2015년 4월 7일 화요일

Gestalten der Wildnis 17

Gestalten der Wildnis 17



Kein Walroß war zu sehen, aber die Nase der Bärin konnte sich nicht
getäuscht haben. Daß die plumpen Seetiere da waren, auf der andern
Seite der Insel wahrscheinlich, war sicher; sie sonnten sich wohl
und genossen den herrlichen Tag. Walrosse waren eigentlich nicht das
Wild, das die Bärin gewählt hätte. Die großen Bullen waren mutig und
hitzköpfig, die mächtigen Kühe furchtlos in der Verteidigung ihrer
Jungen wie sie selbst -- sie waren Gegner, die man, wenn irgend
möglich, vermied. Aber gerade jetzt hatte sie keine Wahl. Ihr Junges
hungerte! Nichts auf der Welt schien ihr so wichtig, wie dies kleine
unruhige Bärlein mit seinen Schalksaugen.
 
Mit dem Jungen eng an ihren Fersen, stahl sie sich nun, durch die
Eisschollen gegen jede Sicht geschützt, in die zurückebbende Flut
hinein. Die Bucht war so voll von Treibeis, daß sie für ihr Junges
fürchtete, aber zurücklassen konnte sie es nicht. So nahm sie es beim
Schwimmen eng an ihre Seite. Es war ein guter Schwimmer, der furchtlos
tauchte, wenn sie es tat, der mit seiner kleinen, schwarzen Nase die
grau-grünen Wellen tapfer und schnell durchschnitt. Es tat ihr alles
nach, war wachsam, schnell und vorsichtig wie sie, denn es wußte, daß
diese Jagd auf großes Wild ging.
 
Die Insel war der Ausläufer einer Berghöhe und fiel in steilen Hängen
zum Meer. Die weiße Bärin war viel zu klug, um die Höhe zu erklettern
und dann über die Walrosse herzufallen. Sie wußte gut, daß die Herde
gegen jede Annäherung von der Landseite her auf ihrer Hut war. Von
dorther kam ja alles, was sie fürchteten. Als sie das Gestade erreicht
hatte, schwamm sie deshalb unter Wasser bis zum äußersten Vorsprung.
Dort erst ging sie, durch eine Scholle gedeckt, an Land und preßte sich
dabei so eng an den Felsen, daß sie selbst ein Stück davon schien.
Jede Bewegung machte das Junge eifrig nach. Aber als sie sich auf den
Hintertatzen hob und den schmalen Kopf in einen Riß der Scholle legte,
um hinüberzuäugen, hielt es sich im Hintergrund und wartete auf sie,
den Kopf ängstlich zur Seite gedreht.
 
Die Walrosse waren nicht fünfzig Fuß weit weg in guter Sicht. Bei
aller Hungerqual übereilte die Bärenmutter sich nicht, sondern blieb
minutenlang auf der Lauer, prüfte die Zugänge zum Walroß-Lager, während
eine leichte Brise ihr die angenehmste Witterung in die Nüstern trug.
Sie sah, daß an die Herde selbst nicht heranzukommen war, denn die lag
wohlgeschützt und nahe dem Wasser. Wenn sie einen Ueberfall versuchte,
würden alle beim ersten Alarm entweichen; versuchte sie aber, eins der
Jungen im Wasser zu greifen, dann wäre sie im Augenblick überwältigt,
gespießt von den mächtigen Hauern, auf den Meeresboden gezerrt, ersäuft
und zerrissen worden. Mit glühenden Augen aber beobachtete sie die Kuh
und das Kalb, die höher am Abhang lagen. Da war eine Aussicht, voll von
Gefahr, aber es war eine Aussicht! Sie ließ sich auf alle Viere fallen,
machte sich flach und begann, zwischen den Felsen in die Höhe zu
kriechen, jeden Hügel, jeden Vorsprung als Deckung nützend. Das Junge
folgte ihr noch immer.
 
Es war wunderbar, wie klein sich das gewaltige weiße Tier machte,
während es langsam seine Beute beschlich, seine Bewegungen waren
geräuschlos wie die einer Katze. Das war auch nötig, denn das Walroß
hat scharfe Ohren, und in der Luft war kein Hauch als das tiefe Atmen
und Grunzen der Herde, das gelegentliche Klirren und Klingen von
brechendem Eis.
 
Nicht mehr als zwanzig Schritt vor ihrer Beute hielt die alte Bärin
und warf ihrem Jungen einen kurzen, strengen Blick zu. Sofort stand es
auch und verkroch sich dann behutsam hinter einen Felsen. Nun schlich
die Mutter allein weiter. Sie wußte, daß ihr Kleines flink genug war,
um dem Ansturm eines Walrosses auszuweichen, aber sie wollte es keiner
Gefahr aussetzen.
 
Plötzlich hob die Walroßmutter den Kopf und spähte um sich, als ahnte
sie eine Gefahr. Es war nichts Drohendes zu sehen, aber sie war unruhig
geworden. Sie neigte den Kopf zu ihrem Kalb und fing an, es den Hang
hinunter zu der übrigen Herde zu wälzen.
 
Wie aus den nackten Felsen gezaubert, erhob sich da, nicht zwölf Fuß
weit vor ihr, eine riesige, weiße und furchtbare Gestalt. Der alte
Bulle auf Posten ließ seinen Warnungsruf hören. Aber in dem Augenblick
schon fiel die weiße Masse über das kranke Kalb her, hob die Tatze und
zerschmetterte ihm das Genick, ehe es noch wußte, wie ihm geschah.
 
Mit Geheul richtete die Walroßmutter sich auf, warf die Wucht ihres
Körpers gegen den Feind. Ihr Angriff war schnell, erstaunlich schnell,
aber die weiße Bärin war schneller. Fast im selben Augenblick, in dem
sie den tödlichen Schlag geführt hatte, schob sie mit verblüffender
Kraft und Sicherheit ihre tote Beute zur Seite, ein paar Fuß tief den
Abhang hinunter. Zugleich spannte sie ihren langen Rücken wie einen
Bogen, und so gelang es ihr, den Ansturm der Walroßmutter halb zu
parieren, der andernfalls ihr Ende bedeutet hätte. Immerhin trug sie
auf der einen Hüfte eine schwere Wunde von ihren furchtbaren Hauern
davon, die wie Rammklötze niederfuhren, und auf ihrem weißen Fell
zeichnete sich eine breite, blutige Spur. Im nächsten Augenblick
hatte sie ihren Raub vor dem zweiten Angriff der Mutter in Sicherheit
gebracht.
 
Das Walroß-Lager war jetzt in Aufruhr! Die anderen Kühe hatten ihre
erregten Jungen sofort in die See gerollt und stürzten sich ihnen mit
gewaltigem Plätschern nach. Die drei Bullen kletterten mit furchtbarem
Grunzen, in großen ungeschickten Sätzen die Höhe hinauf, voll Eifer,
in den Kampf zu kommen. Die beraubte Mutter stöhnte und keuchte in
vergeblichen Anstrengungen, die Mörderin ihres Jungen zu erreichen.
Doch zeigte sie sich immerhin so gewandt, daß die Bärin genug zu tun
hatte, ihr zu entgehen, während sie ihre Beute den Hügel hinauf halb
schleppte, halb trug.
 
Auf einmal blieb das tote Kalb in einer Spalte hängen, und die Bärin
mußte eine Pause machen, es freizubekommen. Das dauerte nur einen
Augenblick, aber es fehlte nicht viel, dann wäre dieser Augenblick
ihr letzter gewesen. Die ungefüge Gestalt der Kuh war ihr im Rücken,
sie fühlte es mehr, als sie es sah. Wie eine plötzlich freigegebene
Sprungfeder schnellte die Bärin zur Seite, und die beiden Hauern fuhren
nieder, gerade da, wo sie gestanden hatte, mit der Wucht einer ganzen
Tonne von Knochen und Muskeln, deren Waffe sie waren.
 
Die verzweifelte Kuh richtete sich blitzschnell auf, um ihre Vorteile
auszunutzen. Aber diesmal kam sie schlecht an. Ihre viel intelligentere
Feindin hatte sie umgangen und fuhr jetzt mit wütenden Zähnen von
hinten in ihren Nacken. Aus dem Gleichgewicht geworfen, rollte die
Kuh felsabwärts und überschlug sich, ehe sie wieder zum Stehen kam.
Die drei Bullen hielten mitten in ihrem atemlosen Ansturm inne, um
zu sehen, was geschehen war. Und in diesem Augenblick gelang es der
Bärin, ihre Beute auf ein Riff zu schleppen, das die Walrosse unmöglich
erklettern konnten. Ein paar Fuß höher, und sie hatte eine geräumige
Plattform erreicht, von der sie zwanzig Fuß hoch auf die wütenden
Walrosse hinab sah. Wenige Sekunden später traf auch das Junge auf
ihren Ruf bei ihr ein. In sicherem Abstand vom Feind war es leichtfüßig
über die Felsen geklettert.
 
Als die drei Bullen erkannten, daß die Mörderin sich ihrer Rache ganz
entzogen hatte, kehrten sie um, wälzten sich grunzend und zankend ins
Meer zurück. Die Mutter aber, in Gram und Zorn untröstlich, blieb!
Richtete sich an der Felswand auf, klammerte sich mit ihren großen
Flossen machtlos daran fest, schlug ihre Hauer gegen den Stein, als
sollte er unter ihren Hieben zerbrechen. Wieder und wieder fiel sie
zurück, um ihre nutzlosen und dennoch erhabenen Anstrengungen zu
wiederholen, sobald sie nur wieder Atem in der Brust fühlte. Die alte
Bärin aber sah, ihr Junges stillend, gelassen auf dies Schauspiel herab.
 
Langsam kam die unglückliche Kuh dann zur Besinnung, kehrte um und
kroch schwerfällig, mit müden, ruckartigen Bewegungen den Felsen hinab.
Sie stürzte sich ins Meer, hoch auf schlugen die Wasser, und dann
schwamm sie davon, eine Meile weit draußen zu ihrer Herde zu stoßen.
 
 
 
 
Ein bedrängter Hausvater
 
 
Im vergangenen Jahre war der Seehundbulle verspätet nach Norden
gekommen und hatte trotz seines Grimms und seiner Rauflust, was Wohnung
und Weiblichkeit betraf, schlecht abgeschnitten. Mit einem recht
mittelmäßigen und ganz nackten Felsstück, weit fort vom Wasser, hatte
er sich zufrieden geben müssen, dazu mit einem armseligen Bestand
von drei sanftäugigen, aber mehr oder weniger mitgenommenen kleinen
Damen. Diese drei, die er in wildem Kampf von zwei benachbarten Bullen
eroberte, hatten bei der Auseinandersetzung über ihre unterwürfigen
Reize manche Mißhandlung erlitten, und ihre sonst glatten Pelze
waren danach so zerrissen und zerschlissen, daß der bedenkenfreieste
Pelzhändler erschrocken wäre.
 
In Erinnerung an den Preis, den er für seine Verspätung bezahlt hatte,
wurde unser Seehundbulle in diesem Jahre schon frühzeitig erregt,
tobte in der purpurnen See und hielt sein Antlitz nordwärts gewendet.
Längs der steilen, umbrandeten Küsten von Kalifornien und Oregon,
durch die wilden Brecher des Pazific schwamm er nun zielbewußt,
manchmal gradenwegs wie ein Fisch, dann in schönen Bogen, die er mit
gewaltiger Schnelligkeit und biegsamem, öligem Gleiten beschrieb, als
hätte er aus seinem ganzen schweren Körper eine mächtige Schraube
gemacht, die ihn durch die Flut trieb. Während des größten Teils seiner
leidenschaftlichen Reise schwamm er unter Wasser und hob nur von Zeit
zu Zeit seine schnurrbärtige Schnauze in die Luft, um zu atmen. In
jenen belebten Meeren gab es soviel Fische, daß selbst er seinen nie
ruhenden Hunger mühelos sättigen konnte. Von Zeit zu Zeit unterbrachen
sie dennoch ihre Fahrt, er und seine Gefährten, -- denn er war auf
dieser Nordlandreise in Gesellschaft anderer gereifter Bullen --, um
ein paar Stunden ihrer kostbaren Zeit mit tollen, fast kindlichen
Spielen im Schein der verführerischen Frühlingssonne zu verbringen. Es
war, als hätten sie für den Augenblick vergessen, wie eilig ihre Reise
war, und als ob eine Welle von Leichtsinn sie mit sich risse.
 
Eigentlich war diese Auswanderung fast ohne Gefahr für die Vorhut
des Seehundvolkes. Alles Bullen, ausgewachsene Bullen, stark und
gewandt, mit Körpern von mindestens sechs Fuß Länge, die aus Sehnen
und gestählten Muskeln bestanden, gab es selbst in diesen gefährlichen
Wassern wenig Feinde, die sie zu fürchten hätten. Wenn sie nicht
gar zu unachtsam waren, würde kein Hai ihnen nahe kommen, denn mit
ihrer überlegenen Geschwindigkeit und ihrer wunderbar entwickelten
Tauchkunst konnten die großen Robben dem plumpen Hai recht unangenehme
Ueberraschungen bereiten. Sie fürchteten höchstens den blitzschnellen,
erbarmungslosen »Mörder«, den Schwertfisch, der ohne Anzeichen
plötzlich aus den Tiefen emporstoßen konnte. Auch waren sie immer auf
der Wache gegen die schwarz-weiße Schreckensgestalt der furchtbaren
Orca, die man auch den Mord-Wal nennt. Die schlimmsten Feinde der
nordwärts wandernden Seehunde aber -- jene skrupellosen Räuber von
menschlichen Wilddieben -- ließen unsere Bullen und seine Kameraden
friedlich ziehen, denn ihr grobes und narbiges Fell war für die
Pelzhändler wertlos. Diese Verbrecher warteten lieber auf die glatten
jungen Kühe und die zweijährigen, oder höchstens dreijährigen Bullen
mit ihrem feinen Pelz, die »Jungburschen«, wie sie von den Pelzjägern genannt werden.

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