2015년 4월 7일 화요일

Gestalten der Wildnis 16

Gestalten der Wildnis 16


Den ganzen Tag und die ganze Nacht (obwohl sie nicht wußten, wann
Tag und Nacht miteinander wechselten) lagen Mensch und Tier so
nebeneinander und klammerten sich ans Leben, während rings um sie und
über sie fort das Feuer raste. Dann begann es abzusterben, glühende
Baumstümpfe und Stämme blieben zurück, ihr Rauch schwelte am Ufer, hier
und da zischte noch eine Flamme auf. Die Luft war jetzt so kühl, daß
man ohne Qual atmen konnte. Und ein verzweifelt grauer Wolkenhimmel
blickte auf das Bild der Zerstörung herab.
 
Der Mann stand auf, reckte seine steifen Glieder, wrang das Wasser aus
seinen Kleidern und dann -- so rasch wechseln unsere Bedürfnisse! --
setzte er sich an die nächste Glut, um seinen Körper zu wärmen. Der
Bär beobachtete ihn ängstlich, aber er wagte sich nicht näher. Wie ein
Hund folgte er den Bewegungen des Menschen. Für den Augenblick hatte er
allen eigenen Willen verloren.
 
Der Mensch erkannte jetzt klar: für die nächsten Tage gab es keine
Flucht von diesen glühenden Gestaden, wenn nicht ein Wolkenbruch
kam und die schwelenden Torflager löschte. Aber zwischen seinem
Zufluchtswinkel und dem Ufer, ein kleines Stück stromabwärts, bemerkte
er eine Landzunge aus Sand und Geröll, an der ein paar Holzblöcke
gestrandet waren. Sie lag unter dem sprühenden Schaum der Wasserfälle
so geschützt, daß die Hitze wohl ein paar Büsche angesengt, aber nicht
vermocht hatte, sie zu verbrennen. Diese langgestreckte Kiesfläche
schien dem Menschen ein Weg zur Rettung, er mußte sie erreichen. Aber
der tiefe Wirbelstrom würde ihn, obgleich er ein tüchtiger Schwimmer
war, wie einen Strohhalm vorbeiwirbeln. Wenn der Bär es nur zuerst
versuchen wollte! Gleich darauf aber fiel ihm ein, daß selbst dieser
Versuch ihm nichts nützen würde, denn der Bär war imstande, sich in
einer Strömung zu behaupten, in der er selbst unterging wie eine junge
Katze. Trotzdem sah er den Bären auffordernd an und rief ihm über die
tosenden Wellen zu:
 
»Versuch du's, Kamerad! Hier können wir noch lange hängen.«
 
Der Bär glaubte, er würde irgend eines Verbrechens angeklagt, und zog
sich ängstlich in einen Winkel zurück. Da er nichts tun konnte, als
sich dem Schicksal zu stellen, verlor der Mensch jetzt keine Zeit mehr.
Durch Warten konnte er weder Kraft noch einen neuen Entschluß gewinnen.
Indem er sich sorgfältig auf der schmalen Brücke zwischen den beiden
Kanälen hielt, nutzte er alles aus, was sein tolles Wagnis erleichtern
könnte. Als er dem reißenden Strom nicht länger widerstehen konnte,
warf er sich so weit hinaus wie möglich und schwamm verzweifelt darauf
los, hoffnungslos und doch hoffend, er würde die Landzunge erreichen,
ehe der Fluß ihn vorbeigetrieben hätte. Im nächsten Augenblick freilich
erkannte er, daß alles umsonst war. In diesem Wirbel war er nicht mehr
als ein treibendes Blatt.
 
Der Bär hatte jede seiner Bewegungen verfolgt. Was das Manöver
bedeutete, ahnte er nicht, aber er glaubte, daß der Mensch auf diesem
Wege den Rettungswinkel nicht verlassen könnte. Als er dann sah, wie
der sich mitten in den Fluß hineinwarf, den Kopf zum Ufer gewandt,
fühlte er sich ganz verlassen. Mit einem wimmernden Schrei stürzte auch
er in den Strom. Den Menschen aus den Augen zu lassen, wagte er nicht
mehr. Dann würde das Feuer zurückkehren und ihn vernichten!
 
Die Schnauze hoch gehoben, kämpfte er sich prachtvoll durch die
wirbelnde Flut. Und obwohl in furchtbarer Geschwindigkeit stromabwärts
getragen, gelang es ihm doch, seine Diagonale immer weiter zu sichern.
Jetzt endlich hatte er es gelernt, die Gewalt abzuschätzen, gegen die
er zu kämpfen hatte, und die Richtung gefunden, in der die Landspitze
zu erreichen war -- da stürzte eine Welle den Menschen auf ihn! Der
Mensch klammerte sich im langen Pelzhaar seiner Flanke fest. In seinem
Entsetzen über diesen unerwarteten Angriff kämpfte der Bär noch
machtvoller drauf los. Der Mensch blieb, wie das Schicksal es gewollt
hatte, in seine Flanke eingekrallt.
 
Mit letzter Anstrengung erreichte der Bär an einer bequemen
Zugangsstelle die Landzunge und schwang sich wie eine erschreckte Katze
hinauf. Der unheimliche Griff in seiner Flanke ließ nach. Als er sich
umdrehte, um zu sehen, was passiert war, stand der Mensch atemlos, aber
lachend im Sand und rief: »Hab Dank, Geselle! Gut gemacht!«
 
Entsetzt von diesem Lachen, einem Geräusch, wie er es nie gehört hatte,
sprang der Bär auf die andere Seite der Landzunge und spähte zum Ufer.
 
Der Mann war inzwischen wieder zu Atem gekommen. Jetzt machte er sich
daran, im ruhigen Wasser an den Ausläufern der Sandbank zwei Baumstämme
nebeneinander zu rollen. Aus treibenden Wurzeln und den Ruten von halb
verdorrten Weidenbäumen drehte er Taue, mit denen er die beiden Stämme
immer wieder und wieder umwand. So brachte er ein Floß zuwege, das
stark genug war, ihn über alle Schnellen zu tragen. Er wußte, daß er
nur noch eine halbe Meile vom See entfernt war; und er wußte auch, daß
die schlimmsten tobenden Katarakte des Südfork hinter ihm lagen.
 
Er hatte weder Ruder noch Staken, um seinen Kurs zu halten, aber
trotzdem stieß er das Floß vertrauensvoll in die Flut. Dabei winkte er
seinem Gefährten Lebewohl.
 
»Bleib ruhig sitzen, Kamerad!« rief er. »Du bist gut, wo du bist, laß
die Wälder sich abkühlen!«
 
Der Bär war durch die drohenden Flammen nicht mehr geängstigt, aber
noch erschreckt von dem kraftvollen Griff in sein Fell. So nahm er den
Rat des Menschen scheinbar als endgültig hin. Anfangs freilich folgte
er dem Floß ein Stück weit in die brandenden Wasser hinein und wimmerte
unentschlossen. Dann aber ließ er sich auf seinen Keulen nieder und
beobachtete, wie es schwankend und taumelnd die Wellen niederschoß.
Der Mann kauerte darauf, und der Bär sah ihm nach, bis er an einer
Flußkrümmung verschwand.
 
 
 
 
Mütter des Nordens
 
 
Es war im ersten, trunkenen Sturm des arktischen Frühlings. Wie
durchzuckt von der Wärme langer Tage, die voll Sonne waren, brach zu
Füßen der südwärts gewandten Gletschermauern strahlendes Grün und
blühendes Leben aus dem dünnen Erdreich, das ewiges Eis umschloß.
Bäche erwachten in sonnenbeschienenen Tälern, an ihren Ufern sproßte
das Gras, öffneten sich wie in leidenschaftlicher Eile sternengleich
Blumen, weiße, gelbe und blaue. Die kleinen nordischen Schmetterlinge
kamen in Schwärmen, mit ihnen wespenschlanke Bienen und unzählbare
Arten von Käfern, als hätten die plötzlich erwachten Blüten sie, in
ihrer Sehnsucht befruchtet zu werden, aus dem Schlaf gerufen. Ueber
ihren schmutzigen Nestern, in unzugänglichen Klippen, schrien die
Möwen, oder sie füllten die Luft mit dem Leuchten ihres Gefieders, wenn
sie über das graugrüne ruhige Meer hinschwärmten. Für einen Augenblick
versuchte die nordische Welt alle Qualen des Winters zu vergessen,
seine mitleidlose Wildheit, seine tätliche Kälte und sein Dunkel.
 
Die plumpen, großen, grunzenden Walrosse fühlten ihn auch und begrüßten
ihn, den Glanz des arktischen Frühlings in ihren Einsamkeiten. In den
Klippen einer Felsinsel, ganz nahe dem Wasser, sonnte sich eine kleine
Herde. Es waren zwei alte Bullen und vier Kühe mit ihren krabbelnden,
klumpigen Kälbern. Alle hatten sie sich gern, sie lagen da Kopf an
Kopf, die Vorderflossen zärtlich über des Andern formlosen Leib gelegt,
und in allen Tönen des Behagens grunzten, stöhnten, brummten sie,
während die helle Sonne ihre dicken Häute kitzelte. Alle fühlten sie
sich unter diesem Himmel frei von Sorgen, bis auf einen einzigen alten
Bullen. Er war auf Wache, streckte seinen mächtigen Kopf mit Hauern
und Schnurrbart hoch über die schweigenden Gefährten hin, hielt Augen,
Ohren und Nase bereit, um eine nahende Gefahr zu wittern.
 
Eins der formlosen, unbeholfenen Kälber lag mit seiner Mutter in einer
Vertiefung des Felsens, vielleicht zwanzig Fuß weit fort von der
Brandung -- in einem sicheren Winkel, den kein Wind aus Nord oder Ost
berühren konnte. Die übrige Herde war dem Meer so nahe, daß von Zeit
zu Zeit eine breite, bleigrüne Welle aussprang und sie überspülte. Die
Jungen zeigten Lust, aufzuspringen und sich diesen plötzlichen Duschen
zu entziehen. Aber ihre Mütter waren streng genug, um sie nahe dem
Wasser zu halten.
 
Jetzt wurde die kleine Gruppe durch ein Haupt vermehrt. Ein anderer
alter Bulle, der auf dem Boden des Meeres fouragiert hatte, indem er
mit seinen Hauern Muscheln, Seesterne und Austern aufgrub und sie in
der massiven Mühle seiner Kinnbacken klein schrotete, hob plötzlich
sein wildes Haupt an die Oberfläche. Trotz seines mächtigen Körpers
bewegte er sich im Wasser fast so schnell und graziös wie ein Seehund.
In einer Sekunde war er an der Klippe. Dort stemmte er seine ungeheuren
Hauer ein, zog sich mit der Kraft seines breiten Rückens empor, stützte
sich auf eine breite Vorderflosse und hob sich aus dem Wasser. Dann
warf er sich laut grunzend vor Zufriedenheit unter seine Kameraden.
 
Es bildete keine sehr liebliche Gesellschaft, dies ungeschlachte
Seevieh, das muß zugegeben werden. Die Ausgewachsenen waren zehn bis
elf Fuß lang, rund und ausgebaucht wie Bierfässer. Der Schmuck eines
Schwanzes ging ihnen ab, ihre Farbe war ein schmutziges Gelbbraun. In
dünnen Büscheln war ihre Haut mit widerspenstigen Borsten bewachsen,
und das gab ihnen etwas Ungepflegtes, als wären sie von Mäusen
befressen. Lächerlich krumm waren ihre kurzen, aber stark entwickelten
Flossenfüße. Der obere Teil ihres Schädels war flach, schmal und ohne
Ohren, die Schnauze dagegen ungeheuer entwickelt, denn sie mußte die
massiven, abwärts wachsenden Hauer tragen, von denen jede ihre zwölf
bis fünfzehn Fuß lang war. Die tolle Vergrößerung des Oberkiefers wurde
auch noch betont durch den Schmuck langer, steifer Schnurrbärte, die
ihrem Träger den Ausdruck borstiger Reizbarkeit gaben. Die wackligen
Gestalten der Kälber machten denselben Eindruck wie die der Eltern,
aber ihr sauberes, junges Fell war noch nicht so faltig, auch durch
Beulen und Schrammen noch nicht entstellt, natürlich hatten sie keine
Hauer, aber in Erwartung dieser Waffe war ihre Schnauze schon überstark
und gab ihnen einen Ausdruck von Roheit, dem die Sanftheit ihrer
Babyaugen lächerlich widersprach. Sie rollten und schmiegten sich
gegen die berghaften Flanken ihrer Mutter, deren wachsame Hingabe sie
empfanden.
 
Das Kalb, das von der Herde am weitesten getrennt landeinwärts lag,
hatte Schmerzen und wimmerte. Am Morgen hatte es vom Horn eines
vorbeiziehenden Narwals einen bösen Stich in die Schulter bekommen,
und die ängstliche Mutter versuchte es zu trösten, preßte es derb aber
zärtlich an ihre Seite und lockte es, zu säugen. Die ganze Herde schien
in diesem Augenblick mit dem Leben so über alle Begriffe einverstanden.
Aber die besorgte Mutter war mit den Klagen ihres Jungen zu sehr
beschäftigt, um auch nur zu fühlen, wie zärtlich die Frühlingssonne
schien.
 
Noch eine andere Mutter, nicht fern von dieser, war trotz des
Frühlings unglücklich. Auf dem Festland, das hinter der Insel lag,
kam ein magerer weißer Bär mit seinem Jungen zum Ufer gewandert. Die
enge Bucht zwischen Insel und Festland war voll großer Eisschollen,
die der Strudel der letzten Flut hineingetragen hatte. Von diesen
wellenzerfressenen und verschlammten Blöcken waren viele am Ufer
zurückgeblieben, die jetzt im Strahl der Sonne zerschmolzen und
manchmal mit gläsernem Klirren auseinander fielen. In der Hoffnung,
einen toten Fisch oder irgend einen anderen genießbaren Abfall der See
zu finden, schnüffelte die brave Mutter zwischen diesen Trümmern hin
und her. Schon lange war ihre Jagd schlecht gegangen, die Lachsschwärme
hatten ihr Erscheinen an der Küste unerklärlich verspätet, und jetzt
rumorte der Hunger in ihren Eingeweiden. Freilich füllte sie sich den
Magen, wie es eben ging, mit den jungen Trieben der Binsen und anderem
Grünzeug, aber das war nicht die Kost, für die Mutter Natur sie nun
einmal gebaut hatte. In Ermangelung richtiger Nahrung preßte sie ihr
lebendiges Leben selbst in die Brüste, um den Kleinen zu stillen. Aber
auch er litt, denn der Vorrat an Muttermilch war erbärmlich gering.
Gerade jetzt, als die alte Bärin still stand, um einen Haufen Seetang
zu durchschnüffeln, kroch der Kleine unter ihren Leib, um zu säugen.
Er wimmerte vor Enttäuschung, so dünn war der Strahl ihrer Milch. Sie
drehte den Kopf, um ihn zärtlich zu lecken, und ihre stolzen Augen
schimmerten in Traurigkeit.
 
Da sich unter den angeschwemmten Eisschollen nichts fand, was ein Bär
genießen konnte, wandte sie sich verzweifelt dem Wasser zu, als sie
plötzlich eine seltsame Witterung von der See her fing. Die kam direkt
von der Insel, war Walroß-Witterung! Sie hob die lange Schnauze mit
der schwarzen Spitze und sicherte, dann stand sie unbeweglich wie
ein Eisklotz und suchte prüfend die Insel ab. Das Junge stand ebenso
bewegungslos, entweder ahmte es die Mutter nach, oder es gehorchte
einem wohlverstandenen Zeichen. Sich still zu verhalten, gehört zum
Ersten, was jede kleine Kreatur der Wildnis zu lernen hat.

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