurs und Bisam--und
jedes alberne Wort eine Handvoll Ducaten--und alles Das sollte die
Delicatesse einer burgerlichen Dirne nicht endlich bestechen konnen?
O, guter Freund! so scrupulos ist die Eifersucht nicht!  Ich schicke
zum Marschall.  (Klingelt.)

Wurm.  Unterdessen, daß Ew.  Excellenz dieses und die Gefangennehmung
des Geigers besorgen, werd' ich hingehen und den bewußten Liebesbrief
aufsetzen.

Prasident (zum Schreibpult gehend).  Den Er mir zum Durchlesen
heraufbringt, sobald er zu Stand sein wird.  (Wurm geht ab.  Der
Prasident setzt sich zu schreiben; ein Kammerdiener kommt; er steht
auf und gibt ihm ein Papier.)  Dieser Verhaftsbefehl muß ohne Aufschub
in die Gerichte--ein Andrer von euch wird den Hofmarschall zu mir
bitten.

Kammerdiener.  Der gnadige Herr sind so eben hier angefahren.

Prasident.  Noch besser--aber die Anstalten sollen mit Vorsicht
getroffen werden, sagt ihr, daß kein Aufstand erfolgt.

Kammerdiener.  Sehr wohl, Ihr' Excellenz!

Prasident.  Versteht ihr?  Ganz in der Stille!

Kammerdiener.  Ganz gut, Ihr' Excellenz!  (Ab.)



Zweite Scene.

Der Prasident und der Hofmarschall.


Hofmarschall (eilfertig).  Nur en passant, mein Bester!--Wie leben
Sie?  Wie befinden Sie sich?--Heute Abend ist große Opera Dido--das
superbeste Feuerwerk--eine ganze Stadt brennt zusammen--Sie sehen sie
doch auch brennen?  Was?

Prasident.  Ich habe Feuerwerk genug in meinem eigenen Hause, das
meine ganze Herrlichkeit in die Luft nimmt--Sie kommen erwunscht,
lieber Marschall, mir in einer Sache zu rathen, thatig zu helfen, die
uns Beide poussiert, oder vollig zu Grund richtet.  Setzen Sie sich.

Hofmarschall.  Machen Sie mir nicht Angst, mein Sußer.

Prasident.  Wie gesagt--poussiert, oder ganz zu Grund richtet.  Sie
wissen mein Project mit dem Major und der Lady.  Sie begreifen auch,
wie unentbehrlich es war, unser Beider Gluck zu fixieren.  Es kann
Alles zusammenfallen, Kalb.  Mein Ferdinand will nicht.

Hofmarschall.  Will nicht--will nicht--ich hab's ja in der ganzen
Stadt schon herumgesagt.  Die Mariage ist in Jedermanns Munde.

Prasident.  Sie konnen vor der ganzen Stadt als Windmacher dastehen.
Er liebt eine Andere.

Hofmarschall.  Sie scherzen.  Ist das auch wohl ein Hindernis?

Prasident.  Bei dem Trotzkopf das unuberwindlichste.

Hofmarschall.  Er soll so wahnsinnig sein und sein Fortune von sich
stoßen?  Was?

Prasident.  Fragen Sie ihn das und horen Sie, was er antwortet.

Hofmarschall.  Aber, mon Dieu! was kann er denn antworten?

Prasident.  Daß er der ganzen Welt das Verbrechen entdecken wolle,
wodurch wir gestiegen sind--daß er unsere falschen Briefe und
Quittungen angeben--daß er uns Beide ans Messer liefern wolle--das
kann er antworten.

Hofmarschall.  Sind Sie von Sinnen?

Prasident.  Das hat er geantwortet.  Das war er schon Willens, ins
Werk zu richten--Davon hab' ich ihn kaum noch durch meine hochste
Erniedrigung abgebracht.  Was wissen Sie hierauf zu sagen?

Hofmarschall (mit einem Schafsgesicht).  Mein Verstand steht still.

Prasident.  Das konnte noch hingehen.  Aber zugleich hinterbringen
mir meine Spionen, daß der Oberschenk von Bock auf dem Sprunge sei,
um die Lady zu werben.

Hofmarschall.  Sie machen mich rasend.  Wer sagen Sie? von Bock sagen
Sie?--Wissen Sie denn auch, daß wir Todfeinde zusammen sind?  Wissen
Sie auch, warum wir es sind?

Prasident.  Das erste Wort, das ich hore.

Hofmarschall.  Bester!  Sie werden horen, und aus der Haut werden Sie
fahren--Wenn Sie sich noch des Hofballs entsinnen--es geht jetzt ins
einundzwanzigste Jahr--wissen Sie, worauf man den ersten Englischen
tanzte, und dem Grafen von Meerschaum das heiße Wachs von einem
Kronleuchter auf den Domino tropfelte--Ach Gott, das mussen Sie
freilich noch wissen!

Prasident.  Wer konnte so was vergessen?

Hofmarschall.  Sehen Sie! da hatte Prinzessin Amalie in der Hitze des
Tanzes ein Strumpfband verloren--Alles kommt, wie befreiflich ist, in
Allarm--von Bock und ich--wir waren noch Kammerjunker--wir kriechen
durch den ganzen Redoutensaal, das Strumpfband zu suchen--endlich
erblick ich's--von Bock merkt's--von Bock darauf zu, reißt es mir aus
den Handen--ich bitte Sie!--bringt's der Prinzessin und schnappt mir
glucklich das Compliment weg--Was denken Sie?

Prasident.  Impertinent!

Hofmarschall.  Schnappt mir das Compliment weg--Ich meine in Ohnmacht
zu sinken.  Eine solche Malice ist gar nicht erlebt worden.--Endlich
ermann' ich mich, nahere mich Ihrer Durchlaucht und spreche:
Gnadigste Frau! von Bock war so glucklich, Hochstdenenselben das
Strumpfband zu uberreichen, aber wer das Strumpfband zuerst erblickte,
belohnt sich in der Stille und schweigt.

Prasident.  Bravo, Marschall!  Bravissimo!

Hofmarschall.  Und schweigt--Aber ich werd's dem von Bock bis zum
jungsten Gerichte noch nachtragen--der niedertrachtige, kriechende
Schmeichler!--Und das war noch nicht genug--wie wir beide zugleich
auf das Strumpfband zu Boden fallen, wischt mir von Bock an der
rechten Frisur allen Puder weg, und ich bin ruiniert auf den ganzen
Ball.

Prasident.  Das ist der Mann, der die Milford heirathen und die erste
Person am Hof werden wird.

Hofmarschall.  Sie stoßen mir ein Messer ins Herz.  Wird? wird?
Warum wird er?  Wo ist die Nothwendigkeit?

Prasident.  Weil mein Ferdinand nicht will und sonst Keiner sich
meldet.

Hofmarschall.  Aber wissen Sie denn gar kein einziges Mittel, den
Major zum Entschluß zu bringen?--Sei's auch noch so bizarr, so
verzweifelt!--Was in der Welt kann so widrig sein, das uns jetzt
nicht willkommen ware, den verhaßten von Bock auszustechen?

Prasident.  Ich weiß nur eines, und das bei Ihnen steht.

Hofmarschall.  Bei mir steht?  Und das ist?

Prasident.  Den Major mit seiner Geliebten zu entzweien.

Hofmarschall.  Zu entzweien?  Wie meinen Sie das?--Und wie mach' ich
das?

Prasident.  Alles ist gewonnen, sobald wir ihm das Madchen verdachtig
machen.

Hofmarschall.  Daß sie stehle, meinen Sie?

Prasident.  Ach nein doch!  Wie glaubte er das?--daß sie es noch mit
einem Andern habe.

Hofmarschall.  Dieser Andre?

Prasident.  Mußten Sie sein, Baron.

Hofmarschall.  Ich sein?  Ich?--Ist sie von Adel?

Prasident.  Wozu das?  Welcher Einfall!--Eines Musikanten Tochter.

Hofmarschall.  Burgerlich also?  Das wird nicht angehen.  Was?

Prasident.  Was wird nicht angehen?  Narrenspossen!  Wem unter der
Sonne wird es einfallen, ein paar runde Wangen nach dem Stammbaum zu
fragen?

Hofmarschall.  Aber bedenken Sie doch, ein Ehmann!  Und meine
Reputation bei Hofe.

Prasident.  Das ist was anders.  Verzeihen Sie.  Ich habe das noch
nicht gewußt, daß Ihnen der Mann von unbescholtenen Sitten mehr ist,
als der von Einfluß.  Wollen wir abbrechen?

Hofmarschall.  Seien Sie klug, Baron.  Es war ja nicht so verstanden.

Prasident (frostig).  Nein--nein!  Sie haben vollkommen Recht.  Ich
bin es auch mude.  Ich lasse den Karren stehen.  Dem von Bock wunsch'
ich Gluck zum Premierminister.  Die Welt ist noch anderswo.  Ich
fordre meine Entlassung vom Herzog.

Hofmarschall.  Und ich?--Sie haben gut schwatzen, Sie!  Sie sind ein
Studierter!  Aber ich,--mon Dieu!--was bin dann ich, wenn mich Seine
Durchleucht entlassen?

Prasident.  Ein Bonmot von vorgestern.  Die Mode vom vorigen Jahr.

Hofmarschall.  Ich beschwore Sie, Theurer, Goldner!--Ersticken Sie
diesen Gedanken!  Ich will mir ja Alles gefallen lassen.

Prasident.  Wollen Sie Ihren Namen zu einem Rendez-vous hergeben, den
Ihnen diese Millerin schriftlich vorschlagen soll?

Hofmarschall.  Im Namen Gottes!  Ich will ihn hergeben.

Prasident.  Und den Brief irgendwo herausfallen lassen, wo er dem
Major zu Gesicht kommen muß?

Hofmarschall.  Zum Exempel auf der Parade will ich ihn, als von
ungefahr, mit dem Schnupftuch heraus schleudern.

Prasident.  Und die Rolle ihres Liebhabers gegen den Major behaupten?

Hofmarschall.  Mort de ma vie!  Ich will ihn schon waschen!  Ich will
dem Naseweis den Appetit nach meinen Amouren verleiden.

Prasident.  Nun geht's nach Wunsch.  Der Brief muß noch heute
geschrieben sein.  Sie mussen vor Abend noch herkommen, ihn abzuholen
und Ihre Rolle mit mir zu berichtigen.

Hofmarschall.  Sobald ich sechzehn Visiten werde gegeben haben, die
von allerhochster Importance sind.  Verzeihen Sie also, wenn ich mich
ohne Aufschub beurlaube.  (Geht.)

Prasident (klingelt).  Ich zahle auf Ihre Verschlagenheit, Marschall.

Hofmarschall (ruft zuruck).  Ah, mon Dieu!--Sie kennen mich ja.



Dritte Scene.

Der Prasident und Wurm.


Wurm.  Der Geiger und seine Frau sind glucklich und ohne alles
Gerausch in Verhaft gebracht.  Wollen Ew.  Excellenz jetzt den Brief
uberlesen?

Prasident (nachdem er gelesen).  Herrlich! herrlich, Secretar!  Auch
der Marschall hat angebissen!--Ein Gift wie das mußte die Gesundheit
selbst in eiternden Aussatz verwandeln--Nun gleich mit den
Vorschlagen zum Vater, und dann warm zu der Tochter.  (Gehen ab zu
verschiedenen Seiten.)



Vierte Scene.

Zimmer in Millers Wohnung.

Luise und Ferdinand.


Luise.  Ich bitte dich, hore auf.  Ich glaube an keine glucklichen
Tage mehr.  Alle meine Hoffnungen sind gesunken.

Ferdinand.  So sind die meinigen gestiegen.  Mein Vater ist
aufgereizt; mein Vater wird alle Geschutze gegen uns richten.  Er
wird mich zwingen, den unmenschlichen Sohn zu machen.  Ich stehe
nicht mehr fur meine kindliche Pflicht.  Wuth und Verzweiflung werden
mir das schwarze Geheimniß seiner Mordthat erpressen.  Der Sohn wird
den Vater in die Hande des Henkers liefern--Es ist die hochste
Gefahr--und die hochste Gefahr mußte da sein, wenn meine Liebe den
Riesensprung wagen sollte--Hore, Luise--Ein Gedanke, groß und
vermessen wie meine Leidenschaft, drangt sich vor meine Seele--Du,
Luise, und ich und die Liebe!--liegt nicht in diesem Zirkel der ganze
Himmel? oder brauchst du noch etwas Viertes dazu?

Luise.  Brich ab.  Nichts mehr.  Ich erblasse uber Das, was du sagen
willst.

Ferdinand.  Haben wir an die Welt keine Forderung mehr, warum denn
ihren Beifall erbetteln?  Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und
Alles verloren werden kann?--Wird dieses Aug nicht eben so schmelzend
funkeln, ob es im Rhein oder in der Elbe sich spiegelt, oder im
baltischen Meer?  Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt.  Deine
Fußtapfe in wilden, sandigten Wusten mir interessanter, als das
Munster in meiner Heimath--Werden wir die Pracht der Stadte
vermissen?  Wo wir sein mogen, Luise, geht eine Sonne auf, eine
unter--Schauspiele, neben welchen der uppigste Schwung der Kunste
verblaßt.  Werden wir Gott in keinem Tempel mehr dienen, so ziehet
die Nacht mit begeisterndem Schauern auf, der wechselnde Mond predigt
uns Buße, und eine andachtige Kirche von Sternen betet mit uns.
Werden wir uns in Gesprachen der Liebe erschopfen?--Ein Lacheln
meiner Luise ist Stoff fur Jahrhunderte, und der Traum des Lebens ist
aus, bis ich diese Thrane ergrunde.

Luise.  Und hattest du sonst keine Pflicht mehr als deine Liebe?

Ferdinand (sie umarmend).  Deine Ruhe ist meine heiligste.

Luise (sehr ernsthaft).  So schweig und verlaß mich--Ich habe einen
Vater, der kein Vermogen hat, als diese einzige Tochter--der morgen
sechzig wird--der der Rache des Prasidenten gewiß ist.-Ferdinand
(fallt rasch ein).  Der uns begleiten wird.  Darum keinen Einwurf
mehr, Liebe.  Ich gehe, mache meine Kostbarkeiten zu Geld, erhebe
Summen auf meinen Vater.  Es ist erlaubt, einen Rauber zu plundern,
und sind seine Schatze nicht Blutgeld des Vaterlands?--Schlag ein Uhr
um Mitternacht wird ein Wagen hier anfahren.  Ihr werft euch hinein.
Wir fliehen.

Luise.  Und der Fluch deines Vaters uns nach?--ein Fluch,
Unbesonnener, den auch Morder nie ohne Erhorung aussprechen, den die
Rache des Himmels auch dem Dieb auf dem Rade halt, der uns
Fluchtlinge unbarmherzig wie ein Gespenst von Meer zu Meer jagen
wurde?--Nein, mein Geliebter!  Wenn nur ein Frevel dich mir erhalten
kann, so hab' ich noch Starke, dich zu verlieren.

Ferdinand (steht still und murmelt duster).  Wirklich?

Luise.  Verlieren!--O, ohne Grenzen entsetzlich ist der
Gedanke--graßlich genug, den unsterblichen Geist zu durchbohren und
die gluhende Wange der Freude zu bleichen--Ferdinand! dich zu
verlieren!  Doch, man verliert ja nur, was man besessen hat, und dein
Herz gehort deinem Stande--Mein Anspruch war Kirchenraub, und
schaudernd geb' ich ihn auf.

Ferdinand (das Gesicht verzerrt und an der Unterlippe nagend).  Gibst
du ihn auf.

Luise.  Nein!  Sieh mich an, lieber Walter.  Nicht so bitter die
Zahne geknirscht.  Komm!  Laß mich jetzt deinen sterbenden Muth durch
mein Beispiel beleben.  Laß mich die Heldin dieses Augenblicks
sein--einem Vater den entflohenen Sohn wieder schenken--einem Bundniß
entsagen, das die Fugen der Burgerwelt auseinander treiben und die
allgemeine ewige Ordnung zu Grund sturzen wurde--Ich bin die
Verbrecherin--mit frechen, thorigten Wunschen hat sich mein Busen
getragen--mein Ungluck ist meine Strafe, so laß mir doch jetzt die
suße, schmeichelnde Tauschung, daß es mein Opfer war--Wirst du mir
diese Wollust mißgonnen?

Ferdinand (hat in der Zerstreuung und Wuth eine Violine ergriffen und
auf derselben zu spielen versucht--Jetzt zerreißt er die Saiten,
zerschmettert das Instrument auf dem Boden und bricht in ein lautes
Gelachter aus).

Luise.  Walter!  Gott im Himmel!  Was soll das?--Ermanne dich!
--Fassung verlangt diese Stunde--es ist eine trennende.  Du hast ein
Herz, lieber Walter.  Ich kenne es.--Warm wie das Leben ist deine
Liebe, und ohne Schranken wie das Unermeßliche--Schenke sie einer
Edeln und Wurdigern--sie wird die Glucklichste ihres Geschlechts
nicht beneiden--(Thranen unterdruckend.)  Mich sollst du nicht mehr
sehn--Das eitle betrogene Madchen verweine seinen Gram in einsamen
Mauern, um seine Thranen wird sich Niemand bekummern--Leer und
erstorben ist meine Zukunft--Doch werd' ich noch je und je am
verwelkten Strauß der Vergangenheit riechen.  (Indem sie ihm mit
abgewandtem Gesicht ihre zitternde Hand gibt.)  Leben Sie wohl, Herr
von Walter.

Ferdinand (springt aus seiner Betaubung auf).  Ich entfliehe, Luise.
Willst du mir wirklich nicht folgen?

Luise (hat sich im Hintergrund des Zimmers niedergesetzt und halt das
Gesicht mit beiden Handen bedeckt).  Meine Pflicht heißt mich bleiben
und dulden.

Ferdinand.  Schlange, du lugst.  Dich fesselt was anders hier.

Luise (im Ton des tiefsten inwendigen Leidens).  Bleiben Sie bei
dieser Vermuthung--sie macht vielleicht weniger elend.

Ferdinand.  Kalte Pflicht gegen feurige Liebe!--Und mich soll das
Marchen blenden?  Ein Liebhaber fesselt dich, und Weh uber dich und
ihn, wenn mein Verdacht sich bestatigt.  (Geht schnell ab.)



Funfte Scene.

Luise allein.--(Sie bleibt noch eine Zeit lang ohne Bewegung und
stumm in dem Sessel liegen, endlich steht sie auf, kommt vorwarts und
sieht furchtsam herum.)


Wo meine Eltern bleiben?--Mein Vater versprach, in wenigen Minuten
zuruck zu sein, und schon sind funf volle furchterliche Stunden
voruber--Wenn ihm ein Unfall--wie wird mir?--Warum geht mein Odem so
angstlich?

(Jetzt tritt Wurm in das Zimmer und bleibt im Hintergrund stehen,
ohne von ihr bemerkt zu werden.)

Es ist nichts Wirkliches--Es ist nichts als das schaudernde
Gaukelspiel des erhitzten Gebluths--Hat unsre Seele nur einmal
Entsetzen genug in sich getrunken, so wird das Aug in jedem Winkel
Gespenster sehn.



Sechste Scene.

Luise und Secretar Wurm.


Wurm (kommt naher).  Guten Abend, Jungfer.

Luise.  Gott!  Wer spricht da?  (Sie dreht sich um, wird den Secretar
gewahr und tritt erschrocken zuruck.)  Schrecklich!  Schrecklich!
Meiner angstlichen Ahnung eilt schon die ungluckseligste Erfullung
nach.  (Zum Secretar mit einem Blick voll Verachtung.)  Suchen Sie
etwa den Prasidenten?  Er ist nicht mehr da.

Wurm.  Jungfer, ich suche Sie.

Luise.  So muß ich mich wundern, daß Sie nicht nach dem Marktplatz
gingen.

Wurm.  Warum eben dahin?

Luise.  Ihre Braut von der Schaubuhne abzuholen.

Wurm.  Mamsell Millerin, Sie haben einen falschen Verdacht-Luise
(unterdruckt eine Antwort).  Was steht Ihnen zu Diensten?

Wurm.  Ich komme, geschickt von Ihrem Vater.

Luise (besturzt).  Von meinem Vater?--Wieder ist mein Vater?

Wurm.  Wo er nicht gern ist.

Luise.  Um Gotteswillen!  Geschwind!  Mich befallt eine uble
Ahnung--Wo ist mein Vater?

Wurm.  Im Thurm, wenn Sie es ja wissen wollen.

Luise (mit einem Blick zum Himmel).  Das noch!  Das auch noch!--Im
Thurm?  Und warum im Thurm?

Wurm.  Auf Befehl des Herzogs.

Luise.  Des Herzogs?

Wurm.  Der die Verletzung der Majestat in der Person seines
Stellvertreters-Luise.  Was? was?  O ewige Allmacht!

Wurm.  Auffallend zu ahnden beschlossen hat.

Luise.  Das war noch ubrig!  Das!--Freilich, freilich, mein Herz
hatte noch außer dem Major etwas Theures--das durfte nicht ubergangen
werden--Verletzung der Majestat--Himmlische Vorsicht!  Rette! o rette
meinen sinkenden Glauben!--Und Ferdinand?

Wurm.  Wahlt Lady Milford, oder Fluch und Enterbung.

Luise.  Entsetzliche Freiheit!--Und doch--doch ist er glucklicher.
Er hat keinen Vater zu verlieren.  Zwar keinen haben, ist Verdammniß
genug!--Mein Vater auf Verletzung der Majestat--mein Geliebter die
Lady oder Fluch und Enterbung--Wahrlich bewundernswerth!  Eine
vollkommene Buberei ist auch eine Vollkommenheit--Vollkommenheit?
Nein! dazu fehlt noch etwas--Wo ist meine Mutter?

Wurm.  Im Spinnhaus.

Luise (mit schmerzvollem Lacheln).  Jetzt ist es vollig!--Vollig, und
jetzt war' ich ja frei--Abgeschalt von allen Pflichten--und
Thranen--und Freuden.  Abgeschalt von der Vorsicht.  Ich brauch' sie
ja nicht mehr--(Schreckliches Stillschweigen.)  Haben Sie vielleicht
noch eine Zeitung?  Reden Sie immerhin.  Jetzt kann ich Alles horen.

Wurm.  Was geschehen ist, wissen Sie.

댓글 없음: