2015년 4월 7일 화요일

Gestalten der Wildnis 20

Gestalten der Wildnis 20



Puck im Zwielicht
 
 
Puck, der Düstere, zickzackte durch das purpurne Zwielicht unter
dickblättrigen, überhängenden Aesten, und Mücken zu jagen, war alles,
woran er dachte. Die langen, ruhigen Stunden des goldigen Sommertages
hindurch hatte er geschlafen, wie ein Sack im schattigen Giebel
einer alten Scheune aufgehängt, die mitten in einer blühenden Wiese
lag. Andere braune Fledermäuse hatten Seite an Seite mit ihm dort
geschlafen, wie er, an ihren langen Hakennägeln festgekrallt und
feierlich eingehüllt in das seidige Schwarz ihrer faltigen Schwingen.
Es war ein beliebter Schlafraum für die Fledermäuse, dieser düstere
Giebel, in dem kreuzweise gelegtes Balkenwerk ihnen die angenehmste
Gelegenheit gab, sich fest zu haken -- und infolgedessen herrschte
dort einiges Gedränge. Der eine oder andere fand sich manchmal beengt,
wachte auf, quiekte und stieß seinen Nachbarn mit den knochigen
Ellbogen seines Flügels, um dann mit blecherner Stimme zu protestieren,
-- mit einer sehr blechernen, aber doch barschen, ein wenig zitternden
Stimme, die fast wie das Räderwerk einer Drei-Mark-Uhr klang. Puck
selbst hatte das Glück, ganz am Ende der Reihe zu hängen, als nächster
zu einem weiten Spalt im Dach, der die frische Abendluft hereinströmen
ließ. Aber mehr als einmal war er fast von diesem Hochsitz abgedrängt
worden, sodaß er öfter als irgend ein anderer aufgewacht war, gequiekt
und räder-geschnarrt hatte. Auch hatte ihn bei dieser ungewöhnlichen
Wachsamkeit ein oder zweimal der Anblick einer großen Ratte geärgert,
die tief unten auf einem langen Balken herumlungerte und ihn mit ihren
grausamen Perlenaugen anstarrte. Ratten haßte er, aber da er sich in
diesem Fall außer Reichweite wußte, war er nicht weiter erschrocken.
Er hatte sich in seine Flügel eingehüllt und war wieder eingeschlafen,
noch unter dem Blick des Feindes. So war ihm der Tag angenehm genug
vergangen. Als es Nachmittag wurde, hatte er sich ein paar Mal
aufgerafft, um zu dem Spalt am Giebel zu flattern und einen Blick auf
das Wetter zu werfen, bis er sich endlich, als die Sonne hinter den
niedrigen Hügeln jenseits des Bachs strahlend untergegangen war, durch
den Spalt hindurch ins gold-violettene Dunkel schwang. Zehn Minuten
später schon waren ihm die Mitinhaber des Schlafsaals gefolgt, und der
Giebel ihrer alten Scheuer war nun leer.
 
Er war ein seltsam dreinschauender Kerl, der kleine braune
Fledermäuserich, ein Gemisch aus Vogel und Maus und Kobold, drollig
aber finster, ein richtiger Puck, der alle hellen Stunden verdröselte
und im Dunkel zu seinem launischen und ausschweifenden Leben erwachte.
Sein kleiner Körper, der in einen kurzen, braunen Pelz von auserlesener
Feinheit gekleidet war, hing zwischen zwei ungeheuren Flügeln aus
brauner Haut. Diese Haut, die biegsamer war als feinster Gummi,
spannte sich, wie Seide über ein Schirmgestell, über die unglaublich
entwickelten Arm- und Fingerknochen der Vorderglieder. Am Ende seines
Rückens vereinigten sich die beiden Flügel und umspannten noch die
zerbrechlichen Hinterbeine bis zu den Knien, die dadurch aussahen,
als seien sie in eine falsche Richtung gezogen. Zwischen den starken
Schulterblättern saß ein kleiner, seltsamer, fast formloser Kopf mit
einem Knuttel von Nase, einem launischen breiten und schiefgezogenen
Mund, großen flachen Ohren und winzigen, unruhig glitzernden
Jett-Augen. Häßlich und grotesk war er, wenn er sich von seinem Sitz
schwang oder im Gebälk herumkletterte. Im Augenblick aber, in dem er
sich ins Halbdunkel des Abends schwang, bot Puck, der Düstere, ein
erlesenes, ganz phantastisches Bild. So breit und biegsam waren seine
Flügel, daß bei gleichem Gewicht kein Vogel der Welt seine Luftübungen
von bewundernswerter Gewandtheit nachahmen konnte. Aus vollem
Schnellflug in grader Linie konnte er sich plötzlich wie einen Stein
fallen lassen oder, im beinahe rechten Winkel hochschnellen wie ein
Geschoß, das aus der Schleuder fliegt. Ein schwindelerregendes Zickzack
schien sein natürlicher Flug, und Haken konnte er schlagen von einer
Exaktheit, die selbst den Sperber beschämten. Daß er das konnte, war
gut. Denn die Mücken, die durch die Luft schnellten und tanzten, und
andere flinke Insekten waren Pucks Nahrung, die jäh niederschießende
Eule seine einzige Feindin.
 
Als er in dieser Nacht durch die duftenden Wiesen am Wasser segelte,
war die ruhige Luft voll von Insekten: Mücken, Fliegen, Nachtfalter und
die ersten schwärmenden Maikäfer. Solange er hungrig war, schnappte
er gierig nach allem, was er sah. Aber als das Dunkel wuchs und
sein Heißhunger gestillt war, wurde er wählerisch. Manchen guten
Bissen, der leicht zu haben war, ließ er sich direkt am Munde vorbei
gehn und vergnügte sich damit, nach schwer erreichbarem Wild zu
jagen. So haschte er einmal nach einem hoch fliegendem Falter weit
über den Baumspitzen, und diese Beute griff er unmittelbar vor dem
Schnabel eines niederstoßenden Nacht-Vogels, schlang sie hinunter
und verschwand, ehe der enttäuschte Vogel noch recht wußte, wer ihm
zuvorgekommen war. Ein anderes Mal ließ er sich fallen und erwischte
einen Maikäfer, der grade von einem wiegenden Grashalm aus die Flügel
zum Flug spreitete, zur namenlosen Empörung einer Spitzmaus, die sich
an den Käfer herangepürscht hatte und grade zum Sprung ansetzte. Es
ist sehr wahrscheinlich, daß Pucks Augen, denen das Zwielicht klar
wie Kristall war, die wildernde Spitzmaus im Gras beobachtet hatten,
und daß es ihm ein diebisches Vergnügen war, ihr die Beute vor der
Nase wegzuschnappen. Selbst die pfeilschnellen Turmschwalben konnte er
manchmal auf diese Art narren -- ein Schatten tauchte vor ihnen auf,
und auf geheimnisvolle Weise verschwand die eben noch gejagte Motte.
 
Als in den Wolken das violette Licht verblaßte, verließ Puck, der
Düstere, seine Wiese und flog stromabwärts, über Feld und Hecken,
zu einem Garten, in dem zwischen Rosen- und Blumenbeeten, im Schutz
tiefer Bäume, ein Haus mit breiten Veranden lag. Hier schien die linde
Sommernacht wie trunken vom Hauch taufeuchter Rosen und Levkojen,
japanischer Lilien und Würze streuender Nelken. Hierher zog süßer
Honigduft die Nachtkäfer in dichten Schwärmen. In diesem Garten, unter
den Bäumen, lustwandelten ein Mann und ein Mädchen am Flußufer, das
weiße Kleid des Mädchens leuchtete durch die Nacht.
 
Eine andere kleine, braune Fledermaus, ein Weibchen, gesellte sich zu
Puck und nahm an seinen fröhlichen Spielen teil. Vielleicht war es sein
Weibchen, jedenfalls seine Spielgefährtin. Ueber diesen Punkt läßt
sich nicht streiten, denn in Bezug auf seine häuslichen und intimen
Gewohnheiten hat Puck, der Düstere, bisher wenig erraten lassen. Eine
kleine Weile wiegten sich die beiden in fröhlichen Tänzen, umkreisten,
überflogen und untertauchten sich, drehten sich manchmal in schwindelnd
rasch gezogenen Bogen, um sich an irgend einem Stelldichein-Platz in
der Luft wieder zu finden. Das Weibchen flog weniger leicht, nicht
ganz so blitzsicher wie Puck selbst -- und wer die beiden auf kurze
Entfernung und bei gutem Licht beobachtet hätte, hätte gesehen, daß sie
bei aller Spieligkeit eine sehr treue und hingebende Mutter war. Denn
bei allem Tollen trug sie ihre beiden Kleinen mit sich! Die brachten
es auf irgend eine seltsame Art zu Wege, ihr ins Genick zu klettern,
und dort saßen sie so fest, daß ihre schnellsten Wirbelflüge, ihre fast
atemberaubend steilen Schwünge die Kleinen nicht aus dem Sitz warfen.
Ein lebhafter Abend muß es für diese Mauskinder gewesen sein, die noch
zu jung waren, um zu Hause zu bleiben, weil eine schweifende Ratte sie
finden konnte.
 
Mitten im Spiel stürzte sich irgend woher aus den Lüften ein
geräuschloser Schatten, den mächtige Flügel trugen, auf das tanzende
Paar. Zwei riesige Augen, kreisrund, starr und matt glühend, starrten
sie an, und gewaltige Krallen, die furchtbar greifen konnten, jagten
sie nach rechts und links, in gräßlicher Stille. Aber so blitzhaft
schnell war ihr Ausweichen, daß beide, Puck und die kleine Mutter,
den gierigen Krallen entgingen. Wie ein paar Blätter waren sie beim
Angriff der Eule auseinander geweht. Sofort verschwanden sie tief
unter den Aesten, und die enttäuschte Eule rauschte weiter, um weniger
listiges Wild zu jagen. Gleich darauf flatterten auch die beiden
Fledermäuse wieder empor. Aber, obgleich unverzagt, empfanden sie doch
die Notwendigkeit, aufzupassen, solange der Feind sich in der Nähe
aufhielt. Deshalb begaben sie sich zu ihrem Spiel ins untere Ende
des Gartens, wo der Mann und das Mädchen spazierten, und um deren
gedankenschwere Häupter schwangen sie jetzt ihre kreisenden Tänze.
Menschliche Geschöpfe hielten sie für harmlos und nur dazu gemacht, die
Eulen fern zu halten.
 
Zu Pucks Erstaunen stieß das Mädchen plötzlich einen hellen Schrei aus
und warf sich ihren leichten seidenen Schal über den Kopf, daß sie wie
eine florentinische Madonna aussah.
 
»Igitt!« schrie sie ängstlich. »Da versucht wieder eins von diesen
schrecklichen Tieren in mein Haar zu kommen!« Der Mann lachte friedlich
und zog sie an sich.
 
»Dummes Mädel, selbst in +dein+ Haar würde eine Fledermaus für kein
Zureden kriechen! Sie wäre geschmacklos genug, sich dort höchst
unbehaglich zu fühlen!«
 
»Ja, aber aus Versehen könnte sie hineinkommen!« behauptete das
Mädchen, und ihre weiten Augen folgten, unter dem Schutz ihres Arms,
den Grotesk-Tänzen der beiden Schatten. »Du weißt, sie sind fast
blind, meine Amme hat mir erzählt, als ich noch ein kleines Mädel
war, wenn mir je eine Fledermaus ins Haar käme, müßte ich's ratzekahl
abschneiden. Sie würde sich so hinein verwickeln, daß man sie nie
wieder herausbringt!«
 
»Deine Amme hat Dir merkwürdige Dinge erzählt, scheint mir,«
widersprach der Mann. »Wenn Du mir glaubst, daß die Fledermäuse so
wenig blind wie irgend denkbar sind, wirst Du Dir an Sommerabenden
viel Angst sparen. Sie sehen sogar wunderbar gut, mein Schatz, und
sie verfliegen sich nie, im Gegenteil, im Gleiten und Stürzen sind sie
sicherer als irgend ein Vogel. Jedes von diesen kleinen Biestern, die
da um uns herumflattern, könnte von Deiner süßen, kleinen Nase eine
Mücke herunter schnappen, ohne Dich auch nur mit dem Flügel zu treffen.«
 
»Ich mag sie aber doch nicht!« sagte das Mädchen etwas getröstet. »Ich
wollte, sie gingen weg!«
 
»Wie alle Welt beeilen sie sich, deinem leisesten Wunsch zu gehorchen,«
erwiderte der Mann und lachte wieder, denn bei den letzten Worten des
Mädchens hatten Puck und seine Gefährtin sich emporgeschwungen, und
jetzt verschwanden sie unter den Baumwipfeln.
 
Ich behaupte nicht, daß die Beiden Englisch verstanden, oder daß sie in
ihrem empfindlichen Nervenzentrum durch Fernwirkung Kenntnis von der
Abneigung der jungen Dame bekommen hatten. Ihr Grund war einfach, daß
die kleine Mutter sich vom Gewicht ihrer beiden Babys im Genick ermüdet
fühlte und davongeflogen war, um einen sicheren Ast zu finden, auf den
sie die Kleinen für ein paar Augenblicke verstecken konnte. Hoch oben
im dunklen Wipfel einer Fichte nahm ein gewaltiger Ast die Jungen auf,
die sich, gehorsam dem Befehl der Mutter, an die Rinde krallten und
ihre winzigen Körper fest an das rauhe Holz preßten. Hier gibt es keine
Gefahr, dachte die kleine Mutter, und verließ sie, um sich für ein paar
Minuten lang in ungestörtem Flug zu erholen und ein wenig mehr Mücke
und Motte zu sich zu nehmen. Puck hatte gewartet, bis sie ihre Babys im
Ast versorgt hatte, jetzt flog er leichten Herzens mit ihr, um über den
Blumenbeeten zu fouragieren.
 
Nicht mehr als fünf Minuten lang waren sie fort, als es der kleinen
Mutter plötzlich wie mit einem Schlage durchs Herz fuhr: die Kinder
brauchten sie! Im schwirrenden Bogen eilte sie zur Fichte zurück, und
nach ganz kurzer Ueberlegung folgte Puck ihr auf den zierlichen Fersen.
 
Nun war es geschehen, daß ein Wiesel-Vater, die grausamen Augen rot von
Gier und Blutdurst, den Fichtenstamm entlang wanderte. Er hatte gerade
die Spur eines Eichhörnchens verloren, dem er so nahe gekommen war, daß
er es fast schon sein Eigentum genannt. In Gedanken hatte er gerade dem
armen Schächer seine Zähne durch die Gurgel gejagt, als wie durch ein
Wunder der Nacht -- und für die Geschöpfe der Wildnis ist die Nacht
voll von Wundern -- Wild und Spur verschwanden. Im Fichtenbaum hatte
sich das ereignet, und jetzt suchte der furchtbare Jäger den ganzen
Baum nach der verlorenen Witterung ab, fest entschlossen, seine bösen
Absichten nicht vereiteln zu lassen. Auf dieser Suche kam er auch,
geschmeidig und schnell wie eine Schlange, den hohen Ast entlang, auf
dessen äußerster Gabel die kleine Fledermaus ihre Babys gelassen hatte.

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