2015년 4월 6일 월요일

Gestalten der Wildnis 4

Gestalten der Wildnis 4



Der See-Tiger
 
 
Durch die breiten, tief-grünen Wellen, deren Kämme eine milde Brise
streichelte, kam die Orca-Kuh friedlich herangewälzt, und an ihrer
Seite schwamm das Kalb. Von Zeit zu Zeit rieb es sich an der Mutter,
als sei es ängstlich vor den weiten, gefährlichen Meereswogen, und
suchte Schutz unter ihren mächtigen Flossen. Die Orca-Kuh aber, unter
allen Müttern der Wildnis eine der besorgtesten und treuesten, drängte
ihr Junges von Zeit zu Zeit mit der großen Flosse an seine Seite oder
streichelte es zärtlich mit seiner ungeheuren runden Schnauze.
 
Sie war gut 19 bis 20 Fuß lang, die große Orca. Ein Seemann oder
Fischer, dessen Auge zufällig auf sie fiel, hätte sie »Mord-Wal«
genannt. Er hätte sie sofort und unter allen Angehörigen ihrer Wal- und
Tümmler-Familie herausgekannt, an der riesigen Rückenflosse, die nicht
viel weniger als fünf Fuß hoch über dem breiten und massiven Schwanze
über ihrem Rücken stand, an den beiden auffallenden weißen Streifen
ihrer schwarzen Flanke und an der scharf gezeichneten Linie ihres
milchweißen Bauches, der sorglos auf dem Rücken einer Welle ruhte. All
dies waren Anzeichen von Gefahr, die kein Wissender übersehen hätte.
 
Das Kalb der Orca hatte wenig Grund zur Sorge, solange es sich nahe
seiner Mutter hielt. Denn dies schnellste und wildeste aller Waltiere
fürchtete kein schwimmendes Geschöpf, höchstens ihren riesigen Vetter,
den Pottfisch oder Pottwal. Nur zwanzig Fuß lang, attackierte und
tötete sie durch die Wildheit ihres Angriffs sogar den großen Tranwal,
den man den »richtigen« Wal nennt. Obwohl der viermal so lang ist und
vielfach ihr Gewicht hat. Den Menschen hätte sie gefürchtet, doch
hatte sie nie seine Macht kennen gelernt. Arm an Tran, hatte ihre
Familie den Menschen nie zu einer so schwierigen und gefährlichen Jagd
verlockt. Wohl gab es Haie, die ihr an Größe ebenbürtig waren oder sie
übertrafen, aber kaum einen, der ihr an Wildheit, Schnelle und List
gleichkam. So durfte sie in sorgenloser Behaglichkeit durch die glatte,
unbewegte See faulenzen, gleichgültig gegen die Brandung an den gelben
Klippen zu ihrer Rechten und die offene Weite des Ozeans zu ihrer
Linken. Alle Aufmerksamkeit, die sie nicht auf die kindlichen Reize
ihres Kälbchens verwandte, widmete sie der Aufgabe, die durchsichtigen
Tiefen unter sich abzusuchen, denn dort verbarg sich der große
Tintenfisch, ihre häufige Beute.
 
Ganz plötzlich tauchte sie unter; es entstand kein anderer Laut, als
das dumpfe Gurgeln des Wassers, das sich über ihr schloß. Tief unten in
der Dunkelheit hatte sie einen blassen, trägen Körper erspäht. Es war
ein See-Polyp, der töricht genug gewesen, sein Standquartier zwischen
den Felsen auf dem Meeresgrund zu verlassen und fremde Jagdgebiete
aufzusuchen. Bevor er Zeit gefunden hatte, auch nur an Flucht zu
denken, war er in den mächtigen Kinnbacken des Mordwals. Einen
Augenblick lang zitterten seine acht langen Fühlhörner verzweifelt und
tasteten an die Lippen des Jägers. Dann verschwanden sie, das ganze
Tier war mit einem Schluck vertilgt und verschwunden. Friedlich kehrte
die Orca zum sonnenhellen Meeresspiegel zurück, zu ihrem ängstlichen
Kalb, das nicht flink genug war, der Mutter auf ihrem Jagdzug zu
folgen. Sie war nicht zwei Minuten lang abwesend gewesen und nicht
einen Augenblick außer Gesicht, aber der Instinkt des Jungen traute dem
milden blauen Element nicht, daß für ein Baby voll von Gefahren war.
 
Der Polyp, obwohl ein stattlicher Geselle, hatte für den großen Mordwal
nicht mehr bedeutet, als einen leichten Imbiß, nur den Erreger für
seinen gewaltigen Appetit. Jetzt suchte das Auge der Orca lebhafter
in den Tiefen. Auf einmal bekam die blau-grüne Tiefe des Wassers
einen helleren, metallischen Schimmer, kaum dreißig Fuß unter dem
Meeresspiegel erschien die weiße Linie eines Riffs und fing das Licht.
Hier sonnte sich ein breites flaches Tier, das einem großen Pilz
nicht unähnlich war, mit flügelartigen Flossen, die wohl zwölf Fuß
im Durchmesser hatten, und einem langen Schwanz, der einer Peitsche
glich. Seine kalten, unbewegten Augen starrten empor und bemerkten den
Körper des Mordwals! Mit einem kaum wahrnehmbaren Schwung der schwarzen
Flossen glitt es von seinem Riff und floh in die Tiefe.
 
Aber der riesige Rochen war nicht schnell oder verstohlen genug,
um dem Blick seines Feindes zu entgehen. Wieder tauchte die Orca,
diesmal ohne Geräusch zu vermeiden, und so plötzlich, daß ihre breiten
Schaufelflossen auf das Wasser aufknallten. Wie ein Senkblei stieß
sie in die Tiefe. Der Rochen, der sie sah, geriet in Panik. Er wich
zur Seite aus und schoß wieder empor, in rasender Eile und mit einem
herrlichen Schwung. Mit der Gewalt dieses Auftriebs warf er seinen
ganzen schwarzen, bebenden Leib schlank in die Luft, wo er sich drehte
und eine Sekunde lang tropfend hing, als hätte ihn der Wahnsinn seiner
Angst ein neues Element erobern lassen. Dem nervenschwachen Kalb war
das ein schreckliches Wunder, darüber die Sonne fast erlosch. Aber der
heftige Ausflug in die Luft dauerte nur diesen einen Augenblick lang
und war so nutzlos, wie er kurz war. Als die flachen schwarzen Flossen
laut klatschend wieder auf die Flut prallten, fing die streitbare
Orca ihre Beute auf, ergriff sie und zog sie hinunter. Es war kein
Kampf, der Rochen war machtlos gegen seinen gewaltigen Gegner -- nur
ein kurzes blind-wütiges Toben in schäumenden Wellen, dann blutiger
Schimmer im Grün der See.
 
Das war jetzt ein ausreichendes Mahl gewesen, selbst für einen Appetit
wie den der Orca. Unbenutztes Ueberbleibsel davon trieb umher und sank
unter, um die zahllosen Gassenkehrer von Krabben zu nähren, die in den
Ritzen und Höhlen des überspülten Riffs lungerten. Die Orca blieb, für
eine halbe Stunde etwa, wo sie war, wälzte sich friedlich in dem hellen
Wasser über dem Felsen, säugte und liebkoste ihr Kalb und verdaute
ihr Mahl. Dann setzte sie friedvoll die Reise fort, aber landeinwärts
gerichtet, bis sie nur noch eine halbe Meile weit von der Kette
kleiner Inseln und bröckliger Vorberge war, die jene gefährliche Küste
umschlossen.
 
Es war noch nicht voller Mittag und das wolkenlose Sonnenlicht fiel
fast senkrecht auf den Meeresspiegel, durchleuchtete die See bis zu
erstaunlicher Tiefe. So etwa in halber Höhe des durchsichtigen Glanzes
schwamm sorgenlos ein großer Tintenfisch. Sein schneller, spitzer
Körper war etwa sechs Fuß lang und an seiner breitesten Stelle, nämlich
dem Kopf, hatte er einen Durchmesser von 12--14 Zoll. Aus diesem
formlosen Kopf wuchs ein Bündel von Fühlhörnern, wie Blätter aus einer
Mohrrübe wachsen, etwa zehn an Zahl und jedes so lang wie der ganze
Körper des Tieres. Körper und Fühlhörner waren von gleicher blasser,
schmutzig-gelb-grüner Farbe mit bräunlichen Flecken -- eine Farbe, die
ihren Träger in dieser sonnenbestrahlten See fast unsichtbar macht.
Die Bewegung dieser Sepia war nach rückwärts. Sie geschah nicht durch
Arbeit der Fühlhörner, sondern dadurch, daß ein großer muskulöser Sack
unter den Fühlhörnern ein Maß Wasser aufsaugte und mit Macht wieder
von sich stieß. So sah es aus, als atmete der Fisch das Wasser ein und
blies sich damit selbst von der Stelle.
 
Nach dem Festessen, das die Orca sich mit dem gewaltigen Rochen
geleistet hatte, war sie durchaus noch nicht hungrig. Aber der saftige
Bissen, den dieser Tintenfisch bot, war eine Versuchung, der sie nicht
widerstand. Leicht niedertauchend, schoß ihr schwerer, aber fein
geformter, schwarz-weißer Körper in die schimmernde Flut. Doch der
Tintenfisch blickte auf und sah sie, bevor sie ihn erreicht hatte! Im
selben Augenblick schlossen seine zehn losen Fühlhörner sich zu einem
harten Bündel, das seine Bewegung nicht hinderte. Seine blassen Flanken
zogen sich mächtig zusammen, er stieß Wasser aus und schoß davon,
schneller als ein Torpedo aus dem Lauf fliegt. Und zugleich stieß er
aus einer Drüse in jenem Sack, dessen Arbeit ihn bewegte, eine Masse
schwarzer Flüssigkeit, die sofort eine gewaltig-dunkle Wolke erzeugte
und seine Flucht ermöglichte. Außerhalb dieses Verstecks wechselte er
die Richtung und floh einer tiefen Höhle auf dem felsigen Grund zu, in
der er sich vor den Kinnbacken seiner Feindin sicher wußte.
 
Die Orca wühlte sich furchtlos in die tintige Wolke hinein, aber
im tiefen Dunkel verlor sie jede Spur der ersehnten Beute. Ja, für
einen Augenblick verlor sie sich selbst. Hierhin und dorthin ließ sie
ihre mächtigen Kinnbacken schnappen, aber immer vergeblich. Was sie
erfaßte, war leeres, gefärbtes Wasser. Endlich schnellte sie wieder
aus dem Schwarzen in's durchsichtige Grün. Aufwärts spähend erblickte
sie so Entsetzliches, daß sie mit fast titanischer Anstrengung an
die Oberfläche zurückkehrte. So leidenschaftlich war der Stoß ihrer
mächtigen Flanke, daß die Wasser der Tiefe wie unter den Schrauben
eines Dampfers aufkochten.
 
Das Kalb hatte seiner Mutter erst in die Tiefen folgen wollen, hatte
sich dann aber vor der schwarzen Wolke gefürchtet, in der die Mutter
verschwand. Angstvoll war es an die Oberfläche zurückgekehrt und
schwamm dort ziellos, sehnsüchtig umher, als ein wandernder Haifisch es
erblickte.
 
Der Hai wußte wohl, mit wem er es zu tun hatte. Er spähte rundum nach
der Mutter, denn gegen eine Mutter-Orca wollte er nicht unhöflich sein.
Aber es war keine Mutter in Sicht. Er verstand das nicht. Aber er war
toll vor Hunger, und eine solche Gelegenheit war unwiderstehlich. Mit
einem Ruck schnellte er gegen das Kalb, warf sich, ihm zur Seite auf
den Rücken, um die Beute zu fassen, und zeigte dabei seinen hellen
weißen Bauch. Das Kalb verzagte beinahe, als es einen schwarzen,
dreieckigen mit unzählbaren Zähnen bedeckten Rachen sah, der sich
plötzlich vor ihm auftat. Im letzten Moment riß es sich los und schwamm
im großen Bogen dorthin, wo die Mutter niedergetaucht war.
 
Wieder schleuderte der Hai sich heran, aber um seine seltsam vorgebaute
Kinnlade brauchen zu können, mußte er sich abermals auf die Seite
drehen, und das Orca-Kalb besaß schon das Fluchtvermögen seines
Stammes. So mißglückte der Angriff zum zweiten Mal. Bevor der Hai ihn
zum dritten Male wiederholen konnte, erspähte er die Mutter, die aus
den grünen Tiefen emporschoß. Und obwohl er gut 25 Fuß lang war -- wohl
fünf Fuß länger als die Orca -- wandte er sich und floh, sein Leben zu
retten.
 
Ein Blick beruhigte die Mutter: ihr Kleines war unverletzt! Dann machte
sie sich an die Verfolgung des Angreifers, mit einer Geschwindigkeit,
die seine Flucht ganz vereitelte. Nicht fünfzig Meter weit war er
gekommen, als sie schon, mit offenem Rachen, über ihm war. Er warf
sich krampfhaft zur Seite, und so glückte es ihm, dem ersten Angriff
auszuweichen. Mit dem Mut der Verzweiflung wand er sich unter sie,
drehte sich zum Biß, kam an den Bauch der Feindin und bohrte seinen
dreieckigen Rachen ein. Aber sie hatte schon halb pariert, und er fand
keinen wirklichen Angriff. Wohl riß er ihr Haut und Tran aus dem Leib,
aber seine Zähne erreichten kein lebenswichtiges Organ. Die tobende
Mordwal-Mutter fühlte die Wunde kaum. Unter ihrer Heftigkeit sprühte
und dampfte es in der Luft, sie fing den Schwanz des Hais an seiner
Wurzel und zermalmte ihn zwischen den Kinnbacken.
 
Wenn überhaupt von einem Kampf die Rede sein konnte, war dies schon
das Ende. Ein paar Minuten lang hielt das Toben noch an, warf sich das
verfärbte Wasser meterhoch. Aber alles Kämpfen war auf einer Seite. Die
Orca riß und preßte und zerrte das Leben aus dem Körper ihres besiegten
Gegners. Als sie von ihm abließ, sank eine zermalmte Masse langsam in
die Tiefen. Wieder barg sie das verängstete Kalb unter ihrer Flosse,
säugte es, und dann schwamm sie ruhig dem tiefen Kanal zu, der sich
zwischen den Inseln und dem Ufer hinzog, und in dem sie etwas saftigen
Tintenfisch zu finden hoffte, um sich für den einen zu entschädigen,
der ihr so rücksichtslos entronnen war.
 
Die Brise, die bisher sanft wie mit Katzenpfoten das Wasser
gestreichelt hatte, bekam jetzt einen kräftigen Zug, stark genug, um
die Oberfläche des Wassers tief purpurn zu färben. Sie trieb an der
Küste entlang, zwischen Klippen und Eiland, ein kleines Boot vor sich
her, dessen einziges Segel im Sonnenglanz leuchtete.
 
Zwei Fahrgäste waren in dem zerbrechlichen Fahrzeug, ein Mann am
Steuer, der eine große Shag-Pfeife rauchte, und ein seidiger, brauner
Jagdhund, der am Fuß des Mastes kauerte. Es war eine schwierige Küste
und ein gefährliches Wasser für solch eine Nußschale. Aber der Mann
war ein tüchtiger Sport-Segler, und er wußte, daß zwischen dem Hafen,
den er verlassen hatte, etwa fünfzehn Meilen weit zurück an der Küste,
und dem Hafen, den er erreichen wollte, ein Dutzend Meilen weiter
nordwärts, mehr als ein Zufluchtsort lag, den er anlaufen konnte, falls
ein plötzlicher Sturm sich im Osten erheben würde. Zwar war dies Wasser
ihm fremd, aber er hatte eine gute Seekarte. Es war sein besonderes
Vergnügen, unbekannte Gewässer abzusegeln, nur in der Gesellschaft
seines treuen Hundes, der stets mit ihm einverstanden war, wenn es galt, einen interessanten Platz zu besuchen.

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