2014년 12월 29일 월요일

Dantons Tod 4

Dantons Tod 4

Herman.
Laß mich nur machen!



Dritte Szene

Die Conciergerie. Ein Korridor

Lacroix, Danton, Mercier und andre Gefangne auf und ab gehend.

Lacroix (zu einem Gefangnen).
Wie, so viel Ungluckliche, und in einem so elenden Zustande?

Der Gefangne.
Haben Ihnen die Guillotinenkarren nie gesagt, daß Paris eine
Schlachtbank sei?

Mercier.
Nicht wahr, Lacroix, die Gleichheit schwingt ihre Sichel uber allen
Hauptern, die Lava der Revolution fließt, die Guillotine
republikanisiert! Da klatschen die Galerien, und die Romer reiben sich
die Hande; aber sie horen nicht, daß jedes dieser Worte das Rocheln
eines Opfers ist. Geht einmal euren Phrasen nach bis zu dem Punkt, wo
sie verkorpert werden. - Blickt um euch, das alles habt ihr
gesprochen; es ist eine mimische Ubersetzung eurer Worte. Diese
Elenden, ihre Henker und die Guillotine sind eure lebendig gewordnen
Reden. Ihr bautet eure Systeme, wie Bajazet seine Pyramiden, aus
Menschenkopfen.

Danton.
Du hast recht - man arbeitet heutzutag alles in Menschenfleisch. Das
ist der Fluch unserer Zeit. Mein Leib wird jetzt auch verbraucht.

Es ist grade ein Jahr, daß ich das Revolutionstribunal schuf. Ich
bitte Gott und Menschen dafur um Verzeihung; ich wollte neuen
Septembermorden zuvorkommen, ich hoffte die Unschuldigen zu retten,
aber dies langsame Morden mit seinen Formalitaten ist graßlicher und
ebenso unvermeidlich. Meine Herren, ich hoffte, Sie alle diesen Ort
verlassen zu machen.

Mercier.
Oh, herausgehen werden wir.

Danton.
Ich bin jetzt bei Ihnen; der Himmel weiß, wie das enden soll.



Vierte Szene

Das Revolutionstribunal

Herman (zu Danton).
Ihr Name, Burger.

Danton.
Die Revolution nennt meinen Namen. Meine Wohnung ist bald im Nichts
und mein Name im Pantheon der Geschichte.

Herman.
Danton, der Konvent beschuldigt Sie, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit
Orleans, mit den Girondisten, den Fremden und der Faktion Ludwigs des
XVII. konspiriert zu haben.

Danton.
Meine Stimme, die ich so oft fur die Sache des Volkes ertonen ließ,
wird ohne Muhe die Verleumdung zuruckweisen. Die Elenden, welche mich
anklagen, mogen hier erscheinen, und ich werde sie mit Schande
bedecken. Die Ausschusse mogen sich hierher begeben, ich werde nur vor
ihnen antworten. Ich habe sie als Klager und als Zeugen notig. Sie
mogen sich zeigen.

Ubrigens, was liegt mir an euch und eurem Urteil? Ich hab es euch
schon gesagt: das Nichts wird bald mein Asyl sein; - das Leben ist mir
zur Last, man mag mir es entreißen, ich sehne mich danach, es
abzuschutteln.

Herman.
Danton, die Kuhnheit ist dem Verbrecher, die Ruhe der Unschuld eigen.

Danton.
Privatkuhnheit ist ohne Zweifel zu tadeln, aber jene Nationalkuhnheit,
die ich so oft gezeigt, mit welcher ich so oft fur die Freiheit
gekampft habe, ist die verdienstvollste aller Tugenden. - Sie ist
meine Kuhnheit, sie ist es, der ich mich hier zum Besten der Republik
gegen meine erbarmlichen Anklager bediene. Kann ich mich fassen, wenn
ich mich auf eine so niedrige Weise verleumdet sehe? - Von einem
Revolutionar wie ich darf man keine kalte Verteidigung erwarten.
Manner meines Schlages sind in Revolutionen unschatzbar, auf ihrer
Stirne schwebt das Genie der Freiheit. (Zeichen von Beifall unter den
Zuhorern.)

Mich klagt man an, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit Orleans
konspiriert, zu den Fußen elender Despoten gekrochen zu haben; mich
fordert man auf, vor der unentrinnbaren, unbeugsamen Gerechtigkeit zu
antworten. - Du elender St. Just wirst der Nachwelt fur diese
Lasterung verantwortlich sein!

Herman.
Ich fordere Sie auf, mit Ruhe zu antworten; gedenken Sie Marats, er
trat mit Ehrfurcht vor seine Richter.

Danton.
Sie haben die Hande an mein ganzes Leben gelegt, so mag es sich denn
aufrichten und ihnen entgegentreten; unter dem Gewichte jeder meiner
Handlungen werde ich sie begraben. - Ich bin nicht stolz darauf. Das
Schicksal fuhrt uns den Arm, aber nur gewaltige Naturen sind seine
Organe.

Ich habe auf dem Marsfelde dem Konigtume den Krieg erklart, ich habe
es am 10. August geschlagen, ich habe es am 21. Januar getotet und den
Konigen einen Konigskopf als Fehdehandschuh hingeworfen. (Wiederholte
Zeichen von Beifall. - Er nimmt die Anklageakte.) Wenn ich einen Blick
auf diese Schandschrift werfe, fuhle ich mein ganzes Wesen beben. Wer
sind denn die, welche Danton notigen mußten, sich an jenem
denkwurdigen Tage (dem 10. August) zu zeigen? Wer sind denn die
privilegierten Wesen, von denen er seine Energie borgte? - Meine
Anklager mogen erscheinen! Ich bin ganz bei Sinnen, wenn ich es
verlange. Ich werde die platten Schurken entlarven und sie in das
Nichts zuruckschleudern, aus dem sie nie hatten hervorkriechen
sollen.

Herman (schellt).
Horen Sie die Klingel nicht?

Danton.
Die Stimme eines Menschen, welcher seine Ehre und sein Leben
verteidigt, muß deine Schelle uberschreien.

Ich habe im September die junge Brut der Revolution mit den
zerstuckten Leibern der Aristokraten geatzt. Meine Stimme hat aus dem
Golde der Aristokraten und Reichen dem Volke Waffen geschmiedet. Meine
Stimme war der Orkan, welcher die Satelliten des Despotismus unter
Wogen von Bajonetten begrub. (Lauter Beifall.)

Herman.
Danton, Ihre Stimme ist erschopft, Sie sind zu heftig bewegt. Sie
werden das nachste Mal Ihre Verteidigung beschließen, Sie haben Ruhe
notig. - Die Sitzung ist aufgehoben.

Danton.
Jetzt kennt Ihr Danton - noch wenige Stunden, und er wird in den Armen
des Ruhmes entschlummern.



Funfte Szene

Das Luxembourg. Ein Kerker

Dillon. Laflotte. Ein Gefangenwarter.

Dillon.
Kerl, leuchte mir mit deiner Nase nicht so ins Gesicht. Ha, ha, ha!

Laflotte.
Halte den Mund zu, deine Mondsichel hat einen Hof. Ha, ha, ha!

Warter.
Ha, ha, ha! Glaubt Ihr, Herr, daß Ihr bei ihrem Schein lesen konntet?
(Zeigt auf einen Zettel, den er in der Hand halt.)

Dillon.
Gib her!

Warter.
Herr, meine Mondsichel hat Ebbe bei mir gemacht.

Laflotte.
Deine Hosen sehen aus, als ob Flut ware.

Warter.
Nein, sie zieht Wasser. (Zu Dillon:) Sie hat sich vor Eurer Sonne
verkrochen, Herr; Ihr mußt mir was geben, das sie wieder feurig macht,
wenn Ihr dabei lesen wollt.

Dillon.
Da, Kerl! Pack dich! (Er gibt ihm Geld. Warter ab. - Dillon liest:)
Danton hat das Tribunal erschreckt, die Geschwornen schwankten, die
Zuhorer murrten. Der Zudrang war außerordentlich. Das Volk drangte
sich um den Justizpalast und stand bis zu den Brucken. Eine Handvoll
Geld, ein Arm endlich - hin! hin! (Er geht auf und ab und schenkt sich
von Zeit zu Zeit aus einer Flasche ein.) Hatt' ich nur den Fuß auf der
Gasse! Ich werde mich nicht so schlachten lassen. Ja, nur den Fuß auf
der Gasse!

Laflotte.
Und auf dem Karren, das ist eins.

Dillon.
Meinst du? Da lagen noch ein paar Schritte dazwischen, lange genug, um
sie mit den Leichen der Dezemvirn zu messen. - Es ist endlich Zeit,
daß die rechtschaffnen Leute das Haupt erheben.

Laflotte (fur sich).
Desto besser, um so leichter ist es zu treffen. Nur zu, Alter; noch
einige Glaser, und ich werde flott.

Dillon.
Die Schurken, die Narren, sie werden sich zuletzt noch selbst
guillotinieren. (Er lauft auf und ab.)

Laflotte (beiseite).
Man konnte das Leben ordentlich wieder liebhaben, wie sein Kind, wenn
man sich's selbst gegeben. Das kommt gerade nicht oft vor, daß man so
mit dem Zufall Blutschande treiben und sein eigner Vater werden kann.
Vater und Kind zugleich. Ein behaglicher Odipus!

Dillon.
Man futtert das Volk nicht mit Leichen; Dantons und Camilles Weiber
mogen Assignaten unter das Volk werfen, das ist besser als Kopfe.

Laflotte (beiseite).
Ich wurde mir hintennach die Augen nicht ausreißen; ich konnte sie
notig haben, um den guten General zu beweinen.

Dillon.
Die Hand an Danton! Wer ist noch sicher? Die Furcht wird sie
vereinigen.

Laflotte (beiseite).
Er ist doch verloren. Was ist's denn, wenn ich auf eine Leiche trete,
um aus dem Grab zu klettern?

Dillon.
Nur den Fuß auf der Gasse! Ich werde Leute genug finden, alte
Soldaten, Girondisten, Exadlige; wir erbrechen die Gefangnisse, wir
mussen uns mit den Gefangnen verstandigen.

Laflotte (beiseite).
Nun freilich, es riecht ein wenig nach Schufterei. Was tut's? Ich
hatte Lust, auch das zu versuchen; ich war bisher zu einseitig. Man
bekommt Gewissensbisse, das ist doch eine Abwechslung; es ist nicht so
unangenehm, seinen eignen Gestank zu riechen. - Die Aussicht auf die
Guillotine ist mir langweilig geworden; so lang auf die Sache zu
warten! Ich habe sie im Geist schon zwanzigmal durchprobiert. Es ist
auch gar nichts Pikantes mehr dran; es ist ganz gemein geworden.

Dillon.
Man muß Dantons Frau ein Billett zukommen lassen.

Laflotte (beiseite).
Und dann - ich furchte den Tod nicht, aber den Schmerz. Es konnte wehe
tun, wer steht mir dafur? Man sagt zwar, es sei nur ein Augenblick;
aber der Schmerz hat ein feineres Zeitmaß, er zerlegt eine Tertie.
Nein! Der Schmerz ist die einzige Sunde, und das Leiden ist das
einzige Laster; ich werde tugendhaft bleiben.

Dillon.
Hore, Laflotte, wo ist der Kerl hingekommen? Ich habe Geld, das muß
gehen. Wir mussen das Eisen schmieden; mein Plan ist fertig.

Laflotte.
Gleich, gleich! Ich kenne den Schließer, ich werde mit ihm sprechen.
Du kannst auf mich zahlen, General, wir werden aus dem Loch kommen -
(fur sich im Hinausgehn:) um in ein anderes zu gehen: ich in das
weiteste, die Welt, er in das engste, das Grab.



Sechste Szene

Der Wohlfahrtsausschuß

St. Just. Barere. Collot d'Herbois. Billaud-Varennes.

Barere.
Was schreibt Fouquier?

St. Just.
Das zweite Verhor ist vorbei. Die Gefangnen verlangen das Erscheinen
mehrerer Mitglieder des Konvents und des Wohlfahrtsausschusses; sie
appellierten an das Volk, wegen Verweigerung der Zeugen. Die Bewegung
der Gemuter soll unbeschreiblich sein. - Danton parodierte den Jupiter
und schuttelte die Locken.

Collot.
Um so leichter wird ihn Samson daran packen.

Barere.
Wir durfen uns nicht zeigen, die Fischweiber und die Lumpensammler
konnten uns weniger imposant finden.

Billaud.
Das Volk hat einen Instinkt, sich treten zu lassen, und ware es nur
mit Blicken; dergleichen insolente Physiognomien gefallen ihm. Solche
Stirnen sind arger als ein adliges Wappen, der feine Aristokratismus
der Menschenverachtung sitzt auf ihnen. Es sollte sie jeder
einschlagen helfen, den es verdrießt, einen Blick von oben herunter zu
erhalten.

Barere.
Er ist wie der hornerne Siegfried, das Blut der Septembrisierten hat
ihn unverwundbar gemacht. Was sagt Robespierre?

St. Just.
Er tut, als ob er etwas zu sagen hatte. Die Geschwornen mussen sich
fur hinlanglich unterrichtet erklaren und die Debatten schließen.

Barere.
Unmoglich, das geht nicht.

St. Just.
Sie mussen weg, um jeden Preis, und sollten wir sie mit den eignen
Handen erwurgen. Wagt! Danton soll uns das Wort nicht umsonst gelehrt
haben. Die Revolution wird uber ihre Leichen nicht stolpern; aber
bleibt Danton am Leben, so wird er sie am Gewand fassen, und er hat
etwas in seiner Gestalt, als ob er die Freiheit notzuchtigen konnte.
(St. Just wird hinausgerufen.)

(Ein Schließer tritt ein.)

Schließer.
In St. Pelagie liegen Gefangne am Sterben, sie verlangen einen Arzt.

Billaud.
Das ist unnotig, so viel Muhe weniger fur den Scharfrichter.

Schließer.
Es sind schwangere Weiber dabei.

Billaud.
Desto besser, da brauchen ihre Kinder keinen Sarg.

Barere.
Die Schwindsucht eines Aristokraten spart dem Revolutionstribunal eine
Sitzung. Jede Arznei ware contrerevolutionar.

Collot (nimmt ein Papier).
Eine Bittschrift, ein Weibername!

Barere.
Wohl eine von denen, die gezwungen sein mochten, zwischen einem
Guillotinenbrett und dem Bett eines Jakobiners zu wahlen. Die wie
Lukretia nach dem Verlust ihrer Ehre sterben, aber etwas spater als
die Romerin: im Kindbett oder am Krebs oder aus Altersschwache. - Es
mag nicht so unangenehm sein, einen Tarquinius aus der Tugendrepublik
einer Jungfrau zu treiben.

Collot.
Sie ist zu alt. Madame verlangt den Tod, sie weiß sich auszudrucken:
das Gefangnis liege auf ihr wie ein Sargdeckel; sie sitzt erst seit
vier Wochen. Die Antwort ist leicht. (Er schreibt und liest:)
≫Burgerin, es ist noch nicht lange genug, daß du den Tod wunschest.≪
(Schließer ab.)

Barere.
Gut gesagt! Aber, Collot, es ist nicht gut, daß die Guillotine zu
lachen anfangt; die Leute haben sonst keine Furcht mehr davor; man muß
sich nicht so familiar machen.

(St. Just kommt zuruck.)

St. Just.
Eben erhalte ich eine Denunziation. Man konspiriert in den
Gefangnissen; ein junger Mensch namens Laflotte hat alles entdeckt. Er
saß mit Dillon im namlichen Zimmer, Dillon hat getrunken und
geplaudert.

Barere.
Er schneidet sich mit seiner Bouteille den Hals ab; das ist schon mehr
vorgekommen.

St. Just.
Dantons und Camilles Weiber sollen Geld unter das Volk werfen, Dillon
soll ausbrechen, man will die Gefangnen befreien, der Konvent soll
gesprengt werden.

Barere.
Das sind Marchen.

St. Just.
Wir werden sie aber mit dem Marchen in Schlaf erzahlen. Die Anzeige
habe ich in Handen; dazu die Keckheit der Angeklagten, das Murren des
Volks, die Besturzung der Geschwornen - ich werde einen Bericht
machen.

Barere.
Ja, geh, St. Just, und spinne deine Perioden, worin jedes Komma ein
Sabelhieb und jeder Punkt ein abgeschlagner Kopf ist!

St. Just.
Der Konvent muß dekretieren, das Tribunal solle ohne Unterbrechung den
Prozeß fortfuhren und durfe jeden Angeklagten, welcher die dem
Gerichte schuldige Achtung verletzte oder storende Auftritte
veranlaßte, von den Debatten ausschließen.

Barere.
Du hast einen revolutionaren Instinkt; das lautet ganz gemaßigt und
wird doch seine Wirkung tun. Sie konnen nicht schweigen, Danton muß
schreien.

St. Just.
Ich zahle auf eure Unterstutzung. Es gibt Leute im Konvent, die ebenso
krank sind wie Danton und welche die namliche Kur furchten. Sie haben
wieder Mut bekommen, sie werden uber Verletzung der Formen
schreien...

Barere(ihn unterbrechend)
Ich werde ihnen sagen: Zu Rom wurde der Konsul, welcher die
Verschworung des Katilina entdeckte und die Verbrecher auf der Stelle
mit dem Tod bestrafte, der verletzten Formlichkeit angeklagt. Wer
waren seine Anklager?

Collot (mit Pathos).
Geh, St. Just! Die Lava der Revolution fließt. Die Freiheit wird die
Schwachlinge, welche ihren machtigen Schoß befruchten wollten, in
ihren Umarmungen ersticken; die Majestat des Volks wird ihnen wie
Jupiter der Semele unter Donner und Blitz erscheinen und sie in Asche
verwandeln. Geh, St. Just, wir werden dir helfen, den Donnerkeil auf
die Haupter der Feiglinge zu schleudern! (St. Just ab.)

Barere.
Hast du das Wort Kur gehort? Sie werden noch aus der Guillotine ein
Spezifikum gegen die Lustseuche machen. Sie kampfen nicht mit den
Moderierten, sie kampfen mit dem Laster.

Billaud.
Bis jetzt geht unser Weg zusammen.

Barere.
Robespierre will aus der Revolution einen Horsaal fur Moral machen und
die Guillotine als Katheder gebrauchen.

Billaud.
Oder als Betschemel.

Collot.
Auf dem er aber alsdann nicht stehen, sondern liegen soll.

Barere.
Das wird leicht gehen. Die Welt mußte auf dem Kopf stehen, wenn die
sogenannten Spitzbuben von den sogenannten rechtlichen Leuten gehangt
werden sollten.

Collot(zu Barere).
Wann kommst du wieder nach Clichy?

Barere.
Wenn der Arzt nicht mehr zu mir kommt.

Collot.
Nicht wahr, uber dem Ort steht ein Haarstern, unter dessen
versengenden Strahlen dein Ruckenmark ganz ausgedorrt
wird?

Billaud.
Nachstens werden die niedlichen Finger der reizenden Demaly es ihm aus
dem Futterale ziehen und es als Zopfchen uber den Rucken
hinunterhangen machen.

Barere (zuckt die Achseln).
Pst! davon darf der Tugendhafte nichts wissen.

Billaud.
Er ist ein impotenter Masoret. (Billaud und Collot ab.)

Barere (allein).
Die Ungeheuer! - ≫Es ist noch nicht lange genug, daß du den Tod
wunschest!≪ Diese Worte hatten die Zunge mussen verdorren machen, die
sie gesprochen.

Und ich? - Als die Septembriseurs in die Gefangnisse drangen, faßt ein
Gefangner sein Messer, er drangt sich unter die Morder, er stoßt es in
die Brust eines Priesters, er ist gerettet! Wer kann was dawider
haben? Ob ich mich nun unter die Morder drange oder mich in den
Wohlfahrtsausschuß setze, ob ich ein Guillotinen- oder ein
Taschenmesser nehme? Es ist der namliche Fall, nur mit etwas
verwickelteren Umstanden; die Grundverhaltnisse sind sich gleich. -
Und durft' er einen morden: durft' er auch zwei, auch drei, auch noch
mehr? wo hort das auf? Da kommen die Gerstenkorner! Machen zwei einen
Haufen, drei, vier, wieviel dann? Komm, mein Gewissen, komm, mein
Huhnchen, komm, bi, bi, bi, da ist Futter!

Doch - war ich auch Gefangner? Verdachtig war ich, das lauft auf eins
hinaus; der Tod war mir gewiß. (Ab.)



Siebente Szene

Die Conciergerie

Lacroix. Danton. Philippeau. Camille.

Lacroix.
Du hast gut geschrien, Danton; hattest du dich etwas fruher so um dein
Leben gequalt, es ware jetzt anders. Nicht wahr, wenn der Tod einem so
unverschamt nahe kommt und so aus dem Hals stinkt und immer
zudringlicher wird?

Camille.
Wenn er einen noch notzuchtigte und seinen Raub unter Ringen und Kampf
aus den heißen Gliedern riß! Aber so in allen Formalitaten wie bei der
Hochzeit mit einem alten Weibe, wie die Pakten aufgesetzt, wie die
Zeugen gerufen, wie das Amen gesagt und wie dann die Bettdecke gehoben
wird und es langsam hereinkriecht mit seinen kalten Gliedern!

Danton.
War' es ein Kampf, daß die Arme und Zahne einander packten! Aber es
ist mir, als ware ich in ein Muhlwerk gefallen, und die Glieder wurden
mir langsam systematisch von der kalten physischen Gewalt abgedreht.
So mechanisch getotet zu werden!

Camille.
Und dann daliegen allein, kalt, steif in dem feuchten Dunst der
Faulnis - vielleicht, daß einem der Tod das Leben langsam aus den
Fibern martert - mit Bewußtsein vielleicht sich wegzufaulen!

Philippeau.
Seid ruhig, meine Freunde! Wir sind wie die Herbstzeitlose, welche
erst nach dem Winter Samen tragt. Von Blumen, die versetzt werden,
unterscheiden wir uns nur dadurch, daß wir uber dem Versuch ein wenig
stinken. Ist das so arg?

Danton.
Eine erbauliche Aussicht! Von einem Misthaufen auf den andern! Nicht
wahr, die gottliche Klassentheorie? Von Prima nach Sekunda, von
Sekunda nach Tertia und so weiter? Ich habe die Schulbanke satt, ich
habe mir Gesaßschwielen wie ein Affe darauf gesessen.

Philippeau.
Was willst du denn?

Danton.
Ruhe.

Philippeau.
Die ist in Gott.

Danton.
Im Nichts. Versenke dich in was Ruhigers als das Nichts, und wenn die
hochste Ruhe Gott ist, ist nicht das Nichts Gott? Aber ich bin ein
Atheist. Der verfluchte Satz: Etwas kann nicht zu nichts werden! Und
ich bin etwas, das ist der Jammer! - Die Schopfung hat sich so breit
gemacht, da ist nichts leer, alles voll Gewimmels. Das Nichts hat sich
ermordet, die Schopfung ist seine Wunde, wir sind seine Blutstropfen,
die Welt ist das Grab, worin es fault. - Das lautet verruckt, es ist
aber doch was Wahres daran.

Camille.
Die Welt ist der Ewige Jude, das Nichts ist der Tod, aber er ist
unmoglich. Oh, nicht sterben konnen, nicht sterben konnen! wie es im
Lied heißt.

Danton.
Wir sind alle lebendig begraben und wie Konige in drei- oder
vierfachen Sargen beigesetzt, unter dem Himmel, in unsern Hausern, in
unsern Rocken und Hemden. - Wir kratzen funfzig Jahre lang am
Sargdeckel. Ja, wer an Vernichtung glauben konnte! dem ware geholfen.
- Da ist keine Hoffnung im Tod; er ist nur eine einfachere, das Leben
eine verwickeltere, organisiertere Faulnis, das ist der ganze
Unterschied! - Aber ich bin gerad einmal an diese Art des Faulens
gewohnt; der Teufel weiß, wie ich mit einer andern zurechtkomme. O
Julie! Wenn ich allein ginge! Wenn sie mich einsam ließe! - Und wenn
ich ganz zerfiele, mich ganz aufloste: ich ware eine Handvoll
gemarterten Staubes, jedes meiner Atome konnte nur Ruhe finden bei
ihr. - Ich kann nicht sterben, nein, ich kann nicht sterben. Wir sind
noch nicht geschlagen. Wir mussen schreien; sie mussen mir jeden
Lebenstropfen aus den Gliedern reißen.

Lacroix.
Wir mussen auf unsrer Forderung bestehen; unsre Anklager und die
Ausschusse mussen vor dem Tribunal erscheinen.



Achte Szene

Ein Zimmer

Fouquier. Amar. Vouland.

Fouquier.
Ich weiß nicht mehr, was ich antworten soll; sie fordern eine
Kommission.

Amar.
Wir haben die Schurken: da hast du, was du verlangst. (Er uberreicht
Fouquier ein Papier.)

Vouland.
Das wird sie zufriedenstellen.

Fouquier.
Wahrhaftig, das hatten wir notig.

Amar.
Nun mache, daß wir und sie die Sache vom Hals bekommen.



Neunte Szene

Das Revolutionstribunal

Danton.
Die Republik ist in Gefahr, und er hat keine Instruktion! Wir
appellieren an das Volk; meine Stimme ist noch stark genug, um den
Dezemvirn die Leichenrede zu halten. - Ich wiederhole es, wir
verlangen eine Kommission; wir haben wichtige Entdeckungen zu machen.
Ich werde mich in die Zitadelle der Vernunft zuruckziehen, ich werde
mit der Kanone der Wahrheit hervorbrechen und meine Feinde zermalmen.
(Zeichen des Beifalls.)

(Fouquier, Amar und Vouland treten ein.)

Fouquier.
Ruhe im Namen der Republik, Achtung dem Gesetz! Der Konvent
beschließt:

In Betracht, daß in den Gefangnissen sich Spuren von Meutereien
zeigen, in Betracht, daß Dantons und Camilles Weiber Geld unter das
Volk werfen und daß der General Dillon ausbrechen und sich an die
Spitze der Emporer stellen soll, um die Angeklagten zu befreien, in
Betracht endlich, daß diese selbst unruhige Auftritte herbeizufuhren
sich bemuht und das Tribunal zu beleidigen versucht haben, wird das
Tribunal ermachtigt, die Untersuchung ohne Unterbrechung fortzusetzen
und jeden Angeklagten, der die dem Gesetze schuldige Ehrfurcht außer
Augen setzen sollte, von den Debatten auszuschließen.

Danton.
Ich frage die Anwesenden, ob wir dem Tribunal, dem Volke oder dem
Nationalkonvent Hohn gesprochen haben?

Viele Stimmen.
Nein! Nein!

Camille.
Die Elenden, sie wollen meine Lucile morden!

Danton.
Eines Tages wird man die Wahrheit erkennen. Ich sehe großes Ungluck
uber Frankreich hereinbrechen. Das ist die Diktatur; sie hat ihren
Schleier zerrissen, sie tragt die Stirne hoch, sie schreitet uber
unsere Leichen. (Auf Amar und Vouland deutend:) Seht da die feigen
Morder, seht da die Raben des Wohlfahrtsausschusses!

Ich klage Robespierre, St. Just und ihre Henker des Hochverrats an. -
Sie wollen die Republik im Blut ersticken. Die Gleise der
Guillotinenkarren sind die Heerstraßen, auf welchen die Fremden in das
Herz des Vaterlandes dringen sollen.

Wie lange sollen die Fußstapfen der Freiheit Graber sein? - Ihr wollt
Brot, und sie werfen euch Kopfe hin! Ihr durstet, und sie machen euch
das Blut von den Stufen der Guillotine lecken! (Heftige Bewegung unter
den Zuhorern, Geschrei des Beifalls.)

Viele Stimmen.
Es lebe Danton, nieder mit den Dezemvirn! (Die Gefangnen werden mit
Gewalt hinausgefuhrt.)



Zehnte Szene

Platz vor dem Justizpalast

Ein Volkshaufe.

Einige Stimmen.
Nieder mit den Dezemvirn! Es lebe Danton!

Erster Burger.
Ja, das ist wahr, Kopfe statt Brot, Blut statt Wein!

Einige Weiber.
Die Guillotine ist eine schlechte Muhle und Samson ein schlechter
Backerknecht; wir wollen Brot, Brot!

Zweiter Burger.
Euer Brot, das hat Danton gefressen. Sein Kopf wird euch allen wieder
Brot geben, er hatte recht.

Erster Burger.
Danton war unter uns am 10. August, Danton war unter uns im September.
Wo waren die Leute, welche ihn angeklagt haben?

Zweiter Burger.
Und Lafayette war mit euch in Versailles und war doch ein Verrater.

Erster Burger.
Wer sagt, daß Danton ein Verrater sei?

Zweiter Burger.
Robespierre.

Erster Burger.
Und Robespierre ist ein Verrater!

Zweiter Burger.
Wer sagt das?

Erster Burger.
Danton.

Zweiter Burger.
Danton hat schone Kleider, Danton hat ein schones Haus, Danton hat
eine schone Frau, er badet sich in Burgunder, ißt das Wildbret von
silbernen Tellern und schlaft bei euren Weibern und Tochtern, wenn er
betrunken ist. - Danton war arm wie ihr. Woher hat er das alles? Das
Veto hat es ihm gekauft, damit er ihm die Krone rette. Der Herzog von
Orleans hat es ihm geschenkt, damit er ihm die Krone stehle. Der
Fremde hat es ihm gegeben, damit er euch alle verrate. - Was hat
Robespierre? Der tugendhafte Robespierre! Ihr kennt ihn alle.

Alle.
Es lebe Robespierre! Nieder mit Danton! Nieder mit dem Verrater!




Vierter Akt

Erste Szene

Ein Zimmer

Julie. Ein Knabe.

Julie.
Es ist aus. Sie zitterten vor ihm. Sie toten ihn aus Furcht. Geh! ich
habe ihn zum letzten Mal gesehen; sag ihm, ich konne ihn nicht so
sehen. (Sie gibt ihm eine Locke.) Da, bring ihm das und sag ihm, er
wurde nicht allein gehn - er versteht mich schon. Und dann schnell
zuruck, ich will seine Blicke aus deinen Augen lesen.



Zweite Szene

Eine Straße

Dumas. Ein Burger.

Burger.
Wie kann man nach einem solchen Verhor soviel Unschuldige zum Tod
verurteilen?

Dumas.
Das ist in der Tat außerordentlich; aber die Revolutionsmanner haben
einen Sinn, der andern Menschen fehlt, und dieser Sinn trugt sie
nie.

Burger.
Das ist der Sinn des Tigers. - Du hast ein Weib.

Dumas.
Ich werde bald eins gehabt haben.

Burger.
So ist es denn wahr?

Dumas.
Das Revolutionstribunal wird unsere Ehescheidung aussprechen; die
Guillotine wird uns von Tisch und Bett trennen.

Burger.
Du bist ein Ungeheuer!

Dumas.
Schwachkopf! Du bewunderst Brutus?

Burger.
Von ganzer Seele.

Dumas.
Muß man denn gerade romischer Konsul sein und sein Haupt mit der Toga
verhullen konnen, um sein Liebstes dem Vaterlande zu opfern? Ich werde
mir die Augen mit dem Armel meines roten Fracks abwischen; das ist der
ganze Unterschied.

Burger.
Das ist entsetzlich!

Dumas.
Geh, du begreifst mich nicht! (Sie gehen ab.)



Dritte Szene

Die Conciergerie

Lacroix, Herault auf einem Bett, Danton, Camille auf einem andern.

Lacroix.
Die Haare wachsen einem so und die Nagel, man muß sich wirklich
schamen.

Herault.
Nehmen Sie sich ein wenig in acht, Sie niesen mir das ganze Gesicht
voll Sand!

Lacroix.
Und treten Sie mir nicht so auf die Fuße, Bester, ich habe
Huhneraugen!

Herault.
Sie leiden noch an Ungeziefer.

Lacroix.
Ach, wenn ich nur einmal die Wurmer ganz los ware!

Herault.
Nun, schlafen Sie wohl! wir mussen sehen, wie wir miteinander
zurechtkommen, wir haben wenig Raum. - Kratzen Sie mich nicht mit
Ihren Nageln im Schlaf! - So! Zerren Sie nicht so am Leichtuch, es ist
kalt da unten! -

Danton.
Ja, Camille, morgen sind wir durchgelaufne Schuhe, die man der
Bettlerin Erde in den Schoß wirft.

Camille.
Das Rindsleder, woraus nach Platon die Engel sich Pantoffeln
geschnitten und damit auf der Erde herumtappen. Es geht aber auch
danach. - Meine Lucile!

Danton.
Sei ruhig, mein Junge!

Camille.
Kann ich's? Glaubst du, Danton? Kann ich's? Sie konnen die Hande nicht
an sie legen! Das Licht der Schonheit, das von ihrem sußen Leib sich
ausgießt, ist unloschbar. Sieh, die Erde wurde nicht wagen, sie zu
verschutten; sie wurde sich um sie wolben, der Grabdunst wurde wie Tau
an ihren Wimpern funkeln, Kristalle wurden wie Blumen um ihre Glieder
sprießen und helle Quellen in Schlaf sie murmeln.
Danton.
Schlafe, mein Junge, schlafe!

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