2015년 4월 7일 화요일

Gestalten der Wildnis 22

Gestalten der Wildnis 22



Hab' mir ja gedacht, daß du einen Koffer mit dir führtest, Lissy,«
brummte er. »Hab' deshalb den Pung mitgebracht und nicht den
Spazierschlitten. Hoffentlich macht es dir nichts, in einem Pung zu
fahren, jetzt wo du so lange in Frederikton warst.«
 
Melissa sah zögernd von einem zum andern. Ihre blauen Augen zeigten
nur Freundlichkeit und ein gewisses kindliches Behagen an der
schmeichelhaften Lage.
 
»Es war lieb von euch Beiden, nach mir zu sehen!« rief sie plötzlich,
»und am liebsten würde ich mit beiden zugleich fahren. Wär' ich nur im
Zirkus aufgewachsen, vielleicht könnt' ich's dann!« Sie lachte und rang
in drolliger Verzweiflung die Hände.
 
»Jimmy hat deinen Koffer erwischt,« behauptete Bird.
 
»Der hat seinen Teil weg, du kommst mit mir!«
 
Jimmy Wright sah grimmig aus, als Mann von schweren Worten fand er
keine Antwort. Der brennende Wunsch, diese verlockende schlanke Gestalt
zu packen und mit sich zu nehmen, machte ihn fast noch schweigsamer,
als er gewöhnlich war. Seine Ruhe aber war ihm vielleicht nützlicher
als Schlagfertigkeit, denn im Augenblick machte sie Melissa zu seiner
Verbündeten.
 
»Walter,« widersprach sie, »wenn du glaubst, das ist eine anständige
Verteilung, dann wird Jimmy wahrscheinlich mich nehmen und dir den
Koffer lassen! Ein netter Einfall, daß ein alter, brauner Koffer,
gleichgültig was drin steckt, als Entschädigung für mich gelten soll!«
 
Jetzt sah Bird niedergeschlagen aus, und, seinen Kummer zu steigern,
fand Jimmy diesmal Worte, gerade die rechten, die eigentlich er hätte
finden müssen.
 
»Es ist nicht irgend ein Koffer, Lissy,« sagte er. »Es ist deiner, und
das macht den größten Unterschied von der Welt.«
 
Melissa dankte ihm mit einem lustigen Blick, erschrak aber über die
jähe Betrübnis in Walter Birds sonst so frischem und selbstbewußtem
Gesicht.
 
»Es läßt sich nur auf eine Weise machen,« sagte sie fest, »und wenn
einer von euch nicht einwilligt, dann geh' ich gerade mit dem andern.
Wenn ihr aber beide einverstanden seid, dann fahr' ich den halben Weg
mit dem einen und die zweite Hälfte mit dem andern. Und zwar die erste
Hälfte mit dir, Walter,« setzte sie hastig hinzu, denn sie sah, daß
Bird aussah, als wollte er widersprechen. Ohne es selbst zu wissen,
hatte sie ein besonderes Vertrauen zu Jimmys Gleichmut, und gerade
deshalb neigte sie dazu, ihm die schwerere Probe aufzuerlegen.
 
»Sehr anständig, Lissy, bist immer für gleiches Spiel,« stimmte Jimmy
herzlich zu. »Fahre euch bis zur Ecke von Boilsweg nach, dann steigst
du zu mir in den Pung. Boilsweg ist gerade die Mitte zwischen Station
und Postamt.« Bird vergrub in diesem Augenblick Melissas Füße in die
Decken seines wohleingerichteten Schlittens.
 
»Die Braune ist manchmal ein bißchen hartmäulig,« warf er über die
Schulter hin. »Wenn's nach Hause geht, ist es nicht gerade leicht, sie
am Boilsweg zum Halten zu bringen, Jimmy.«
 
Melissa hatte plötzlich einen roten Kopf. Jimmy Wright behauptete mit
Recht, daß sie für ehrliches Spiel war.
 
»Ich steige am Boilsweg um,« sagte sie bestimmt, und Bird merkte, daß
sie es sicher tun würde, ob die Stute hielt oder nicht. So gab er den
Kampf auf.
 
»Werd' sie schon zum Halten bringen,« rief er zuversichtlich, »ob
der Hafer sie sticht oder nicht! Habe das nur gesagt, um Jimmy
aufzukratzen.«
 
»Wußte ich ja, Walter,« stimmte Melissa bei und bestätigte ihm, sie sei
das einzige Mädchen, das ihn verstand. Triumphierend hob er die Zügel,
und die Braune ging in einem Tempo los, das zunächst rechtfertigte,
was er ihr nachgesagt. Dann fiel ihm ein, wie kurz die Strecke nach
Boilsweg war, und plötzlich hielt er sie zurück. Jimmy Wrights schwerer
Grauer holte im Humpelgalopp auf. Anfangs war Walter vergnügt, daß
er Melissa als erster bei sich hatte. Dann fiel ihm plötzlich ein,
sein Rivale würde die Schöne im Dorf einfahren, während er im leeren
Schlitten hinterhertrotten mußte, als hätte er den Kampf aufgegeben.
Melissa bemerkte seine veränderte Miene und machte ihm so schöne Augen,
daß jetzt auch Jimmys Gesicht hinten im Pung sich verfinsterte. Die
Frage war tatsächlich so schwierig, daß selbst ein gewandteres Mädchen
als Melissa sie kaum gelöst hätte. Ihre eigene frohe Laune verging
langsam in diesem Kampf der Gefühle um sie. Darüber wurde ihr bewußt,
daß sie kalte Füße hatte und der scharfe Frost ihre Finger steif
machte, und als die Ecke von Boilsweg erreicht war, hatte sie Lust, mit
beiden Rittern zu grollen. Hatte sie nicht für alle Beide das Beste
gewollt. Hatten die Beiden ein Recht, sie zu quälen?
 
Bird hatte seine Stute allmählich fast Schritt gehen lassen, aber
trotzdem kam endlich die kritische Ecke.
 
»Hier sind wir,« sagte Melissa etwas spitz, und Bird hielt gehorsam,
wenngleich wütend. Jimmy trieb seinen großen Gaul schleunigst durch die
tiefen Schneewehen am Straßenrand und brachte seinen Pung so nahe an
den Schlitten, daß Melissa einfach hinüberspringen konnte.
 
»Wohin jetzt?« fragte Bird. »Wirst doch im Hotel absteigen, die
Postkutsche fährt erst morgen Nacht.«
 
»Ich ins Hotel?« rief Melissa, »nein, fahr mich geradenwegs zu Parkers,
Jimmy, von denen bekomm ich, was ich brauche. Ich kenne seine drei
Pferde, sie kennen mich, und sein alter roter Pung kann jeden Weg
machen. Glaubt ihr, ich bleibe eine Nacht und einen Tag in Blechkessel,
wenn ich nur zwanzig Meilen von daheim bin, am Abend vor Weihnachten?
Sobald ich gegessen habe, geht's nach County-Line! Der Weg wird
schwierig sein, aber ich darf keine Zeit verlieren.«
 
Jimmy Wright hatte gerade seinen Gaul antreiben wollen. Als Melissa
ihre Absicht auseinandersetzte, ließ er die Zügel wieder fallen und
sah hilflos zu Bird hin. Ein verständnisvoller Blick machte die jungen
Leute im Augenblick zu Bundesgenossen.
 
»Tausend Wetter!« rief Bird, da fiel ihm ein, daß Melissa das Fluchen
haßte. Um aber seine Worte nachdrücklicher zu machen, setzte er gerade
noch einmal an.
 
»Zehntausend Wetter, Lissy, kannst einfach nicht daran denken, bis nach
County-Line durchzufahren. Kommt gar nicht in Betracht! Mußt auf die
Kutsche warten!«
 
»Walter hat recht,« erklärte Jimmy nachdrücklich. »Seit dem letzten
Schneefall ist kein Schlitten bis County-Line runtergefahren, und
seither hat es gehörig geweht. Die Kutsche sogar wird morgen zu tun
haben, um durchzukommen. Für ein Mädel wie dich -- noch dazu allein --
ganz unmöglich!«
 
»Jetzt werdet ihr beide langweilig,« sagte Melissa scharf. »Als hätt'
ich's nicht schon hundertmal gemacht!«
 
Im Zorn auf beide schüttelte sie die Hände und kam sich zugleich sehr
lächerlich vor. -- Seite an Seite standen zwei Schlitten im tiefen
Schnee, und statt zu reisen, diskutierte man.
 
»Wenn Tilly Smith zum Beispiel nach County-Line wollte, um ihre Eltern
und ihre kleine Schwester zu sehen, würde der Unsinn nicht gesagt
werden.«
 
Walter Bird lachte verächtlich. »Tilly Smith!« rief er. »Wer die
anschaut, braucht gleich einen neuen Spiegel!«
 
»Ist das ein Grund, daß man ihr nicht hilft und sich nicht um sie
kümmert?« fragte Melissa.
 
»Ach was, Tilly Smith kann sehr gut für sich selbst sorgen.«
 
»Ich auch!« rief Melissa und machte ein resolutes Gesicht.
 
»Ihr Beide wart sehr gut und lieb, daß ihr mir entgegengekommen seid,
aber was ich tu und lasse, hat mir keiner von euch vorzuschreiben. Ich
weiß es selbst. Jetzt bitte vorwärts, zu Parkers! Man friert ja an!«
 
»Schön,« antwortete Jimmy, »wenn du durchaus nicht auf die Kutsche
warten willst, bring' ich dich hin, Lissy. Mein alter Grauer wird durch
die Schneewehen durchkommen, Parkers Gäule bleiben stecken.«
 
»Und ich sage dir, daß ich allein fahre!« widersprach Melissa, der die
Geschichte langsam auf die Nerven ging. Dann merkte sie selbst, wie
unhöflich sie war.
 
»Verzeih, Jimmy, ich wollte nicht so grob werden. Natürlich ist es lieb
von dir, daß du so weit mit mir fahren willst, und es wäre ja nett,
wenn ich dich bei mir hätte. Aber es geht nicht, es würde so komisch
aussehen. Papa und Mama wissen, daß ich im Winter und im Sommer den
Weg oft genug allein gemacht habe. Sie würden glauben, ich wäre in
der Stadt ein ganz anderes Mädel geworden, oder ich wäre überhaupt
keine Hinterwäldlerin mehr. Und andererseits, wenn du so weit mit mir
fährst, können sie dich nicht mehr nach Hause lassen. Dann müßtest du
bei uns bleiben, Jimmy, und es ist Weihnachten,« setzte sie in einem fast bettelnden Ton hinzu, voll Angst, er könnte sich verletzt fühlen.»Sechs Monate bin ich weg gewesen.«

댓글 없음: