2015년 8월 30일 일요일

Kindheit 8

Kindheit 8


Ich schlang das Tuch um Girans Hals und stürmte Hals über Kopf an die
bezeichnete Stelle. Papa lachte und rief mir nach: »Schnell schnell, du
kommst zu spät!«
 
Giran blieb fortwährend stehen, spitzte die Ohren und horchte. Da meine
Kräfte nicht reichten, ihn vorwärts zu ziehen, wählte ich eine List und
schrie: »Faß ihn, faß ihn!« Dann konnte ich ihn wieder kaum halten und
fiel mehrmals hin, bis ich meinen Platz erreichte.
 
Endlich ließ ich mich im Grase nieder, Giran neben mir, und wartete.
 
Meine Phantasie eilte der Wirklichkeit weit vorauf. Ich bildete mir
ein, schon zwei Hasen gehetzt zu haben und war jetzt mit einem Fuchs
beschäftigt -- da gab zuerst ein Jagdhund Laut. Bei diesem Geräusch
erstarrte ich auf der Stelle. Die Augen in die Weite gerichtet,
lächelte ich sinnlos. Mir war, als ob dieser Augenblick über mein
ganzes Leben entschiede. Der Schweiß floß in Strömen; die Tropfen
rannen das Kinn entlang und kitzelten -- ich wischte sie nicht ab.
Diese Spannung war so unnatürlich, daß sie nicht lange dauern konnte.
Die Hunde hetzten, kein Hase war zu sehen. Ich schaute nach rechts und
links.
 
Mit Giran war genau dasselbe der Fall. Anfangs wollte er sich losreißen
und winselte sogar; dann streckte er sich neben mir aus, legte die
Schnauze auf meine Knie und beruhigte sich.
 
Rechts neben mir war ein Ameisenhaufen; in seiner Nähe schleppte eine
Ameise einen riesigen Strohhalm, und obgleich dieser unaufhörlich an
den Unebenheiten des Weges hängenblieb, bewegte sie ihn doch, bald an
dieser, bald an jener Seite zerrend, zwar langsam aber beständig näher
an den Haufen heran. Ich legte den Kopf in die Hand und sah mit großer
Aufmerksamkeit zu.
 
Ein weißer Schmetterling mit gelben Flügelspitzen schwebte über einer
wilden Kleeblüte und ließ sich darauf nieder. Ich weiß nicht, ob er
den Saft aus der Blüte sog oder sich in der Sonne wärmte -- jedenfalls
mußte es ihm dort sehr gut gefallen. Er bewegte bisweilen die Flügel
und blieb dann unbeweglich sitzen.
 
Plötzlich heulte Giran auf und stürmte mit solcher Kraft vorwärts, daß
ich fast hingefallen wäre. Ich sah mich um und erblickte am Waldsaum
einen Hasen, der, den einen Löffel angedrückt und den anderen gespitzt,
leicht im hohen Grase dahinsprang. Im selben Moment vergaß ich alles,
sogar Papas Rat, an mich zu halten; ich ließ den Hund los und schrie
unnatürlich auf. Aber kaum war das geschehen, so überkam mich Reue: der
Hase duckte sich, machte einen Satz und ward nicht mehr gesehen.
 
Wie groß war aber meine Scham, als hinter den Jagdhunden, die laut
bellend am Waldrande hervorbrachen, der Türke erschien. Er sah sofort,
was ich angerichtet hatte und sagte nur: »Ach Herr!« Aber wie er das
sagte! Mir wäre leichter gewesen, wenn er mir wie einem Hasen die
Läufe abgeschnitten und mich an den Sattel gehängt hätte.
 
Lange stand ich verzweifelt auf demselben Fleck, rief nicht einmal die
Hunde, sondern schrie nur fortwährend mit ausdrucksvollen Gebärden:
»Mein Gott, was habe ich getan!«
 
Ich hörte, wie die Hunde weiterjagten, wie auf der anderen Seite der
Insel gehetzt wurde, wie man den Hasen zurückjagte und wie der Wärter
die Hunde abrief. Ich rührte mich nicht von der Stelle.
 
 
9. Spiele.
 
Die Jagd war zu Ende. Im Schatten war ein Teppich ausgebreitet, auf dem
die ganze Gesellschaft sich im Kreise lagerte. Der Küchenchef Gabriel
hockte vor einem Korbe nieder und nahm daraus Birnen und Pfirsiche,
die in Blätter eingewickelt waren. Um von diesen schönen Sachen etwas
abzubekommen, mußte man geduldig warten, bis Gabriel jedes Stück
ausgewickelt hatte, dann Teller holte, sie abwischte, alles darauf
legte, die Teller symmetrisch auf den Teppich setzte, jeden einzelnen
Teller noch einige Male zurechtrückte, als wenn das auf Wunsch und
Willen dieser schönen Sachen geschähe, die nicht in ganz gleichem
Abstand voneinander dalägen. Wenn ich diese Vorbereitungen sah, überkam
mich stets ein Gefühl der Unzufriedenheit. Ich war überzeugt, daß das
alles absichtlich und nur geschähe, um mich zu ärgern, besonders, weil
ich an den Korb herangelassen den ganzen Inhalt mitsamt den Blättern
verzehrt haben würde.
 
Als wir unsere Portion Gefrorenes und Früchte bekommen hatten, gab
es auf dem Teppich für uns nichts mehr zu tun. Trotz der schrägen,
sengenden Sonnenstrahlen standen wir auf, um zu spielen.
 
»Also was?« sagte Ljubotschka im Grase hüpfend und wegen der Sonne mit
den Augen blinzelnd. »Laßt uns Robinsonspielen.«
 
»Nein, das ist langweilig,« sagte Wolodja, der sich faul im Grase
wälzte und Blätter kaute. »Immer und ewig Robinson! Wenn ihr schon
spielen wollt, laßt uns eine Laube bauen.«
 
Wolodja wollte sich augenscheinlich wichtig machen. Wahrscheinlich war
er stolz auf sein Jagdpferd und stellte sich nun müde. Vielleicht besaß
er auch zu viel gesunde Vernunft und zu wenig Einbildungskraft, um an
dem Robinsonspiel Gefallen zu finden. Dieses bestand in der Darstellung
von Szenen aus dem Schweizer Robinson, den wir kurz zuvor gelesen
hatten.
 
»Nein bitte, warum willst du uns nicht den Gefallen tun!« drangen die
Mädchen in ihn. »Du bist Charles oder Ernest oder Vater -- was du
willst,« sagte Katja, die ihn am Ärmel vom Boden hochzuziehen suchte.
 
»Ich mag wirklich nicht; ist so langweilig!« erwiderte Wolodja, sich
dehnend, mit selbstgefälligem Lächeln.
 
»Dann kann man ja lieber zu Hause bleiben, wenn niemand spielen will,«
brachte Ljubotschka unter Tränen heraus. Sie war eine schreckliche
Heulliese.
 
»Also kommt; nur bitte, nicht weinen; das kann ich nicht ausstehen.«
 
Wolodjas gnädige Herablassung machte uns wenig Vergnügen. Sein faules
und langweiliges Benehmen nahm dem Spiel den Reiz. Als wir auf der
Erde saßen und auf den Fischfang fuhren, wobei wir aus Leibeskräften
ruderten, saß Wolodja mit gekreuzten Armen in einer Haltung da, die mit
der eines Fischers nicht die geringste Ähnlichkeit hat. Ich sagte ihm
das, aber er erwiderte, daß wir durch unser stärkeres oder schwächeres
Armschwenken nichts profitierten und nicht im geringsten vorwärts
kämen. Darin mußte ich ihm unwillkürlich recht geben. Als ich mit einem
Stock auf der Schulter dem Walde zuschritt und sagte, ich ginge jetzt
auf die Jagd, legte Wolodja sich auf den Rücken, schlang die Hände um
den Hinterkopf und sagte, er ginge jetzt auch auf die Jagd.
 
Dieses Benehmen und solche Worte kühlten unseren Spieleifer merklich
ab, besonders, da wir im Grunde unseres Herzens Wolodjas Worte für ganz
vernünftig erklären mußten.
 
Ich weiß selbst, daß man mit einem Stocke keinen Vogel töten und nicht
schießen kann. Es ist Spiel. Wenn man so denkt, kann man auch auf
Stühlen nicht fahren; ich denke aber, Wolodja weiß noch recht gut, wie
wir an langen Winterabenden einen Sessel mit Tüchern bedeckten und
einen Wagen daraus machten -- einer war Kutscher, der andere Lakai, die
Mädchen kamen in die Mitte; drei Stühle bildeten die Troika und dann
ging's los. Und was für mannigfache Zwischenfälle passierten auf dieser
Fahrt, und wie schnell und fröhlich vergingen die Winterabende! ...
 
Wenn man alles genau nimmt, gibt es gar kein Spiel. Wenn das aber
fehlt, was bleibt dann?!
 
 
10. Etwas wie eine erste Liebe.
 
Als Ljubotschka im Spiel von einem Baum amerikanische Früchte pflückte,
riß sie ein Blatt mit einer großen grünen Raupe ab. Erschreckt
schleuderte sie es auf den Boden und schnitt dabei eine komische
Grimasse; hob die Hände hoch und sprang beiseite, als fürchtete sie,
mit etwas bespritzt zu werden. Das Spiel hörte auf und wir bückten
uns alle und steckten die Köpfe zusammen, um dieses Wundertier zu
betrachten. Katja war so mutig, die Raupe aufzuheben, schob ihr einen
trockenen Grashalm in den Weg und machte, um das besser zu können, eine
Bewegung mit der Schulter, über die Mimi stets ärgerlich wurde und
sagte: »~C'est un mouvement de femme de chambre.~«
 
Das Kleid mit dem Halsausschnitt rutschte den Mädchen beim Bücken von
der Schulter. Sie brachten es dadurch wieder in die richtige Lage, daß
sie die Schulter senkten und schnell hoben. Über die Raupe gebeugt,
machte Katja eben diese Bewegung, als ich ihr über die Schulter
blickte. Der Wind hob das Busentuch von ihrem weißen Halse. Ich blickte
schon nicht mehr auf die Raupe, sondern auf die nur zwei Finger breit
von meinen Lippen entfernte nackte Schulter. Ich sah und sah, und
preßte dann meine Lippen so heftig darauf, daß Katja zurückwich, und
empfand dabei solchen Genuß, daß ich am liebsten nie aufgehört hätte.
Katja wandte sich nicht einmal um; aber ich bemerkte, daß nicht
nur die Stelle, die ich geküßt, sondern ihr ganzer Hals rot wurde.
Wolodja sagte verächtlich, ohne den Kopf zu heben: »Was sind das für
Zärtlichkeiten!« und beschäftigte sich weiter mit der Raupe. Mir aber
traten vor Lust und Scham Tränen in die Augen.
 
Dieses Lustgefühl war für mich ganz neu; nur einmal, als ich meinen
bloßen Arm betrachtete, hatte ich etwas Ähnliches empfunden.
 
Obgleich ich mich sehr schämte, verwandte ich von jetzt ab kein Auge
von Katja.
 
Während wir spielten, überredete Mama den Vater, die Trennung bis auf
morgen nach dem ersten Frühstück zu verschieben, und davon wurde uns
sofort Mitteilung gemacht.
 
Auf dem Heimweg ritten wir neben dem Jagdwagen. Wolodja und ich suchten
uns gegenseitig an Schneidigkeit und Reitkunst zu überbieten und
galoppierten um den Wagen herum. Mein Schatten war jetzt länger als
vorhin; daraus schloß ich, daß ich einen stattlichen Reiteranblick
böte. Das Gefühl der Zufriedenheit, das ich darüber empfand, wurde aber
bald durch folgenden Vorfall beeinträchtigt.
 
In dem Wunsche, alle Insassen des Wagens endgültig für mich
einzunehmen, besonders Katja, die zwar selten, aber doch nach mir
ausschaute, blieb ich etwas zurück, trieb dann mein Pferdchen mit Gerte
und Füßen vorwärts, nahm eine ungezwungen graziöse Haltung an und
wollte im Galopp auf der Seite, wo Katja saß, am Wagen vorübersprengen.
Ich war nur bezüglich eines Punktes unschlüssig, ob ich nämlich
schweigend oder mit Hurrageschrei vorübersprengen sollte.
   

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