2015년 4월 7일 화요일

Gestalten der Wildnis 19

Gestalten der Wildnis 19



Heulend vor Enttäuschung und eifersüchtig blickte der Hausherr über
seine Grenzen hinüber, um zurückzufordern, was er für sein Eigentum
hielt. Aber da zeigte ihm ein kurzer Blick nach rückwärts, daß sein
Nachbar zur Linken sich eben anschickte, die Braut zu rauben, die
er schon erobert hatte. Einen Augenblick lang bebte er in hilfloser
Unentschlossenheit. Aber die treulose, kleine Kuh gab kein Zeichen,
als ob sie ihm folgen wollte, sondern sie schien bei der Aussicht
eines plötzlichen Wechsels ihres Eheherrn schamlos gleichgültig. So
verfügte er sich wütenden Herzens an ihre Seite und stand dort mit
keuchendem Rachen Posten. Der Frauenräuber, der schon öfter als einmal
die Rauflust unseres Hausherrn gekostet hatte, war bescheiden genug,
sich zurückzuziehen. Inzwischen kamen die Kühe in solcher Zahl an,
daß jeder große Bulle genug zu tun hatte, alle einzufangen, die in
seinen Bereich kamen und nicht mehr versuchen mußte, seinen Nachbarn
zu berauben. Während der nächsten achtundvierzig Stunden etwa gelang
es dem schnellen und unermüdlichen Hausherrn, nicht weniger als zwei
Dutzend sanftäugige Weiberchen zu greifen und unterzubringen. Schön
artig huddelten sie sich auf der Felsplatte in seinem Rücken und
beobachteten mit Bewunderung seine herkulischen Anstrengungen, ihre
Zahl zu vergrößern. Eifersucht kannten sie nicht. Die meisten von ihnen
waren vielleicht sogar stolz, einem gut besetztem Harem anzugehören,
dessen Größe die Tapferkeit seines Herrn bekundete. Zwei allerdings
erlaubten es sich, die Liebenswürdigkeit eines leichtsinnigen jungen
Bullen in der hinteren Linie entgegenzunehmen, dem es bisher nicht
gelungen war, sich eine Gefährtin zu sichern. Ihr Herr war ja eifrig
damit beschäftigt, weitere Ankömmlinge in Empfang zu nehmen. Aber
für die meisten lag in dem Griff, mit dem der Hausherr sie im Nacken
gepackt hatte, etwas Unvergeßliches. Er bewies ihnen einen gewaltigen
Liebhaber und nahm ihnen die Lust zum Herumtreiben.
 
Noch ein paar Tage lang rückten verspätete Abteilungen von Kühen ein,
und da dem Hausherrn das Glück treu blieb, sah er sich endlich als das
Haupt eines Harems von mehr als vierzig Mitgliedern. Für sein weites
Herz und seine gewaltigen Ansprüche waren das nicht zu viel, aber es
machte ihn zum Gegenstand der bittersten Feindschaft. Selbst seine
tüchtigsten Nachbarn von rechts und links besaßen keine so zahlreiche
Gesellschaft auf ihren Klippen, während im Rücken eine ganze Straße
voll junger Bullen war, die zu spät gekommen waren und immer auf
eine Gelegenheit zum Wildern lauerten. So sehr war der Hausherr mit
ehrenvollen Aufgaben beschäftigt, daß er nicht die Zeit fand, ein Auge
voll Schlaf zu nehmen. Und was die Nahrung anbetraf, hatte er schon so
lange darauf verzichtet, daß er kaum mehr wußte, was Essen bedeutete.
Vierzig Weiber -- und alle in Gefahr, von irgend einem Stärkeren oder
schlaueren Gesellen geraubt zu werden, der zufällig des Weges kam! Es
war schon eine Aufgabe für den bedrängten Hausvater, seine Frauenschar
immer wieder abzuzählen. Immer wieder umstreifte er wachsam die eng
gelagerte Schar. Und wenn eine, die sich vielleicht vernachlässigt
oder übersehen glaubte, den Versuch machte, sich wegzustehlen, um
einem traurig blickenden Bewerber in der hinteren Linie zuzulaufen,
erfuhr sie plötzlich, daß sie weniger vergessen war als sie gedacht
hatte. Sie wurde im Genick gepackt und geschüttelt, bis sie sich selbst
für eine verworfene Sünderin hielt, und dann in die Mitte des Harems
hineingeschleudert. Alles dies ging natürlich nicht ohne fortgesetzte
Reibereien ab, denn der eine oder andere enttäuschte Ehebrecher
versuchte, es auf einen Kampf ankommen zu lassen. Aber für die jungen,
unerfahrenen Bullen aus der hinteren Gasse war der Hausherr ein viel zu
starker und erprobter Kämpfer, so daß diese Reibereien stets rasch ein
Ende fanden.
 
Ein paar Tage nach Ankunft der Kühe wurden die ersten, wolligen,
kleinen Hundchen zur Welt gebracht. Als die Geburten zunahmen,
verringerten sich die Sorgen des Hausherrn ein wenig. Sobald ein Junges
geboren war, konnte er sicher sein, daß die Mutter nicht mehr daran
dachte, auszureißen. Ehebrecher freilich waren noch so gefährlich wie
immer, denn diese schmiegsamen Räuber scheuten keine Verantwortung und
zeigten sich stets bereit, Mutter und Kind zugleich an sich zu nehmen.
Sobald die Jungen ihre erste Hilflosigkeit überwunden hatten, durften
die Mütter ihren Herrn verlassen, direkt durch das Haupttor, um Fische
zu fangen und sich für ihre Kleinen mit Milch zu versehen. Der Hausherr
wußte, daß jetzt jede Kuh pünktlich heimkehren würde. Für ihn selbst
aber gab es auch jetzt weder Ruhe noch Futter. Er hatte nichts zu
tun, als zu Hause zu sein, Wache zu halten, den Nachwuchs von vierzig
Weibern zu hüten und Nebenbuhler in die Flucht zu jagen. Es war ein
aufreibendes Leben. In jener Zeit war er nicht mehr ein glatter und
wohlgenährter Ritter, sondern ein jämmerliches Gestell aus Haut und
Knochen, bedeckt mit unschönen, aber ehrenhaften Narben. Kraft und
Feuer blieben ihm jedoch, und kein Nebenbuhler forderte ihn heraus, der
es nicht bereuen mußte.
 
Eines Tages erschien jedoch ein Feind, dem selbst des Hausherrn Mut
nicht gewachsen war. Die Pelzjäger erschienen auf dem Nistplatz. Es
waren nicht jene verbrecherischen Schlächter, die Wilderer, sondern
ehrliche Jäger, die mit Schonung töteten. Sie kümmerten sich nicht um
die alten Bullen und ihre heranwachsenden Familien, obwohl die Bullen
sie wütend anbrüllten. Sie brachen vielmehr in die Spielplätze der
unverehelichten Jugend ein und richteten dort unter den Halbbullen
und Jungburschen ein furchtbares Gemetzel an. Bald war der einst so
fröhliche Spielplatz mit Blut und Leichen bedeckt. Doch achteten
sie darauf, selbst von den unglücklichen Jungburschen einen guten
Prozentsatz zu schonen, damit der nutzbringende Stamm der Pelzrobben
nicht ausgerottet würde.
 
Mit den Pelzjägern kam ein nachdenklicher Mann, der nicht töten,
sondern beobachten wollte. Das Töten liebte er nicht. Als er sich einen
Augenblick das Schlachten angesehen hatte, rümpfte er mit Ekel seine
Forschernase. Dann hatte er es sehr eilig, sich abzuwenden und den
übrigen Teil der Niederlassung zu studieren. Sie mit einer Kamera zu
beschießen und in Erfahrung zu bringen, was die Pelzrobben treiben,
wenn sie eine ärmlichere Aufgabe hatten als die, geschlachtet zu
werden. Ohne auf Drohungen, Geheul und schnappende Rachen zu achten,
ging er langsam hinter den Nistplätzen entlang; blieb alle paar
Schritte stehen, um seinen Apparat anzusetzen und zu knipsen. Voll
Begeisterung und neuer Kenntnisse kam er hinter das Felsstück, auf
dem der kampfgewohnte Hausherr seinen Harem von vierzig Schönheiten
bewachte.
 
Diese ungeheure Familie und ihr imposanter Wächter fesselten das Auge
des Beobachters. Das war wirklich ein Hausstand, den man beobachten
mußte. Erst knipste er aus einigem Abstand; dann entschloß er sich, in
das gedrängte Privatleben einzudringen und die häuslichen Einrichtungen
zu untersuchen. Ohne besondere Aengstlichkeit wich er den zornigen
Bullen der Hintergasse aus, die vor ihren armseligen Harems tobten, und
wanderte furchtlos mitten hinein unter die ängstlichen Kühe und die
rundäugigen, treuherzigen Jungen von der Familie unseres Hausherrn.
Soviel Seehunde hatte er kampflos schlachten sehen, daß er sich von
dem Mut dieser Tiere ein falsches Urteil gebildet hatte. Ohne auf die
scharfe Warnung des Hausherrn zu achten, beugte er sich nieder, um
eines der Jungen zu untersuchen und zu streicheln, das ihn mit seinen
Augen voll rührender Tiefe und Sanftheit furchtlos anblickte.
 
Nun wußte der Hausherr recht gut, wer dieser Fremde war -- der
ungeheure Mensch, der alle Tiere unterworfen hat, der plötzlich zu
töten versteht, unsichtbar oder mit einer zuckenden Flamme --, aber
er zauderte nicht; es galt, sein Heer zu verteidigen und da dachte er
nicht an die Gefahr. Eine häßliche, aber gefährliche Gestalt, schritt
er sofort zum Angriff.
 
Gerade im kritischen Augenblick blickte der Mensch auf und sah den
rasenden Bullen. Er machte einen wilden Sprung, verlor seine Kamera,
aber entging dem gefährlichen Biß seines Angreifers. Eine große Flosse
traf ihn jedoch und so fiel er halb betäubt auf den Rücken einer
protestierenden Kuh.
 
Zu seinem Glück beschäftigte sich der Hausherr zunächst damit, die
Kamera zu vernichten, und inzwischen fand der Mensch Zeit, sich auf
den nächsten Ueberfall vorzubereiten. Die einzige Waffe, die er trug,
war ein schwerer Knotenstock, den er zugleich als Stütze und als Keule
benutzte. Als er zur Seite sprang, bekam sein Gegner einen schweren
Hieb über die Nase, die empfindlichste Stelle des Seehundes und der
Hausherr brach zusammen wie ein durchbohrter Gladiator.
 
Der Mensch sah voll Mitgefühl auf seinen gefallenen Feind nieder, hob
das Ueberbleibsel von Kamera auf, tätschelte ein Junges, das ihm nicht
aus dem Weg gehen wollte und zog sich zurück. Als er die rückwärtige
Linie der Bullen durchbrochen hatte, sah er sich um und stellte mit
großer Befriedigung fest, daß sein Hieb nicht ganz so wirksam gewesen
war, wie er gefürchtet hatte. Der Hausherr kam langsam wieder zu
sich, hob sein furchtloses Haupt und überzählte seine Familie, um
festzustellen, ob keines fehlte. Dann brüllte er wieder, obwohl es noch
ein bißchen schwächlich klang, allen Eindringlingen seine Verachtung
zu.
 
Als die erfolgreichen Jäger ein paar Tage später die Insel verließen,
mußte er natürlich der Meinung sein, daß sie seinetwegen von dannen
zogen. Da sich niemand fand, der seine Theorie bestritt, ist es
erklärlich, daß er stolz darauf war.
 
Etwa sechs Wochen später, gegen Ende Juli, waren die Jungen stark
genug, um zu reisen. Die Qualen des endlos verlängerten Fastens waren
fast unerträglich geworden, und so kam der Hausherr und alle seine
Nebenbuhler plötzlich zu der Erkenntnis, daß es nicht der Mühe wert
war, an einer solchen Küste ihre Harems zusammenzuhalten. Es fiel ihnen
ein, daß sie nächstes Jahr andere, aber nicht viel weniger reizende
Gefährtinnen sammeln könnten. Da waren plötzlich die schrecklichsten
Fehden vergessen, sie stürzten sich ins Wasser und machten sich hungrig
daran, Fische zu jagen. Dann wandten sie plötzlich alle die Gesichter
nach Süden und bald lagen die öden Felsen einsam da, um wieder Sturm und Kälte der nahenden Polarnacht zu bestehen.

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