2015년 4월 6일 월요일

Gestalten der Wildnis 5

Gestalten der Wildnis 5


Gardner war also ein vorzüglicher Segler, sein Auge erkannte jedes
Wetter-Symptom, und er hatte den Instinkt, der durch Ruderpinne und
Segelleinen den Puls des Windes fühlt. Aber von Naturwissenschaft wußte
er ein bißchen weniger als es einem Mann zu wünschen war, der die
bevölkerte See zu seinem Spielplatz macht. Von dem Stamm der Walfische
und ihren verschiedenen Abarten wußte er nur das Wenige, was er über
den großen furchtbaren Tran-Wal gelesen und was er von dem lustigen
und harmlosen Tümmler gesehen hatte. Daher kam es ihm nicht in den
Sinn, daß er sich zurückhaltend benehmen müßte, als er den gewölbten
schwarzen Rücken und das gewaltige Haupt der Orca sah, die lässig
durch die Wellen strich. Wäre er ein Habitué dieser Wasser gewesen,
-- er hätte dem Schnabel seines Schiffes schleunigst eine andere
Richtung gegeben, nur um die Orca zu überzeugen, daß er ihr Privatleben
nicht zu stören beabsichtige! So aber geschah es, daß er näher heran
segelte, um zu sehen, was für eine Art von Fisch oder Tier es war, dies
schwarz-weiße Geschöpf, das von seiner Nähe so gar keine Notiz nahm.
 
In einer Entfernung von 80 oder 100 Meter bekam Gardner einen
verrückten Einfall. Hier war gute Gelegenheit für einen Schuß, das
unbekannte Tier würde eine wertvolle Trophäe abgeben. Er dachte nicht
daran, was er anfangen sollte, wenn er diese Trophäe erst besaß. Er
überlegte sich nicht, daß er mit seinem leichten Gewehr kaum eine
schmerzhafte Wunde in die Tranmasse schicken konnte, die alle edleren
Organe des See-Ungeheuers schützte. Er wußte nicht einmal, daß ein
toter Wal auf den Grund sinkt, daß er mithin auch für den besten Schuß
keinen Lohn zu erwarten hatte. Ueber ihm war einfach der Zwang, zu
töten. Er warf ein Knie über das Steuerruder, um seinen Kurs zu halten,
nahm das Gewehr hoch und feuerte auf einen Punkt hinter der großen
Flosse der Orca -- irgendwohin, wo er das Herz vermutete. Während er
schoß, sprang sein Hund auf, denn er merkte, daß etwas Aufregendes
geschah, legte seine Pfoten auf den Bootsrand und bellte wütend gegen
das fremde schwarze Ungeheuer, das durch die Wellen rollte.
 
Zu Gardners Erstaunen zeichnete das Ungeheuer selbst überhaupt nicht
auf den Schuß, aber unter seiner Flanke begann sofort eine wilde
Bewegung. Irgend etwas dort schlug wie wahnsinnig auf das Wasser, das
Ungeheuer selbst schwang sich zur Seite und starrte mit großer und
ängstlicher Aufmerksamkeit auf dieses Etwas. Sie schlug mit ihrer
Flosse sanft dorthin, als wollte sie das Etwas beruhigen, und dann
sah Gardner, es war das Waljunge, das er geschossen hatte. Da fühlte
er Gewissensbisse. Hätte er das Kalb gesehen, so hätte er weder auf
die Alte noch auf das Junge geschossen, denn er war nicht einfach
grausam, sondern nur gedankenlos. Ein paar Sekunden lang starrte er
unentschlossen vor sich hin, dann beschloß er, das Kalb -- in der
Annahme, daß es tötlich verwundet war -- von seinen Qualen zu befreien.
Er zielte sorgfältig und schoß noch einmal. Das Echo warf den Knall von
den Klippen einer Insel zurück, die kaum hundert Fuß weit ablag.
 
Diesmal hatte Gardner gut getroffen. Ehe noch die Echos der Entladung
verhallt waren, lag das Kalb still und begann dann, langsam zu sinken.
Ein paar Sekunden lang herrschte Ruhe, nur durch das erregte Bellen des
Jagdhundes gestört. Die Orca schwamm langsam rund um den Körper ihres
Jungen, anscheinend versicherte sie sich, daß es tot war. Dann wandte
sie ihre kleinen Augen auf das Boot. Es dauerte nur einen Augenblick,
aber in diesem Augenblick erkannte Gardner, daß er einen abscheulichen
Fehler begangen hatte. Unwillkürlich wandte er sein Boot gegen die
felsige Insel.
 
Während er das Steuerruder herumwarf und in Hast sein Segel freimachte,
sah er, wie das Wasser unter dem schwarzen Körper der Orca aufschäumte.
Sie war gut 100 Meter weit von ihm weg, aber so mächtig war ihr
Ansturm, daß es war, als sei sie im Augenblick auch schon über ihm. Mit
Geheul sprang der Hund in den Bug. Da das Boot in diesem Augenblick
mit seiner Breite dem schrecklichen Angriff zugekehrt war, behielt
Gardner seinen Sitz und gab noch einen verzweifelten Schuß ab, direkt
in's Gesicht der anstürmenden Bestie. Ebenso gut hätte er mit Erbsen
schießen können.
 
Das Gewehr fiel ihm vor die Füße, im Augenblick war es, als hätte ein
Schnellzug das Boot gerammt. Es wurde aus dem Wasser gehoben, seine
ganze Seite war zerschmettert, während Gardner schlank über die Spiere
flog. Als er niederfiel, hörte er zum letzten Mal seinen braunen
Hund heulen. Um nicht in das Segel verwickelt zu werden, das auf ihn
niedersackte, tauchte Gardner unter und schwamm an fünfzehn Fuß weit
unter dem Wasser. Seinem Tauchen und dem Umstand, daß das Segel ihn
vorübergehend versteckt hatte, dankte er zweifellos sein Leben. Er war
ein Meisterschwimmer, und in wahnsinniger Eile strebte er jetzt auf
die Insel zu, mit Paddelschlag, den Kopf fast immer unter Wasser. Die
Orca bemerkte zunächst seine Flucht nicht. Der unglückliche Hund hatte
durch sein Gebell ihre Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, ihn hatte sie
ergriffen und in dem Augenblick, in dem er ins Wasser fiel, zermalmt.
Dann hatte sie ihre Wut gegen das Wrack des Bootes gerichtet, sie hatte
es zerrissen, zu Brennholz gemacht, indem sie es in ihren mächtigen
Rachen nahm und schüttelte, wie ein Terrier eine Ratte schüttelt. Nach
diesen Taten kehrte sie sich zur Insel hin, und jetzt fielen ihre
todbringenden Augen auf die Gestalt des schwimmenden Mannes.
 
Ihr Ansturm war wie der eines Torpedos, aber Gardner legte schon
seine tobenden Hände auf das Riff. Dies Riff, eine Felsnase, die kaum
zwölf Zoll breit war, wurde grade noch von der See überwaschen. Er
fühlte, daß hier kein Zufluchtsort war. Aber grade über ihm, etwa
in seiner halben Höhe, lag eine Grotte im Felsen, die wunderlich
ausgemeißelt war, als sollte eine Bildsäule darin aufgestellt werden.
In verzweifelter Hast rettete er sich in dies dürftige Versteck, zog
seine Beine dem Körper nach, machte sich in der Grotte so flach wie
möglich. In diesem Augenblick schon flogen Schaum und Sprühregen über
ihn her, denn mit furchtbarer Gewalt warf sich sein Verfolger gegen den
Felsen zu seinen Füßen.
 
Gardner schauerte und es fiel ihm schwer, wieder Luft in seine
verkrampften Lungen zu bekommen. Er hatte schon manches Rennen
geschwommen, aber keines wie dies. Vorsichtig drehte er sich um, und
während er noch flach wie eine Muschel auf dem Boden lag, starrte er
hinunter und zitterte vor Angst, sein Feind könnte zum zweiten Mal
einen so wahnsinnigen Sturm versuchen, diesmal vielleicht mit besserem
Erfolg.
 
Aber die Orca schien den Versuch nicht wiederholen zu wollen. Die
Gewalt ihres Angriffs war furchtbar gewesen und hatte wohl auch ihr den
Atem verschlagen. Jetzt schwamm sie ruhig vor dem Felsen auf und ab,
ein grausamer und schrecklicher Belagerer. Gardner sah in ihre kalten,
kleinen Augen und zitterte vor dem intelligenten und unversöhnlichen
Haß, der darin flammte.
 
Als er sich soweit erholt hatte, um seine Lage zu überdenken, mußte
er zugeben, daß sie nahezu verzweifelt war. So weit er auch nach
den Seiten und nach oben die Klippen abfühlte, fand er keine Zacke
und keinen Griff, mit Hülfe deren er hoffen konnte, die Spitze
des Felsens zu erklettern. Wie lange sein rachsüchtiger Feind die
Belagerung fortsetzen würde, konnte er nicht beurteilen. Aber wenn er
bedachte, wieviel Leid er ihm zugefügt hatte, wie sachlich seine Art
der Belagerung war und wie furchtbar die Wut seines Angriffs, hatte
er wenig Anlaß, zu hoffen, daß er seinen Posten bald verlassen würde.
Er wußte, daß die Orca in diesen belebten Wassern reichliche Nahrung
finden würde. Aber so reich dies Meer auch an tierreichem Leben war,
wußte er doch, daß ein Schiff hier nur selten auftauchen würde. Die
Küstenschooner mußten hier einen weiten Bogen machen, der unsichtbaren
Riffe und unterirdischer Strömungen wegen. Seine Insel war sicher nur
eine halbe Meile weit vom Strand, unter gewöhnlichen Umständen für ihn
eine leichte Schwimmübung. Aber selbst wenn der Belagerer ihn verließ,
hatte er keinen Schutz gegen die Gier der riesigen Haie, die in diesen
Insel-Kanälen ihr Wesen trieben. Er war der vollen Glut der Sonne
ausgesetzt -- der Felsen fühlte sich unter seinen Händen schmerzhaft
heiß an -- und so fragte er sich, wie lange es dauern würde ... Bald
würden seine Beine unter dem Gewicht des Körpers einknicken, er würde
vorwärts torkeln, direkt in den Rachen seines lauernden Feindes. Dann
beruhigte er sich über diese Gefahr, denn er bemerkte plötzlich, daß
die Sonne bald hinter seinem Riff verschwinden und ihn im Schatten
lassen würde. Was die Hitze anbetraf, konnte er es also bis zum
nächsten Morgen ruhig aushalten. Aber dann? Blieb das Wetter schön, wie
sollte er dann die unerträglich lange Glut des Vormittags überstehen,
ehe die Sonne zum zweiten Mal hinter der Klippe verschwand? Er begann,
um Sturm und undurchdringlichen Nebel zu beten. Aber dabei hielt er
plötzlich inne, es wurde ihm bewußt, in welcher Klemme er war. Kam ein
Sturm, dann war zu dieser Jahreszeit anzunehmen, daß es ein Südost war;
in diesem Falle würden die ersten brandenden Seen ihn von seinem Sitz
herunterwaschen. So beschloß er endlich, sein Gebet ganz allgemein zu
halten und der Vorsehung keine zweifelhaften Ratschläge zu geben.
 
Unwillkürlich kramte er in seiner Tasche herum, zog ein Paket
durchnäßten, triefenden Tabaks nebst einer Büchse nasser Streichhölzer
hervor. Unter den Streichhölzern waren ein Paar Wachszünder, und er
hatte eine dürftige Hoffnung, daß er sie nur sorgfältig zu trocknen
brauchte, um vielleicht einen Funken zu schlagen. Er breitete sie mit
dem Tabak auf den heißen Stein zwischen seinen Füßen. Seine Pfeife
hatte er bei der Katastrophe verloren, aber in seiner Tasche fanden
sich Briefe, und mit diesen, die er gleichfalls trocknen wollte, konnte
er sich vielleicht Zigaretten drehen. Das Unternehmen gab ihm etwas zu
tun und half ihn so über den endlosen Nachmittag hinweg. Zuletzt aber
mußte er feststellen, daß keins der Wachshölzer ihm einen Funken geben
würde. Aergerlich warf er die nutzlosen Ueberbleibsel in's Meer.
 
Ganz unerwartet kam die Nacht, wie immer in diesen Breiten, und das
Mondlicht verzauberte die langen Wellen in leuchtendes Glas. Die
ganze Nacht über schwamm die Orca vor dem Felsen auf und ab, bis die
Eintönigkeit ihrer Bewegung den Gefangenen hypnotisierte, daß er
seine Augen gegen die Felsspitze richten mußte, um dieser Hypnose
zu entgehen. Seine tötliche Angst war, er könnte in seiner Schwäche
einschlafen und aus der Grotte herausfallen. Die Beine wurden ihm
schwer, aber in der Nische war kein Raum, sich niederzusetzen, oder
auch nur einigermaßen bequem zu kauern. In seiner Verzweiflung
entschloß er sich endlich, seine Beine über den Felsen herunterbaumeln
zu lassen, wo die Feindin sie freilich erschnappen konnte, wenn sie
wieder einen ihrer wilden Luftsprünge wagte. Sobald er sich bewegte,
schwamm sie näher und starrte ihn mit unverändertem Haß an. Aber sie
versuchte nicht, ihren Luftangriff zu wiederholen. Gardner nahm an, daß
sie zu einem zweiten Zusammenprall mit dem Felsen keine Lust hatte.
 
Endlich erschöpfte sich diese endlose Nacht. Der Mond war schon lange
hinter der Klippe verschwunden, der samtne Purpur des Nebels wurde
dünn, die Sterne erblaßten. Dann erwachte der unendliche Glanz eines
wolkenlosen tropischen Morgens über der See, die schimmernde Fläche
des Wassers schien sich der Sonne entgegenzuwerfen. Gardner riß seine
letzte Kraft zusammen, um die Feuerprobe zu bestehen, die jetzt auf ihn
wartete.
 
Um sich auf diese Feuerprobe vorzubereiten, zog er seinen leichten Rock
aus und heftete daran ein Stück Bindfaden, das sich in seinen Taschen
fand. Dann warf er den Rock hinab und tauchte ihn tief in's Wasser. Die
Orca schnellte vor, um zu sehen, was er tat, aber er zog den triefenden
Rock wieder empor, ehe sie ihn schnappen konnte. Dieser Einfall war
beinahe eine Offenbarung, denn indem er seinen Kopf und Körper feucht
hielt, hätte er der Hitze länger trotzen können und vielleicht auch die
äußersten Qualen des Durstes mildern.
 
Ein gütiges Schicksal hatte es jedoch gewollt, daß seine Prüfung bald
zu Ende ging. Es war vielleicht 9 Uhr morgens, da klang irgendwo
hinter der Insel ein gleichmäßiges, gedämpftes Tschug, Tschug,
Tschug, Tschug, für Gardners Ohren die göttlichste aller Melodien. Im
Augenblick hatte er sein weißes Hemd über den Kopf gezogen und hielt es
in zitternden Händen. Ein Augenblick verging und es kam eine mächtige
vierzig Fuß lange Motorbarke in Sicht. Sie war kaum hundertfünfzig
Meter weit fort und machte gewaltigen Lärm, aber Gardner schrie wie ein
Wilder und schwenkte sein Hemd in die Luft, bis es ihm glückte, ihre
Aufmerksamkeit zu erregen. Sie nahm die Richtung auf seinen Felsen,
aber gleich darauf setzte der Motor aus und die Barke schwenkte wieder
zur Seite. Der Führer hatte gesehen, daß Gardner belagert war.
 
Es waren drei Mann in der Barke. Einer rief den Gefangenen an.
 
»Was gibt's?« fragte er kurz.
 
»Ich habe gestern dem Biest sein Kalb geschossen!« rief Gardner zurück.
»Es hat mein Boot zerschlagen und mich auf diesen Felsen gejagt.«
 
Einen Augenblick war Schweigen in der Barke. Dann sagte der Kapitän:
»Wenn einer was erleben will, braucht er sich nur mit einem Mordwal einzulassen.«

댓글 없음: