2015년 8월 30일 일요일

Kindheit 20

Kindheit 20


Und meine Phantasie folgte diesem Bilde weit, weit in die Ferne;
ich dachte an Mama, an die Wiese vor dem Hause, die hohen Linden im
Garten, den reinen Teich, über dem Schwalben hin und her schossen;
an duftende Heudiemen, den blauen Himmel, an dem durchsichtige weiße
Wolken standen; an einen stillen heiteren Abend, und viele andere,
ruhigfreudige Erinnerungen hielten Einzug in mein aufgeregtes Gemüt.
 
 
25. Nach der Mazurka.
 
Die Mazurka war zu Ende. Wolodja, Iwins und der junge Fürst kamen
in das Zimmer, in dem ich auf dem Sofa lag und riefen mich, als
wenn nichts passiert wäre, nach oben; ich sollte meine Kräfte mit
Etienne messen, der sehr prahlte und sagte, er würfe uns alle mit
einem Finger um. Hätte jemand sich auch nur die leiseste Anspielung
auf mein Mißgeschick erlaubt, so wäre ich rasend geworden und hätte
ihnen Unannehmlichkeiten gesagt; da das aber nicht geschah, willigte
ich ein, mit nach oben zu kommen, besonders da ich mich in Kraft- und
Geschicklichkeitsübungen stets ausgezeichnet habe. Dieser Kampf, das
Rennen, Toben und Geschrei zerstreute mich und ließ mich mein Unglück
fast vergessen; nur bisweilen kam mir die Erinnerung; dann preßte
ich die Zähne zusammen und schrie leicht auf, wie meistens bei sehr
unangenehmer Erinnerung. Als wir zum Abendessen gerufen wurden, hatte
ich meine misanthropischen Pläne schon vergessen und lief mit dem
angenehmen Gefühl der Selbstzufriedenheit, die der Erfolg gebiert, nach
unten. Mein Erfolg, ich darf sagen: mein Triumph, bestand darin, daß
ich zweimal hintereinander den jungen Fürsten geworfen hatte, einmal
derart, daß auf seiner Stirn eine sehr große und sehr lächerliche Beule
zum Vorschein kam.
 
Beim Abendessen, als der Diener jedem von uns aus einer umwickelten
Flasche Champagner eingoß, standen wir alle auf und gingen noch einmal
zu Großmutter zum Gratulieren. Kaum war das geschehen, so ertönten aus
dem Saal die Klänge des Großvatertanzes und überall wurden geräuschvoll
die Stühle zurückgeschoben. Ich glaube, ich hätte es niemals riskiert,
Sonja wieder aufzufordern, wenn nicht in dem Augenblick, als ich
zögerte, Sonjas Mutter vorübergekommen wäre und zu uns beiden gesagt
hätte: »Was steht ihr denn da; kommt doch.«
 
Sonja reichte mir den Arm, und wir liefen aus dem Saal.
 
Der Ringkampf, das Glas Champagner, die Nähe und Heiterkeit Sonjas
ließen mich die unglückliche Mazurka ganz vergessen; ich fühlte nicht
die geringste Verlegenheit mehr, war ausgelassen bis zur Tollheit.
 
Mit den Beinen machte ich die komischsten Dinge; ich ahmte die Gangart
eines Pferdes nach, lief in kurzem Trab, hob stolz die Beine, blieb
dann auf einer Stelle stehen und trampelte mit den Füßen wie ein
Hammel, der über einen Hund böse ist. Dabei lachte ich aus vollem
Herzen, ohne mich um den Eindruck zu kümmern, den meine ~pas~ auf
die Zuschauer machten. Sonja lachte ebenfalls unaufhörlich; lachte,
als wir uns Arm in Arm im Kreise drehten; kicherte, als ein Herr
mit Schnurrbart und goldenem Ring am Daumen langsam die Beine
hebend über ein Schnupftuch stieg, mit einem Ausdruck, als ob ihm
das sehr schwer würde, und schüttelte sich vor Lachen, als ich, um
meine Geschicklichkeit zu zeigen, fast bis zur Decke sprang. Dieses
reizende helle Lachen, bei dem ihr Händchen wie ein Vöglein in meiner
Hand zitterte, sowie der schnelle Übergang von der Verzweigung zur
Heiterkeit machten mich ganz glücklich.
 
Als wir durch Großmutters Zimmer kamen, besah ich mich unwillkürlich
in dem großen Trumeau in der Ecke. Mein Gesicht war schweißgebadet,
das Haar zerzaust, die Borsten sträubten sich mehr als je -- trotzdem
befriedigte mich der Gesamteindruck; die grauen, noch kleineren
Augen als sonst glänzten derart, und der ganze Gesichtsausdruck war
so lustig, unbekümmert und gut, gesund und frisch, daß ich mich
noch niemals in so vorteilhaftem Licht gesehen hatte. Das rührte
wahrscheinlich daher, daß ich mich beim Schauen in den Spiegel
gewöhnlich bemühte, einen nachdenklichen und deswegen unnatürlichen
dummen Ausdruck anzunehmen. Wäre ich nur immer so wie jetzt! dachte
ich, dann könnte ich noch gefallen.
 
Als ich dann aber wieder auf das schöne Gesichtchen meiner Dame
blickte, fand ich dort außer der Fröhlichkeit, Gesundheit und
Sorglosigkeit, die mir in meinem Gesicht gefielen, so viel vornehme,
zarte Schönheit, daß ich mich über mich selbst ärgerte; ich sah ein,
wie dumm es war zu hoffen, die Aufmerksamkeit eines so herrlichen
Geschöpfes jemals auf mich zu lenken.
 
Ich konnte nicht auf Erwiderung meiner Gefühle rechnen und wünschte
sie gar nicht; meine Seele strömte auch so von Glück über. Für all
meine unendliche Liebe, die vor keinem Opfer zurückschreckte, wünschte,
forderte ich nichts: mir war auch so gut. Ich fühlte nur, wie mir das
Blut zum Herzen strömte; daß dieses schlug wie eine Taube, daß ich
etwas Sonderbares, Unverständliches wollte -- wahrscheinlich weinen.
 
Als wir auf dem Korridor am dunklen Verschlage unter der Treppe
vorbeikamen, dachte ich: was wäre das für ein Glück, wenn man ein
ganzes Jahrhundert lang mit ihr in diesem dunklen Verschlage leben
könnte, so daß niemand etwas davon wüßte. Aber das ist nicht möglich,
also hat es auch keinen Zweck, daran zu denken; sie geht gleich, und
Gott weiß, wann wir uns wiedersehen ... vielleicht nie ...
 
Wir waren das letzte Paar; ich ging langsam und beschloß, ihr alles zu
sagen, was ich empfand. Aber was? Und wie?
 
»Nicht wahr, heute war es nett?« begann ich mit leiser, zitternder
Stimme und beschleunigte den Schritt, voll Schreck nicht so sehr über
das, was ich gesagt hatte, als über das, was ich sagen wollte.
 
»Ja, sehr,« antwortete sie, mir das Köpfchen mit so gutem offenen
Ausdruck zuwendend, daß meine Furcht verschwand.
 
»Besonders nach dem Abendessen; wenn Sie aber wüßten, wie leid es mir
tut -- (wehwollte ich sagen, wagte es aber nicht), daß Sie gehen und
wir uns nicht wiedersehen.«
 
»Warum nicht?« meinte sie, angelegentlich ihre Schuhspitzen betrachtend
und mit einem Finger über den durchbrochenen Wandschirm fahrend, an dem
wir vorüberkamen.
 
»Jeden Dienstag und Freitag um zwei Uhr fahre ich mit Mama auf dem
Twerskoi Boulevard spazieren. Gehen Sie denn nicht aus?«
 
»Ich werde sicher um Erlaubnis bitten, und wenn man mich nicht läßt,
laufe ich ohne Mütze fort. Den Weg weiß ich.«
 
Sonja lachte.
 
»Wissen Sie was?« sagte sie plötzlich, mit dem Fuß einen kleinen Apfel
aus dem Wege schleudernd, »ich sage zu einigen Jungen, die zu uns
kommen: du; wollen wir uns auch duzen? Willst du?« fügte sie hinzu
und sah mir, das Köpfchen schüttelnd, gerade in die Augen.
 
In diesem Augenblick traten wir in den Saal, und es begann der zweite,
lebhafte Teil des Großvatertanzes.
 
»Kom ... men Sie,« sagte ich, als die Musik und der Lärm meine Stimme
übertönten.
 
»Komm, und nicht: kommen Sie,« verbesserte sie mich lächelnd.
 
Das »ie«, das sie möglichst derb auszusprechen suchte, erschien mir als
der harmonischste Ton, den die menschliche Stimme hervorbringen kann.
Ich war hingerissen.
 
Der »Großvater« war zu Ende; ich hatte nicht einen Satz mit »du«
zustande gebracht, obgleich ich mir unaufhörlich den Kopf zerbrach und
Wendungen ausgrübelte, in denen das Fürwort mehrmals vorkam. Es fehlte
mir an Mut. »Willst du? Komm!« klang es in meinen Ohren und rief einen
rauschähnlichen Zustand bei mir hervor: ich sah nichts als Sonja. Ich
beobachtete, wie Frau Walachin sie musterte, ob sie vom Tanzen nicht
zu sehr erhitzt sei und fahren könnte; wie sie sich kätzchengleich an
ihre Mutter schmiegte; sah, wie ihre Locken zusammengenommen und hinter
die Ohren gelegt wurden, so daß ein Teil der Stirn und die Schläfe frei
wurde, die ich noch nicht gesehen hatte. Diese neuen Stellen schienen
mir noch schöner als die bereits bekannten. Ich weiß noch, wie sie in
ein großes wollenes Tuch so dicht eingewickelt wurde, daß, wenn sie
nicht mit ihren Rosenfingern ein kleines Loch für den Mund freigemacht
hätte, sie sicher erstickt wäre. Obgleich man hinter dem Tuch nur die
Augen und die Nasenspitze sah, waren diese so lieb, daß ich mich von
dem Anblick nicht trennen konnte. Als sie hinter ihrer Mutter die
Treppe hinunterstieg, wandte sie sich schnell noch einmal um, nickte
mit dem Kopf und dann sah ich sie nicht mehr.
 
Wolodja, Iwins, der junge Fürst, ich, wir alle waren in Sonja verliebt,
standen auf der Treppe und warfen ihr Blicke nach. Wem sie eigentlich
besonders zunickte, weiß ich nicht; damals war ich aber fest überzeugt,
daß ich es sei.
 
Beim Abschied von Iwins sprach ich sehr frei, ungezwungen und sogar
etwas kalt mit Serjoscha und drückte ihm die Hand.
 
Diese Veränderung in meinem Benehmen überraschte ihn wahrscheinlich
unangenehm, denn er sah mich fragend und nicht gerade freundlich an.
Wenn er begriff, daß sein Einfluß auf mich mit dem heutigen Abend sein
Ende erreicht hatte, tat ihm das sicher leid, obgleich er sich bemühte,
ganz gleichgültig zu erscheinen.
 
Zum erstenmal im Leben war ich treulos in der Liebe, und zum
erstenmal empfand ich die Süßigkeit dieses Gefühls. Es war mir eine
wahre Herzensstärkung, das überlebte Gefühl der Ergebenheit gegen
ein frisches Liebesempfinden voll Heimlichkeit und Ungewißheit
einzutauschen. Außerdem bedeutet mit einer Liebe aufhören und eine neue
beginnen, doppelt lieben.
 
Als ich in den Saal zurückkehrte, sah ich niemanden; ich blickte alle
Gäste an und suchte Sonja, obgleich ich wußte, daß sie fort sei, und
ich sie unmöglich wiedersehen könnte.
 
 
26. Im Bett.
 
Karl Iwanowitsch war noch nicht da; wir legten uns schlafen.
 
Wie hatte ich, trotz seiner Gleichgültigkeit, Serjoscha Iwin so
sehr lieben können? überlegte ich. Nein, er hatte meine Liebe nie
verstanden, war sie nicht wert und wußte sie nicht zu schätzen. Sonja
dagegen? Wie war die reizend! »Willst du; du mußt anfangen.« Ich sprang
auf allen vieren hoch, stellte mir ihr reizendes Gesicht vor, bedeckte

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