2015년 8월 30일 일요일

Kindheit 19

Kindheit 19



Was ist denn das?« sie ergriff meine rechte Hand, an der noch immer
der schmutzige Handschuh mit abgeschnittenem Finger saß. »~Voyez ma
chère~,« wandte sie sich an Frau Walachin und zog mich trotz meines
Widerstrebens an einen sichtbaren Platz. »~Voyez comme ce jeune homme
c'est fait élégant pour danser avec votre fille.~«
 
Großmutter hielt mich fest an der Hand und sah sich ernst aber fragend
nach den Anwesenden um, bis die Neugierde aller befriedigt war und das
Gelächter allgemein wurde.
 
Die Freude Sonjas, die über meine komische Figur mit den vier Fingern
im schmutzigen Handschuh dermaßen lachte, daß ihr Tränen in die Augen
traten und die Locken entzückend um ihr gerötetes Gesicht tanzten,
steckte mich an: ich lachte jetzt am allerlautesten.
 
Sehr traurig wäre ich gewesen, wenn Serjoscha mich gesehen hätte, als
ich, dunkelrot vor Scham, umsonst versuchte, meine Hand loszureißen;
vor Sonja dagegen schämte ich mich nicht. Ich fühlte, daß ihr Lachen
zu laut und ungezwungen war, um spöttisch zu sein. Im Gegenteil,
dadurch, daß wir zusammen lachten und uns ansahen, wurden wir schneller
miteinander bekannt; ich fühlte mich bald so sicher, daß ich sofort um
eine Quadrille bat.
 
Die Episode mit dem Handschuh, die schlecht enden konnte, brachte
mir den Nutzen, daß sie mir in einem Kreise, der mir stets am
schrecklichsten war, -- unter Gästen -- Sicherheit gab; ich fühlte
jetzt nicht die geringste Befangenheit mehr.
 
Das Leiden, das aus Verlegenheit entspringt, rührt daher, daß wir nicht
wissen, welchen Eindruck wir auf andere machen. Sobald wir hierüber
Gewißheit haben, hört das Leiden -- mag der Eindruck sein wie er will
-- auf.
 
Wie lieb war Sonja Walachin, als sie mir gegenüber mit dem plumpen
Etienne die ~Quadrille à la cour~ tanzte! Wie reizend, als ob wir uns
schon eine Ewigkeit kennen würden, reichte sie mir bei der ~Chaine~
lächelnd die Hand. Wie niedlich im Takt hüpften die blonden Locken
auf ihrem Kopf und wie zierlich führte sie das »~Jeté assemblé~« mit
ihren kleinen Füßchen in den bebänderten Chevreauschuhen aus -- alles
nach den Klängen des »Donauweibchens«, die ich bis jetzt nicht ohne
süßes Herzbeben hören kann. Obgleich sie dem jungen Fürsten, der sie
in eine Unterhaltung zu ziehen suchte, ebenso lieb zulächelte, war
ich doch glücklich. Bei der fünften Figur, als meine Dame vor mir auf
die andere Seite tanzte und ich, die Takte zählend, mich auf das Solo
vorbereitete, legte Sonja ernsthaft die Lippen zusammen und sah zur
Seite, als hätte sie Mitleid mit mir und fürchtete, ich könnte konfus
werden. Aber diese Sorge war umsonst; ich führte kühn das ~chassé en
avant~, ~en arrière~ und ~croissé~ aus, und als ich an ihr vorbeikam,
zeigte ich ihr den Handschuh mit vier Fingern. Wie lieb lachte sie da,
und wie lustig und naiv hüpften die Füßchen in den Chevreauschuhen auf
dem Parkett. Als wir uns bei dem ~grand rond~ alle an der Hand faßten
und einen Kreis bildeten, rieb sie sich, ohne meine Hand loszulassen,
ihr Näschen am Handschuh.
 
Alles das steht mir noch heute vor Augen. Dann kam die zweite Quadrille
mit Sonja.
 
Die Musik, das helle Licht, die Diener in weißen Krawatten, der
besondere Ballgeruch -- alles das bewirkte, daß ich, neben Sonja auf
meinem Stuhl mich niederlassend, anstatt einfach zu sprechen, um jeden
Preis mit meinem Französisch glänzen wollte und schreckliche Dummheiten
sagte.
 
»~Vous êtes une habitante de Moscou?~« fragte ich nach kurzem
Schweigen. Als sie bejahte, fuhr ich ebenso fort: »~Et vous êtes native
de quel gouvernement?~« dabei besonders auf die Wirkung des Wortes
»~native~« rechnend. Als sie mich dann fragte, ob ich früher schon in
Moskau gewesen sei, erwiderte ich, eine malerische Pose auf meinem
Stuhl einnehmend: »~Et moi, je n'ai jamais frequenté la capitale~,« mit
dem Bestreben, sie durch das Wort »~frequenter~« endgültig von meinen
vorzüglichen Kenntnissen des Französischen zu überzeugen.
 
Indessen fühlte ich mich, so glänzend meine Unterhaltung auch war,
doch nicht imstande, sie mit derselben Verve fortzusetzen; wenn nicht
bald an uns die Reihe zum Tanzen kam, oder sie mir aus der schwierigen
Situation hinaushalf, war ich genötigt, die ganze Zeit zu schweigen.
In Erwartung ihrer Unterstützung und neugierig, welchen Eindruck mein
Französisch auf sie machte, blickte ich ihr unruhig ins Gesicht.
 
»Wo haben Sie den komischen Handschuh her?« fragte sie mich plötzlich.
Diese Frage verschaffte mir große Erleichterung und Vergnügen. Ich
erklärte ihr, der Handschuh gehörte Karl Iwanowitsch, und verbreitete
mich etwas über seine Person, wie komisch er wäre und wie er einmal mit
seiner grünen Pekesche vom Pferd in eine Pfütze gefallen sei.
 
In der Unterhaltung über Karl Iwanowitsch, das Land, Pilze und das
Pferd verging unmerklich die Quadrille. Alles sehr schön, aber warum
hatte ich mich ironisch über Karl Iwanowitsch geäußert? Fürchtete ich
wirklich, die gute Meinung, die Sonja von mir hatte, zu verlieren, wenn
ich ihn mit der Liebe und Verehrung schilderte, die ich bisweilen für
ihn hegte?
 
Bei der Beendigung der Quadrille sagte Sonja mit solch liebem und
freundlichem Ausdruck »~Merci~« zu mir, als wenn sie mir wirklich für
etwas zu danken hätte; ich war einfach hingerissen und erkannte mich
selbst nicht wieder, so kühn, selbstbewußt, ja frech trat ich auf.
 
Keck schlenderte ich durch alle Räume, ohne auf etwas zu achten; bog
nicht einmal aus, sondern rannte sehr unhöflich mit den Leuten, die mir
begegneten, zusammen. Es gibt nichts, was mich jetzt aus der Fassung
bringen kann, dachte ich. Ich bin zu allem bereit.
 
Serjoscha bat mich, sein ~vis-à-vis~ zu sein.
 
»Gut,« sagte ich, »hab' zwar noch keine Dame, werde aber schon eine
finden.«
 
Den Saal mit einem kühnen Blick musternd, bemerkte ich, daß fast
alle Damen engagiert waren; nur an der Tür stand ein großes hübsches
Mädchen, auf das jetzt ein schlanker junger Mann zuschritt; offenbar
in der Absicht, sie zu engagieren. Er war von ihr nur noch drei
Schritt entfernt, ich dagegen am anderen Saalende. Im Nu durchflog
ich, auf dem Parkett dahingleitend, den ganzen Raum, machte eine
Verbeugung und bat sie mit fester Stimme um den Tanz. Das große Mädchen
lächelte gönnerhaft, reichte mir den Arm, und der junge Mann hatte das
Nachsehen. Ich fühlte so viel Kraftbewußtsein, daß ich meinen Sieg
gar nicht bemerkte. Erst später erfuhr ich, der junge Mann hätte
gefragt, wer denn der Struwwelpeter wäre, der ihm zwischen den Beinen
herumgesprungen sei und so frech die Dame weggeschnappt hätte.
 
 
24. Die Mazurka.
 
Die Musik begann; Großmutter kam aus dem Gastzimmer; man rollte ihren
weichen Sessel herein und sie setzte sich in die Saalecke zu einem
alten, ordengeschmückten Herrn, der soeben vom Kartentisch aufgestanden
war, und zu einer Dame. Da ich zur Mazurka keine Tänzerin hatte,
stellte ich mich hinter die hohe Stuhllehne, lauschte der Unterhaltung
und beobachtete die Tanzenden.
 
Der junge Mann, dem ich die Dame weggeschnappt, tanzte im ersten Paar.
Er sprang, seine Dame an der Hand haltend, vom Stuhl auf, anstatt aber
den »~pas de Basque~« zu machen, wie Mimi uns gelehrt, lief er einfach
vorwärts, blieb in der Ecke stehen, stampfte mit den Hacken auf,
spreizte die Beine, machte kehrt und lief hüpfend weiter.
 
Was macht der nur, dachte ich, das ist doch gar nicht so, wie Mimi es
uns gezeigt hat; sie behauptet, die Mazurka würde schwebend auf den
Fußspitzen mit kreisförmiger Beinbewegung getanzt -- nun ist es ganz
anders. Da sind Iwin und Wolodja ebenfalls. Wenn er sich nur nicht
blamiert, der Ärmste! Nein, wirklich gar nicht übel; er tanzt auch so.
Großartig!
 
Die Mazurka ging zu Ende; einige ältere Herren und Damen
verabschiedeten sich von Großmutter und fuhren fort. Diener trugen,
den Tanzenden vorsichtig ausweichend, Geschirr in die Hinterzimmer.
Großmutter war ersichtlich müde und sprach sehr gedehnt, gleichsam
unlustig. Die Musikanten spielten zum dreißigstenmal träge dasselbe
Motiv. In diesem Augenblick kam das große Mädchen, mit dem ich getanzt
hatte, in Begleitung einer der zahllosen kleinen Fürstinnen und Sonjas
auf mich zu; wohl um Großmutter zu gefallen, lächelte sie ihr zu und
richtete folgende zartsinnige Frage an mich: »Rose oder Hortensie?«
 
»Ah, du bist hier, Freundchen!« wandte Großmutter sich zu mir um, »geh
nur, geh.«
 
Nicht ohne Zittern und Zagen sagte ich: »Hortensie« und war noch nicht
zur Besinnung gekommen, als schon eine kleine Hand im weißen Handschuh
in der meinigen lag und Sonja fröhlich lächelnd auf ihren kleinen
Zehenspitzen vorwärts tanzte ohne zu ahnen, daß ich mit meinen Füßen
nichts anzufangen wußte.
 
Obgleich ich mir klar darüber war, daß das ~pas de Basque~ jetzt
unangebracht, ungehörig sei und vielleicht unangenehme Folgen für
mich haben könnte, wirkten die bekannten Mazurkaklänge auf mein Ohr,
teilten sich den Nerven mit, die ihrerseits die Bewegung auf die Beine
übertrugen, so daß diese letzteren unwillkürlich und zum Erstaunen
aller Zuschauer die verhängnisvollen, gleitenden, kreisförmigen ~pas~
auf den Zehenspitzen beschrieben, die Mimi mir wahrscheinlich zum
Schabernack beigebracht hatte.
 
Solange wir geradeaus tanzten, ging die Sache noch; als wir aber an
die Biegung kamen, bemerkte ich, daß ich, beim Beibehalten des ~pas de
Basque~, sicher vorwärts tanzen würde. Um das zu vermeiden, blieb ich
stehen und wollte dieselben Beinbewegungen auf dem Fleck machen, die
der junge Mann im ersten Paar und andere so hübsch ausführten.
 
In dem Augenblick, als ich die Beine spreizte und schon springen
wollte, blickte Sonja, die schnell um mich herumlief, ernsthaft und
neugierig auf meine Beine. Vielleicht wäre mein Sprung noch halbwegs
gelungen, wenn Sonja nicht so genau zugesehen hätte. Sobald ich das
aber bemerkte, verlor ich vollständig die Fassung, und statt des kühnen
~pas~, den ich beabsichtigt, wurde ich so verlegen, daß ich ohne jeden
Takt, höchst komisch, und ganz unbeschreiblich auf der Stelle hüpfte.
Dann blieb ich vollends stehen und sah mich um. Alle starrten mich an;
einige neugierig, andere mitleidig, noch andere spöttisch. Großmutter
blickte kaltblütig drein. Wolodja zwinkerte und machte mir Zeichen;
Papa wurde rot, stand auf, trat zu mir und nahm mich bei der Hand.
 
»~Il ne fallait pas danser, si vous ne savez pas!~« raunte er mir
ärgerlich ins Ohr, nahm Sonjas Arm und tanzte unter lautem Beifall der

댓글 없음: