2015년 4월 6일 월요일

Gestalten der Wildnis 9

Gestalten der Wildnis 9


Nachdem er gefressen hatte, so viel er konnte, ließ er die
Ueberbleibsel achtlos für den nächsten Hungrigen zurück, mit dem ganzen
Selbstvertrauen eines immer erfolgreichen Jägers. Er selbst begab sich
in die Krone einer nahen, hochstämmigen Buche. Hier machte er sich
an eine sorgfältige Toilette, putzte seinen schönen Pelz, bis auch
nicht eine Spur des blutigen Abenteuers zurückblieb. Dann verließ
er die Buche und schlich durch die mondsilbrige Stille, so wach und
jagdlustig, als hungerte er seit vielen Stunden.
 
Durch diese Stille kam jetzt das leichte Plätschern eines laufenden
Wassers. Als hätte dieser Laut eine Erinnerung in ihm geweckt,
schwenkte er scharf zur Seite, und in ein paar Sekunden erreichte er
eine kleine grasige Halde am Ufer eines seichten Baches, der sanft
über die Kiesel plätscherte. Ismael war nicht durstig. Er schenkte
dem Wasser keine Aufmerksamkeit, sondern kroch schnüffelnd durch Gras
und Kräuter, bis er plötzlich gefunden hatte, wonach er suchte. Da
stürzte er sich hinein, überschlug sich wieder und wieder und biß in
einer Art von Wollust um sich. Was er gefunden hatte, war ein Beet mit
Katzenkraut, ein Gewürz, für das er die halb wahnsinnige Leidenschaft
der Katzen selbst fühlte.
 
Als Ismael sich an dieser Kostbarkeit genug getan hatte, ging er
stromabwärts, die Nase hoch, wie immer. Aber die Schärfe seiner
Witterung hatte im Augenblick durch das Gewürz gelitten. So geschah
es, daß Ismael, als er einen schweren verfaulten Baumstamm umschlich,
geradezu in eine große schwarze Bärin hinein rannte, die im Moder
nach Käfern grub. Die Bärin machte mit ihrer riesigen Tatze einen
furchtbaren Angriff, und nur durch einen blitzschnellen Seitensprung
entging Ismael einem bösen Schicksal. Wütend und feindselig umschlich
er den Stamm und erschien plötzlich auf der andern Seite, knurrte
giftig und duckte sich, als wollte er dem großen Tier an die Kehle
fahren. Doch war er keineswegs wahnsinnig; als die Bärin mit zornigem
Brummen nach ihm schlug, duckte er sich zur Seite und verschwand wie
eine Schlange im Unterholz.
 
Unter den Aesten eines Tannen-Dickichts hinkriechend, stieß er
fünf Minuten später auf etwas, das warm und lebendig war und
zusammengeknüllt auf dem Boden lag. Ismaels Nase hatte diesmal versagt
-- vielleicht weil die Brut der wilden Tiere bisweilen, gleichsam
zu ihrem Schutz, keine Witterung gibt --, und seine Augen hatten
gleichfalls versagt, weil die unbewegte kleine Gestalt in Farbe und
Linie ganz in ihre Umgebung verschmolz. Die Ueberraschung war für
Ismael nicht überwältigend. Seine geübten Zähne fuhren sofort und ohne
Ueberlegung nach der Gurgel des neuen Opfers. Es erklang ein scharfes
Wimmern, voll Ohnmacht und Sehnsucht, dann kämpften hilflose Glieder
einen tragisch-kurzen und matten Kampf. So sorgsam die Mutter es
versteckt hatte, das Rehkalb war allzu früh dem Schrecken der Wildnis
erlegen.
 
Ismael liebte Wildpret fast noch mehr als Stachelschwein. So trank
er gierig das warme Blut, obwohl er nicht gerade hungrig war, und
brachte es sogar fertig, noch einen soliden, kleinen Nachtisch zu
sich zu nehmen. Bei dieser angenehmen Beschäftigung versäumte er es
doch nicht, nach der alten Rehkuh zu wittern, denn er wußte, daß ihre
messerscharfen Hufe und ihre Mutterverzweiflung selbst ihm gefährlich
werden konnten. Plötzlich dröhnte und krachte etwas durch die Aeste.
Es war jedoch nicht die Hindin, die in das Dickicht einbrach, es war
die große, schwarze Bärin. Sie hatte ihn verfolgt, und jetzt war sie
da, ihm seine Beute abzunehmen. Eine oder zwei Sekunden lang war Ismael
blind vor Zorn, stemmte sich über das Wildpret, und so gefährlich war
die Wut, mit der er den Eindringling anfletschte, daß es schien, als
würde die Ungleichheit ihrer Kampfmittel ausgeglichen. Aber die Bärin
kümmerte sich nicht um diesen Zorn. Sie polterte vorwärts und schlug
plötzlich nach dem kleinen braunen Tier, das so unverschämt war, ihr
Widerstand zu leisten.
 
Der Hieb fiel natürlich in die Luft, denn Ismael war wie ein Schatten
verschwunden. Aber gleich darauf fühlte die Bärin einen stechenden
Schmerz in den großen Muskeln über ihrer Ferse. Wie der Blitz fuhr sie
herum und schlug abermals. Aber wieder war Ismael verschwunden. Laut
knurrend duckte er sich, zwölf Fuß weit fort von ihr, als forderte er
sie zur Verfolgung auf.
 
Die Bärin jedoch, so böse sie war, ließ sich nicht verlocken. Ihre
Wunde war wohl schmerzhaft, aber nicht gefährlich, denn der Rachen
ihres Gegners war viel zu schmal, um ihren großen pelz-geschützten
Gliedern ernsthaften Schaden zu tun. An Gewandtheit aber, das wußte
sie, konnte sie sich mit dem durchtriebenen kleinen Gegner nicht
messen. Vor allem war sie hungrig. In ihrem Lager, unter der Felsnase
eines nahen Bergrückens, hatte sie zwei helläugige, lustige Bärenjunge
liegen, und der Appetit dieser Jungen stellte Anforderungen an ihre
Brüste, denen sie mit einer Nahrung aus Waldkäfern und wilden Knollen
kaum entsprechen konnte. Das Fleisch der Rehkitze war für sie ein
Gottesgeschenk. Unfreundlich brummend, machte sie sich an die Mahlzeit,
hielt aber dabei einen wachsamen Blick auf den Feind.
 
Nun traf es sich durch Zufall, daß Ismael von dem Lager unter der
Felsnase und seinen verwöhnten Inhabern wußte. Aus sicherem Hinterhalt
hatte er alles beobachtet, vor Bosheit mit den Zähnen knirschend,
aber doch nicht wagemutig genug für das gefährliche Abenteuer, dort
einzudringen. Jetzt war seine Wut stärker als jeder Gedanke an
Vorsicht. Trotzdem verließ die Schlauheit ihn nicht ganz. Er machte
einen zweiten drohenden Vorstoß gegen seine Gegnerin, um sich ihrer
ungeteilten Aufmerksamkeit zu versichern, und dann drehte er sich zur
Seite, als hätte die Wut ihres Gegenangriffs ihn gelähmt. Er verzog
sich nicht allzu schnell, und in einer Richtung, die entgegengesetzt zu
der des Bärenlagers war. Pfiffig hielt er sich im Mondlicht der offenen
Wiese, die Augen der alten Bärin folgten ihm aufmerksam, bis er unter
dem Schatten verschwand.
 
Endlich, als er sicher war, daß kein Auge mehr ihm folgte, machte er
Kehrt, beschrieb einen kurzen Umweg und eilte dann schnurstracks zur
Felsnase.
 
Das Lager der alten Bärin lag in einer kleinen Höhle mit engem
Eingang, gerade dort, wo die geneigte Fläche aus Schiefergestein,
die einen Ausläufer des Blauberges bildet, plötzlich abbricht und
einen tiefen Hohlweg überschattet. Dort, etwa fünfzehn Fuß unter dem
Schiefer-Vordach lief ein halb zerborstenes Riff, das zum Eingang der
Höhle führte. Auf diesen Eingang fiel jetzt ganz unbewölkt das Licht
des Mondes und tauchte die Spitzen der Tannen im Tal darunter in
schneeiges Weiß.
 
Es war zweifellos eine gefährliche Sackgasse, ohne Hintertür zum
Entweichen, aber Ismael zögerte nicht. Er wußte, daß die alte Bärin
weit fort war, in dem Dickicht auf der anderen Seite des Felsens,
und ihr gestohlenes Mahl verzehrte. So glitt er an dem Schieferdach
hin, einen Augenblick lang stand sein dunkler, biegsamer Schatten
verräterisch im Licht. Dann schlüpfte er in die Höhle. Die beiden
schwarzen, glänzenden Bärenjungen, die vielleicht die Größe einer
Hauskatze hatten, fingen gerade an, hungrig zu werden. Im Hintergrund
der Höhle zusammengekauert, wimmerten sie sich gegenseitig an, ihre
kleinen, spitzen Ohren mühten sich ab, die schlürfenden Fußtritte der
heimkehrenden Mutter zu hören. Ihre hellen, schalkhaften, kleinen
Augen hingen sehnsüchtig an dem Flecken von Licht, der den Eingang zu
ihrer Behausung füllte. Plötzlich sahen sie nicht die große Gestalt
ihrer Mutter, hinter der alles Licht verschwand, sondern einen kleinen
flinken Schatten, der mit zierlichem Sprung hereinkam. Und da wußten
sie, daß dies springende Geschöpf ein Todfeind war, daß es sie deshalb
mit so grausam gierigen Augen anstarrte, und beide erhoben sie ein
schrilles, jammervolles Hilfegeschrei.
 
Wie es unter so persönlich gearteten, so hoch entwickelten Tieren wie
den Bären oft vorkommt, waren die beiden Jungen in ihrem Temperament
ganz verschieden. Eins von ihnen stellte sich tapfer der Gefahr, sein
weiches Pfötchen fuhr zum Schlag empor, und die dünnen, schwarzen
Ränder seiner Lippen fletschten sich mutig über den dünnen Zähnen. Das
andere erstarrte im Blick der nahen, drohenden Augen, es zitterte bang
und verlor alle Kraft, sich zu bewegen.
 
Dies unglückliche kleine Geschöpf war es, auf das Ismaels Auge zuerst
fiel. Mit einem Sprung saß er an seiner Kehle, drehte es auf den Rücken
und begann wild, das Blut zu saugen. In diesem Mord war die Wollust
befriedigter Rache, und darüber vergaß Ismael alle Vorsicht.
 
Eine Sekunde später wurde Ismael durch ein schwaches Kratzen und Nagen
an seinem Hinterbein gestört. Das andere Bärenjunge, von jenem Schlag,
der die Gefahr nicht abwägt, war seinem kleinen Bettgenossen tapfer zu
Hilfe gekommen. Mit triefenden Backen und furchtbarem Knurren sprang
Ismael zur Seite, um sich auf den machtlosen Angreifer zu werfen.
Im selben Augenblick aber fingen seine Ohren das Schleichen rascher
Schritte draußen in dem Felsen. Mit einer blitzschnellen Bewegung, als
wäre sein Körper ganz aus stählernen Federn, kam er bis zum Eingang zur
Höhle. Dort aber erreichte ihn auch die Bärenmutter, atemlos vor Hast.
Kaum beim Mahl, war plötzlich instinktive Angst über sie gekommen, sie
hatte diese Angst nicht abschütteln können -- jetzt war sie da! Ihre
furchtbare Tatze traf Ismael mit aller Wucht ins Gesicht, trieb ihm
den Kopf zwischen die Schultern und klebte ihn an den Felsen. Dann
traf die andere Tatze, wie ein Rammklotz, auf seine schlanken Lenden.
Aber selbst in Todesnot arbeiteten seine Zähne noch, schnappte er wild
und furchtbar um sich. Freilich, in ein oder zwei Sekunden war alles
vorbei, lag er ohne Atem, eine formlose Masse aus Blut und Pelz, zu
Füßen der Siegerin.
 
Die alte Bärin nahm Abstand und warf noch einen langen Blick auf
den Kadaver, dann hastete sie wimmernd vor Angst in ihr Lager. Das
unverletzte Junge kam ihr entgegen gekrabbelt. Mit hastigem Lecken und
Beschnüffeln überzeugte sie sich, daß ihm nichts fehlte, dann wandte
sie sich zu dem toten. Heulend beroch sie es, liebkoste es mit ihrer
Zunge, bewegte es zärtlich mit der Tatze. Vielleicht eine volle Minute
dauerte es, bis sie ganz begriffen hatte, daß es tot war. Als sie an
der Wahrheit nicht länger zweifeln konnte, hörte sie auf zu jammern.
Mit dem starren kleinen Leichnam im Maul verließ sie die Höhle und
legte ihn sorgsam auf eine steil abfallende Felsecke. Als hätte sie ihm
eine Art Beerdigung zugedacht, ließ sie den Körper langsam den Felsen
hinabgleiten. Er fiel schneller und schneller, überschlug sich und
blieb endlich in den Zweigen einer alten Pechtanne hängen, die, wohl
fünfzig Fuß tiefer, gleichsam gewartet hatte, ihn aufzunehmen.
 
Die Mutter gönnte sich nicht die Zeit, diesen Fall zu beobachten.
Heftig wandte sie sich um und warf sich noch einmal auf die Ueberreste
Ismaels. Da schlug und bearbeitete sie diese mit ihren Tatzen, bis
sie an kein Geschöpf mehr erinnerten, das je die Wildnis durchstreift
hatte. Sie dachte nicht daran, sein widerwärtiges, zähes Fleisch zu
verzehren -- sie war wählerisch im Essen, liebte Honig und Früchte
und reine Nahrung. Als sie an dem Kadaver ihre ganze Wut ausgetobt
hatte, schleuderte sie ihn rechts über die Felsnase, dann zog sie sich
in die Höhle zurück, um das Kleine zu säugen, das ihr geblieben war.
Was von Ismael übrig geblieben war, fiel in einen Hohlweg hinab, der
viel begangen war. Dort balgten sich vielleicht um sein Fleisch ein
paar neidische alte Füchse oder Wildkatzen, vielleicht bot er -- noch
unrühmlicher -- ein lang ausgedehntes Fest für aasfressende Käfer und
Schmeißfliegen.
 Ein Jahr ohne Kaninchen
Es war das Hungerjahr -- für alle fleischfressende Kreatur der
nördlichen Wildnis ein Jahr voll nie unterbrochenen Lauerns, hellster
Wachsamkeit, ungeahnt heftiger Fehde. In diesem Jahre brach jede
Schonung, jeglicher Vertrag.

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