Luise. Also nicht, was noch kommen wird? (Wiederum Pause, worin sie den Secretar von oben bis unten ansieht.) Armer Mensch! du treibst ein trauriges Handwerk, wobei du unmoglich selig werden kannst. Ungluckliche machen, ist schon schrecklich genug, aber graßlich ist's, es ihnen verkundigen--ihn vorzusingen, den Eulengesang, dabei stehn, wenn das blutende Herz am eisernen Schaft der Nothwendigkeit zittert und Christen an Gott zweifeln--Der Himmel bewahre mich! Und wurde dir jeder Angsttropfe, den du fallen siehst, mit einer Tonne Golds aufgewogen--ich mochte nicht du sein--Was kann noch geschehen?
Wurm. Ich weiß nicht.
Luise. Sie wollen nicht wissen?--Diese lichtscheue Bothschaft furchtet das Gerausch der Worte, aber in der Grabesstille Ihres Gesichts zeigt sich mir das Gespenst--Was ist noch ubrig?--Sie sagten vorhin, der Herzog wollte es auffallend ahnden? Was nennen Sie auffallend?
Wurm. Fragen Sie nichts mehr.
Luise. Hore, Mensch! Du gingst beim Henker zur Schule. Wie verstundest du sonst, das Eisen erst langsam bedachtlich an den knirschenden Gelenken hinaufzufuhren und das zuckende Herz mit dem Streich der Erbarmung zu necken?--Welches Schicksal wartet auf meinen Vater? Es ist Tod in Dem, was du lachend sagst; wie mag Das aussehen, was du an dich haltst? Sprich es aus. Laß mich sie auf einmal haben, die ganze zermalmende Ladung. Was wartet auf meinen Vater?
Wurm. Ein Criminal-Proceß.
Luise. Was ist aber das?--Ich bin ein unwissendes, unschuldiges Ding, verstehe mich wenig auf eure furchterlichen lateinischen Worter. Was heißt Criminal-Proceß?
Wurm. Gericht um Leben und Tod.
Luise (standhaft). So dank' ich Ihnen! (Sie eilt schnell in ein Seitenzimmer.)
Wurm (steht betroffen da). Wo will das hinaus! Sollte die Narrin etwa?--Teufel! Sie wird doch nicht--Ich eile nach--ich muß fur ihr Leben burgen. (Im Begriff, ihr zu folgen.)
Luise (kommt zuruck, einen Mantel umgeworfen). Verzeihen Sie, Secretar. Ich schließe das Zimmer.
Wurm. Und wohin denn so eilig?
Luise. Zum Herzog. (Will fort.)
Wurm. Was? Wo hin? (Er halt sie erschrocken zuruck.)
Luise. Zum Herzog. Horen Sie nicht? Zu eben dem Herzog, der meinen Vater auf Tod und Leben will richten lassen--Nein! nicht will--muß richten lassen, weil einige Boswichter wollen; der zu dem ganzen Proceß der beleidigten Majestat nichts hergibt, als eine Majestat und seine furstliche Handschrift.
Wurm (lacht uberlaut). Zum Herzog!
Luise. Ich weiß, woruber Sie lachen--aber ich will ja auch kein Erbarmen dort finden--Gott bewahre mich! nur Ekel--Ekel nur an meinem Geschrei. Man hat mir gesagt, daß die Großen der Welt noch nicht belehrt sind, was Elend ist--nicht wollen belehrt sein. Ich will ihm sagen, was Elend ist--will es ihm vormalen in allen Verzerrungen des Todes, was Elend ist--will es ihm vorheulen in Mark und Bein zermalmenden Tonen, was Elend ist--und wenn ihm jetzt uber der Beschreibung die Haare zu Berge fliegen, will ich ihm noch zum Schluß in die Ohren schrei'n, daß in der Sterbestunde auch die Lungen der Erdengotter zu rocheln anfangen und das jungste Gericht Majestaten und Bettler in dem namlichen Siebe ruttelt. (Sie will gehen.)
Wurm (boshaft freundlich). Gehen Sie, o gehen Sie ja. Sie konnen wahrlich nichts Klugeres thun. Ich rathe es Ihnen, gehen Sie, und ich gebe Ihnen mein Wort, daß der Herzog willfahren wird.
Luise (steht plotzlich still). Wie sagen Sie?--Sie rathen mir selbst dazu? (Kommt schnell zuruck.) Hm! Was will ich denn? Etwas Abscheuliches muß es sein, weil dieser Mensch dazu rathet--Woher wissen Sie, daß der Furst mir willfahren wird?
Wurm. Weil er es nicht wird umsonst thun durfen.
Luise. Nicht umsonst? Welchen Preis kann er auf eine Menschlichkeit setzen?
Wurm. Die schone Supplicantin ist Preises genug.
Luise (bleibt erstarrt stehen, dann mit brechendem Laut). Allgerechter!
Wurm. Und einen Vater werden Sie doch, will ich hoffen, um diese gnadige Taxe nicht uberfordert finden?
Luise (auf und ab, außer Fassung). Ja! ja! Es ist wahr! Sie sind verschanzt, eure Großen--verschanzt vor der Wahrheit hinter ihre eigenen Laster, wie hinter Schwerter der Cherubim--Helfe dir der Allmachtige, Vater! Deine Tochter kann fur dich sterben, aber nicht sundigen.
Wurm. Das mag ihm wohl eine Neuigkeit sein, dem armen verlassenen Mann--"Meine Luise," sagte er mir, "hat mich zu Boden geworfen. Meine Luise wird mich auch aufrichten."--Ich eile, Mamsell, ihm die Antwort zu bringen. (Stellt sich, als ob er ginge.)
Luise (eilt ihm nach, halt ihn zuruck). Bleiben Sie! bleiben Sie! Geduld! Wie flink dieser Satan ist, wenn es gilt, Menschen rasend zu machen!--Ich hab' ihn niedergeworfen. Ich muß ihn aufrichten. Reden Sie! Rathen Sie! Was kann ich? was muß ich thun?
Wurm. Es ist nur ein Mittel.
Luise. Dieses einzige Mittel?
Wurm. Auch Ihr Vater wunscht-Luise. Auch mein Vater?--Was ist das fur ein Mittel?
Wurm. Es ist Ihnen leicht.
Luise. Ich kenne nichts Schwereres, als die Schande.
Wurm. Wenn Sie den Major wieder frei machen wollen.
Luise. Von seiner Liebe? Spotten Sie meiner?--Das meiner Willkur zu uberlassen, wozu ich gezwungen ward?
Wurm. So ist es nicht gemeint, liebe Jungfer. Der Major muß zuerst und freiwillig zurucktreten.
Luise. Er wird nicht.
Wurm. So scheint es. Wurde man denn wohl seine Zuflucht zu Ihnen nehmen, wenn nicht Sie allein dazu helfen konnten?
Luise. Kann ich ihn zwingen, daß er mich hassen muß?
Wurm. Wir wollen versuchen. Setzen Sie sich.
Luise (betreten). Mensch! Was brutest du?
Wurm. Setzen Sie sich. Schreiben Sie! Hier ist Feder, Papier und Dinte.
Luise (setzt sich in hochster Beunruhigung). Was soll ich schreiben? An wen soll ich schreiben?
Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
Luise. Ha! du verstehst dich darauf, Seelen auf die Folter zu schrauben. (Ergreift die Feder.)
Wurm (dictiert). "Gnadiger Herr"-Luise (schreibt mit zitternder Hand).
Wurm. "Schon drei unertragliche Tage sind voruber--sind voruber--und wir sahen uns nicht"
Luise (stutzt, legt die Feder weg). An wen ist der Brief?
Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
Luise. O mein Gott!
Wurm. "Halten Sie sich deßwegen an den Major--an den Major--der mich den ganzen Tag wie ein Argus hutet"
Luise (springt auf). Buberei, wie noch keine erhort worden! An wen ist der Brief?
Wurm. An den Henker Ihres Vaters.
Luise (die Hande ringend, auf und nieder). Nein! nein! nein! das ist tyrannisch, o Himmel! Strafe Menschen menschlich, wenn sie dich reizen, aber warum mich zwischen zwei Schrecknisse pressen? Warum zwischen Tod und Schande mich hin und her wiegen? Warum diesen blutsaugenden Teufel mir auf den Nacken setzen?--Macht, was ihr wollt. Ich schreibe das nimmermehr.
Wurm (greift nach dem Hut). Wie Sie wollen, Mademoiselle! Das steht ganz in Ihrem Belieben.
Luise. Belieben, sagen Sie? In meinem Belieben?--Geh, Barbar! Hange einen Unglucklichen uber dem Abgrund der Holle aus, bitt' ihn um etwas, und lastre Gott, und frag' ihn, ob es ihm beliebe?--O du weißt allzu gut, daß unser Herz an naturlichen Trieben so fest als an Ketten liegt--Nunmehr ist Alles gleich. Dictieren Sie weiter! Ich denke nichts mehr. Ich weiche der uberlistenden Holle. (Sie setzt sich zum zweitenmal.)
Wurm. "Den ganzen Tag wie ein Argus hutet"--Haben Sie das?
Luise. Weiter! weiter!
Wurm. "Wir haben gestern den Prasidenten im Haus gehabt. Es war possierlich zu sehen, wie der gute Major um meine Ehre sich wehrte"-Luise. O schon, schon! o herrlich!--Nur immer fort.
Wurm. "Ich nahm meine Zuflucht zu einer Ohnmacht--zu einer Ohnmacht--daß ich nicht laut lachte"
Luise. O Himmel!
Wurm. "Aber bald wird mir meine Maske unertraglich--unertraglich--Wenn ich nur loskommen konnte"-Luise (halt inne, steht auf, geht auf und nieder, den Kopf gesenkt, als suchte sie was auf dem Boden; dann setzt sie sich wiederum, schreibt weiter). "Loskommen konnte"
Wurm. "Morgen hat er den Dienst--Passen Sie ab, wenn er von mir geht, und kommen an den bewußten Ort"--Haben Sie "bewußten?"
Luise. Ich habe Alles!
Wurm. "An den bewußten Ort zu Ihrer zartlichen.... Luise"
Luise. Nun fehlt die Adresse noch.
Wurm. "An Herrn Hofmarschall von Kalb."
Luise. Ewige Vorsicht! Ein Name, so fremd meinen Ohren, als meinem Herzen diese schandlichen Zeilen. (Sie steht auf und betrachtet eine große Pause lang mit starrem Blick das Geschriebene, endlich reicht sie es dem Secretar mit erschopfter, hinsterbender Stimme.) Nehmen Sie, mein Herr. Es ist mein ehrlicher Name--es ist Ferdinand--es ist die ganze Wonne meines Lebens, was ich jetzt in Ihre Hande gebe--Ich bin eine Bettlerin.
Wurm. O nein doch! Verzagen Sie nicht, liebe Mademoiselle. Ich habe herzliches Mitleid mit Ihnen. Vielleicht--wer weiß?--Ich konnte mich noch wohl uber gewisse Dinge hinwegsetzen--Wahrlich! Bei Gott! Ich habe Mitleid mit Ihnen.
Luise (blickt ihn starr und durchdringend an). Reden Sie nicht aus, mein Herr. Sie sind auf dem Wege, sich etwas Entsetzliches zu wunschen.
Wurm (im Begriff, ihre Hand zu kussen). Gesetzt, es ware diese niedliche Hand--Wie so, liebe Jungfer?
Luise (groß und schrecklich). Weil ich dich in der Brautnacht erdrosselte und mich dann mit Wollust aufs Rad flechten ließe. (Sie will gehen, kommt aber schnell zuruck.) Sind wir jetzt fertig, mein Herr? Darf die Taube nun fliegen?
Wurm. Nur noch die Kleinigkeit, Jungfer. Die mussen mit mir und das Sacrament darauf nehmen, diesen Brief fur einen freiwilligen zu erkennen.
Luise. Gott! Gott! und du selbst mußt das Siegel geben, die Werke der Holle zu verwahren? (Wurm zieht sie fort.)
Vierter Akt.
Erste Scene.
Saal beim Prasidenten.
Ferdinand von Walter, einen offenen Brief in der Hand, kommt sturmisch durch eine Thure, durch eine andere ein Kammerdiener.
Ferdinand. War kein Marschall da?
Kammerdiener. Herr Major, der Herr Prasident fragt nach Ihnen.
Ferdinand. Alle Donner! Ich frag', war kein Marschall da?
Kammerdiener. Der gnadige Herr sitzt oben am Pharotisch.
Ferdinand. Der gnadige Herr soll im Namen der ganzen Holle daher kommen. (Kammerdiener geht.)
Zweite Scene.
Ferdinand allein, den Brief durchfliegend, bald erstarrend, bald wuthend herumsturzend.
Es ist nicht moglich! nicht moglich! Diese himmlische Hulle versteckt kein so teuflisches Herz--Und doch! doch! Wenn alle Engel herunter stiegen, fur ihre Unschuld burgten--wenn Himmel und Erde, wenn Schopfung und Schopfer zusammentraten, fur ihre Unschuld burgten--es ist ihre Hand--Ein unerhorter, ungeheurer Betrug, wie die Menschheit noch keinen erlebte!--Das also war's, warum man sich so beharrlich der Flucht widersetzt!--Darum--o Gott! jetzt erwach' ich, jetzt enthullt sich mir Alles!--Darum gab man seinen Anspruch auf meine Liebe mit so viel Heldenmuth auf, und bald, bald hatte selbst mich die himmlische Schminke betrogen!
(Er sturzt rascher durchs Zimmer, dann steht er wieder nachdenkend still.)
Mich so ganz zu ergrunden!--Jedes kuhne Gefuhl, jede leise schuchterne Bebung zu erwiedern, jede feurige Wallung--An der feinsten Unbeschreiblichkeit eines schwebenden Lauts meine Seele zu fassen--Mich zu berechnen in einer Thrane--Auf jeden gahen Gipfel der Leidenschaft mich zu begleiten, mir zu begegnen vor jedem schwindelnden Absturz--Gott! Gott! und alles Das nichts als Grimasse?--Grimasse? O, wenn die Luge eine so haltbare Farbe hat, wie ging es zu, daß sich kein Teufel noch in das Himmelreich hineinlog?
Da ich ihr die Gefahr unsrer Liebe entdeckte, mit welch uberzeugender Tauschung erblaßte die Falsche da! Mit welch siegender Wurde schlug sie den frechen Hohn meines Vaters zu Boden, und in eben dem Augenblick fuhlte das Weib sich doch schuldig!--Was? hielt sie nicht selbst die Feuerprobe der Wahrheit aus--die Heuchlerin sinkt in Ohnmacht. Welche Sprache wirst du jetzt fuhren, Empfindung? Auch Koketten sinken in Ohnmacht. Womit wirst du dich rechtfertigen, Unschuld?--Auch Metzen sinken in Ohnmacht.
Sie weiß, was sie aus mir gemacht hat. Sie hat meine ganze Seele gesehen. Mein Herz trat beim Errothen des ersten Kusses sichtbar in meine Augen--und sie empfand nichts? empfand vielleicht nur den Triumph ihrer Kunst?--Da mein glucklicher Wahnsinn den ganzen Himmel in ihr zu umspannen wahnte, meine wildesten Wunsche schwiegen--vor meinem Gemuth stand kein Gedanke, als die Ewigkeit und das Madchen--Gott! da empfand sie nichts? fuhlte nichts, als ihren Anschlag gelungen? nichts, als ihre Reize geschmeichelt? Tod und Rache! Nichts! als daß ich betrogen sei?
Dritte Scene.
Der Hofmarschall und Ferdinand.
Hofmarschall (ins Zimmer trippelnd). Sie haben den Wunsch blicken lassen, mein Bester-Ferdinand (vor sich hinmurmelnd). Einem Schurken den Hals zu brechen. (Laut.) Marschall, dieser Brief muß Ihnen bei der Parade aus der Tasche gefallen sein--und ich (mit boshaftem Lachen) war zum Gluck noch der Finder.
Hofmarschall. Sie?
Ferdinand. Durch den lustigsten Zufall. Machen Sie's mit der Allmacht aus.
Hofmarschall. Sie sehen, wie ich erschrecke, Baron.
Ferdinand. Lesen Sie! Lesen Sie! (Von ihm weggehend.) Bin ich auch schon zum Liebhaber zu schlecht, vielleicht lass' ich mich desto besser als Kuppler an.
(Wahrend Jener liest, tritt er zur Wand und nimmt zwei Pistolen herunter.)
Hofmarschall (wirft den Brief auf den Tisch und will sich davon machen). Verflucht!
Ferdinand (fuhrt ihn am Arm zuruck). Geduld, lieber Marschall. Die Zeitungen dunken mich angenehm. Ich will meinen Finderlohn haben. (Hier zeigt er ihm die Pistolen.)
Hofmarschall (tritt besturzt zuruck). Sie werden vernunftig sein, Bester.
Ferdinand (mit starker, schrecklicher Stimme). Mehr als zu viel, um einen Schelmen, wie du bist, in jene Welt zu schicken! (Er dringt ihm die eine Pistole auf, zugleich zieht er sein Schnupftuch.) Nehmen Sie! Dieses Schnupftuch da fassen Sie!--Ich hab's von der Buhlerin.
Hofmarschall. Uber dem Schnupftuch? Rasen Sie? Wohin denken Sie?
Ferdinand. Faß dieses End' an, sag' ich! sonst wirst du ja fehl schießen, Memme!--Wie sie zittert, die Memme! Du solltest Gott danken, Memme, daß du zum ersten Mal etwas in deinen Hirnkasten kriegst. (Hofmarschall macht sich auf die Beine.) Sachte! dafur wird gebeten sein. (Er uberholt ihn und riegelt die Thur.)
Hofmarschall. Auf dem Zimmer, Baron?
Ferdinand. Als ob sich mit dir ein Gang vor den Wall verlohnte?--Schatz, so knallt's desto lauter, und das ist ja doch wohl das erste Gerausch, das du in der Welt machst--Schlag an!
Hofmarschall (wischt sich die Stirn). Und Sie wollen Ihr kostbares Leben so aussetzen, junger, hoffnungsvoller Mann?
Ferdinand. Schlag an, sag' ich. Ich habe nichts mehr in dieser Welt zu thun.
Hofmarschall. Aber ich desto mehr, mein Allervortrefflichster.
Ferdinand. Du, Bursche? Was, du?--Der Nothnagel zu sein, wo die Menschen sich rar machen? In einem Augenblick siebenmal kurz und siebenmal lang zu werden, wie der Schmetterling an der Nadel? Ein Register zu fuhren uber die Stuhlgange deines Herrn und der Miethgaul seines Witzes zu sein? Eben so gut, ich fuhre dich, wie irgend ein seltenes Murmelthier mit mir. Wie ein zahmer Affe sollst du zum Geheul der Verdammten tanzen, apportieren und aufwarten und mit deinen hofischen Kunsten die ewige Verzweiflung belustigen.
Hofmarschall. Was Sie befehlen, Herr! wie Sie belieben--Nur die Pistolen weg!
Ferdinand. Wie er dasteht, der Schmerzenssohn!--Dasteht dem sechsten Schopfungstag zum Schimpfe! Als wenn ihn ein Tubinger Buchhandler dem Allmachtigen nachgedruckt hatte!--Schade nur, ewig Schade fur die Unze Gehirn, die so schlecht in diesem undankbaren Schadel wuchert. Diese einzige Unze hatte dem Pavian noch vollends zum Menschen geholfen, da sie jetzt nur einen Bruch von Vernunft macht--Und mit Diesem ihr Herz zu theilen?--Ungeheuer! Unverantwortlich!--Einem Kerl, mehr gemacht, von Sunden zu entwohnen, als dazu anzureizen.
Hofmarschall. O! Gott sei ewig Dank! Er wird witzig.
Ferdinand. Ich will ihn gelten lassen. Die Toleranz, die der Raupe schont, soll auch Diesem zu gute kommen. Man begegnet ihm, zuckt etwa die Achsel, bewundert vielleicht noch die kluge Wirthschaft des Himmels, der auch mit Trabern und Bodensatz noch Creaturen speist; der dem Raben am Hochgericht und einem Hofling im Schlamme der Majestaten den Tisch deckt--Zuletzt erstaunt man noch uber die große Polizei der Vorsicht, die auch in der Geisterwelt ihre Blindschleichen und Taranteln zur Ausfuhr des Gifts besoldet--Aber (indem seine Wuth sich erneuert) an meine Blume soll mir das Ungeziefer nicht kriechen, oder ich will es (den Marschall fassend und unsanft herumschuttelnd) so, und so, und wieder so durcheinander quetschen.
Hofmarschall (fur sich hinseufzend). O mein Gott! Wer hier weg ware! Hundert Meilen von hier, im Bicetre zu Paris, nur bei Diesem nicht!
Ferdinand. Bube! Wenn sie nicht rein mehr ist? Bube! wenn du genossest, wo ich anbetete? (wuthender) Schwelgtest, wo ich einen Gott mich fuhlte. (Plotzlich schweigt er, darauf furchterlich.) Dir ware besser, Bube, du flohest der Holle zu, als daß dir mein Zorn im Himmel begegnete!--Wie weit kamst du mit dem Madchen? Bekenne!
Hofmarschall. Lassen Sie mich los. Ich will Alles verrathen.
Ferdinand. O! es muß reizender sein, mit diesem Madchen zu buhlen, als mit andern noch so himmlisch zu schwarmen--Wollte sie ausschweifen, wollte sie, sie konnte den Werth der Seele herunterbringen und die Tugend mit der Wollust verfalschen. (Dem Marschall die Pistole aufs Herz druckend.) Wie weit kamst du mit ihr? Ich drucke ab, oder bekenne!
Hofmarschall. Es ist nichts--ist ja Alles nichts. Haben Sie nur eine Minute Geduld. Sie sind ja betrogen.
Ferdinand. Und daran mahnst du mich, Bosewicht?--Wie weit kamst du mit ihr? Du bist des Todes, oder bekenne!
Hofmarschall. Mon Dieu! Mein Gott! Ich spreche ja--so horen Sie doch nur--Ihr Vater--Ihr eigener, leiblicher Vater-Ferdinand (grimmiger). Hat seine Tochter an dich verkuppelt? Und wie weit kamst du mit ihr? Ich ermorde dich, oder bekenne!
Hofmarschall. Sie rasen. Sie horen nicht. Ich sah sie nie. Ich kenne sie nicht. Ich weiß gar nichts von ihr.
Ferdinand (zurucktretend). Du sahst sie nie? Kennst sie nicht? Weißt gar nichts von ihr?--Die Miller ist ist verloren um deinetwillen; die leugnest sie dreimal in einem Athem hinweg?--Fort, schlechter Kerl! (Er gibt ihm mit der Pistole einen Streich und stoßt ihn aus dem Zimmer.) Fur deines Gleichen ist kein Pulver erfunden!
Vierte Scene.
Ferdinand nach einem langen Stillschweigen, worin seine Zuge einen schrecklichen Gedanken entwickeln.
Verloren! ja, Ungluckselige!--Ich bin es. Du bist es auch. Ja, bei dem großen Gott! wenn ich verloren bin, bist du es auch! Richter der Welt! Fordre sie mir nicht ab! Das Madchen ist mein. Ich trat dir deine ganze Welt fur das Madchen ab, habe Verzicht gethan auf deine ganze herrliche Schopfung. Laß mir das Madchen.--Richter der Welt! dort winseln Millionen Seelen nach dir--dorthin kehre das Auge deines Erbarmens--mich laß allein machen, Richter der Welt! (Indem er schrecklich die Hande faltet.) Sollte der reiche, vermogende Schopfer mit einer Seele geizen, die noch dazu die schlechteste seiner Schopfung ist?--Das Madchen ist mein! Ich einst ihr Gott, jetzt ihr Teufel!
(Die Augen graß in einen Winkel geworfen.)
Eine Ewigkeit mit ihr auf ein Rad der Verdammniß geflochten--Augen in Augen wurzelnd--Haare zu Berge stehend gegen Haare--auch unser hohles Wimmern in eins geschmolzen--und jetzt zu wiederholen meine Zartlichkeiten und jetzt ihr vorzusingen ihre Schwure--Gott! Gott! die Vermahlung ist furchterlich--aber ewig! (Er will schnell hinaus. Der Prasident tritt herein.)
Funfte Scene.
Der Prasident und Ferdinand.
Ferdinand (zurucktretend). O!--mein Vater!
Prasident. Sehr gut, daß wir uns finden, mein Sohn. Ich komme, dir etwas Angenehmes zu verkundigen, und etwas, lieber Sohn, das dich ganz gewiß uberraschen wird. Wollen wir uns setzen?
Ferdinand (sieht ihn lange Zeit starr an). Mein Vater! (Mit starkerer Bewegung zu ihm gehend und seine Hand fassend.) Mein Vater! (Seine Hand kussend, vor ihm niederfallend.) O mein Vater!
Prasident. Was ist dir, mein Sohn? Steh auf. Deine Hand brennt und zittert.
Ferdinand (mit wilder, feuriger Empfindung). Verzeihung fur meinen Undank, mein Vater! Ich bin ein verworfener Mensch. Ich habe Ihre Gute mißkannt! Sie meinten es mit mir so vaterlich!--O! Sie hatten eine weissagende Seele--jetzt ist's zu spat--Verzeihung! Verzeihung! Ihren Segen, mein Vater!
Prasident (heuchelt eine schuldlose Miene). Steh auf, mein Sohn! Besinne dich, daß du mir Rathsel sprichst.
Ferdinand. Diese Millerin, mein Vater--O, Sie kennen den Menschen--Ihre Wuth war damals so gerecht, so edel, so vaterlich warm--nur verfehlte der warme Vatereifer des Weges--diese Millerin!
Prasident. Martre mich nicht, mein Sohn. Ich verfluche meine Harte! Ich bin gekommen, dir abzubitten.
Ferdinand. Abbitten an mir! Verfluchen an mir!--Ihre Mißbilligung war Weisheit. Ihre Harte war himmlisches Mitleid--Diese Millerin, Vater-Prasident. Ist ein edles, ein liebes Madchen.--Ich widerrufe meinen ubereilten Verdacht. Sie hat meine Achtung erworben.
Ferdinand (springt erschuttert auf). Was? auch Sie?--Vater! auch Sie?--und nicht wahr, mein Vater, ein Geschopf wie die Unschuld?--Und es ist so menschlich, dieses Madchen zu lieben?
Prasident. Sage so: es ist Verbrechen, sie nicht zu lieben.
Ferdinand. Unerhort! Ungeheuer!--Und Sie schauen ja doch sonst die Herzen so durch! Sahen sie noch dazu mit Augen des Hasses! --Heuchelei ohne Beispiel--Diese Millerin, Vater-Prasident. Ist es werth, meine Tochter zu sein. Ich rechne ihre Tugend fur Ahnen und ihre Schonheit fur Gold. Meine Grundsatze weichen deiner Liebe--Sie sei dein!
Ferdinand (sturzt furchterlich aus dem Zimmer). Das fehlte noch! --Leben Sie wohl, mein Vater. (Ab.)
Prasident (ihm nachgehend). Bleib! Bleib! Wohin sturmst du? (Ab.)
Sechste Scene.
Ein prachtiger Saal bei der Lady.
Lady und Sophie treten herein.
Lady. Also sahst du sie? Wird sie kommen?
Sophie. Diesen Augenblick. Sie war noch im Hausgewand und wollte sich nur in der Geschwindigkeit umkleiden.
Lady. Sage mir nichts von ihr--Stille--wie eine Verbrecherin zittre ich, die Gluckliche zu sehen, die mit meinem Herzen so schrecklich harmonisch fuhlt--Und wie nahm sie sich bei der Einladung?
Sophie. Sie schien besturzt, wurde nachdenkend, sah mich mit großen Augen an und schwieg. Ich hatt mich schon auf ihre Ausfluchte vorbereitet, als sie mit einem Blick, der mich ganz uberraschte, zur Antwort gab: Ihre Dame befiehlt mir, was ich mir morgen erbitten wollte.
Lady (sehr unruhig). Laß mich, Sophie. Beklage mich. Ich muß errothen, wenn sie nur das gewohnliche Weib ist, und wenn sie mehr ist, verzagen.
Sophie. Aber, Milady--das ist die Laune nicht, eine Nebenbuhlerin zu empfangen. Erinnern Sie sich, wer Sie sind. Rufen Sie Ihre Geburt, Ihren Rang, Ihre Macht zu Hilfe. Ein stolzeres Herz muß die stolze Pracht Ihres Anblicks erheben.
Lady (zerstreut). Was schwatzt die Narrin da?
Sophie (boshaft). Oder ist es vielleicht Zufall, daß eben heute die kostbarsten Brillanten an Ihnen blitzen? Zufall, daß eben heute der reichste Stoff Sie bekleiden muß--daß Ihre Antichambre von Heiducken und Pagen wimmelt und das Burgermadchen im furstlichen Saal Ihres Palastes erwartet wird?
Lady (auf und ab voll Erbitterung). Verwunscht! Unertraglich! Daß Weiber fur Weiberschwachen solche Luchsaugen haben!--Aber wie tief, wie tief muß ich schon gesunken sein, daß eine solche Creatur mich ergrundet!
Ein Kammerdiener (tritt auf). Mamsell Millerin-Lady (zu Sophien). Hinweg, du! Entferne dich! (Drohend, da diese noch zaudert.) Hinweg! Ich befehl' es! (Sophie geht ab, Lady macht einen Gang durch den Saal.) Gut! Recht gut, daß ich in Wallung kam! Ich bin, wie ich wunschte! (Zum Kammerdiener.) Die Mamsell mag hereintreten. (Kammerdiener geht. Sie wirft sich in den Sopha und nimmt eine vornehm-nachlassige Lage an.)
Siebente Scene.
Luise Millerin tritt schuchtern herein und bleibt in einer großen Entfernung von der Lady stehen; Lady hat ihr den Rucken zugewandt und betracht sie eine Zeit lang aufmerksam in dem gegenuber stehenden Spiegel. (Nach einer Pause.)
Luise. Gnadige Frau, ich erwarte Ihre Befehle.
Lady (dreht sich nach Luisen um und nickt nur eben mit dem Kopfe, fremd und zuruckgezogen). Aha! Ist Sie hier?--Ohne Zweifel die Mamsell--eine gewisse--wie nennt man Sie doch?
Luise (etwas empfindlich). Miller nennt sich mein Vater, und Ihro Gnaden schickten nach seiner Tochter.
Lady. Recht! Recht! ich entsinne mich--die arme Geigerstochter, wovon neulich die Rede war. (Nach einer Pause vor sich.) Seht interessant, und doch keine Schonheit--(Laut zu Luisen.) Treten Sie naher, mein Kind. (Wieder vor sich.) Augen, die sich im Weinen ubten--Wie lieb' ich sie, diese Augen! (Wiederum laut.) Nur naher--Nur ganz nah--Gutes Kind, ich glaube, du furchtest mich?
Luise (groß, mit entschiedenem Ton). Nein, Milady. Ich verachte das Urtheil der Menge.
Lady (vor sich). Sieh doch! und diesen Trotzkopf hat sie von ihm. (Laut.) Man hat Sie mir empfohlen, Mamsell. Sie soll was gelernt haben und sonst auch zu leben wissen--Nun ja. Ich will's glauben--auch nahm' ich die ganze Welt nicht, einen so warmen Fursprecher Lugen zu strafen.
Luise. Doch kenn' ich Niemand, Milady, der sich Muhe gabe, mir eine Patronin zu suchen.
Lady (geschraubt). Muhe um die Clientin oder Patronin?
Luise. Das ist mir zu hoch, gnadige Frau.
Lady. Mehr Schelmerei, als diese offene Bildung vermuthen laßt! Luise nennt sie sich? Und wie jung, wenn man fragen darf?
Luise. Sechzehn gewesen.
Lady (steht rasch auf). Nun ist's heraus! Sechzehn Jahre! Der erste Puls dieser Leidenschaft!--Auf dem unberuhrten Clavier der erste einweihende Silberton--Nichts ist verfuhrender--Setz dich, ich bin dir gut, liebes Madchen--Und auch er liebt zum ersten Mal--Was Wunder, wenn sich die Strahlen eines Morgenroths finden? (Sehr freundlich und ihre Hand ergreifend.) Es bleibt dabei, ich will dein Gluck machen, Liebe--Nichts, nichts als die suße, fruhe verfliegende Traumerei. (Luisen auf die Wange klopfend.) Meine Sophie heirathet. Du sollst ihre Stelle haben--Sechzehn Jahr! Es kann nicht von Dauer sein.
Luise (kußt ihr ehrerbietig die Hand). Ich danke fur diese Gnade, Milady, als wenn ich sie annehmen durfte.
Lady (in Entrustung zuruckfallend). Man sehe die große Dame!--Sonst wissen sich Jungfern Ihrer Herkunft noch glucklich, wenn sie Herrschaften finden--Wo will denn Sie hinaus, meine Kostbare? Sind diese Finger zur Arbeit zu niedlich? Ist es Ihr Bischen Gesicht, worauf Sie so trotzig thut?
Luise. Mein Gesicht, gnadige Frau, gehort mir so wenig, als meine Herkunft.
Lady. Oder glaubt Sie vielleicht, das werde nimmer ein Ende nehmen?--Armes Geschopf, wer dir das in den Kopf setzte--mag er sein, wer er will--er hat euch Beide zum Besten gehabt. Diese Wangen sind nicht im Feuer vergoldet. Was dir dein Spiegel fur massiv und ewig verkauft, ist nur ein dunner, angeflogener Goldschaum, der deinem Anbeter uber kurz oder lang in der Hand bleiben muß--Was werden wir dann machen?
Luise. Den Anbeter bedauern, Milady, der einen Demant kaufte, weil er in Gold schien gefaßt zu sein.
Lady (ohne darauf achten zu wollen). Ein Madchen von Ihren Jahren hat immer zween Spiegel zugleich, den wahren und ihren Bewunderer--die gefallige Geschmeidigkeit des letztern macht die rauhe Offenherzigkeit des erstern wieder gut. Der eine rugt eine haßliche Blatternarbe. Weit gefehlt, sagt der andere, es ist ein Grubchen der Grazien. Ihr guten Kinder glaubt jenem nur, was euch dieser gesagt hat, hupft von einem zum andern, bis ihr zuletzt die Aussagen beider verwechselt--Warum begaffen Sie mich so?
Luise. Verzeihen Sie, gnadige Frau--Ich war so eben im Begriff, diesen prachtig blitzenden Rubin zu beweinen, der es nicht wissen muß, daß seine Besitzerin so scharf wider Eitelkeit eifert.
Lady (errothend). Keinen Seitensprung, Lose!--Wenn es nicht die Promessen Ihrer Gestalt sind, was in der Welt konnte Sie abhalten, einen Stand zu erwahlen, der der einzige ist, wo Sie Manieren und Welt lernen kann, der einzige ist, wo Sie sich Ihrer burgerlichen Vorurtheile entledigen kann?
Luise. Auch meiner burgerlichen Unschuld, Milady?
Lady. Lappischer Einwurf! Der ausgelassenste Bube ist zu verzagt, uns etwas Beschimpfendes zuzumuthen, wenn wir ihm nicht selbst ermunternd entgegen gehn. Zeige Sie, wer Sie ist. Gebe Sie sich Ehre und Wurde, und ich sage Ihrer Jugend fur alle Versuchung gut.
Luise. Erlauben Sie, gnadige Frau, daß ich mich unterstehe, daran zu zweifeln. Die Palaste gewisser Damen sind oft die Freistatten der frechsten Ergotzlichkeit. Wer sollte der Tochter des armen Geigers den Heldenmuth zutrauen, den Heldenmuth, mitten in die Pest sich zu werfen und doch dabei vor der Vergiftung zu schaudern? Wer sollte sich traumen lassen, daß Lady Milford ihrem Gewissen einen ewigen Skorpion halte, daß sie Geldsummen aufwende, um den Vortheil zu haben, jeden Augenblick schamroth zu werden?--Ich bin offenherzig, gnadige Frau--Wurde Sie mein Anblick ergotzen, wenn Sie einem Vergnugen entgegen gingen? Wurden Sie ihn ertragen, wenn Sie zuruckkamen?--O besser, besser, Sie lassen Himmelsstriche uns trennen--Sie lassen Meere zwischen uns fließen!--Sehen Sie sich wohl fur, Milady--Stunden der Nuchternheit, Augenblicke der Erschopfung konnten sich melden--Schlangen der Reue konnten Ihren Busen anfallen, und nun--welche Folter fur Sie, im Gesicht Ihres Dienstmadchens die heitre Ruhe zu lesen, womit die Unschuld ein reines Herz zu belohnen pflegt. (Sie tritt einen Schritt zuruck.) Noch einmal, gnadige Frau. Ich bitte sehr um Vergebung.
Lady (in großer innrer Bewegung herumgehend). Unertraglich, daß sie mir das sagt! Unertraglicher, daß sie Recht hat! (Zu Luisen tretend und ihr starr in die Augen sehend.) Madchen, du wirst mich nicht uberlisten. So warm sprechen Meinungen nicht. Hinter diesen Maximen lauert ein feurigeres Interessen, das dir meine Dienste besonders abscheulich malt--das dein Gesprach so erhitzte--das ich (drohend) entdecken muß.
Luise (gelassen und edel). Und wenn Sie es nun entdeckten? Und wenn Ihr verachtlicher Fersenstoß den beleidigten Wurm aufweckte, dem sein Schopfer gegen Mißhandlung noch einen Stachel gab?--Ich furchte Ihre Rache nicht, Lady--Die arme Sunderin auf dem beruchtigten Henkerstuhl lacht zum Weltuntergang. Mein Elend ist so hoch gestiegen, daß selbst Aufrichtigkeit es nicht mehr vergroßern kann. (Nach einer Pause sehr ernsthaft.) Sie wollen mich aus dem Staub meiner Herkunft reißen. Ich will sie nicht zergliedern, diese verdachtige Gnade. Ich will nur fragen, was Milady bewegen konnte, mich fur die Thorin zu halten, die uber ihre Herkunft errothet? Was sie berechtigen konnte, sich zur Schopferin meines Glucks aufzuwerfen, ehe sie noch wußte, ob ich mein Gluck auch von ihren Handen empfangen wollte?--Ich hatte meinen ewigen Anspruch auf die Freuden der Welt zerrissen. Ich hatte dem Gluck seine Ubereilung vergeben--Warum mahnen Sie mich aufs Neu an dieselbe?--Wenn selbst die Gottheit dem Blick der Erschaffenen ihre Strahlen verbirgt, daß nicht ihr oberster Seraph vor seiner Verfinsterung zuruckschaure--warum wollen Menschen so grausam-barmherzig sein?--Wie kommt es, Milady, daß Ihr gepriesenes Gluck das Elend so gern um Neid und Bewunderung anbettelt?--Hat Ihre Wonne die Verzweiflung so nothig zur Folie?--O lieber! so gonnen Sie mir doch eine Blindheit, die mich allein noch mit meinem barbarischen Loos versohnt--Fuhlt sich doch das Insekt in einem Tropfen Wassers so selig, als war' es ein Himmelreich, so froh und so selig, bis man ihm von einem Weltmeer erzahlt, worin Flotten und Wallfische spielen!--Aber glucklich wollen Sie mich ja wissen? (Nach einer Pause plotzlich zur Lady hintretend und mit Uberraschung fragend:) Sind Sie glucklich, Milady? (Diese verlaßt sie schnell und betroffen, Luise folgt ihr und halt ihr die Hand vor den Busen.) Hat dieses Herz auch die lachende Gestalt Ihres Standes? Und wenn wir jetzt Brust gegen Brust und Schicksal gegen Schicksal auswechseln sollten--und wenn ich in kindlicher Unschuld--und wenn ich auf Ihr Gewissen--und wenn ich als meine Mutter Sie fragte--wurden Sie mir wohl zu dem Tausche rathen?
Lady (heftig bewegt in den Sopha sich werfend). Unerhort! Unbegreiflich! Nein, Madchen! Nein! Diese Große hast du nicht auf die Welt gebracht, und fur einen Vater ist sie zu jugendlich. Luge mir nicht. Ich hore einen andern Lehrer-Luise (fein und scharf ihr in die Augen sehend). Es sollte mich doch wundern, Milady, wenn Sie jetzt erst auf diesen Lehrer fielen, und doch vorhin schon eine Condition fur mich wußten. |
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