2015년 4월 6일 월요일

Gestalten der Wildnis 7

Gestalten der Wildnis 7



Nie hatte diese Wildnis in ihren schrecklichsten Träumen eine
Heimsuchung wie dies Rudel geahnt. Keine Erinnerung an irgendeine
Plage wie diese lebte in den Pelz oder Federn tragenden Bewohnern
der östlichen Wildnis. Von Wölfen hatte man überhaupt nur eine Art
dunkler, ererbter Ueberlieferung, und da handelte es sich nur um die
kleinen, östlichen Nebelwölfe, die wohl tapfere Jäger, aber kaum
einen Alp bedeuteten. Kein Bär oder Renntier hatte sich jemals um den
Nebelwolf gekümmert, der seit einem halben Jahrhundert hier nicht mehr
aufgetaucht war. So entstand die Panik, so kam es, daß lange Zeit kein
Geschöpf dieser Region den Weg der Eindringlinge kreuzte.
 
Das Land, in das sie eindrangen, beherbergte Bären, und es war
unvermeidlich, daß das Rudel mit ihnen zusammenstieß. Eines Tages
streiften sie geräuschlos auf der frischen Spur eines Rehes --
geräuschlos, wie der weise Führer es sie gelehrt hatte --, da stießen
sie plötzlich auf ein großes, schwarzes Tier, das mitten in der Rehspur
stand und einen verfaulten Baumstumpf absuchte. Sie hielten, bildeten
einen Halbkreis, das Fell auf ihren starken Nacken und Schultern
sträubte sich wie Bürsten.
 
Der Bär schien gleichfalls überrascht. Ein alter, mißlauniger
Einzelgänger, hatte er vom Einzug der schrecklichen Bastarde weder
etwas gehört noch gespürt, hätte sich auch kaum um ihr Erscheinen
bekümmert. Er war kein Opfer nervöser Panik. Sich umwendend, um den
Eindringlingen sein Gesicht zu zeigen, hockte er sich auf die Keulen,
brummte aus tiefer Kehle, hob eine große Tatze mit langen, scharfen
Krallen und blickte seine Gegner furchtlos an. Er war zu jedem Kampf
bereit, aber ebenso bereit, Frieden zu halten, wenn man ihm seine Ruhe
ließ. Ameisen, Käfer, Beeren und verrottete Baumstämme waren ihm zu
wichtig, als daß er Kampf um Kampfes wegen gesucht hätte.
 
Die Wölfe waren nicht hungrig und fühlten, daß der Bär keine leichte
Beute war. Unentschlossen warteten sie ab, ob ihr Führer ein Zeichen
zum Angriff gäbe. Der aber saß mit hängender Zunge im Mittelpunkt
der Schlachtreihe und zeigte keine Hast. Er studierte den Feind; als
begabter Feldherr besaß er das Talent, abzuwarten. Dieses Talent
fehlte dem Bären. Als er zu wissen glaubte, daß die hageren Fremden
seine Waldkäfer-Jagd nicht stören wollten, wandte er sich wieder
dem Baumstamm zu und spaltete mit einem Griff seiner großen Tatze
einen ganzen Block. In diesem Augenblick stieß das kleine, schneidige
Bastardweibchen wie eine Schlange vor und schnappte nach seinen
Hinterfüßen, um ihm die Sehne zu zerreißen. Mit solcher Leichtigkeit
und Schnelligkeit aber drehte er sich und schlug nach ihr, daß sie
kaum ein Maul voll Pelz in den Zähnen hielt und dem furchtbaren Schlag
mit genauer Not noch entging. Daß sie ihm nicht ganz entkommen war,
bewies ein langer, blutiger Riß an ihrer Seite. Im Augenblick war
das ganze Rudel zum Angriff übergegangen. Als der Leiter aber seine
Gefährtin gerettet sah, rief er die wilde Brut wieder zurück. Die
Jungen gehorchten, denn sie sahen jetzt, mit welcher Art Feind sie es
zu tun hatten. Nur einer von ihnen war schon zu weit vorgedrungen. Ein
sausender Schlag hatte ihn vor die Brust getroffen, warf ihn mitten
unter seine Brüder, zerbrochen das Genick, zerfetzt die Gurgel. Als er
zuckend und geifernd lag, kam der Vater zu raschem Entschluß. Solange
gewöhnliches Wild in der Nähe war, schien es zwecklos, das Rudel auf
einen so gewaltigen Gegner zu hetzen und schwere Opfer zu bringen. Mit
scharfem Befehl rief er sein Volk zusammen, führte es im Lauf seitab
und nahm die Spuren des Rehs wieder auf. Den Leichnam ließ er zurück,
gleichgültig, was aus ihm werden mochte. Der Bär sah ihnen zornig nach,
bis sie außer Sicht waren. Dann wandte er sich zu dem toten Körper,
beschnüffelte ihn, drehte ihn mit der Tatze um und kehrte endlich zu
seinen Käfern zurück. Wolf oder Hund war nicht nach seinem Geschmack.
Das Rudel machte indes erregt und zornig seine Beute. Ueber dem warmen
Wildpret vergaß es sein mißlungenes Abenteuer, der verlorene Bruder
war bald vergessen. Immerhin war man um eine Lehre reicher.
 
Ein paar Tage später kamen die Wölfe zum sonnendurchglühten See, aus
dem dunklen Schatten der Tannen sahen sie voll Verwunderung die ersten
Elentiere ihres Lebens.
 
Vor kurzem noch hätten die Wölfe diese ungeschlachten Gestalten als
eine Art übertrieben großen Rehwildes betrachtet und sich ohne Zaudern
an die Verfolgung gemacht. Jetzt aber erinnerten sie sich des Bären.
Sie trauten diesen beiden hochschultrigen Geschöpfen nicht, ihren
gespaltenen Hufen und ihren nichtssagenden Gesichtern. So warteten sie
auf das Zeichen ihres Führers, und der Führer war auch diesmal nicht
eilig, es zu geben.
 
Welch unerwartete Kräfte mochten in diesen Riesen stecken, die dem
gewöhnlichen Wild so ähnlich und doch so unähnlich waren? Als die
beiden Elen jedoch, von dem Unsichtbaren geängstigt, ins Wasser gingen,
durch die orangegelbe Flut schnitten, entschloß er sich, sie als
Jagdbeute zu betrachten.
 
Allein zog er auf Kundschaft aus, bis er bestimmt wußte, wohin das Paar
sich gewendet hatte. Als dann der kürzeste Weg gefunden war, kehrte er
in den Waldschatten zurück, und einen Augenblick später war das Rudel
in voller Hatz.
 
Die Elentiere hatten das andere Ufer erreicht, machten aber noch keinen
Halt. In ihrer fiebrigen Angst setzten sie schwarz und triefend den
Marsch fort -- wenn ein Elentier einmal läuft, läuft es lange. In ihrem
weit ausholenden scheinbar mühelosen Trott, der aber Meilen frißt,
folgten sie ihrer Angst, bis der Orangeschimmer weit hinter ihnen
lag, das schwach bewaldete Hinterland sie aufnahm. Sie hatten nur
einen Zweck -- sich vor den grünen Augen, den schleichenden Schritten
im Tannenwald zu retten. Daß ihr Weg sie geradezu in den Bann dieser
grünen Augen und schleichenden Schritte führte, ahnten sie nicht.
 
* * * * *
 
Die Nacht war angebrochen, der Mond, dreiviertel voll, zeitig
erschienen. In einem Versteck aus Hollunderbüschen, einer Art Insel
im offenen Land, lagen zwei Jäger, die in dieses Tal gedrungen waren,
um Elen zu jagen. Der eine, ein Riese von Kerl, nach seinem Anzug zu
schließen wahrscheinlich der Führer, trug außer dem Gewehr eine Axt
und ein langes Rohr aus Birkenrinde, das wie eine Trompete aussah.
Es war Brunstzeit. Wohl versteckt, aber doch mit freiem Ausblick auf
die Steppe, hatten die beiden es sich für eine lange, ereignislose
Wartezeit bequem gemacht. Adam Moore, der Führer, nahm sein Birkenrohr
an die Lippen und orgelte den seltsamen Lockruf der Elenkuh, der
hart und formlos, aber unbeschreiblich wild und einsam klingt. »Bei
Gott, Adam,« murmelte Rawson, »Sie treffen den Ton!« Moore dankte für
so viel Anerkennung; dieser kaltäugige, abgehärtete Engländer, der
in jedem Winkel der Welt großes Wild gejagt hatte, gehörte zu den
wenigen Sportsleuten, auf deren Anerkennung er Wert legte. Nach kurzer
Pause stieß er seinen Lockton zum zweitenmal aus, dann legte er das
Instrument über seine Kniee und wartete. Die Luft war unbewegt. Unter
blauweißem Mondschein schien die lautlose, unbegrenzte Wildnis zu Glas
erstarrt. Dann aber kam von fern her das Geräusch brechender Aeste, kam
näher und näher. »Dacht' ich mir, Adam,« flüsterte Rawson. Er hob sein
Gewehr auf ein Knie. Moore legte die große Hand auf seinen Arm:
 
»Hören Sie! Zwei!«
 
Auf gute Schußweite wurden die Flüchtlinge sichtbar, verhetzt und
erschöpft. Das Geweih des Bullen war herrlich! Aber Rawson sah nur die
Angst der Prachttiere, und unwillkürlich ließ er sein Gewehr fallen.
In ihrer Angst vor Unbekanntem kamen die Flüchtlinge geradenwegs auf
das Dickicht zu, dachten nicht an die Schrecken, die dort auf sie
lauern mochten. In ihrem Weg lag ein Baumstumpf, den ein vergangenes
Hochwasser hergetragen und zurückgelassen hatte. Der Bulle umging ihn.
Die Kuh aber, fast blind vor Erschöpfung, stolperte darüber, fiel mit
einem klagenden Schrei auf ihre Schnauze und lag da, als fürchte sie
nicht länger ihr Schicksal. Als die Gefährtin nicht mehr an seiner
Seite ging, blieb auch der Bulle stehen und beschnüffelte sie gesenkten
Hauptes. Er berührte sie mit seiner Schnauze, stieß sie mit dem
scharfen Geweih, um sie zu neuer Anstrengung zu zwingen. Dann stand er
trostlos neben ihr, blickte den Weg hinab, den sie gekommen.
 
»Gutes Wild!« flüsterte Rawson mit glänzenden Augen.
 
Im nächsten Augenblick rauschte es heran, unsere Gestalten huschten
durch das Mondlicht.
 
»Wölfe, Hochlandswölfe!« schrie Moore. Er war im Westen gewesen und
kannte die Sorte.
 
[Illustration]
 
»Acht Stück!« Er warf das Rohr fort und griff zum Gewehr. Wild von
langer Hatz, zögerten die Wölfe keinen Augenblick, sondern sprangen
wie besinnungslos auf ihre Beute, ihr grauer Führer eine halbe Länge
vor der Front. Im Näherkommen glühten die nackten, weißen Fangzähne
und kalten Augen im Mondlicht. Der gehetzte Bulle rührte sich nicht.
Als das Leittier jedoch nach seiner Gurgel sprang, zuckte er zurück
und schlug mit scharfen Hufen furchtbar um sich. Diese unbekannte Art
von Verteidigung überraschte das Leittier; in vollem Sprung prallte
es gegen die wirbelnden Hufe und blieb mit zerschlagenem Schädel
liegen. Gleich darauf knallte Rawsons Gewehr, ein zweiter Wolf fiel.
Die übrigen aber hingen an Flanke und Schultern des tapferen Bullen
und versuchten, ihn niederzureißen. Noch einmal feuerte der Engländer,
ohne der Wirkung zu achten. Dann sprang er rasend vor Kampflust, dem
Bullen zu Hilfe, schwang sein Gewehr wie eine Keule. Moore, der nicht
mehr schießen konnte, weil er Gefahr lief, Rawson zu treffen, griff
zur Axt und folgte ihm in langen Sätzen. Als Rawson seinen Kolben
auf den Rücken eines Wolfs schmetterte, der im Genick des Bullen
hing, sah er ein kleineres, schmaleres Tier, das ihn von der Seite
beschlich. Instinktiv brüllte er »Kusch« und gab dem Angreifer einen
wütenden Fußtritt unter die Schnauze. Wäre er weniger mit seinem Kampf
beschäftigt gewesen, dann hätte er mit Erstaunen gesehen, daß der neue
Angreifer winselnd den Schwanz zwischen die Beine zog, ihn umschlich
und in seltsamer Ergebenheit vor ihm liegen blieb. Ganz plötzlich hatte
ein Befehl aus menschlicher Kehle alte Dressur in dem Hundebastard
wieder lebendig gemacht.
 
Ihres weisen Führers beraubt, kehrten die jungen Wölfe nun alle Wut
gegen die neuen Angreifer. Für Minuten hatte Rawson Not, sich gegen
die Sprünge einer flammenäugigen Bestie zu decken, die er nur mit
kurzen, wütenden Stößen bekämpfen konnte, weil der Raum für einen
tötlichen Schlag fehlte. Zugleich aber führte der Riese seine Axt
mit so furchtbarer Wirkung, daß die Zahl der Angreifer schon auf
drei geschmolzen war. Einen von diesen erledigte der Bulle, der,
blutüberströmt, aber nun im Kampf von seiner dunklen Angst befreit, die
hämmernden Vorderhufe so blindwütend brauchte, daß er Freund und Feind
gleich gefährlich wurde. Das Glück wollte es, daß er Rawsons Gegner
traf, der sich jetzt heulend gegen ihn kehrte. Dadurch fand Rawson Zeit
zu einem vollen, sausenden Schlag, der den Kampf beendete. Von den
beiden letzten Wölfen erlag einer, der Moore von der Seite angesprungen
hatte, seiner sausenden Axt. Beim Klang seines Todesröchelns zog der
letzte überlebende sich zurück, zögerte einen Augenblick und gab
dann die verlorene Schlacht auf. Als er floh, den Bauch an der Erde,
schwang Moore noch einmal die Axt. Sie pfiff von der Faust eines
erfahrenen Hinterwäldlers gelenkt durch die Luft, und zerschmetterte
dem Flüchtling das Rückgrat. Der Riese sprang nach, ergriff noch einmal
die Waffe und gab dem winselnden Tier den Gnadenschlag.
 
Die arme Kuh war inzwischen wieder zu Atem gekommen und stellte sich
mühsam auf die Füße. Sie zu schützen, nahm der Bulle seine Retter an.
Rawson entging mit knapper Not seinem Angriff.
 
»Wir sind nicht länger beliebt,« lachte er und zog sich in sein
Dickicht zurück. Da sprang die Bastardhündin, die er fast vergessen
hatte, mit unverkennbar hündischer Demut an ihm empor. Er betrachtete
sie einen Augenblick voll Erstaunen, erkannte sie dann und verstand.
 
»Scher dich weg und sei dankbar für dein ganzes Fell!« kommandierte er:
»Ueberläufer!«
 
Er wollte seinem Befehl mit dem Gewehrkolben Nachdruck geben, aber
Moore widersprach:
 
»Nicht wegjagen!« sagte er. »Bin froh, daß Sie sie nicht wollen. Jetzt
behalte ich sie selbst. Ist mehr wert, als ein Dutzend meiner elenden
Köter ohne Nase und Appell. Sie hat übrigens ihre Lektion hinter sich! Die geht nicht wieder zu den Wölfen über!«

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