2015년 8월 30일 일요일

Kindheit 17

Kindheit 17


Also, wer macht das?« fuhr er fort und wandte sich plötzlich an
Grap. »Sie, Sascha?« meinte er ironisch und blinzelte uns dabei zu.
»Wirklich, es ist gar nicht schwer, versuchen Sie nur.«
 
Grap weigerte sich schüchtern und wurde rot, als er die allgemeine
Aufmerksamkeit auf sich gerichtet sah.
 
»Nein, wirklich, warum will er gar nichts zeigen? Dieses Mädchen! Er
muß unbedingt kopfstehen, unbedingt!«
 
Wir waren Feuer und Flamme für Serjoschas Einfall, traten auf den
kleinen Grap zu, der sichtlich erschrak und blaß wurde und schrien: »Er
muß auf den Kopf, auf den Kopf!« Dabei packten wir ihn an den Armen und
zogen ihn zu den Wörterbüchern.
 
»Laßt mich, ich will selbst! Ihr zerreißt mir die Jacke!« schrie das
unglückliche Opfer. Aber dieses Geschrei begeisterte uns nur noch mehr;
wir vergingen vor Lachen; die graue Jacke krachte in allen Nähten.
Wolodja und der ältere Iwin faßten ihn am Kopf und stellten diesen
auf die Lexika. Sobald sie sagten: »los!« packten ich und Serjoscha
den armen Jungen an den dünnen Beinen, mit denen er unbarmherzig
strampelte, schoben die Hosen bis an die Knie in die Höhe und streckten
die Beine mit lautem Gelächter aufwärts; der jüngere Iwin hielt den
ganzen Rumpf im Gleichgewicht.
 
Dann, nach diesem lauten Gelächter verstummten wir plötzlich alle,
und es wurde so still im Zimmer, daß man nur den schweren Atem des
unglücklichen Grap hörte. Mir wurde recht unbehaglich zumute und ich
wußte nicht recht, ob das alles wirklich komisch und lustig sei.
 
Serjoscha beugte sich über die Lexika und fragte in spöttischem Ton:
»Das magst du wohl, mein Junge, was?«
 
»Weshalb quält ihr mich, was habe ich euch getan?« schrie Sascha
plötzlich und schluchzte laut. Im selben Augenblick schlug er aus und
traf mit dem Hacken Serjoschas Auge.
 
»Ach, dummer Heulfritze!« rief Serjoscha, die Zähne zusammenbeißend,
bedeckte das Auge mit der Hand und stieß mit dem Fuß ein Wörterbuch
unter Graps Kopf fort.
 
»Ihr seid gemeine Tyrannen!« brachte Grap schluchzend heraus und stieß
mit dem Kopf auf den Fußboden.
 
Sobald wir merkten, daß nichts Lächerliches mehr dabei war, ließen wir
ihn gleichzeitig los. Er schlug lang auf den Boden, die dünnen Beine
klapperten wie Stelzen, er griff nach dem Hals, der beim Fall verrenkt
war, stöhnte und weinte und rührte sich nicht.
 
Diese weinende lächerliche Gestalt mit bloßen Beinen und schmutzigen
Stiefelschäften machte uns betroffen; wir schwiegen plötzlich und
lächelten gezwungen.
 
»Altes Weib, Schwachmops!« Serjoscha trat an ihn heran, »versteht nicht
einmal Spaß! ... Na, nu steh auf,« er berührte ihn mit dem Fuß.
 
»Ich sage dir, du bist ein frecher, ganz gemeiner Bengel!« preßte Grap
wütend durch die Zähne und wandte sich ab.
 
»Was denn?! Erst schlägt er einen mit dem Hacken ins Auge und dann
schimpft er noch!« schrie Serjoscha, nach einem Wörterbuch greifend.
»Da hast du eins! und noch eins!« Er schlug den armen Jungen aus
Leibeskräften mit dem Buch auf den Kopf. Grap dachte nicht daran, sich
zu verteidigen, weil er wußte, daß niemand für ihn eintreten würde.
»Mag sich zum Teufel scheren, wenn er keinen Scherz versteht; kommt
nach unten, Leute,« meinte Serjoscha mit unnatürlichem Lächeln.
 
Trotz des bedeutenden Einflusses, den Serjoscha auf mich ausübte,
konnte ich beim Anblick des armen Jungen, der auf der Erde lag und,
das Gesicht im Wörterbuch, dermaßen weinte, daß es aussah, als würde
er an den Krämpfen sterben, die seinen Körper durchzuckten -- konnte
ich nicht anders, als Serjoscha vorwurfsvoll sagen: »Warum hast du das
getan?«
 
»Das ist aber wirklich nett; kaum rührt man ihn an, so brüllt er schon
los. Hab ich vielleicht geweint, als ich mir heute das Knie zerschlagen
habe?!«
 
Das ist richtig, dachte ich. Wozu ihn bedauern! Alter Waschlappen!
Serjoscha dagegen, das ist ein Junge! -- Und ich dachte nicht mehr an
den armen Grap.
 
Ich wußte nicht, daß der Ärmste sicherlich nicht so sehr wegen der
körperlichen Schmerzen als wegen der Kränkung, bei dem schrecklichen
Gedanken geweint hatte, daß fünf Knaben, die ihm vielleicht gefielen,
ihn ohne jeden Grund haßten und verprügelten. Damals verstand ich die
ganze Grausamkeit und Unmenschlichkeit unseres Benehmens nicht; jetzt
verstehe ich sie wohl, kann sie mir aber nicht erklären.
 
Ich glaube, Serjoscha war infolge eines falschen Ehrbegriffes so
grausam, indem er seine Tapferkeit zeigen wollte; ich dagegen, weil es
über meine Kräfte ging, ihm nicht alles nachzumachen. Der Hauptgrund
war aber wohl folgender: Eine Eigentümlichkeit des Kindercharakters
besteht darin, alle Begriffe zu verallgemeinern, sie auf eine
gemeinsame Grundlage zurückzuführen. Dieses Bestreben rührt von der
mangelhaften Entwicklung der geistigen Fähigkeiten her.
 
Ein Kind kann sich nicht vorstellen, daß etwas einerseits gut und
anderseits schlecht sein kann. Die Eigenschaft eines Gegenstandes, die
ihm zuerst auffällt, hält das Kind für das Wesen des Ganzen. Im Verkehr
mit Menschen bildet sich ein Kind sein Urteil nach dem ersten äußeren
Eindruck. Übt ein Gesicht auf das Kind einen lächerlichen Eindruck
aus, so denkt es nicht an die guten Eigenschaften, die neben dieser
lächerlichen Seite vorhanden sein können -- es hat sich bereits einen
ungünstigen Begriff von den Gesamteigenschaften gebildet.
 
Dasselbe war mit mir in bezug auf den armen Grap der Fall. War er so
lächerlich, so war er sicher ein schlechter Junge; war er aber ein
schlechter Junge, so lohnte es sich nicht, darüber nachzudenken, ob er
sich wohl fühlte oder nicht; folglich konnte man mit ihm machen was man
wollte.
 
Wenn diese Reflexion mich auch nicht rechtfertigt, so mag sie doch als
Beweis dafür dienen, daß ich meine Handlungsweise bereue und sie jetzt
gern rechtfertigen möchte.
 
 
22. Die Gäste kommen.
 
Iwins fuhren nach Hause, um sich umzukleiden; um acht Uhr wollten sie
wiederkommen.
 
In allen Zimmern eilten Leute mit weißen Halsbinden geschäftig und
besorgt hin und her. Besonders lebhaft ging es im Eßzimmer zu, wo das
Silberzeug und Kristall nach langer Verborgenheit ans Licht geholt und
geputzt wurde. Im Saal roch es stark nach Terpentin; Filat stand mit
umgebundener Schürze da, stieg, nachdem er ein Handtuch untergelegt,
auf einen Stuhl, zündete die Lampen an, schraubte die Dochte hinauf und
hinunter und setzte Lampenschirme verschiedener Form auf. Die große
Stehlampe, der Dreifuß, die Wandlampen, die seit unvordenklichen Zeiten
nicht mit frischen Spermazetlichten versehen waren -- alle wurden, wie
im Saal, so in beiden Gastzimmern angezündet.
 
Die Wände, Decke, Parkett, Fries, Bilder im Gastzimmer waren von hellem
Licht überflutet und hatten ein ungewöhnliches Aussehen -- so erschien
mir denn alles neu. Sogar der Großvaterstuhl, die Batisttücher,
Schachteln und Großmutter selbst, die verdrießlich war, weil das ganze
Haus nach Terpentin roch -- sahen festtäglich aus.
 
Die Flurtür öffnete sich, es strömte kalt herein, dann kamen Leute in
grauen Mänteln und mit sonderbaren Gegenständen unter dem Arm. Sie
traten hinter den in einer Saalecke aufgestellten Wandschirm; von dort
her ertönte Räuspern, Spuken; Schlösser knackten; kurze Baßstimmen:
»Bitte Licht,« »Wessen Stimme ist das?« »Kolophonium,« »Gott bewahre!«
Hierauf einige Pizzikato-Töne auf der Geige und endlich die ganzen
schrecklichen Disharmonien eines stimmenden Orchesters: Quinten auf den
Saiteninstrumenten, dumme Läufe und Triller auf Flöten, Waldhörnern usw.
 
Dieses Orchester war eine Überraschung des Fürsten Iwan Iwanowitsch.
 
Sobald ich einen Wagen rollen hörte, trat ich ans Fenster, legte
die Hände gegen die Schläfen und Scheiben und suchte zu erkennen,
ob die Leute zu uns zum Ball kämen. Aus der Dunkelheit, die alles
vor dem Fenster einhüllte, erschien gegenüber allmählich ein längst
bekannter Laden mit Laterne; schräg links ein weißes Haus mit zwei
unten beleuchteten Fenstern und mitten auf der Straße eine Chaise mit
zwei Insassen oder eine leere Equipage, die im Schritt heimkehrte.
Aber jetzt kam bei uns ein Wagen vorgefahren, dem ich in der festen
Überzeugung, es seien Iwins, die früher zu kommen versprochen hatten,
entgegenlief.
 
Statt Iwins erschienen hinter der Bedientenhand, die den Wagen
öffnete, zwei Personen weiblichen Geschlechts: eine große in blauem
Mantel mit Zobelkragen, die andere -- klein, vollständig in ein langes
schwarzes Tuch gewickelt, aus dem nur die kleinen Füße in Pelzstiefeln
hervorguckten. Ohne meine Anwesenheit im Flur im geringsten zu beachten
-- obgleich ich es für nötig gehalten hatte, ihnen eine Verbeugung
zu machen -- trat die Kleine zur Größeren und blieb schweigend vor
ihr stehen. Diese wickelte das große Tuch los, das den ganzen Kopf
der Kleinen verhüllte, knöpfte ihren Mantel auf, und als der Diener
diese Sachen in Verwahrung genommen und ihr die Pelzstiefel ausgezogen
hatte, kam aus der Verhüllung ein wunderhübsches zwölfjähriges Mädchen
in kurzem ausgeschnittenen Tüllkleide, in weißen Höschen und winzigen
schwarzen Schuhen zum Vorschein. Den weißen Hals umschloß ein
schwarzes Samtband; ihr ganzes Köpfchen war mit dunkelblonden Locken
bedeckt, die vorn so gut zu dem hübschen Gesicht und hinten zu den
nackten Schultern paßten, daß ich niemandem, selbst Karl Iwanowitsch
nicht geglaubt hätte, diese Locken seien dadurch entstanden, daß
man sie seit heute morgen mit Stückchen der »Moskauer Nachrichten«
umwickelt und nachher mit einem heißen Eisen gebrannt hatte. Es sah
vielmehr aus, als wäre sie mit diesem Lockenkopf geboren.
 
Ihre Augen waren sehr groß und vorstehend, zur Hälfte von den
langbewimperten Lidern bedeckt. Diese Augen hatten einen ernsten, etwas
traurigen Ausdruck. Die Lippen dagegen waren frisch, und ihre Form
entsprach durchaus dem Ausdruck des Mundes.
 
Überhaupt war dieses Mädchen ein Wesen, von dem man kein Lächeln
erwartet und dessen Lächeln infolgedessen um so bezaubernder wirkt.
 
Während die große Person, Madame Walachin, ihr im Wagen etwas kraus
gewordenes Kleid zurechtstrich und die Kleine, ihre Tochter Sonja, sich
mit augenscheinlichem Vergnügen im Spiegel betrachtete, schlüpfte ich,

댓글 없음: