2015년 8월 30일 일요일

Kindheit 11

Kindheit 11



Beim Versuch, mich bequemer hinzusetzen, stieß ich unversehens mit
dem Fuß gegen einen zerbrochenen Stuhl im Verschlage. Ich weiß nicht,
warum das Wolodja sehr komisch vorkam; ich hörte voll Schreck, wie er
Ljubotschka etwas (wahrscheinlich sehr Komisches) zuflüsterte und wie
beide sich umsonst bemühten, das Lachen zurückzuhalten; dann brachten
bald der eine, bald die andere mit der Nase sonderbare, abgerissene
Töne hervor, ähnlich dem Wiehern eines Füllens. Die Töne wurden
häufiger und lauter. Grischa erhob den Kopf, sah sich um und schlug
betend das Kreuz nach allen Seiten. Das kam nun allen so komisch
vor, daß Ljubotschka und Wolodja plötzlich in schallendes Gelächter
ausbrachen, in das auch Katja einstimmte. Natürlich blieb ich nicht
zurück, und wir brachen lärmend und schreiend aus dem Versteck hervor.
 
 
15. Natalie Sawischna.
 
Mitte des vorigen Jahrhunderts lief im Dorfe Chabarowka in einem
dunklen Kleidchen vom Kaufmann Satrapesnikow ein barfüßiges, lustiges,
dickes, rotbäckiges Mädchen umher -- das war Natascha. Wegen der
Verdienste und auf Bitten ihres Vaters, des Klarinettenbläsers Sawwa,
nahm mein Großvater sie unter die weiblichen Dienstboten Großmamas
auf. Als Stubenmädchen zeichnete Natascha sich durch Bescheidenheit
und Pflichteifer aus. Als Mama geboren wurde und eine Wärterin nötig
war, fiel dieses Amt Natalie zu. Auch in dieser neuen Tätigkeit
erntete sie Lob und Belohnungen wegen ihrer Treue und Anhänglichkeit
an die junge Herrin. Aber die zärtlichen blauen Augen, der gepuderte
Kopf und die wohlgeformten Beine in Schnallenschuhen, im Verein mit
den Liebkosungen und heimlichen Anträgen des Dieners Foka raubten
dem jungen unerfahrenen Ding die Herzensruhe und veranlaßten sie zu
einem Schritt, der ihre Zukunft für immer verderben konnte: sie bat um
Erlaubnis, Foka heiraten zu dürfen. Großvater wurde zornig auf Natalie
und verbannte sie ins Dorf Beresowka auf den Viehhof. Nach dreijähriger
Verbannung wurde Natalie, da niemand sie bei der Mutter ersetzen
konnte, zurückgerufen. Mit schuldiger Miene erschien sie vor Großpapa,
erklärte, sie wüßte selbst nicht, wie sie zu einer solchen Dummheit
gekommen sei und bat um Verzeihung.
 
Von da ab wurde aus Natascha eine Natalie Sawischna, und außerdem
trug sie ein Häubchen. Fokas Blicke beunruhigten ihr Herz nicht mehr
-- den ganzen Vorrat von Liebe, den sie besaß, übertrug sie auf ihre
Herrschaft, besonders auf Mama.
 
Als Großmutter dann eine Gouvernante engagierte, erhielt sie die
Schlüssel zur Vorratskammer und ihr wurden die Wäsche und alle
Haushaltungsgegenstände anvertraut. Überall sah sie Verschwendung,
Verlust und Mißbrauch des Herrschaftsgutes und suchte mit allen Mitteln
dagegenzuwirken. Von dem früheren Verhältnis zu Foka war nicht mehr die
Rede; im Gegenteil, als Büfettier war er ihrem Zorn mehr als andere
ausgesetzt.
 
Als Mama heiratete, wollte sie Natalie Sawischna für ihre
zwanzigjährigen Dienste und ihre Anhänglichkeit danken, rief sie zu
sich, drückte ihr in schmeichelhaften Worten ihre Erkenntlichkeit und
Liebe aus und händigte ihr einen Stempelbogen ein, laut welchem Natalie
Sawischna die Freiheit erhielt. Gleichzeitig teilte sie ihr mit, sie
würde, einerlei ob sie in unserem Hause weiterdiente oder nicht, eine
jährliche Pension von dreihundert Rubeln erhalten.
 
Natalie Sawischna hörte alles schweigend mit an, dann nahm sie den
Freibrief, starrte ihn ärgerlich an, murmelte etwas vor sich hin und
lief, die Tür hinter sich zuschlagend, aus dem Zimmer. Da Mama den
Grund dieses Benehmens nicht begriff, ging sie etwas später in Natalies
Zimmer. Diese saß mit verweinten Augen auf ihrem Koffer, drehte das
Schnupftuch zwischen den Fingern und blickte unverwandt auf die Fetzen
des zerrissenen Freibriefes vor ihr auf dem Fußboden.
 
»Was ist mit dir, liebe Natalie?« fragte Mama fassungslos und ergriff
ihre Hand.
 
»Nichts, Mütterchen,« erwiderte sie, kaum die Tränen zurückhaltend,
»ich bin Ihnen wohl zuwider geworden, daß Sie mich aus dem Hause jagen.
Gut, ich gehe schon.«
 
Sie riß ihre Hand los und wollte das Zimmer verlassen. Aber Mama hielt
sie zurück, umarmte sie und beide brachen in Tränen aus.
 
Solange ich etwas von mir weiß, erinnere ich mich auch an Natalie
Sawischna und ihre Liebe und Zärtlichkeit; aber erst jetzt weiß ich
sie zu schätzen -- damals kam mir nie in den Sinn, welch seltenes,
wunderbares Geschöpf diese Alte war. Sie sprach nicht nur niemals von
sich, sondern dachte auch niemals an sich: ihr ganzes Leben war Liebe
und Aufopferung; deswegen legte ich mir auch niemals die Frage vor,
ob sie glücklich und zufrieden sei. Ich war an ihre uneigennützige,
zärtliche Liebe zu uns so gewöhnt, daß ich nie auf den Gedanken kam, es
könne anders sein und ihr innerlich nie dankte.
 
Bisweilen lief man unter dem Vorwande eines Bedürfnisses aus der
Schulstunde in ihr Zimmer, ließ sich da nieder und träumte und sprach
mit sich selbst, ohne sich durch ihre Anwesenheit geniert zu fühlen.
Stets war sie beschäftigt. Sie zählte Wäsche oder kramte in den Kisten
und Kasten, die ihr Zimmer füllten oder strickte Strümpfe und erwiderte
auf den Unsinn, den ich schwatzte: »Ja, mein Liebling, ja.« Gewöhnlich
wenn ich aufstand und fortgehen wollte, öffnete sie den blauen Kasten,
auf dessen Deckel innen, wie ich noch weiß, das bunte Bild eines
Husaren, ein Bogen mit Pomadenbüchsen und Wolodjas Bleistiftzeichnung
geklebt waren. Dann nahm sie eine Räucherkerze aus dem Kasten, zündete
sie an, schwenkte sie hin und her und sagte: »Das ist noch Räucherwerk
aus Otschakow, mein Liebling. Als dein verstorbener Großvater -- Gott
hab ihn selig -- gegen die Türken zog, brachte er das mit. Das ist
schon das letzte Stück,« schloß sie mit einem Seufzer.
 
In den Kisten in ihrem Zimmer war einfach alles. Wenn jemand irgend
etwas brauchte, hieß es gewöhnlich »frag Natalie«. Und wirklich, nach
kurzem Stöbern fand sie den gewünschten Gegenstand und sagte: »Da hab'
ich's gerade noch aufbewahrt.«
 
In diesen Kisten waren tausend Dinge, von denen niemand wußte als sie.
 
Nur ein einziges Mal war ich ihr böse. Das kam so. Als ich mir zum
Mittagessen Kwas einschänkte, warf ich die Karaffe um und begoß das
Tischtuch.
 
»Ruf mal Natalie Sawischna, damit sie sich über ihren Liebling freut,«
sagte Mama.
 
Sie kam, sah die Überschwemmung, die ich angerichtet hatte und
schüttelte den Kopf. Dann sagte Mama ihr etwas ins Ohr, und sie ging,
mir mit dem Finger drohend, hinaus. Als ich nach Tisch in den Saal
ging, sprang plötzlich Natalie Sawischna mit dem Tischtuch in der Hand
hinter der Tür hervor, packte mich und fuhr mit den Worten: »Mach das
Tischtuch nicht schmutzig, mach das Tischtuch nicht schmutzig!« über
mein Gesicht. Das brachte mich so in Wut, daß ich laut brüllte.
 
Wie! sagte ich mir unter Tränen, Natalie Sawischna, einfach Natascha,
unsere Leibeigene, sagt »du« zu mir und fährt mir mit dem nassen
Tischtuch ins Gesicht wie einem Hofjungen! Nein, das ist schrecklich!
 
Als Natalie Sawischna sah, daß ich Speichel ließ, lief sie fort. Ich
aber wanderte im Saal auf und ab und brütete, wie ich mich wegen dieser
Beleidigung an der frechen Natalie rächen könnte.
 
Nach einigen Minuten kehrte sie zurück, trat schüchtern an mich heran
und begann mich zu trösten.
 
»Nun hören Sie doch auf, Liebling, weinen Sie nicht mehr ... ist gut;
verzeihen Sie mir Närrin. Ich habe unrecht. Verzeihen Sie mir ... da
ist etwas.«
 
Sie wickelte aus ihrem Tuch eine Schachtel aus rotem Papier mit zwei
Brustbonbons und einer Weinbeere und reichte sie mir mit zitternder
Hand. Ich hatte nicht die Kraft, der braven Alten ins Gesicht zu sehen;
nahm abgewandt das Geschenk entgegen, und die Tränen flossen noch
reichlicher, aber nicht mehr aus Ärger, sondern aus Liebe und Scham.
 
 
16. Die Trennung.
 
Einen Tag nach den beschriebenen Ereignissen hielten um zwölf Uhr
mittags ein Reisewagen und ein offener Wagen vor der Anfahrt. Nikolas
war reisemäßig gekleidet, das heißt er hatte die Hosen in die Stiefel
gesteckt und seinen alten Rock mit einem Gürtel festgeschnürt. Er stand
in dem offenen Wagen und legte Mäntel und Kissen unter den Sitz; als
dieser ihm hoch genug schien, setzte er sich auf die Kissen und drückte
sie, auf und nieder springend, zusammen.
 
Mit den Worten: »Seien Sie so liebenswürdig, Nikolai Dmitritsch -- kann
man bei Ihnen nicht die Schatulle des gnädigen Herrn unterbringen?« kam
Papas Diener aus dem Reisewagen hervorgekrochen. »Sie ist nur klein.«
 
»Das hätten Sie auch früher sagen können, Michail Iwanitsch,« erwiderte
Nikolas hastig und schleuderte dabei ärgerlich ein Bündel auf den
Boden des Wagens. »Mir dreht sich, weiß Gott, schon alles im Kreise;«
er lüftete die Mütze und wischte sich dicke Schweißtropfen von der
verbrannten Stirn. »Jetzt machen Sie was Sie wollen -- ich kann Ihre
Schatullen nicht mehr unterbringen.«
 
Bauern in Röcken, Kaftanen, Hemden, ohne Mützen, Weiber in
Baumwollenkleidern und gestreiften Kopftüchern, sowie barfüßige Kinder
standen an der Treppe, starrten auf die Wagen und unterhielten sich.
Ein vom Alter gebeugter Fuhrmann in Wintermütze und langem dicken Rock
hielt die Wagendeichsel in der Hand, bewegte sie tiefsinnig hin und her
und achtete auf den Hauseingang; ein anderer junger stattlicher Bursche
in weißem Hemd mit roten Achselzwickeln und schwarzem kuchenförmigen
Filzhut, den er, sein Blondhaar krauend, von einem Ohr auf das andere
schob, legte seinen Rock auf den Bock, warf die Zügel hin, klatschte
dann mit der Peitsche ins Gras und schaute den Kutschern zu, die
den zweiten Wagen schmierten. Parthenius hielt den Hebebaum, Iwan
schmierte, über das Rad gebeugt, sorgfältig die Achse und Nabe, und
damit keine Schmiere verloren ging, schmierte er sie von unten her rund
um. Die zerzausten, abgetriebenen Postpferde am Gitter wedelten mit den
Schwänzen die Fliegen ab, scharrten mit den zottigen, warzenbedeckten
Beinen und zupften harte dunkelgrüne Farnkrautblätter ab, die an der
Treppe wuchsen. Einige Barsois (Windhunde) lagen schweratmend in der
Sonne, andere schlichen um die Wagen herum und leckten das von der
Achse triefende Fett auf. Keine Wolke stand am Himmel, dabei bog ein
starker Westwind die hohen Linden- und Birkenwipfel und trug fallende
gelbe Blätter weithin. Ich saß am Fenster, sah das alles mit an und
erwartete mit Ungeduld das Ende all der Vorbereitungen. Endlich war es
so weit; ich wurde ins Gastzimmer gerufen.
 
Als hier alle um den runden Tisch versammelt waren, um zum letztenmal

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