Versuch einer Ethnographie der Philippinen, by Ferdinand Blumentritt
INHALT.
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Einleitung 1
I. Negritos 3
II. Malaien 9
1. Tagalen 9 2. Pampangos 20 3. Zambalen (Zambales) 20 4. Pangasinanen (Pangasinanes) 21 5. Ilocanen (Ilocanos) 22 6. Ibanags oder Cagayanen (Cagayanes) 23 7. Igorroten (Igorrotes) mit Buriks und Busaos 24 8. Altasanen (Altasanes) und Ilamuts 32 9. Bujuanos 32 10. Panuipuyes 32 11. Isinays 32 12. Abacas 32 13. Italonen (Italones) 32 14. Ibilaos 33 15. Ilongoten (Ilongotes) 33 16. Mayoyaos nebst Quianganen, Pungianen und Silipanen 33 17. Ifugaos 34 18. Gaddanen (Gaddanes) 34 19. Itetapanen (Itetapanes) 35 20. Guinanen (Guinanes) 35 21. Calauas oder Itaves 35 22. Gamunangen und Bayabonanen 36 23. Dadayags 36 24. Nabayuganen (Nabayuganes) 36 25. Aripas 36 26. Calingas 36 27. Tinguianen (Tinguianes) 36 28. Adangs 38 29. Apayaos 39 30. Catalanganen 39 31. Irayas 41 32. Catubanganen (Catubanganes) 42 33. Vicols 42 34. Manguianen (Manguianes) 45 35. Mundos 45 36. Carolanen (Carolanos) 46 37. Visayer (Visayas) 46 38. Manobos 48 39. Mamanuas 49 40. Tagbalays 49 41. Bagobos 50 42. Guiangas 50 43. Vilanen (Vilanes) 50 44. Tagacaolos 50 45. Sanguils 50 46. Mandayas 50 47. Subanos 50 48. Manguangas 51 49. Sameacas 51 50. Guimbas 51 51. Die Piratenstamme von Mindanao und Sulu 51
III. Chinesen, chinesische Mestizen und Japanen 55
1. Chinesen 55 2. Chinesische Mestizen 57 3. Japanen 58
IV. Weisse und andere Bevolkerungsbestandtheile 58
1. Weisse und deren Mischlinge 58 2. Sonstige Bevolkerungsbestandtheile 59
Anhang. Die maritimen Entdeckungen der Spanier im Archipel der Philippinen 59
Alphabetisches Register der Citat-Abkurzungen 69
KARTEN:
Tafel: Karte der Philippinen zur Darstellung der Ethnographischen Verhaltnisse, der administrativen Eintheilung und der gegenwartigen geographischen Kenntniss. Maassstab 1:3 000 000.
Nebenkarte: Skizze zur Entdeckungsgeschichte der Philippinen. Maassstab 1:10 000 000.
Den Herren
Dr. A. B. Meyer und Dr. F. Jagor
hochachtungsvoll gewidmet vom Verfasser.
EINLEITUNG.
Die Urbevolkerung der Philippinen bilden die Negritos, welche jetzt nur noch in geringer Individuenzahl uber den ganzen Archipel zerstreut sind. Die einwandernden Malaien verjagten die ehemaligen Herren in die unzuganglichen Bergwildnisse der Binnenlandschaften, nur der nordlichste Strich der Ostkuste Luzons blieb von der malaiischen Invasion verschont, dort blieben die Negritos im Besitze der Meeresgestade. Die ersten eindringenden Malaien besetzten die Kusten und vermischten sich mit den Negritos zum Theile, indem sie die Weiber der von ihnen Besiegten und Erschlagenen in ihre Hutten aufnahmen. Wenn wir Luzon in Betracht ziehen -- uber die anderen Inseln liegt zu durftiges Material vor --, so konnen als die Nachkommen der ersten malaiischen Einwanderer jene Stamme gelten, welche heute im Innern der grossen Insel wohnen, einst aber die Bewohner der Kusten waren, wahrend die von ihnen gegenwartig besiedelten Landstriche von Negritos noch eingenommen wurden. Von den meisten dieser Stamme wird oder wurde die Kopfjagerei geubt, wie von den Igorroten, Apayos, Zambalen, Abacas, Isinays, Italonen, Ibilaos, Ilongoten, Ifugaos, Mayoyaos, Guinanen und Calingas, diess ist constatirt; dieselbe Sitte scheint auch bei den Adangs, Gaddanen, Itetapanen, Aripas, Dadayags &c. ausgeubt zu werden oder wurde es in vergangener Zeit, nur von den Bergstammen der Tinguianen, Catalanganen und Irayas wissen wir bestimmt, dass sie keine Kopfjager sind. Auch in ihren sonstigen Sitten haben diese Kopfjagerstamme viele Anklange an die Dayaks von Borneo aufzuweisen. Fur Mindanao nennen wir als Reprasentanten dieser Kopfjager den Bergstamm der Manobos. Dass diese Stamme in einer Zeit eingewandert sein mussen, wo die Negritos viel zahlreicher waren als heute, darauf weist der Habitus so mancher derselben hin, in welchem sich eine sehr starke Dosis von Negritoblut deutlich offenbart, obwohl manche dieser Stamme in Gegenden wohnen, wo heute kein Negrito mehr existirt oder doch in so geringer Individuenzahl, dass eine Beimischung in moderner Zeit nicht im Stande gewesen ware, den Typus des gesammten Stammes wesentlich und dauernd zu differiren. Diese Bergstamme waren also die Reprasentanten der ersten Periode der Malaieninvasion, und man wurde nicht fehlgehen, wenn man die im Centrum Nord-Luzons wohnenden Volker als die Nachkommen der ersten Einwanderer betrachtete, so dass die heute in den Provinzen Nueva Vizcaya, Bontok und Isabela sesshaften Stamme zu denselben gerechnet werden mussten. Die Igorroten, Tinguianen, Apayos &c. sind demnach in einem spateren Zeitabschnitt auf Luzon angelangt, der aber noch in die erste Periode der malaiischen Invasion fallt. In diese zweite Halfte der ersten Periode ware jene Beimischung von chinesischem und japanesischem Blute zu verlegen, welche nach Semper u. A. die Igorroten, Tinguianen und Catalanganen in ihren Gesichtszugen documentiren. Spater kann sie namlich nicht erfolgt sein, da dann diese Stamme durch andere Malaien -- mit Ausnahme der Zambalen -- vom Meere getrennt wurden, und diese letzteren zwar mit Chinesen und Japanesen in Handelsbeziehungen traten, aber diese Beruhrung wurde durch eine geringe Individuenzahl jener beiden Mongolenstamme vermittelt, so dass sie nicht im Stande war, den Rassentypus zu verandern oder zu differiren.
Dann kam die zweite Periode der malaiischen Invasion, welche jene Stamme nach den Philippinen brachte, welche bei der Ankunft der Spanier bereits im Besitze beinahe aller Kustenstriche des Archipels waren und einen etwas hoheren Grad der Civilisation und mildere Sitten aufzuweisen hatten, als die Malaien der ersten Invasionsperiode. Diese Einwanderer (Tagalen, Pampangos, Visayer, Vicols, Ilocanen, Pangasinanen und Cagayanen) unterwarfen sich wie gesagt die Kustenstriche und zwangen die fruheren Bewohner derselben sich in die Binnenlandschaften zuruckzuziehen, wo sie noch heute wohnen. Es ist naturlich, dass die neuen Einwanderer sich auch in ahnlicher Weise mit zuruckgebliebenen Malaien der ersten Invasionsperiode vermengten, wie es letztere mit den Negritos gethan. Diesem Umstande ist die Ahnlichkeit zuzuschreiben, welche in vielen Beziehungen hauptsachlich in der Religion [1], ein gemeinsames Band um alle Malaien dieses Archipels schlingt. Je weiter wir nach dem Norden Luzons vorwartsschreiten, desto mehr sehen wir die Kustenmalaien in Sitten und Brauchen sich mehr denjenigen der Binnenlandstamme zuneigen, ein Beweis, dass die Zahl der Einwanderer der zweiten Periode nach dem Norden zu immer geringer wurde, diese daher nicht im Stande waren, die dort sesshaften Stamme vollstandig zu vertreiben, sondern die friedlicheren Glieder derselben zahlreich als Heloten aufzunehmen und sich mit ihnen zu einem Volke allmahlich zu verschmelzen, in welchem viele Zuge des Volkslebens der fruher eingewanderten Stamme sich erhielten. Dieser Vorgang ist auch ganz naturlich, denn da die Invasion von Suden her erfolgte, so nahm nach den nordlichen Breiten zu auch ihre Expansivkraft und Individuenzahl ab; hatte ja doch auch die Invasion der ersten Periode ihre Kraft bereits verbraucht, als sie das rechte Ufer des Rio grande de Cagayan uberschritten hatte; die Kuste von Casiguran-Paranan bis zum Cap Engano blieb auch nach der zweiten Invasion im unbestrittenen Besitze der ursprunglichen Herren des Archipels, der Negritos! Daher auch die Erscheinung, dass im Suden der Philippinen, in dem Visayer-Archipel auf vielen Inseln die Nachkommen der Einwanderer der ersten Periode ganz in dem Stamm der neuen Ankommlinge, der Visayer, aufgingen oder vernichtet wurden, welcher Vorgang auch bei den Vicols, vielleicht auch den Tagalen und Pampangos, Statt gefunden hat. Nur auf den grosseren Inseln -- Mindoro (?) und Mindanao (hier unzweifelhaft) -- gelang es, den erst Eingewanderten sich unabhangig zu erhalten. Auf Mindanao scheinen mir die Subanos und Caragas solche Mischlinge zu sein, bei ersteren pravaliren die Elemente der ersten, bei den letzteren jene der zweiten Invasionsperiode. Deshalb auch fanden die Spanier bei jenen (nicht allen) Visayern und Vicols, welche die ersten Einwanderer nicht zu vertilgen oder zu verjagen vermocht und daher sich mit diesen vielfach gekreuzt hatten, vielfache Uberbleibsel in Tracht und Sitten vor, welche an die Bergstamme erinnerten, z. B. die auf Cebu Und Panay, wie auf den Catanduanes ubliche Sitte des Tatowirens, wahrend die Visayer jener Inseln, auf welchen die ersteingewanderten Malaien in die Binnenlandschaften gedrangt (wie auf Mindoro) oder vertilgt worden waren (wie auf Leyte, Samar und Bohol) diese Sitte nicht ubten. Der spanische Katholicismus bringt jetzt eine bedeutende Anderung dieser Verhaltnisse hervor, die verschiedenen Malaienstamme des Archipels verschmelzen langsam aber sicher zu einem einzigen Stamme [2].
Eine dritte malaiische Invasion wurde durch die Ankunft der Spanier unterbrochen und theilweise auch verhindert. Zu Anfang des XVI., vielleicht auch schon in der zweiten Halfte des XV. Jahrhunderts begannen die Malaien des Reiches Brunai oder Borneo nach den westlichen Visayern sich zu wenden. Es war diess zugleich, wenigstens in der Zeit von 1521-1565, eine religiose Conquista, denn die "Mauren [3] von Burney" verbreiteten auch den Islam unter den Indiern der Philippinen. Die Insel Palawan selbst wurde ein Bestandtheil des Reiches Burney oder Brunai (Borneo), wahrend solche Einwanderer an der Bai von Manila und in den heutigen Provinzen Batangas und Tayabas sich neue Reiche grundeten. Camarines, Mindoro, Panay, Negros, Cebu und die ubrigen Visayer wurden vorlaufig nur von Borneo-Kauffahrern besucht. Gleichzeitig mit diesem Zuge von Borneo her, fand eine andere Immigration von den Molukken her Statt, welche sich auf Mindanao und den Sulu-Archipel erstreckte. Bei Palawan stiessen diese beiden Einwanderungsstrome zusammen. Das Erscheinen der Spanier machte dieser dritten malaiischen und islamitischen Einwanderung ein Ende; auf Luzon und in den Visayern wurde der eben erst eingedrungene Islam durch das Christenthum unblutig verdrangt und so mussten die Einwanderer der dritten Periode sich mit dem Besitze von Sud-Palawan, den Sulu-Inseln und dem grosseren Theile der Mindanao-Kuste begnugen. Es war ein grosses Gluck fur die Bewohner der Philippinen, dass die Spanier noch rechtzeitig genug kamen, ehe der Islam festen Fuss gefasst hatte, sonst waren sie fur die europaisch-christliche Civilisation verloren.
Auf Sulu scheinen noch andere Malaienstamme eingewandert zu sein: Malaien von Johore und Javanen im Mittelalter, doch bin ich nicht in der Lage gewesen, daruber Studien zu machen, da mir die nothige Kenntniss des Hollandischen vorlaufig noch abgeht. Mangkassaren dienten zwar zahlreich in den Kriegen der Sulus gegen die Spanier von 1599-1646 als Soldner in den Heeren dieser Piraten, und haben gewiss auch im Lande Nachkommen hinterlassen, doch fallt diese Blutmengung hier nicht sehr in Betracht. Auch die Ansiedlungen katholischer Ternataner in Marigondon an der Bai von Manila, welche auf Betrieb der Jesuiten, bei der 1661 erfolgten Raumung Ternates durch die Spanier, entstand, ist zu unbedeutend, als dass sie irgend einen Einfluss auf die Tagalen hatte ausuben konnen.
Nachst den Malaien verdienen die meiste Beachtung die Chinesen, welche besonders im Norden von Luzon sich stark mit den Malaien, insbesondere den Bergstammen vermengt haben sollen, ob zwar manche und triftige Grunde dagegensprechen, dass vor der Ankunft der Spanier die Chinesen besonders zahlreich gewesen waren; im Gegentheile erst die Ankunft der edlen Castilianer lockte sie in grosseren Mengen nach den Philippinen, der Acapulco-Handel, der so viele chinesische Waaren mit dem in China so hochgeschatzten amerikanischen Silber baar bezahlte, war es, der die Chineseneinwanderung nach unserem Archipel lenkte. Die Spanier fanden bei ihrer Ankunft nirgends Chinesenansiedlungen vor, sondern nur einzelne chinesische Kauffahrer. Die Chinesen haben seit ihrer Niederlassung im Lande durch Erzeugung einer Mischlingsrasse, der Mestizos de Sangley, einen neuen Bevolkerungsbestandtheil den Philippinen zugebracht, der durch seine Intelligenz berufen ist, einst eine grosse Rolle zu spielen.
Die Japanesen traten in ahnlicher Weise wie die Chinesen in dem Archipel auf; seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts aber, wo die letzten derselben Manila verliessen, kamen keine mehr nach den Philippinen.
In den ersten Zeiten der Conquista wurden auch Neger- und Kaffer-Sclaven von portugiesischen Handlern eingefuhrt; die aber noch unter Philipp II. erfolgte Aufhebung der Sclaverei auf den Philippinen machte diesem Handel zum Glucke ein rasches Ende und ersparte den Indiern die Verseuchung durch Negerblut. Von diesen Schwarzen ist keine Spur mehr vorhanden.
Von "kaukasischen" Volkern kommen zunachst die Spanier in Betracht, welche mit den Eingeborenen sich vermengten und so die Kaste der Mestizos espanoles schufen. Portugiesen wanderten besonders im XVI. und Anfangs des XVII. Jahrhunderts ein, von ihnen haben sich keine Spuren mehr erhalten, sie gingen in die Spanier auf. Andere europaische Nationen kommen gar nicht in Betracht. Unbedeutend war auch die im XVII. und XVIII. Jahrhundert dann und wann Statt findende Einwanderung von Armeniern [4], Klings und anderen Stammen Sudindiens, diese Einwanderung beschrankte sich ubrigens nur auf Manila. Die wenigen Araber, welche als Proselytenmacher und Kaufleute nach Mindanao und Sulu kamen, waren auch nur Tropfen im Meere.
Die Linientruppen, welche die Spanier im XVII. und XVIII. Jahrhundert in Manila und Zamboanga unterhielten, bestanden der Hauptmasse nach aus mejicanischen, zum Theile auch peruanischen Indianern und Mestizen, welche alle mit Tagalinnen sich verheiratheten. Fur Manila bedeutet diese Blutmischung bei der geringen Anzahl der Truppen und der starken Bevolkerung so viel wie Nichts, fur Zamboanga aber, welches fruher eine nur unbedeutende Bevolkerung und eine verhaltnissmassig starke Garnison besass, fallt diese Blutmischung starker in die Wagschale.
I. NEGRITOS.
Die Negritos oder Aetas sind beinahe im ganzen Archipel der Philippinen zu finden, jedoch nirgends in grosserer Anzahl, und nur an der Nordostkuste Luzons sind sie noch Strandbewohner geblieben, sonst haben sie nur die Gebirgswildnisse der Binnenlandschaften inne, wenngleich sie in jenen Landschaften, wo sie mit Spaniern und Malaien in freundlichem Verkehre stehen -- diess ist nicht uberall der Fall --, auch zu den Gestaden des Meeres kommen, um dort Waaren einzutauschen. Sie bilden, besonders auf Luzon, eine grosse Anzahl von Rassen-Inseln, welche durch weite Strecken von Malaien bewohnten Landes von einander getrennt sind.
Ihr Hauptgebiet liegt im Nordosten Luzons, den Provinzen Nueva Ecija (nordlicher Theil), Principe, Isabela und Cagayan. Hier sind sie, wie kurz vorher erwahnt, auch Strandbewohner, indem sie den nordlichen Theil der Ostkuste von Luzon von Palanan im Suden bis zum Cap Engano im Norden bewohnen (Semper, Skizzen 49) und zwar ausschliesslich, denn bis zu diesen sturmgepeitschten Gestaden sind die malaiischen Eroberer nicht vorgedrungen. Diese Kuste ist der letzte Fleck Bodens der Philippinen, in welchem die ursprunglichen Herren des Archipels, die Negritos, sich im ungeschmalerten Besitze des heimischen Bodens behaupteten. Auch der Ostabhang jener gewaltigen Cordillere, welche sich langs dieser Kuste hinzieht, ist ihr unbestrittener Besitz, wahrend am Westabhange die Negritos bereits das Land mit Stammen malaiischer Abkunft theilen mussen. Auf diesem Boden besitzen sie auch ihre "grosste Reinheit der physischen wie der geistigen Charaktere" (Semper, a. a. O.). Im Thale des Rio Cagayan (Grande) oder Tago leben sie gleichfalls, bei Furao, Gamu, Ilagan, Tumauini, Cabagan und Tuguegarao (Mas, pobl. p. 39-40), aber auch im Stromgebiete des Rio chico de Cagayan bei Tuao und Malaueg begegnen wir ihnen (Mas, a. a. O., p. 41). Die Nordkuste der Provinz Cagayan wird von ihnen nur in der Nahe des C. Engano beruhrt, wo wir sie beim Vulcane Cagua haufig antreffen, von dem Meere durch Malaien, die Cagayanen oder Ibanags, getrennt, wohnen sie sudostlich und westlich von Abulug und in den Waldwildnissen von Masi (Mas, pobl. 42).
Ihr Vorhandensein in Ilocos ist von Semper (Erdk. XIII, 89) abgesprochen worden, doch ist diess wohl nur ein Versehen, indem Semper nur, so fasse ich es wenigstens auf, ihre Existenz im sudlichen Theile jener Landschaft, d. h. in den heutigen Districten Benguet, Lepanto, der Provinz Union und dem sudlichen Theile der Provinz Ilocos Sur verneinte, und diess ist auch richtig, denn jener Landstrich wird von den Igorroten bewohnt, einem ungemein kriegerischen Malaienstamm, der gewiss schon vor Jahrhunderten die Negritos, die in seinem Gebiete wohnten, vernichtet hat. Fur den Militardistrict Lepanto bestatigt Lillo de Gracia (Dist. de Lep., p. 18) diese Thatsache, indem er ausdrucklich erwahnt, dass sich in dem ganzen Districte keine Negritos befinden. In dem nordlichen Theile der Provinz Ilocos Sur existiren aber Negritos, Diaz Arenas nennt uns sogar die Ziffer, welche die den Spaniern unterworfenen Angehorigen dieses Stammes in Ilocos Sur ausmachen: 145 Kopfe. Buzeta erwahnt einer Negrito-Rancheria (kleine Niederlassung) bei Candon. In Abra durften nur wenige Negritos anzutreffen sein, dagegen ist ihre Anwesenheit in Ilocos Norte sichergestellt (Ilustr. 1860, Nr. 12, p. 153; Hugel, S. 359). Die Zahl der die Autoritat der spanischen Behorden anerkennenden Negritos der Provinz Ilocos Norte betrug 1848 nach Diaz Arenas 113 Seelen, neuere Daten sind mir nicht bekannt.
In Pangasinan begegnen wir ihnen wieder (Mas, pobl. p. 1), Diaz Arenas erwahnt einer Rancheria bei S. Miguel, sie zahlte nur 32 Kopfe, offenbar sind es bereits unterworfene Leute. Was Diaz Arenas von 4000 Negritos in dem Grenzgebirge zwischen Pangasinan und Zambales spricht, ist ein offenbarer Irrthum. Denn die Grenze Pangasinans gegen Zambales beruhrt jenes Gebirge nur in seinen aussersten Auslaufern, kann also unmoglich eine so grosse Zahl dieser Wilden beherbergen, und schliesslich bemerkt Drasche (Fragm., S. 21) ausdrucklich, dass der nordliche Theil jener Cordillere unbewohnt sei. Es ist also jene (jedenfalls ubertriebene und auf roher Schatzung beruhende) Ziffer nur auf die in der Provinz Zambales (sudl. Theil) wohnenden Negritos zu beziehen. In Zambales und Bataan sind sie haufig, Dr. A. B. Meyer hat sie dort selbst aufgesucht und uns nicht nur genaue Nachrichten, sondern auch Skelette mitgebracht, desgleichen Dr. Schadenberg. 1848 zahlte man nach Diaz Arenas 825 den Spaniern unterworfene Negritos. In dem centralen Theile von Luzon leben sie nur in vereinzelten Horden: in der Provinz Bulacan (beim Monte Angal und S. Jose), in den Waldern von S. Mateo und Bosoboso in der nachsten Nahe der Hauptstadt (Waitz, V, 57. -- Mas, pobl. 1. -- Jagor, Phil. 51. -- Meyer, Negr., S. 25). In Cavite und Taal scheinen sie zu fehlen, doch deutet eine Sage uber die Laguna de Bombon auf ihre fruhere Anwesenheit. Uber ihre Existenz in Tayabas berichtet nur ein Gewahrsmann, Diaz Arenas, der von 516 unterworfenen Negritos spricht, und Cavada 1, 198. Auf der Insel Alabat (Ostkuste Luzons) sind sie auch vorhanden (Semper, Skizzen 49).
Das Sudende Luzons bildet die langgestreckte, stark gegliederte Halbinsel Camarines, auf welcher sich die Provinzen Camarines Norte, Camarines Sur und Albay befinden. Ob hier Negritos wohnen, war fruher zweifelhaft. Semper (Skizzen, 49) sagt: "im sudlichen Luzon scheinen sie zu fehlen" und Jagor (Phil. 106): "reine Negritos kommen, so weit meine Erkundigungen reichen, in Camarines nicht vor". Dem entgegen berichtet Drasche (Fragm. 66), dass am Vulcan Iriga eine Ansiedlung von Negritos und eine andere von Mischlingen von Negritos und Vicol-Malaien existirte. Da aber Jagor ausfuhrlich uber jene wilden Stamme am Iriga berichtet und sie nicht zu den Negritos zahlt, so schien jene Meldung ein Irrthum des Geologen Drasche zu sein. Andererseits befindet sich in den Sammlungen der Berliner Anthropologischen Gesellschaft ein mannliches Negritoskelett vom Iriga, welches Dr. Schetelig mitgebracht hatte (Virchow, Verh. d. Berl. Anthr. Ges. 1871, S. 36). Drasche erwahnt (Fragm. 61), dass in den Gebirgswildnissen von Camarines Norte Negritos leben, woran gewiss nicht gezweifelt werden kann, denn jene Territorien sind sehr dunn bevolkert, und die Vicol-Malaien, welche an den Kusten und in den Flussthalern wohnen, eine indolente und unkriegerische Rasse, somit alle Vorbedingungen zur Existenz von Negritos vorhanden. Diaz Arenas spricht von 500 Negritos in den Bergen von Albay (1848), Cavada (1, 221) erwahnt, dass sie in den Bergen bei Malinao hausen.
Uber die Existenz der Negritos auf den einzelnen Inseln des Visayer-Archipels begegnen uns manche Widerspruche, und wir sehen uns bei den sparlichen Nachrichten genothigt, mitunter auf Quellen aus dem XVIII. ja XVII. Jahrhundert zuruckzugehen; diess ist gleich bei Mindoro der Fall. Diese grosse Insel ist nur selten von wissenschaftlich gebildeten Europaern betreten worden, und so kommt es, dass wir auf das aus 14 dickbauchigen Banden bestehende Geschichtswerk des Fray Juan de la Concepcion zuruckgehen mussen, welches beim Jahre 1716 (T. VII, p. 11) erwahnt, dass auf Mindoro neben wilden "Indiern" auch wilde Negritos ("negritos cimarrones") lebten. Dr. A. B. Meyer zweifelt nicht daran, dass hier Negritos existiren (Negr. 11). Diess ist alles, was uns uber die Negritos von Mindoro bekannt ist, wobei ich darauf hinweise, dass nur ein schmaler Kustensaum den Spaniern unterworfen, das ganze Innere aber eine terra incognita ist.
Uber Panay, die reichste und bevolkertste Insel der Visayas, fliessen reichlichere Quellen: schon Fray Gaspar de San Augustin und Gemelli-Carreri berichten, dass im Innern der Insel Negritos wohnen. Dr. A. B. Meyer sah sie dort (Meyer, Negr. 11 u. 26). Sie bewohnen die Gebirgswildnisse und kommen oft zur Kuste herab, selbst nach Ilo-ilo. Der Augustiner Mozo nennt speciell die Berge von Bosoc als den Hauptschlupfwinkel derselben (Misiones, p. 142). Diaz Arenas giebt fur die Negritos der Provinz Ilo-ilo die Zahl von 500 Kopfen an, von den ubrigen Provinzen der Insel weiss er keine Daten anzugeben. Cavada bestatigt ihre Existenz auf Panay (II, 98). Auf der kleinen Insel Tablas sind zwei Negrito-Niederlassungen (Cavada II, 127).
Die Insel Negros dankt ihren Namen den Negritos, welche dort in der Zeit der Conquista in viel grosseren Massen gewohnt haben mussen, als wie diess heute der Fall ist. Ubrigens ist es nicht einmal nothig diese anzunehmen, denn die Spanier konnten der Insel den Namen auch nur des Umstandes wegen gegeben haben, weil sie dort zuerst auf Negritos uberhaupt stiessen, denn wie aus Morga, Fray Gaspar de S. Agustin, Fr. Juan de la Concepcion &c. erhellt, war schon in jener Zeit die Kuste in den Handen der Indier oder Malaien, die freilich eine starke Dosis von Negritoblut in ihren Adern besassen, wie sich das noch heute erkennen lasst (Meyer, Negr. 26). Semper (Skizzen 49) spricht nur von "wenigen Negerfamilien", welche um den Vulcan Malaspina "hausen". Dem widerspricht die bestimmte Zahl von 3475 Kopfen, welche Diaz Arenas fur Negros angiebt, und Dr. A. B. Meyer erwahnt ausdrucklich, dass sie dort zahlreich vorkommen (Negr. 11). Zu Gemelli-Carreri's Zeit mussen sie noch zahlreich gewesen sein (man vgl. auch: Allg. Hist. d. Reisen XI, 412). Cavada (II, 171) schatzt die Zahl der Negritos in Nord-Negros auf 8900 Seelen.
Auf Cebu traf sie Dr. A. B. Meyer (Negr. 11 u. 26), doch durfte ihre Zahl dort eine nur geringe sein. Uber Bohol liegen mir absolut keine Nachrichten vor, so dass ich sogleich zu den beiden grossen Inseln Leyte und Samar ubergehen will. Dr. Jagor (Phil. 227) sagt: "Negritos sind weder auf Samar noch Leyte vorhanden", wogegen Dr. A. B. Meyer es nicht fur unmoglich halt, dass dort Negritos wohnen. Spanische Schriftsteller schweigen ganzlich uber diesen Punkt.
Auf der Insel Palawan (Paragua der Spanier) und der Gruppe der Calamianes leben nach Waitz, V, 57, Negritos, desgleichen nach S. 55 desselben Werkes im Innern der Hauptinsel von Sulu. Bezuglich letzterer ist es nur auffallend, dass weder altere (Combez) noch moderne (Pazos) spanische Autoren hieruber etwas melden. Man konnte diese Negritos von Sulu und Palawan mit den Idaanes oder Idanes identificiren, welche (Waitz, V, 46) auf der Ostkuste von Palawan (d. h. wo auch die Negritos wohnen sollen) und im Innern von Sulu wohnen. Zwar heisst es, dass nur die Heiden (also im Gegensatze zu den Moslim) so genannt wurden, aber auffallend ist immerhin einerseits die Nachricht, dass der Name Idan eine Collectivbezeichnung sei, indem die Idan verschiedene Sprachen sprachen, andererseits die Ahnlichkeit von "Idan" mit den Bezeichnungen "Etas", "Itas", welche sich die Negritos von Luzon selbst beilegen oder von den Eingeborenen erhalten. Insbesondere auffallend ist die Ahnlichkeit mit dem Namen "Idayan", welchen ein Negritodialekt in Nord-Luzon fuhrt. Doch widerspricht dieser Hypothese entscheidend die Nachricht, dass die Idanes -- welche ubrigens den spanischen Autoren nicht bekannt sind -- nach Dalrymple (Waitz, V, 98) hellfarbiger sein sollen als die Kustenbewohner. Fur Sulu (Hauptinsel) mochte ich die Existenz von Negritos schon deshalb verneinen, als im Innern dieser Insel ein ungemein kriegerischer Malaien-Stamm, jener der Guimbas, wohnt, der gewiss die Negritos ebenso ausgerottet haben durfte, wie diess unter ahnlichen Verhaltnissen in den Landern der Igorroten auf Luzon geschehen ist. Dass die Insel Palawan Negritos beherbergt, ist wohl nicht zu bezweifeln, dagegen durfte gegen ihre Anwesenheit in den Calamianes einiges einzuwenden sein, obwohl man bei den sparlichen Nachrichten und der geringen Kenntniss des Landes sich hieruber nur sehr reservirt aussprechen darf. Ich mache nur darauf aufmerksam, dass die Spanier unter der Bezeichnung Calamianes auch den nordlichen Theil Palawans mitverstehen, wodurch leicht Irrthumer entstehen konnen.
Der sudlichste Theil des Generalcapitanats der Philippinen, die grosse Insel Mindanao, wird ebenfalls von Negritos bewohnt. Der beruhmte Jesuit P. Francisco Combez, der grundlichste Kenner jenes Landes zu seiner Zeit, constatirt ihre Existenz auf Seite 36 seiner Geschichte von Mindanao, und auch Dampier und Gemelli-Carreri bestatigen diess. Selbst der 25. Bd. der Halle'schen Welthistorie berichtet, dass im Innern Mindanao's Neger hausen. Ihr Hauptsitz soll der nordostliche Winkel Mindanao's sein, was sehr naturlich erscheint, indem ja die malaiische Invasion von Sudwest erfolgte, eine Analogie haben wir bereits auf Luzon gefunden, nur sind die Negritos von Mindanao von der Kuste durch Malaien getrennt. Dr. F. Jagor schatzte ihre Zahl auf dieser Insel auf 10 000 Kopfe, fugt aber hinzu, dass ihre Rassenreinheit sehr fraglich ware (Phil. 322). Cavada (II, 206) constatirt ihre Existenz in dem zur Provinz Surigao gehorigen Theile Mindanao's.
Die Negritos sind also beinahe in allen Theilen des Archipels zu finden, mit Ausnahme der beiden Inselgruppen der Batanes und Babuyanes und vielleicht von Samar, Leyte, Bohol und Sulu. Trotz dieser grossen Verbreitung ist ihre Zahl eine sehr geringe, und wenn Mas (pobl., p. 9) und Mallat (II, 94) ihre Zahl auf 25 000 schatzen, so ist diess jedenfalls eher zu viel als zu wenig, wie diess schon Semper (Skizzen 138) hervorgehoben hat.
Was ihr Ausseres anbelangt, so haben daruber die ausgezeichneten Untersuchungen von Hofrath Dr. A. B. Meyer, Prof. Virchow, Prof. Semper und Dr. Schadenberg genug Eingehendes uber diesen Gegenstand gebracht, so dass ich mich mit einer kurzen Zusammenstellung des Gegebenen begnuge. Ihr Korperbau ist klein, schmachtig, die Waden, wie diess die Photographie in dem so uberaus interessanten Werke Dr. Meyer's "Uber die Negritos &c." drastisch zeigt, fast gar nicht vorhanden. Durchschnittshohe der Manner (Prov. Zambales) 1445 mm. Der Kopf ist vollstandig negerahnlich, der Kiefer ein wenig vorspringend, die Lippen schwach gewulstet, die Nase ist plattgedruckt; man vergleiche daruber die Skizzen Dr. Meyer's in seinem oben erwahnten Werke. Das Haar ist wollig, dick und schwarz oder braunschwarz, Prof. Semper hebt seine Glanzlosigkeit hervor, es wird kurzgeschoren getragen. Ihre Korperfarbe ist schwarzlich-braun (dunkelkupferfarben). Wie bei vielen Stammen, die in ahnlichen Verhaltnissen leben, findet man bei ihnen verhaltnissmassig grosse Bauche. Der sparliche Bartwuchs beschrankt sich meist auf den Backenbart (Schadenberg 147). Auffallend ist die Geschicklichkeit, mit welcher sie sich ihrer Zehen zum Greifen und Festhalten zu bedienen wissen (Schadenberg 143).
Ihr Temperament ist ein sehr lebhaftes, und dass sie nicht so unbegabt sind, wie es die spanischen Geistlichen gern darthun mochten, beweist nicht nur der Umstand, dass sie ausser ihrer eigenen Sprache oft noch zwei Dialekte der angrenzenden Malaien sprechen (Meyer, Negr. 15), sondern auch die Thatsache, dass unter den malaiischen Irayas in Nordost-Luzon sich die Negritos sogar zu fester Niederlassung und sogar zum Ackerbau [5] haben bewegen lassen. Das sind auch ihre einzigen festen Niederlassungen, sonst leben sie als Nomaden in ihren Waldern, selbst die Rancherias der den spanischen Behorden unterworfenen Negritos haben nur einen festen Namen (oft auch diesen nicht), aber keinen fixen Platz. Ihr einziger Schutz gegen die Unbilden der Witterung besteht in leicht beweglichen Schirmen, welche schrag gegen die Windrichtung oder gegen die Sonne gestellt werden. Sie sind aus Palmenblattern geflochten und haben oft eine Oberflache von 25-30 Quadratfuss (Semper, Erdk. XIII, 253). Die Kusten-Negritos von Nordost-Luzon, welche Dumagat genannt werden, liegen unter diesen Schutzdachern je nach dem Vermogensstande auf Strohmatten, Stucken von Baumrinde oder nur auf der nackten Erde (Semper, l. c. und Ilustracion 1860, n. 17, p. 193), diese Schutzdacher tragen sie bei ihren Wanderungen mit sich herum.
Um sich vor der Nachtkalte in den Bergwaldern zu schutzen, legen sie sich so nahe an das Feuer, dass man glauben sollte, ihre Haut musse versengt werden, oder sie legen sich sogar in die heisse Asche hinein. Da sie sonst auch sehr unreinlich sind, so ist es kein Wunder, wenn ihr Korper mit Schmutzkrusten bedeckt ist.
Bis zum Eintritt der Pubertat laufen sie ganz nackt herum (Mundt-Lauff, Natur V, 458), dann schlagen sie sich ein Tuch um die Lenden oder tragen ein oft ungenugendes Suspensorium (Meyer, Negr. 15). Die Weiber jener Horden, welche in einem freundschaftlichen Handelsverkehre mit den Christen stehen, tragen ein kurzes Jackchen (auf den Philippinen Hemd -- camisa -- genannt) und den Tapis der philippinischen Malaien (Ilustr. 1860, n. 17, p. 193). Unter den Mannern tragen einige auch einen erhandelten Mantel um die Schultern und auf dem Kopfe ein Tuchlein (Ilustr., l. c.). Die Leibbinde besteht aus einem selbstbereiteten Baumrindenstoff oder aus gekaufter Baumwolle. Es giebt aber auch Negrito-Horden, welche die Tracht der christlichen Malaien angenommen haben (Cavada I, 221; II, 127).
Sie kennen und uben die Sitte des Tatowirens. Bei den Negritos von Zambales und Bataan (Sierra Mariveles) werden die Tatowirungsmuster, welche aus geradlinigen Mustern bestehen, durch Hauteinschnitte mittelst gescharfter Bambussplitter erzeugt. Dadurch entstehen schwach erhohte Narben, welche aber erst in grosser Nahe in die Augen fallen (Meyer 16). Auch die Dumagat-Negritos tragen geradlinige Muster auf Brust, Oberleib, Schultern und Rucken, hier (Nordost-Luzon) aber werden keine Hauteinschnitte gemacht, sondern jene Muster wie bei den umliegenden Malaien mittelst einer Nadel eingestochen (Semper, Skizzen 50). Sobald die Tatowirung vollstandig ist, wird der Negrito-Jungling ein selbstandiger Mann, er kann jetzt heirathen und eine Familie grunden (Schadenberg 136).
Bei einigen Horden werden die Schneidezahne sageformig zugefeilt (Jagor 374; Meyer, Negr. 23 u. 27), diese Sitte ist aber nicht allgemein, denn Mas (pobl. I) sagt ausdrucklich, er hatte nur einige Negritos gesehen, welche die Zahne spitzgefeilt trugen, was auch Schadenberg bestatigt (136). Semper will diese Sitte nur auf die Negritos von Mariveles oder Zambales beschrankt wissen (Palau-Inseln 364). Uber kunstliche Schadeldeformation ist wenig bekannt, doch muss dieselbe wenigstens theilweise Statt finden (Schadenberg 135).
Ledige Manner tragen in den Haaren Kamme aus Rohr (m. vgl. die Abbildungen bei Schadenberg), angeblich zum Zeichen ihres ehelosen Standes (Ilustr. 1850, n. 17, p. 193), doch scheint letzteres nicht fur alle Horden zu gelten, am allerwenigsten fur die Negritos der Sierra Mariveles. D. Sinibaldo Mas (pobl. 2) erwahnt, dass bei den Negritos der Waldwildnisse des Mte. Camachin die Madchen Halsbander aus Palmenblattern trugen. Von ahnlichen Halsbandern aus Bast- oder Bejucoschnuren spricht Dr. Schadenberg (S. 141). Die Negritos von Zambales tragen nur selten Ohrgehange, welche mitunter aus Muscheln bestehen, die Dumagat-Manner sowie alle Negrito-Weiber tragen in ihren Ohren verschiedene Schmuckgegenstande oft der verwunderlichsten Art. Es sind oft nur Stucke Rohr oder Holzsplitter, welche an den Enden ganz zerfasert sind, so dass faustgrosse leicht gekrauselte Buschel dadurch entstehen; Semper (Erdk. XIII, 253) fand diesen Schmuck bei den Dumagat-Negritos. Die Weiber benutzen ihre Ohren auch als Transportmittel, indem sie Rollen jener Pflanzenrinde, welche ihnen zur Bereitung ihrer Kleiderstoffe dient, in die Ohrlocher stecken (Semper, Erdk. XIII, 253). Manche Weiber tragen auch ein Zweiglein sammt seinem Bluthenschmucke in den Ohren (Ilustr. 1860, n. 17, p. 193), die Weiber tragen auch schon verzierte Bambuskamme in den Haaren (Schadenberg 141). Ringe werden an Armen und Beinen getragen (Semper, Skizzen 50). Glasperlen und Messingdraht (um den Hals zu tragen) dienen den Frauen zum Schmucke (Meyer, Negr. 15). Sonst schleppen sie noch selbstverfertigte Beutel mit sich herum, in denen sie den leidenschaftlich begehrten Tabak und Betel verwahren. Da ich schon vom Tabak spreche, so sei erwahnt, dass sie ihn nur in Cigarrenform rauchen, wobei sie das glimmende Ende zwischen die Zahne nehmen (Schadenberg 146). Eine Zierde der Manner ist der Hayabung, d. h. eine mit Wildschweinborsten, Glasperlen und Fledermausfellen verzierte Schnur, die oberhalb der Wade getragen wird (Schadenberg 141). Nach Dr. Jagor legt diesen Schmuck nur derjenige an, dem es gegluckt ist, ein Wildschwein zu erlegen.
Man hat ihnen fruher jede Religion abgesprochen. Bastian (Reisen V, 268) berichtet, dass sie ausser Gott ("Cambunian") Mond und Sterne verehren. Beim Donnern opfern sie Schweine und dem Regenbogen bringen sie Gebete dar. Nun ist aber der Cambunian eine Igorroten-Gottheit, ebenso ist, was Mas (pobl. 4) von der Religion der Negritos vom Mte. Camachin erwahnt, der alte Glaube der Tagalen. Nur was den Mondcultus anbelangt, ist Bastian im Rechte, denn Schadenberg erzahlt (S. 144), dass sie in Vollmondnachten mit Bogen und Pfeil auf den Schultern Tanze abhalten, an denen auch die Weiber theilnehmen. Dr. A. B. Meyer konnte bei den Negritos der Sierra Mariveles weder Gotzen oder den Gottern geweihte Statten entdecken. Bei den Dumagat-Negritos existiren einige "rohe Mythen, die sich um Essen und Trinken drehen"; auch feiern sie in Gesangen eine grosse Schlange, welche ihnen im Traume die Orte weist, wo das Wild oder der Honig zu finden ist (Semper, Erdk. X, 254).
Die Frauen gebaren leicht und schnell, bei schweren Geburten vertritt ein altes Weib die Stelle der Hebamme. Die Nabelschnur wird durch einen scharfen Bambus abgetrennt und das Kind abgewaschen, und zwar mit Wasser, welches an der Sonne gestanden hat. Die Kinder werden rittlings auf der Hufte und spater auf dem Rucken getragen (Schadenberg 135); das Stillen dauert beilaufig zwei Jahre (l. c.).
Die Ehen werden fruhzeitig vereinbart, aber erst spater nach erlangter Pubertat vollzogen, es giebt Eheleute oder vielleicht richtiger gesagt Verlobte, welche nur 8 oder 9 Jahre zahlen (Ilustr. 1860, n. 17, p. 193). Nach Mundt-Lauff (Natur V, 458) heirathen die Manner nicht vor dem funfzehnten, die Weiber nicht vor dem dreizehnten Jahre. "Monogamie ist bei ihnen Regel" berichtet Schadenberg (135). Bei den Negritos von Albay wird die Braut durch Kauf vom Schwiegervater erworben; wird die Ehe durch Untreue der Gattin gelost, so muss dieser Kaufpreis dem Schwiegersohne ruckgestellt werden (Cavada I, 221). Die heutigen Negritos von Zambales-Bataan suchen ihre Frau sich womoglich aus der eigenen Verwandtschaft, wahrend bei den Negritos auf Negros Ehen innerhalb derselben Horde, wenigstens am Ausgange des XVII. Jahrhunderts, nicht gestattet waren, man konnte die Weiber nur durch Raub von fremden Horden erlangen, und diess fuhrte zu endlosen Kriegen (Allg. Hist. XI, 412). Die Hochzeit selbst wird durch Gesang und Tanz gefeiert, wobei Braut und Brautigam in festlichem Schmucke erscheinen (Schadenberg 137). Die Frau hat alle Lasten des Lebens zu tragen, dem Manne obliegt nur die Jagd, er hat auch eine unumschrankte Macht uber alle Glieder seiner Familie (l. c.). Ein angenehmer Zug im Charakter der Negritos ist die hohe Achtung vor dem Alter, erwerbsunfahige Greise werden von ihren Angehorigen liebevoll gepflegt (Schadenberg 135).
Da sie nur mit Misstrauen sich den Christen nahern, so ist uns auch uber ihre sonstigen Brauche wenig bekannt. Ihre Festlichkeiten bestehen in Tanzen und Gesangen. Der Tanz Acubac wird in folgender Weise ausgefuhrt: ein oder mehrere Madchen stellen sich in die Mitte eines Kreises, welcher von Mannern gebildet wird. Diese halten einer den anderen beim Gurtel fest und drehen sich um die Weiber, indem sie mit den Fussen den Boden nach dem Takte eines monotonen und langweiligen Gesanges stampfen. Ahnliches berichtet Dr. Schadenberg. Dieser Gesang heisst "inalug" und wird von den Weibern gesungen, die Manner wiederholen oder antworten mit einem ahnlichen Wechselgesang (Ilustr. 1860, n. 17, p. 194). Der Text besteht aus sinnlosen und zufalligen Phrasen (Meyer 16), alte Manner halten es unter ihrer Wurde mitzusingen, diess gebuhrt nur den jungen. Mas (pobl., p. 3) vergleicht diese Gesange der Negritos mit dem Comintan der Tagalen, jedenfalls mussen diess andere sein, wie der eben beschriebene Acubac. Nach Semper besingen sie auch kriegerische Grossthaten. Die Negrito-Weiber vom Mte. Camachin besassen eine Art von Guitarre oder Zither, welche aus Rohr verfertigt war, die Stelle der Saiten vertraten drei dunne Faden, welche aus Wurzelfasern bestanden, doch gab es auch solche von Sehnen. Das Instrument besitzt keinen Griff und wird mit der linken Hand gespielt (Mas, l. c.). Mit dieser Zither oder Guitarre begleiteten sie im 2/4 Takte den Gesang anderer Madchen, wobei die Spielenden mit dem Fusse taktformig stampften, auch die Manner wussten das Instrument zu handhaben. Dr. Schadenberg fand ausser Muschelhornern keine Musikinstrumente bei den Negritos von Zambales vor.
Ackerbau ist ihnen als herumstreifenden Jagern und Fischern fremd, nur die unter den Irayas wohnenden und die Negritos von Tarlac bauen Reis, sonst nahren sie sich durchweg von Waldfruchten und anderen Vegetabilien, Honig, Wildpret und Fischen. Unter den ersteren sind es die Herzen der Palmensorten und die Wurzeln wilder Aroideen, welche ihnen die meiste Nahrung aus dem Pflanzenreiche liefern (Semper, Skizzen 52). Ihr Hauptleckerbissen ist der Honig der zahlreichen wilden Bienen; die Zeit, wo die von den Bienen besiedelten Baume gefullt sind, ist ihre Erntezeit. Das Wachs verhandeln sie an Christen und Chinesen fur Tabak und Betel, denn sie sind nicht nur leidenschaftliche Tabakraucher, sondern auch Betelkauer (Semper, l. c.). Das Fleisch der erlegten Thiere braten sie in Gruben (Schadenberg 144, nach P. Felipe Calayag). Was sonst kriecht und fliegt und schwimmt wird von ihnen gegessen, wenn sie nur dessen habhaft werden konnen, aber diess ist bei dem elenden Zustande ihrer Waffen nicht so leicht. Letztere bestehen aus Bogen, Pfeil und Waldmesser, die Pfeile haben eine eiserne Spitze, die sie durch Handel erlangen; fruher bestand die Pfeilspitze, wie Gemelli-Carreri berichtet, meist aus Kieselsteinen, Knochen oder Holz. Die Pfeile werden in einem primitiven Kocher -- einem Stuck Bambusrohr getragen (Ilustr. 1860, n. 17, p. 193). Dr. Meyer (Negr. 15) und Dr. Mundt-Lauff (Nat. V. 479) haben keine vergifteten Pfeile bei ihnen vorgefunden, dagegen aber Dr. Jagor (Phil. 51), desgleichen Mozo, welcher (Misiones, p. 110) erzahlt, dass sie das Pfeilgift aus der Rinde eines von ihnen Camandag genannten Baumes und mehreren anderen Wurzeln und Krautern bereiten. Vergiftete Pfeile erwahnt Cavada nicht bei ihnen, wohl aber bei den mit ihnen wahrscheinlich identischen Balugas. Sie haben drei Gattungen Pfeile, namlich fur Vogel, Wildschweine und grosseres Wild (Schadenb. 138). Gut wissen sie auch Steine zu schleudern, seltener trifft man bei ihnen Lanzen an (l. c., p. 140 f.). Bei der Jagd werden sie von Hunden, ihren einzigen Hausthieren, unterstutzt (Mozo 106, Schadenberg 146).
Selten gelingt es ihnen, ein grosseres Thier zu erlegen, so dass ihre animalische Kost sich nur auf das Fleisch von Schlangen, Froschen und Fischen reducirt (Meyer, N. 14), letztere werden nicht geangelt, sondern mit Pfeilen geschossen (Semper, Skizzen 52).
Stirbt ein Negrito (in Ilocos Norte), so wird er im Gebirge begraben, in das Grab werden ihm Feuerstein, Waffen und Stucke Wildpret mitgegeben, desgleichen von allem, was dem Verstorbenen nahe ging, wenigstens ein Theil (Ilustr. 1860, n. 12, p. 153). Dr. Meyer fand die Leichen der Zambales-Negritos in ausgehohlten Baumstammen [6], nur einen Fuss tief unter der Erdoberflache, in diesen rohen Sargen fand sich nur hie und da eine Eisenspitze. Der Kopf der Todten wird in ein rohes Gewebe gehullt (Schadenberg 148). Die Graber waren auch ausserlich kenntlich: sie besassen ein Schutzdach von Bambus und Palmzweigen, ein Bambusgitter umgab das Grab (Meyer 17), letzteres sah auch Mas bei den Negritos vom Mte. Camachin (Mas, pobl. 4). Diese pflegen ein Jahr lang die Grabstatte ganzlich zu meiden, die Negritos von Nordost-Luzon verlassen zwar den Ort, bleiben aber in der Nahe, um zu verhindern, dass jemand die Statte betritt. Wer diess thut, wird aus sicherem Verstecke durch Pfeilschusse getodtet [7] (Semper, Erdk. X, 255); sollte diess nur eine Strafe fur die Entweihung der Statte sein, oder soll durch die Todtung des Fremden der Verlust des eigenen Stammes gleichsam wettgemacht werden?
Ihre Zersplitterung macht sie ihren Feinden gegenuber ohnmachtig, selbst die kleinen, 20-30 Kopfe zahlenden Horden haben gar keine feste Organisation oder irgendwelche Disciplin, sie kennen eben nur die Bande der Familie (Meyer, Negr. 15), doch geniessen die alteren Manner ihrer Erfahrung wegen einen freilich nicht schwerwiegenden Einfluss. Der Hauptling bestimmt die Lagerplatze und die Zeit des Aufbruches (Schadenberg 137). Die Negritos der Provinz Ilo-ilo erkennen diejenigen als Hauptlinge an, welche von den spanischen Missionaren eingesetzt werden (Buzeta II, 103 f.). Einzelne Horden zahlen der spanischen Regierung eine Abgabe in Naturalien als Zeichen der Unterwerfung, doch geschieht diese Zahlung sehr unregelmassig und hangt nur von dem guten Willen der Negritos ab, da die spanischen Behorden ihren Wildnissen gegenuber machtlos sind. Solche "unterworfene" Negritos besitzen dann einen "Gobernadorcillo (Gemeindevorsteher)", eine Puppe, welche den Verkehr zwischen der Behorde und den Negritos vermittelt. Der Gobernadorcillo wird aus den altesten der Horde erwahlt, hat aber unter seinen Stammesgenossen gar keine Macht, sein Amt ist sehr eintraglich, denn die spanischen Beamten und Pfarrer pflegen ihn reichlich zu beschenken. Manche Horden stehen mit den Spaniern auf Kriegsfuss, ein Mal kamen 700-900 feindliche Negritos bis vor Lingayen (Mas, pobl. 2). Die Malaien haben vor ihnen trotz ihrer schwachen Zahl und ihren armseligen Waffen einen bedeutenden Respect. Die einzelnen Horden sind in bestandige blutige Fehden mit einander verwickelt, wodurch sie immer mehr decimirt werden. Scheidnagel (Filipinas 30) sagt von den Zambales-Negritos, dass sie wild und blutdurstig waren. Die Negritos zwischen Baler und Casiguran sind im standigen Kampfe mit christlichen wie heidnischen Malaien begriffen (Semper, Erdk. XIII, 252). Sie wurden von den heidnischen Stammen oft auch bekriegt blos um Gefangene zu erhalten, letztere wurden der Familie eines Erschlagenen von jener des Morders ubergeben, um als Suhne fu |
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