2015년 4월 6일 월요일

Gestalten der Wildnis 6

Gestalten der Wildnis 6



»Ich bin auch schon darauf gekommen, daß es eine Dummheit war,« gab
Gardner zur Antwort. »Aber es war gestern morgen, und jetzt bin ich
fertig. Kommt her und nehmt mich auf.«
 
Auf der Barke wurde Rat gehalten. Die Orca setzte ihren Patrouillengang
vor dem Felsen fort, als wäre so ein Ding, wie ein vierzig Fuß langes
Motorboot, nicht der Mühe wert, sich darum zu kümmern.
 
»Du mußt noch ein bißchen länger zappeln!« schrie der Kapitän. »Wir
gehen in den Hafen zurück und holen eine Walfisch-Kanone. Wir haben
eine schwere Büchse an Bord, aber es hat keinen Sinn, sie damit zu
ärgern. Denn wenn der erste Schuß nicht richtig sitzt, macht sie in
zehn Minuten Brennholz aus unserem Boot. In einer Stunde sind wir
wieder zurück, hab' keine Angst.«
 
»Dank!« sagte Gardner, und in einem weiten Bogen verschwand die Barke
hinter der Insel.
 
Diese eine Stunde schien dem Gefangenen entsetzlich lang. Er hatte
Zeit, seine kühltropfende Jacke zu segnen, ehe er wieder das Tschug,
Tschug, Tschug des Motors hinter seinem Kerker hörte. Diesmal hielt
das Boot, kaum daß es in Sicht war, geradewegs auf die Orca. In seinem
Bug, der anmutig über die Wellen tanzte, bemerkte Gardner eine seltsame
Kanone -- eine Art Elefantenbüchse auf drehbarer Lafette. Jetzt nahm
die Orca Notiz von der Tatsache, daß das Boot direkt auf sie hielt.
Sie unterbrach ihr ruheloses Patrouillieren und schien zu überlegen,
ob sie das Boot angreifen sollte oder nicht. Die Schrauben arbeiteten
rückwärts, bis die Barke zum Stillstand kam, und der Kapitän am Bug
richtete die Waffe. Es war ein mächtiger Knall. Das See-Ungeheuer warf
sich halben Leibes aus dem Wasser und fiel mit gewaltigem Klatschen
wieder zurück. Eine Sekunde lang tobte es wie irrsinnig im Halbkreis,
prellte dann mit dem Kopf gegen die Klippe und sank dann, zwei Faden
tief, auf ein zackiges Riff.
 
»Ist es tief genug, um herunterzuspringen?« fragte der Kapitän, als die
Barke langsam beidrehte.
 
»Reichlich,« sagte Gardner, schwang sich steifbeinig aus seiner Grotte
und kletterte die Felsen hinab.
 
 
 
 
Eindringlinge
 
 
Der See war halb ausgetrocknet. Sein weiter Spiegel lag unbewegt unter
widerstandslos brennender Sonne, ein mattes, rauchiges Orange, in das
der Widerschein der Wolken grüne Lichter warf. Sein fernes westliches
Ufer, mit niederen Fichten bestanden, hing zackig und schwarz gegen die
Wolken. Sein östliches Ufer lag, fernher schimmernd, glatt und nackt.
Nur ein Dickicht aus Weiden und Pappeln zeichnete die Mündung eines
dort einfließenden Stroms. Alles kam zusammen, ein Bild unbeschreiblich
trauriger Schönheit zu bilden: fließend düstere Farben, die
Leblosigkeit des umragenden Horizonts, die matte Ruhe der Wasserfläche.
 
Plötzlich erschien ein schwarzer Punkt -- nein zwei schwarze Punkte
waren es -- im Bleiglanz des Seespiegels, die sich aus dem Dunkel des
westlichen Ufers gelöst hatten. Seite an Seite schoben sie sich rasch
durch die Flut, brachen mit langen, sanft verlaufenden Kräusellinien
eine Straße zum Mittelpunkt des Sees. Die glühende Sonne verriet, daß
diese beiden Punkte die Köpfe schwimmender Elentiere, einer Kuh und
eines Bullen, waren. Bis auf die dunklen, ungeschlachten, aber schönen
Köpfe, deren lang ausgreifende Schnauzen durchs Wasser schnitten, waren
ihre Körper ganz bedeckt. Die gewaltigen Geweihe des Bullen lagen
flach auf dem Seespiegel über unsichtbaren, machtvoll arbeitenden
Schultern. In den Augen des Tierpärchens lag eine fragende Angst,
gepeinigte Wildheit wie vor einer Panik. Dieser Ausdruck berührte
seltsam in den Augen der stolzen Herren der Wildnis, die gerade in
dieser Jahreszeit, wenn die riesigen Bullen brünstig sind, alle Kreatur
ringsum zum Kampfe fordern. Aber über sie war die einzige Angst, die
beugen konnte, plötzlich gekommen: die Angst vor dem Unbekannten. Das
Pärchen hatte sich gerade auf dem offenen Landstreifen zwischen dem
Kiefernwald, durch den es wechselte, und dem Ufer, an dem es badete
und Lilienwurzeln fraß, aufgehalten, als die Angst mit aller Gewalt
über sie kam, sie in den gelben Spiegel des Sees jagte, am anderen Ufer
Zuflucht zu suchen. Wovor sie flohen, wußte keines. Seit Tagen schon
war die Kuh unruhig, der Bulle zornig und mißtrauisch. In der Luft lag
die Ahnung einer dunklen, neuen Gefahr, die unwiderstehlich näher kam.
Durch irgendeine mystische Fernwirkung war diese Angst aus Staunen,
Furcht und Entsetzen des kleineren Wilds in die Nerven der großen,
sonst unerschütterlichen Elentiere übergesprungen.
 
Im Glanz dieses Oktobermorgens war das Geheimnisvolle nahgerückt --
war fühlbar geworden, ohne daß es aufgehört hätte, ein Geheimnis zu
sein. Als die Kuh allein am Ufer stand und ihrem Gefährten rief, machte
der Gedanke sie zittern, irgend etwas Anderes, Unbekanntes, nicht ihr
Männchen, könnte dem Schrei ihrer Sehnsucht folgen. Der Bulle kam dann
plötzlich, wachsam, geräuschlos, als fürchte er einen Hinterhalt oder
eine schreckliche Ueberraschung. Wie ein Schatten war sein stolzer,
schwarzer Körper an ihrer Seite, indes ihre Schreie noch durch die
Stille nachechoten.
 
Während die Beiden ihre zarten, liebenden Schnauzen eng
aneinanderlegten, war ein Rotbock aufgesprungen, entsetzt, aber
unentschlossen, wohin er fliehen sollte. Die Beiden starrten ihm nach,
als wäre der gewohnte Anblick eines rennenden Bocks plötzlich ein
Ereignis geworden. Der seltsame Schrecken, den der Bock erregt hatte,
war kaum vergessen, als ein Fuchs eilig aus den Büschen brach. Als er
das Elenpaar, ganz ineinander versenkt, schwarz und geheimnisvoll, am
Ufer stehen sah, nicht achtend, welche Augen es sehen könnten, kam
der Fuchs angeschlichen und setzte sich, ein Dutzend Schritte fern,
abwartend auf seine Keulen. Seine klugen Augen waren voll Erwartung,
als bilde er sich ein, ihr sorgloses Vertrauen bilde eine Zuflucht, die
ihm selbst Rettung war. Zu anderer Zeit hätte das stolze Liebespaar
seine Annäherung zornig abgewiesen, aber heute erwiderten sie seinen
fragenden Blick mit noch größerer Angst. Aus ihren Augen schloß der
Fuchs, daß auch hier keine Hilfe warte. Unruhig spähte er über seine
Schulter ins Fichtendunkel, aus dem er gekommen war, kam langsam auf
seine Füße und trottete zum Wasser hin. Mit gespanntem Blick folgten
ihm die Beiden, sahen, wie sein Trott in den Galopp verzweifelter
Flucht überging, bis er den Schutz des Walddickichts gefunden hatte.
Der Anblick so plötzlicher Panik an einem Tier von der Klugheit des
Fuchses nahm ihnen die letzte Nervenkraft. Viele Füchse hatten sie
gesehen, doch keinen, der sich so benahm. Was hatte er von ihnen
gewollt? Warum hatte er sie so forschend angesehen? Und warum war er
geflohen?
 
Zitternd drängten sie sich aneinander, starrten in die dunkle
Wildnis, in der der Fuchs verschwunden war. Dort war auch ihr Heim,
ihr sicheres, wohlbekanntes Versteck, dem sie kein Vertrauen mehr
schenkten. Welcher Verrat mochte sich in den schweigenden Schatten
vorbereiten?
 
So scharf die Augen der Elentiere waren, sie entdeckten nichts.
Plötzlich aber fingen ihre großen Ohren, weither, durch unendliches
Schweigen den Widerhall eines geisterhaften Lautes. Vielleicht war
es das Schleichen vieler Füße. Dann sahen sie aus den Tiefen ganz
schwarzer Waldschatten ein Grün leuchten, ein Züngeln blasser Feuer,
vielleicht das Glühen fremder Augen. Endlich kam eine Brise aus dem
Forst, so leicht, daß sie kaum die langen Zotteln an des Bullen Hals
bewegte. Sie trug eine Witterung, die ihnen fremd, aber unbeschreiblich
drohend war. Vor diesem letzten Zeichen von Gefahr zerbrach ihr
Widerstand völlig. Zitternd drückten sie sich, immer Seite an Seite ins
Wasser. Die Augen in den Forst versenkt, schwammen sie ins Leuchten
hinaus.
 
* * * * *
 
Acht riesige Wölfe zählte das Rudel, dazu einen, der kleiner und
zarter gebaut war, der aber trotzdem einen gewissen Einfluß auf seine
Kameraden hatte. Die acht waren so ungeschlachte Gesellen, wie man
sie in der östlichen Wildnis nicht erwartet hätte. Sie stammten vom
gewaltigen Alaskawolf ab, hatten lange Rachen und lange Flanken, einen
breiten Schädel, schwere Schultern, und jeder von ihnen war stark
genug, die Kehle einer Elenkuh mit einem einzigen Biß zu zerreißen.
 
Mit der Ausnahme eines Einzigen hatten sie jedoch niemals Alaska noch
ein Elen gesehen, auch nicht die wilden Ströme, die nordwärts rollten,
noch die unbegrenzten Felder vereisten Schnees. Sie waren südlich vom
St. Lorenzstrom geboren, und auf der Suche nach weiteren Einsamkeiten,
als ihre Heimat sie bot, kamen sie nordostwärts gezogen. Auf seltsame
Art hatte diese große und kampftüchtige Gesellschaft sich mitten im
kultivierten Osten gebildet.
 
In einem Dorf in Nord-Vermont war vor Jahren ein großer, grauer Wolf
aus einer reisenden Menagerie entsprungen, war tagelang mit Toben
und Brüllen gehetzt worden. Aber er war klug. In seinem langen und
unermüdlichen Galopp hatte er sich nicht einmal unterbrechen lassen,
ehe zwischen ihm und seinen Verfolgern viele Meilen lagen und er einen
Forst fand, der wild genug schien, ihn zu verbergen. Hier hatte er in
weiser Zurückhaltung nur Rehe und Hasen gejagt, aber nie ein Geschöpf
belästigt, das er unter dem Schutz des Menschen glaubte. Dank dieser
Vorsicht ahnte kein Mensch sein Dasein. Später begegnete er, nahe dem
Dorfe, einer langschnauzigen, wolfsähnlichen Bastardhündin, die er
bewog, ihren Herrn zu verlassen und sein wildes Leben zu teilen, nach
dem sie immer Sehnsucht empfunden hatte. Treu hatte sie an seiner Seite
gejagt und ihm zwei Junge geschenkt, schwerknochige Welpen, die stark
und wild wie ihr Erzeuger wurden, aber nicht vorsichtig wie er, sondern
wild und unbezähmbar in ihren Trieben. Sie gehorchten ihrem Vater und
Herrn, weil sie ihn fürchteten und seine Ueberlegenheit anerkannten,
sie achteten das heiße, zähe Temperament ihrer schlanken Mutter. Als
aber die Zeit verging und das Wild seltener wurde, ließen sie sich
nicht zurückhalten, um die Dörfer zu streifen, und so zogen sie die
Aufmerksamkeit der Menschen auf sich. Als ein paar junge Pferde und
viele Schafe ihr Opfer geworden und einige unschuldig in Verdacht
geratene Hunde erschossen waren, rief der weise Alte sein Rudel
zusammen und führte es ostwärts.
 
Die Reise war lang und von Gefahren umdroht. Manchmal gab es wenig
Wild, und das Rudel lernte den Hunger kennen. Manchmal fanden sie kein
waldiges Land, um ihre Reise zu verbergen, manchmal, wenn sie gezwungen
waren, sich an der Herde irgendeines Dorfes zu vergreifen, schwärmten
die Bauern mit Hunden und Flinten und Flüchen gegen sie aus, daß die
Vorsicht des Alten begründet war. So erreichten sie endlich die wilden
Gebiete der sicheren Tannenforste, der Seen und wilden Wasserstürze,
die Grenzen von Maine, mit Neu-Braunschweig und Quebeck. Auf dieser Reise hatten sie Gehorsam und Vorsicht gelernt.

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