2015년 4월 6일 월요일

Gestalten der Wildnis 8

Gestalten der Wildnis 8


Ismael in den Schierlingstannen
 
 
Er war wirklich ein Ismael. Seine Zähne und Krallen waren gegen jedes
Geschöpf der Wildnis, ob groß oder klein, und jedes andere Geschöpf
der Wildnis war gegen ihn -- die Schwachen in nie ruhender Angst, und
selbst die Stärkeren in einem Haß, dem Furcht sich beimischte. Der Bär
sogar, der so herablassend höhnisch auf viel größere Feinde blickte,
bequemte sich, ihn mit wachsamer Feindseligkeit zu betrachten. Ganz
gleichgültig war nur das riesige Elen-Tier. Es stolzierte durch den
Forst und beachtete seine Existenz nicht.
 
Und doch war dieses Geschöpf, dem es glückte, einen so gewaltigen
Tribut an Furcht und Haß zu erheben, wie dieser Ismael aus den
Schierlingstannen, nicht größer als ein Fuchs. Unter den Waldleuten und
den Trappern war er unter verschiedenen Namen bekannt. Meist nannte
man ihn den »Fischer«, obwohl es im Dunkel liegt, warum er so genannt
wurde. Seine Tüchtigkeit im Fischen war bei weitem nicht so groß wie
die des Waschbären, und mit der Geschicklichkeit solcher Meister,
wie Mink und Otter, konnte er sich nicht vergleichen. Auch unter dem
Namen »schwarze Katze« war er bekannt, obwohl er weder schwarz, noch
eine Katze war. Daß er so unpassende Namen trug, ist jedoch weniger
erstaunlich, als es auf den ersten Blick schien. Er gehörte nicht zu
denen, die sich einer peinlichen und sorgfältigen Beobachtung fügen.
Was die Menschen dann und wann von ihm zu sehen bekamen, war nur
geeignet, Irrtümer zu erregen.
 
Als ein Mitglied der großen und gefürchteten Mustela-Familie besaß
dieser Ismael aus den Schierlingstannen ganz die blitzhafte Gewandtheit
und den wilden Mut seines kleinen Vetters, des Wiesels, aber zugleich
die unerbittliche List und die erstaunliche Muskelkraft seines
größeren Stammesgenossen, des verhaßten Vielfraßes, den man auch
den »indianischen Teufel« nennt. Obwohl von der scharfen, grausamen
Schnauze bis zum Ende seines hübschen, buschigen Schweifes keine
drei Fuß lang, war er durch unglaubliche Gewandtheit und die Wut
seines Angriffs selbst dem stärksten Fuchs und jedem Hund, der nicht
mindestens zweimal so groß war, ein überaus gefährlicher Gegner. Die
wenigen Feinde, die er als überlegen an Kraft anerkennen mußte, konnte
er im allgemeinen durch List besiegen.
 
Im tiefen Dickicht der Schierlingstannen hatte Ismael seine Zuflucht,
dort, wo die tiefen, immergrünen Bäume Winters wie Sommers die Sonne
abschließen, wo geborstene und faulende Baumstämme die Erde zu einem
Labyrinth gewundener Schleichwege und unübersehbarer Verstecke
machen. Hier war sein eigentliches Gebiet, denn er konnte wie ein
Eichhörnchen klettern, und es war ihm gleichgültig, ob er auf dem
Erdboden marschierte, oder in den bebenden Spitzen der Tanne. Doch gab
es, dank seiner allzu großen Jagdtüchtigkeit, im Schierlingswald nicht
mehr allzu viel Wild, und so mußte er seine Beutezüge weit über Land
führen. Da er geräuschlos wie ein Mink und unermüdlich wie ein Wolf
lief, legte er zwischen Abend- und Morgenrot ungeheure Entfernungen
zurück. Irgendwelche Grenze erkannte er nicht an. Ganz unparteiisch
brach er in alle Reservate ein und forderte jeden anderen Waldfrevler
zum Wettbewerb an Kraft und Arglist heraus. Den ganzen Tag aber schlief
er im tiefen, grünen Schatten der Schierlingstannen, zusammengeknüllt
wie eine friedliche Katze, die in einem Heiligenschrein ruht. Sein
ungeheurer Kraftaufwand forderte lange Ruhe. Und das war ein Glück für
alle anderen Waldtiere, denn so konnten sie den ganzen Tag ungehindert
durch den Tannenwald ziehen und ihren verstohlenen Geschäften
nachgehen, ohne an den schrecklichen Schläfer in dem Baum zu denken.
Verschwand aber die Sonne, dann fürchteten sich selbst die schnellen
Waldmäuse vor seiner Nachbarschaft. Und die wilden Kaninchen, die auf
Ismaels Speisezettel eine Hauptrolle spielten, flohen den wegsameren
Hartholzwäldern zu, um ihre Mondscheinfeste zu feiern. Das Wiesel
sogar, dieser unversöhnliche Mörder aller Brut, versagte es sich, im
Schierlingswald zu jagen. Denn es wußte, Ismael würde es nicht nur
hetzen -- etwa in blinder Freude an dem schwierigen Sport --, nein,
er würde auch sein zähes, sehniges Fleisch, das trocken wie eine
Peitschenschnur ist, herunterwürgen, dies Fleisch, das kein anderer
Forsträuber berührte, solange ihn nicht verzweifelter Hunger trieb.
 
An einem Frühlingsabend -- das Licht des aufgehenden Mondes versilberte
die dünne Spitze, ehe noch der letzte Sonnenstrahl im Nebel
verschwunden war -- wachte Ismael mit ungewöhnlichem Appetit auf. Ein
bißchen hastig kroch er aus seinem Lager und gönnte sich nicht, wie
sonst, die Zeit, an dem langen, schräg liegenden Baumstumpf, hinter
dem seine Höhle lag, hinzuscheuern. In der vergangenen Nacht hatte er
ausschließlich von Kaninchen gelebt, und Kaninchenfleisch hat seine
Eigenart, der Hinterwäldler sagt, »es hält nicht vor«. Man wird sofort
wieder hungrig, auch nach einem noch so herzhaften Kaninchenmahl, so
daß man sehr häufig essen muß, wenn man von diesem Fleisch leben will.
Vielleicht ist das eine Fürsorge der Natur, die hindern will, daß das
fruchtbare Geschlecht der Kaninchen die ganze Erde überschwemmt.
 
Als Ismael auf seiner Treppe auftauchte, hallte eine dumpfe, hohle
Stimme plötzlich durch die Baumspitze. Diese Stimme war schrecklich,
und sie klang ganz nahe, aber dennoch war es fast unbestimmbar, woher
sie kam. Ismael kannte ihr Drohen sehr gut. Aber ohne sich daran zu
kehren, sprang er den schiefen Baumstamm hinab. Für ihn hatte die große
Horneule, der Schrecken aller kleineren Räuber, keine Bedeutung.
 
Zufällig aber war dieser fremde Marodeur ein Neuankömmling,
eingewandert aus den wenig besiedelten Distrikten südlich des
Ottanoon-Tales, wo »Fischer«, die Nachbarschaft und Gewohnheiten der
Menschen fürchten, selten sind. Die Eule kannte Ismael nicht. Ihre
blassen, starren Augen sahen eine pelzumkleidete Gestalt am Baum
hinuntergleiten. Als auf diesen huschenden Körper ein Strahl des
Mondlichts fiel, schloß die Eule ihre Schwingen über den Rücken und
stieß geräuschlos nieder. Gerade da blickte Ismael mit tiefem Knurren
auf. Mit einem heftigen Satz sprang er zur Seite, es war für ihn kein
schwieriges Abenteuer. Ismaels geschmeidiger Hals reckte sich und seine
langen Zähne senkten sich tief in die gepolsterten Schenkel der Eule.
Zwar bekam er nur ein Maul voll dauniger Federn, aber der verletzte
Vogel ließ rasch von einer so gefährlichen Begegnung ab. Ismael
spuckte gewaltig, um sein Maul von dem zähen, würgenden Gefieder zu
befreien.
 
Dann trat er in großer Geschwindigkeit seinen Marsch an. In der
Nachbarschaft hatte er kein Wild zu erwarten, deshalb war er in Eile,
und wie er so in langen, geräuschlosen Sprüngen auszog, war er eine
schöne Verkörperung von Kraft, Gliederbeherrschung und Schnelligkeit.
Um aber keine Gelegenheit zu versäumen, die irgendein Jagdzufall ihm
in den Weg führen konnte, hielt er im Laufen die Nase hoch und achtete
auf jede Witterung. Als er den Schierlingswald verlassen hatte, geriet
er in ein Gebiet von jungem Nachwuchs, in ein Dickicht aus halbhohen
Kiefern, vermischt mit Birken, Pappeln, Ahorn und Weichseln. Hier nahm
er ganz unerwartet eine scharfe Witterung auf. Er stand still wie vor
einem Schuß, erstarrte im Augenblick zur Unbeweglichkeit, hielt die
Schnauze hoch, und seine scharfen Nüstern prüften die Luft in jeder
Richtung. Die Witterung kam von einem Stachelschwein und war so frisch,
so einladend, daß er wußte: das stachlige Nagetier war nicht weit.
Seine unermüdlichen Augen spähten die Umgebung ab. Endlich, in die Höhe
blickend, bemerkte er einen dunklen Ball, der sich im schlanken Ast
einer Birke wiegte.
 
Nun ist das Stachelschwein eine Beute, auf die sich die meisten
Waldjäger nur ungern einlassen. Seine todbringenden Stacheln sind
scharf wie Nadeln und mit dünnen Widerhaken so besetzt, daß sie
sich, einmal ins Fleisch eingedrungen, immer weiter bohren, bis sie
ein Zentrum des Lebens erreichen. Wiesel, Fuchs oder Luchs setzen
sich dieser Gefahr nur aus, wenn der Hungertod sie bedroht. Aber
Ismael hatte seine eigene Art, mit Stachelschweinen umzugehen und
er wußte, daß das Fleisch unter diesem gefährlichen Panzer kräftig
und wohlschmeckend ist. Ehe das stumpfsinnige Stachelschwein seine
Nähe auch nur ahnte, saß er schon auf der Birke, weit draußen auf dem
wiegenden Ast.
 
Der dünne Ast bog sich unter seinem Gewicht, als Ismael vorsichtig
darauf hinschlich. Das Stachelschwein wunderte sich, daß es plötzlich
so viel schwerer wurde, und zog sich auf einen weniger gefährdeten
Punkt zurück. Aber ehe es seinen Weg noch halb gemacht hatte, stand
es plötzlich, nur ein paar Zoll weit, dem schweigenden, todbringenden
Gesicht Ismaels gegenüber.
 
Im Augenblick stand jede Stachel zur Verteidigung auf. Aber die Lage
auf dem schwankenden Ast war so schwierig, daß das Tier sich nicht
sofort in jene Kugel aus spitzen Nadeln verwandeln konnte, vor der alle
seine Feinde sich fürchten. Krampfhaft versuchte es, sein nacktes,
ungeschütztes Gesicht zwischen den Pfoten zu verbergen. Die Erscheinung
vor ihm schlug zu rasch zu. Ismaels Kopf schnellte vor, schnell und
geradeaus wie das Maul eines Rattlers, bohrte sich unter die drohende
Front der Widerhaken und grub in die Nase des Stachelschweins seine
unwiderstehlichen Fangzähne.
 
Im selben Augenblick begann Ismael, der alle nur möglichen Gefahren
dieser Lage kannte, auf dem Zweige rückwärts zu kriechen. Das
Stachelschwein kämpfte darum, sich zu wenden, um den Feind mit seinem
mächtigen Schwanz niederzuschlagen, aber es wurde allzu heftig
fortgerissen. Es wehrte sich mit den Pfoten, hielt sich mit aller Kraft
zurück und trachtete, seine blutende Nase freizubekommen. Aber da war
jede List und jeder Widerstand zu schwach, so unwiderstehlich zerrte
Ismael.
 
Bis jetzt war das Abend-Zwielicht in seiner geisterhaften Mischung aus
Sonnenuntergang und erstem Mond ganz ohne Stimmen gewesen. Nur der
friedliche Ruf eines Nachtfalken klang manchmal hoch über dem violetten
Gewölk der Abendnebel. Jetzt brach in diesen Frieden ein jammervolles
Gewirr von Tönen, halb unterdrückt und dennoch verzweifelt. Nur wer
unmittelbar unter dem Baum stand, hätte den Kampf mit ansehen können.
Aber das heftige Brechen von Zweigen, atemlos stöhnende Seufzer,
das Knirschen von Klauen, die unbarmherzig aus der Rinde gerissen
wurden, waren beredte Künder des Trauerspiels. An der Gabel des Astes
angekommen, krallte Ismael seine kräftigen Hinterläufe in den Stamm
ein, und mit einem plötzlichen Ruck brachte er das Stachelschwein um
seinen Halt, schlug es mit Gewalt gegen einen tiefer liegenden Ast.
Halb ohnmächtig und von Entsetzen gepackt, legte das Opfer all seine
Stacheln zurück und suchte krampfhaft nach einem Halt. Ismael ließ es
diesen Halt beinahe finden, aber als die Beute so ausgestreckt und
verteidigungslos hing, gab er die Nase frei und schnappte nach der
Gurgel. Sofort erlahmte der Widerstand und hörte im Augenblick ganz
auf. Als das Tier bewegungslos hing, ließ es Ismael los, und der Körper
fiel in die Tiefe. Voll Angst, irgendein anderer Räuber könnte ihm
zuvorkommen, folgte Ismael ihm nach, wälzte ihn sorgfältig auf den
Rücken -- denn er wußte, daß die unteren Teile unbeschützt waren -- und dann begann er sein Mahl.

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