2015년 4월 7일 화요일

Gestalten der Wildnis 21

Gestalten der Wildnis 21


Puck, der Düstere, hatte während seines kurzen Lebens niemals eine
ernstliche Meinungsverschiedenheit mit größeren Geschöpfen als etwa
einem Nachtfalter oder einem Maikäfer gehabt. Welch ein unbekämpfbares
und schreckliches Ungeheuer dieser lange, dunkle Schatten auf dem Ast
war, ahnte er vielleicht, aber er zögerte nicht! Das Wiesel erschrak,
als ihm plötzlich ein harter Flügelhieb quer übers Gesicht fegte. Mit
bösem Knurren bäumte es auf und schnappte nach dem kühnen Angreifer.
Aber seine langen, weißen Zähne griffen nur leere Luft, und beinahe
verlor er das Gleichgewicht auf dem Ast. Als es sich erholt hatte,
die Seele voll Wut, sah es hinter sich, beinahe in Reichweite, einen
dunklen, kleinen, flatternden Schatten, der wie eine verwundete Katze
am Baum hinkroch. Geschmeidig wie ein Aal, schnell wie der Blitz, fuhr
es auf den kecken kleinen Schatten los. Aber der war verschwunden! Und
ein paar Fuß unterhalb des Astes sah das Wiesel Puck, den Düsteren,
gemächlich auf und nieder schweben. Des Wiesels eng zusammensitzende
Augen glühten wie Kohlen, und bei dem Gedanken, von einer armseligen
Fledermaus hereingelegt zu sein, fletschte es die langen, weißen
Zähne. Aber während es sich mit der Herausforderung Pucks wütend
beschäftigte, hatte die kleine Mutter ihre süßen Babys wieder sicher
ins Genick genommen und segelte mit ihnen durch den Abend. Aber nach
einem solchen Erlebnis hatte sie genug von Spiel und Tänzen. Sie dachte
nur daran, ihre Kinder in das sichere Versteck des Scheunengiebels
zurückzubringen, sie dort zu säugen, ihre seidenen Pelze zu lecken und
die süßen kleinen Schwingen mit ihren Lippen sorglich zu reinigen.
 
Puck, der Düstere, war jetzt allein gelassen und dachte, vielleicht
erregt und übermütig durch sein erfolgreiches Abenteuer mit dem
Wiesel, an neue, tolle Unternehmungen. Ganz nahe dem Gartenhaus jagte
er einen großen Falter, der mit unglaublicher Geschwindigkeit flog.
Hart bedrängt, rettete er sich in die Dunkelheit eines weit offenen
Fensters. Puck folgte ihm unbedenklich und erwischte den Flüchtling,
als er gegen die Decke des Zimmers stieß. In diesem Augenblick schloß
ein Dienstmädchen das Fenster. Dann ging sie hinaus, ohne den
Eindringling zu bemerken, und verriegelte das Tor.
 
Puck glaubte, man könne den Raum so leicht verlassen wie man hineinkam
und stieß im Flug hart gegen die blaß schimmernde Fensterscheibe. Er
war ein wenig betäubt und sehr erstaunt. Wieder und dann noch einmal
versuchte er, die harte, unsichtbare Barrière zu überwinden, aber
nicht blindlings oder in verzagter Heftigkeit, wie ein Vogel es getan
hätte. Selbst in dieser unerwarteten und gefährlichen Lage behielt er
den Kopf klar. Als die erste Ueberraschung verwunden, fing er an, das
Glas von dem Luftraum draußen zu unterscheiden, und dann gab er mit
Gleichmut auf, Unmögliches zu ertrotzen. Zuerst widmete er sich der
genauesten Untersuchung jeder Ecke und jedes Verstecks im Zimmer. Aber
obwohl der Raum voll von zerbrechlichem Tand und zierlichen Nippes war,
sah und flog er so vorsichtig, daß seine Flügel nicht den kleinsten
Schaden anrichteten. Er kam unter jedes Stück Möbel, hinter jedes Bild
und untersuchte aufs gründlichste den Wandschirm, der während des
Sommers den Ofen verbarg. Bei diesen Entdeckungsreisen stöberte er eine
ganz unerwartet reiche Auswahl von Insekten auf, und seine Angst war
keineswegs so groß, daß er nicht alle Leckerbissen dankbar verzehrt
hätte, die der Zufall ihm brachte.
 
So verging die Nacht mit dem Gefühl einer gewissen Unsicherheit,
aber nicht gerade langweilig. Als die Dämmerung grau durchs Fenster
kam und die Geranien sich glühend färbten, gab Puck, keineswegs in
Verzweiflung, sein vergebliches Mühen auf. Tagesanbruch war für ihn
der Moment, schlafen zu gehen. So hing er sich bequem in eine Falte
des großen Vorhangs in einer Ecke des Zimmers und bettete sich mit
philosophischer Ruhe, als wäre er in seiner Scheuer unter seinem
gewohnten Dach.
 
Ein paar Stunden später kamen zwei Dienstmädchen ins Zimmer und fingen
an, aufzuräumen. Im Verlauf dieser Tätigkeit nahmen sie die Vorhänge
ab. Sie schüttelten sie tüchtig, um sie später zusammenzulegen. Zu
ihrem Entsetzen fiel Puck, der Düstere, heraus.
 
Beim Anblick dieses gut vier Zoll langen Ungeheuers schrien sie so
entsetzlich, daß der Mann herbeieilte, der abends mit seinem Mädchen im
Garten spaziert war. Er trug Reithosen und Handschuhe. Puck, der nur
halbwach und sehr ärgerlich über die rauhe Berührung war, richtete sich
auf dem Vorhang mit halb gespreiteten Flügeln und funkelnden, winzigen
Jett-Augen auf. Der Ausdruck seiner Meinung über die Dienstmädchen
wurde so heftig, wie möglich, und klang etwa wie das Räderdrehen einer
besonders großen und besonders schlecht geölten billigen Taschenuhr.
 
»Großer Gott, Hanne,« rief der Herr, »ich dachte, Sie und Liese hätten
mindestens ein Rhinozeros aufgestört, solchen Lärm schlagt ihr! Glaubt
ihr, die arme, kleine Fledermaus will euch fressen?«
 
Er bückte sich, um Puck aufzunehmen. Aber der kleine, barsche Kerl
schnarrte ihn an und schnappte so heftig nach ihm, daß der Mann froh
war, dicke Handschuhe zu tragen. Die Mädchen zitterten.
 
»Sehen der Herr nur!« schrie Hanne. »Er würde uns fressen, wenn er nur
könnte, er ist so wild!«
 
»Er ist wirklich ein richtiger kleiner Teufel!« sagte der Mann, nahm
Puck behutsam in seine handschuhbekleideten Hände und trug ihn zum
Fenster.
 
Puck war jetzt hellwach, und sein Uhrwerk-Schnarren empörte sich
schrill gegen die Gefangenschaft in Händen eines Menschen. Am Fenster
ließ der Mann ihn los. Der Glanz des vollen Tages verwirrte Puck. Aber
indem er die Augen zu einem kaum haarbreiten Spalt schloß, konnte er
die Landschaft doch einigermaßen erkennen. Im Augenblick hatte er sich
in die Luft geworfen, und im nächsten schon flatterte er in den nahen
Aesten. Er nahm seinen Weg, so dicht wie möglich in den Bäumen, zum
Flußufer, und von da ging's über die Wiesen zur alten Scheuer! Ein
paar Minuten später hängte er sich unverzagt neben seine schlafenden
Kameraden in den warmen, braunen Schatten des Giebels.
 
Unter gewöhnlichen Umständen hätte Puck sich jetzt niedergelassen, um
den Rest des hellen Tages zu verschlafen. Aber es war Bestimmung, daß
diese vierundzwanzig Stunden eine besonders ereignisreiche Zeit für
ihn werden sollten. An einem schmalen, wagerechten Dachsparren, nur
ein paar Fuß unter sich, bemerkte er seine Spielgefährtin vom letzten
Abend, die kleine Mutter mit ihren beiden Jungen. Sie hatte ihren
Nachwuchs an der glatten Oberfläche des Sparrens verwahrt, während
sie selbst mit ihrem Putz beschäftigt war -- eine Angelegenheit, die
für die Fledermaus so wichtig ist wie für die eitelste Katze. Mit
erstaunlicher Gewandtheit kratzte sie sich mit den Hornspitzen ihrer
Flügelarme hinter den Ohren, kämmte sich den Pelz an Stellen des
Körpers, die unerreichbar schienen. Dann machte sie sich an die Haut
der Flügel, nahm erst den einen, dann den andern vor, streckte und
prüfte sie, zog sie durch die Lippen und beleckte die ganze Fläche, bis
über ihre Makellosigkeit kein Zweifel mehr bestehen konnte.
 
Während die kleine Mutter so beschäftigt war, schwirrte aus den
schmutzigen Nestern unter der Dachtraufe eine Schwalbe hastig in den
Giebel empor, um eine große Wespe zu jagen. Der verzweifelte Käfer war
seiner Verfolgerin im Giebeldach entgangen, und jetzt stürzte er sich
gerade über der Dachsparre in die Tiefe, so daß er die Fledermaus-Babys
im Flug berührte. Die Schwalbe schoß ihm rücksichtslos nach, und
diesmal blieb es nicht bei einer streifenden Berührung der kleinen
Krabbler. Die Schwalbe traf sie so rauh, daß beide glatt von dem
Sparren abgerissen wurden. Obgleich sie Fliegen noch nicht gelernt
hatten, spreiteten sie zwar instinktiv ihre zerbrechlichen Flügel,
aber sie fielen doch mit Geflatter wie zwei abgestorbene Eichblätter
herunter auf den Boden. Glücklicherweise war der Boden der Scheune mit
Spreu und Halmen und allen Spuren der letzten Heuernte dicht bedeckt,
so daß die Säuglinge sanft landeten und nicht verletzt wurden. Aber sie
landeten weit voneinander, wie zwei wirbelnde Blätter es getan hätten.
Die Mutter, die gerade, als das Unheil passierte, dicht in die Falten
ihrer Flügel eingewickelt war, machte sich schleunigst los und eilte
ihren Kleinen nach. Dann kam ihr Puck, den seine letzten Abenteuer
unternehmungslustig gemacht hatten, im Zick-Zack nach, um zu sehen, was
er für sie tun könnte.
 
Er fand Beschäftigung, und das sofort! Die große Ratte, die unter der
Diele der Scheuer wohnte, kam gerade aus ihrem Loch. Es war ihr, als
ob irgend etwas gefallen war, und obwohl sie nicht recht wußte, was
es war, kam sie eilig und in großen Erwartungen angeschossen. Sie
vermutete eine junge Schwalbe, die aus dem Nest gefallen oder geworfen
war, und junge Schwalben liebte sie der Abwechslung halber.
 
Die Neugier der Ratte wurde durch einen leichten Schlag auf ihren Kopf
abgelenkt. Eine Fledermaus war ihr scheinbar direkt auf den Rücken
gefallen. Die Ratte wurde nicht ärgerlich, im Gegenteil, sie war
ungeheuer interessiert. Noch nie hatte sie eine Fledermaus gegessen,
aber schon oft Lust dazu gehabt. Und ihr bot sich unzweifelhaft eine
Gelegenheit, denn diese Fledermaus schien krank oder verwundet. So
sprang die Ratte auf die neue Beute. Sie sprang falsch, zweifellos,
aber doch nur um Fingersbreite, und die jämmerlich matte Fledermaus
flatterte noch immer in Reichweite. Wieder und wieder sprang die Ratte
an, ihre langen, weißen Zähne schnappten mit furchtbarem Laut zusammen,
aber sie fingen nichts, bis sie sich auf einmal wieder vor dem Loch
am Winkel fand, aus dem sie gerade aufgetaucht war. Dann schwang sich
zu ihrem Mißvergnügen die armselig flatternde Gestalt, die doch schon
fast in ihren Zähnen gewesen war, mit starken Flügelzügen doch empor.
Und zugleich stieß eine andere Fledermaus schwirrend aus der Mitte
der Diele auf, mit zwei Jungen, die in ihrem Genick saßen. Enttäuscht
und beschämt machte sich die Ratte hinaus in die Wiesen, um sich mit
einem Paar gemütlichen Grashüpfern zu trösten. Puck, der Düstere, aber
schwang sich, von Triumph geschwellt, auf seinen hohen Sitz zurück.
Nach dem, was er mit Eulen, Wieseln, Faltern und Menschen und Ratten
erlebt hatte, fühlte er seine gewöhnliche Schläfrigkeit nicht. So
machte er sich an seinen Putz, den er so eifrig und peinlich besorgte,
wie es einer braunen Fledermaus von seiner Tüchtigkeit ansteht.
 
 
 
 
Schläfer im Schnee
 
 
I.
 
Mit Stöhnen und Knirschen kam der wacklige Zug an der frostigen
Hinterwaldstation »Blechkessel« zum Stehen, rechts und links von
Schneewällen eingepfercht.
 
Außer Melissa Elliot war kein Fahrgast für Blechkessel im Zug. Sie war
ein großes, blondes Mädel mit blauen Augen, Pelzmütze auf dem Kopf, das
energische Kinn in einer grauen Luchsboa vergraben und beide Hände voll
von Paketen und Bündeln. So stand sie auf den vereisten Stufen, bis
zwei junge Männer, die am andern Ende des Wagens ängstlich gewartet,
angerannt kamen und ihr ans Licht halfen. Jeder versuchte, dem andern
zuvorzukommen, das Mädchen für sich in Beschlag zu nehmen, aber Melissa
benahm sich so taktvoll, daß jeder nur einen Ellbogen zu stützen bekam,
gleichzeitig aber zur Entschädigung seinen gerechten Anteil ihres
Handgepäcks. Der Schaffner warf ihren braunen Koffer mit lautem Knall
auf die Plattform. Der Zugführer rief: »Alles einsteigen!« obwohl er
der Einzige war, der dieser Einladung folgen konnte. Und langsam, mit
Gestöhn und mächtigen Rauchwolken (denn der Nordwind stand gerade auf
Blechkessel) zog der schmierige Zug wieder an.
 
Station und Stationsvorstand schienen ihm sehnsüchtig nachzublicken;
Blechkessel wurde in jeder Richtung nur von einem Zuge täglich berührt!
Und von der Station selbst sah man nichts als ein paar senkrecht
eingerammte Stämme, die sich hier und da aus dem Schnee erhoben,
dahinter einen ragenden Wall von Fichtenbäumen und die schmale,
doppellinige Metallspur, die aus dieser Wildnis in die geschäftige Welt
führte. Das Dorf »Blechkessel«, ein dürftiges, kleines Sägemühlennest,
lag im Flußtal, hinter dem Wald verborgen, wohl zwanzig Meilen von der
Station ab.
 
Obwohl nur ein Fahrgast gekommen, warteten zwei Gefährte vor dem
Bahnhofsgebäude. Walter Bird hatte seine glänzende braune Stute flott
in den leichten Promenadenschlitten gespannt, Jimmy Wright aber einen
seiner großen grauen Lastgäule und den schweren »Pung« mitgebracht,
einen niedrigen Lastschlitten, wie man sie im Hinterwald braucht.
Die jungen Männer lauerten schon seit einer Woche auf jeden einwärts
brausenden Zug, denn daß Melissa zu Weihnachten nach Hause kommen
wollte, wußten sie und keiner gönnte dem andern auch nur den leisesten
Vorzug. Bubenhaft stolz auf die größere Eleganz seines Fahrzeugs,
schwang Walter seine Pakete wie eine Trophäe in die Luft und versuchte
Melissa geradenwegs zu seinem Schlitten zu ziehen.
 
»Schau dir meine neue Yacht an, Melissa!« rief er in naiver
Pfiffigkeit, »seit einem Monat hab' ich sie und noch hat kein Mädel
drin gesessen! Für dich hab' ich das Möbel frisch gehalten!«
 
Jimmy Wrights scharfe, tiefgelagerten Augen hatten indes beim Anblick
des schweren braunen Koffers geleuchtet. Denn neben der Verlockung
des kleinen, flotten Schlittens hatte er sich vor Mißtrauen krank
gefühlt, jetzt aber hatte das Auge des Praktikers festgestellt, daß
der Schlitten zu klein war, diesen Koffer zu tragen. Indes er Melissas
Arm ließ, stürzte er sich über den Koffer und schwenkte ihn wie eine Handtasche in seinen Pung. Er war überzeugt, daß eine Dame und ihr Gepäck sich nicht voneinander trennten.

댓글 없음: