2014년 12월 30일 화요일

Die zaertlichen Schwestern 2

Die zaertlichen Schwestern 2

Lottchen.  Das habe ich gar nicht befurchtet.  Der Herr Vormund ist ja
die Leutseligkeit und Menschenliebe selbst und macht sich gewiß eine
Freude daraus, zu dem Glucke eines Frauenzimmers etwas beizutragen,
der man keinen großern Vorwurf machen kann, als daß sie nicht reich
ist.

Cleon.  Tochter, du hast sehr recht.  Es ist ein lieber Mann.  Ich
habe nur gedacht, daß er einen gewissen Fehler haben mußte, weil er
schon nahe an vierzig ist und noch kein Amt hat.  Aber was hilft uns
das alles, wenn Julchen den Herrn Damis nicht haben will?

Lottchen.  Machen Sie sich keine Sorge, lieber Papa.  Julchen ist so
gut als besiegt.  Und ich denke, es konnte ihr kein großer Ungluck
widerfahren, als wenn man ihr ihren Schatz, die sogenannte Freiheit,
ungeraubt ließe.  Ich habe die sichersten Merkmale, daß sie den Herrn
Damis liebt.

Cleon.  Sollte es moglich sein?  Ich durfte es bald selbst glauben.
Ihr losen Madchen tut immer, als wenn euch nichts an den Mannern lage,
und heimlich habt ihr doch eine herzliche Freude an ihnen.  Je nun,
die Liebe ist auch notig in der Welt, sonst hatte sie uns der Himmel
nicht gegeben.

Lottchen.  Papa, diese Satire auf die losen Madchen trifft mich nicht.
Ich dachte, ich machte kein Geheimnis aus meiner Liebe.  Wenigstens
halte ich die vernunftige Liebe fur kein großer Verbrechen als die
vernunftige Freundschaft.  Unser Leben ist vielleicht deswegen mit so
vielen Beschwerlichkeiten belegt, daß wir es uns desto mehr durch die
Liebe sollen leicht und angenehm zu machen suchen.

Cleon.  Mein Kind, wenn mir die Frau Muhme Stephan etwas vermacht
haben sollte: so sahe ich's sehr gerne, wenn ich euch, meine Tochter,
auf einen Tag versprechen und euch in kurzem auf einen Tag die
Hochzeit ausrichten konnte.  Ich wollte gern das ganze Vermachtnis
dazu hergeben.

Lottchen.  Sie sind ein liebreicher Vater.  Nein, wenn Sie auch durch
das Testament etwas bekommen sollten: so wurde es doch ungerecht sein,
wenn wir Sie durch unsre Heiraten gleich um alles brachten.  Nein,
lieber Papa, ich kann noch lange warten.  Und mein Geliebter wird sich
ohnedies nicht zur Ehe entschließen, bis er nicht eine hinlangliche
Versorgung hat.

Cleon.  Tue dein moglichstes, daß Julchen heute noch ja spricht.  Die
Madchen mussen wohl ein wenig sprode tun; aber sie mussen es den
Junggesellen auch nicht so gar sauer machen.

Lottchen.  Papa, unsere selige Mama sagte nicht so.

Cleon.  Loses Kind, ein Vater darf ja wohl ein Wort reden.  Ich bin ja
auch jung gewesen, und meine Jugend reut mich gar nicht.  Ich und
deine selige Mutter haben uns ein Jahr vor der Ehe und sechzehn Jahre
in der Ehe wie die Kinder vertragen.  Sie hat mir tausend vergnugte
Stunden gemacht, und ich will's ihr noch in der Ewigkeit danken.  Sie
hat auch euch, meine Kinder, ohne Ruhm zu melden, recht gut gezogen.
Ich weine vielmal, wenn ich des Abends nach der Betstunde von euch
gehe und eure Andacht, insonderheit die deinige, sehe.  Es wird dir
gewiß wohlgehen.  Verlasse dich darauf.  Du tust mir viel Gutes.  Du
fuhrst meine ganze Haushaltung.  Sei zufrieden mit deinem Schicksale.
Ich lasse dir nach meinem Tode einen ehrlichen Namen und eine gute
Auferziehung.  Laß mich ja zu meiner seligen Frau ins Grab legen.  Ich
will schlafen, wo sie schlaft.

Lottchen.  Ach, Papa, warum machen Sie mich weichmutig?  Sie werden,
wenn es nach meinem Wunsche geht, noch lange leben und erfahren, daß
ich meinen Ruhm in der Pflicht, Ihnen zu dienen, suche.  Und wenn ich
Sie hundert Jahre versorge: so habe ich nichts mehr getan, als was mir
meine Schuldigkeit befiehlt.  Heute mussen Sie vergnugt sein.  Doch
vielleicht ist die traurige Empfindung, die in Ihnen entstanden ist,
die angenehmste, die nur ein rechtschaffener Vater fuhlen kann.  Aber,
lieber Papa, es ist kein Wein mehr im Keller als das gute Faß, das Sie
in meinem Geburtsjahre eingelegt haben.  Was werden wir heute unsern
Gasten fur Wein vorsetzen?

Cleon.  Tochter, zapfe das Faß an.  Und wenn es Nektar ware: so ist er
fur den heutigen Tag nicht zu gut.  Es wird bald Mittagszeit sein.
Ich will immer gehen und die Forellen aus dem Fischhalter langen.
Wenn ich Julchen sehe: so will ich dir sie wohl wieder herschicken,
wenn du noch einmal mit ihr reden willst.

Lottchen.  Recht gut, Papa, ich will noch einige Augenblicke hier
warten.



Zwolfter Auftritt

Lottchen.  Siegmund.


Siegmund.  Ich habe schon einen Augenblick mit Julchen gesprochen.
Sie ist ungehalten auf den Herrn Damis, aber ihre ganze Anklage
scheint mir nichts als eine Liebeserklarung in einer fremden Sprache
zu sein.  Ich hatte nicht gedacht, daß sie so zartlich ware.  Die
Liebe und Freundschaft reden zugleich aus ihren Augen und aus ihrem
Munde, je mehr sie nach ihrer Meinung die erste verbergen will.

Lottchen.  Ei, ei, mein lieber Herr Siegmund!  Ich konnte bald einige
Minuten eifersuchtig werden.  Nicht wahr, meine Schwester ist
reizender als ich?  Aber dennoch lieben Sie mich.

Siegmund.  Wer kann Sie einmal lieben und nicht bestandig lieben?
Ihre Jungfer Schwester hat viele Verdienste; aber Sie haben ihrer weit
mehr.  Sie kennen mein Herz.  Dieses muß Ihnen fur meine Treue der
sicherste Burge sein.

Lottchen.  Ja, ich kenne es und bin stolz darauf.  Ach, mein liebster
Freund, ich muß Ihnen sagen, daß uns vielleicht ein kleines Gluck
bevorsteht.  Wollte doch der Himmel, daß es zu Ihrer Beruhigung etwas
beitragen konnte!  Der Herr Vormund des Herrn Damis hat dem Papa in
einem Billette gemeldet, daß heute das Testament der Frau Muhme
Stephan geoffnet werden wurde und daß er glaubte, sie wurde den Papa
darinne bedacht haben.  O wenn es doch die Vorsicht wollte, daß ich so
glucklich wurde, Ihre Umstande zu verbessern!

Siegmund.  Machen Sie mich nicht unruhig.  Sie lieben mich mehr, als
ich verdiene.  Gedulden Sie sich, es wird noch alles gut werden und...

Lottchen.  Sie sind unruhig?  Was fehlt Ihnen?  Sagen Sie mir's.  Mein
Leben ist mir nicht lieber als Ihre Ruhe.

Siegmund.  Ach, mein schones Kind, es fehlt mir nichts, nichts als das
Gluck, Sie ewig zu besitzen.  Ich bin etwas zerstreut.  Ich habe diese
Nacht nicht wohl geschlafen.

Lottchen.  O kommen Sie und werden Sie mir zuliebe munter.  Wir wollen
erst zu Julchen auf ihre Stube und dann gleich zur Mahlzeit gehn.

(Ende des ersten Aufzugs.)




Zweiter Aufzug



Erster Auftritt

Cleon.  Julchen.


Cleon.  Du wirst doch wissen, ob du ihm gut bist?

Julchen.  Lieber Papa, woher soll ich's denn wissen?  Ich will Ihnen
gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine Freiheit.

Cleon.  ≫Ich will Ihnen gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine
Freiheit.≪ Kleiner Affe, was redst du denn?  Wenn ich dir deine
Freiheit lassen soll: so brauchst du mir ja nicht zu gehorchen.  Ich
will dich gar nicht zwingen.  Ich bin dir viel zu gut.  Nein, sage mir
nur, ob er dir gefallt.

Julchen.  Ob mir Herr Damis gefallt?  Vielleicht, Papa.  Ich weiß es
nicht gewiß.

Cleon.  Tochter, schame dich nicht, mit deinem Vater aufrichtig zu
reden.  Du bist ja erwachsen, und die Liebe ist ja nichts Verbotenes.
Gefallt dir seine Person, seine Bildung?

Julchen.  Sie mißfallt mir nicht.  Vielleicht...  gefallt sie mir gar.

Cleon.  Madchen, was willst du mit deinem ≫Vielleicht≪?  Wir reden ja
nicht von verborgenen Sachen: du darfst ja nur dein Herz fragen.

Julchen.  Aber wenn nun mein Herz so untreu ist und mir nicht
aufrichtig antwortet?

Cleon.  Rede nicht so poetisch.  Dein Herz bist du, und du wirst doch
wissen, was in dir vorgeht.  Wenn du einen jungen, wohlgebildeten,
geschickten, vernunftigen und reichen Menschen siehst, der dich zur
Frau haben will: so wirst du doch leicht von dir erfahren konnen, ob
du ihn zum Manne haben mochtest.

Julchen.  Zum Manne?...  Ach, Papa!  lassen Sie mir Zeit.  Ich bin
heute unruhig, und in der Unruhe konnte ich mich ubereilen.  Ich
glaube in der Tat nicht, daß ich ihn liebe, sonst wurde ich munter und
zufrieden sein.  Wer weiß auch, ob ich ihm gefalle?

Cleon.  Wenn du daruber unruhig bist: so hat es gute Wege.  Bist du
nicht ein albernes Kind!  Wenn du ihm nicht gefielst: so wurde er sich
nicht so viel Muhe um dich geben.  Er kennt dich vielleicht besser,
als du dich selbst kennst.  Stelle dir einmal vor, ob ich deine selige
Mutter, da sie noch Jungfer war, zur Ehe begehret haben wurde, wenn
sie mir nicht gefallen hatte.  Indem er zu dir sagt: ≫Jungfer Julchen≪,
oder wie er dich nennt...  Du kannst mir's ja sagen, wie er dich
heißt.

Julchen.  Er heißt mich Mamsell.

Cleon.  Kind, du betrugst mich.  Er sprache schlechtweg ≫Mamsell≪?
Das kann nicht sein.

Julchen.  Zuweilen spricht er auch ≫liebe Mamsell≪.

Cleon.  Tochter, du verstellst dich.  Ich bin ja dein Vater.  Im
Ernste, wie heißt er dich, wenn er's recht gut meint?

Julchen.  Ich kann mich selbst nicht besinnen.  Er spricht...  er
spricht...  ≫mein Julchen≪...

Cleon.  Warum sprichst du das Wort so klaglich aus?  Seufzest du uber
deinen Namen?  Dein Name ist schon.  Also spricht er zu dir: ≫Mein
Julchen≪?  Gut, hat er dich nie anders geheißen?

Julchen.  Ach ja, lieber Papa.  Er heißt mich auch zuweilen: ≫Mein
schones Julchen.≪ Warum fragen Sie mich denn so aus?

Cleon.  Laß mir doch meine Freude, du kleiner Narr.  Ein
rechtschaffener Vater hat seine Tochter lieb, wenn sie wohlgezogen
sind.  Ich bin ja stets freundlich mit euch umgegangen.  Aber daß ich
wieder auf das Hauptwerk komme.  Ja, indem Herr Damis z.  E.  zu dir
spricht: ≫Mein schones Julchen, ich habe dich...≪

Julchen.  Oh!  Er heißt mich Sie.  Er wurde nicht du sprechen.  Das
ware sehr vertraut, oder doch wenigstens unhoflich.

Cleon.  Nun, nun, wenn er dich auch einmal du hieße, deswegen verlorst
du nichts von deiner Ehre.  Hat mich doch meine selige Frau als Braut
mehr als einmal du geheißen, und es klang mir immer schon.  Indem er
also zu dir spricht: ≫Mein schones Julchen, ich bin Ihnen gut≪: so
sagt er auch zugleich, ≫Sie gefallen mir≪; denn sonst wurde er das
erste nicht sagen.

Julchen.  Das sagt er niemals zu mir.

Cleon.  Du machst mich bose.  Ich habe es ja mehr als einmal selber
gehort.

Julchen.  Daß er zu mir gesagt hatte: ≫Ich bin Ihnen gut≪?

Cleon.  Jawohl!

Julchen.  Mit Ihrer Erlaubnis, Papa, das hat Herr Damis in seinem
Leben nicht zu mir gesagt.  ≫Ich liebe Sie von Herzen≪, das spricht er
wohl; aber niemals, ≫ich bin Ihnen gut≪.

Cleon.  Bist du nicht ein zankisches Madchen!  Wir streiten ja nicht
um die Worte.

Julchen.  Aber das klinget doch allemal besser: ≫Ich liebe Sie von
Herzen≪, als das andere.

Cleon.  Das mag sein.  Ich habe das letzte immer zu meiner lieben Frau
gesagt, und es gefiel ihr ganz wohl.  Daß die Welt die Sprache immer
andert, dafur kann ich nicht.  Ihr Madchen gebt heutzutage auf ein
Wort Achtung wie ein Rechenmeister auf eine Ziffer.  Es gefallt dir
also, wenn er so zu dir spricht?  Gut, meine Tochter, so nimm ihn doch.
  Was wegerst du dich denn?  Ich gehe nach der Grube zu.  Worauf
willst du denn warten?  Kind, ich sage dir's, es durfte sich keine
Grafin deines Brautigams schamen.  Herr Damis mochte heute gerne die
vollige Gewißheit haben, ob er...

Julchen.  Papa!

Cleon.  Nun, was willst du?  Nur nicht so verzagt.  Ich bin ja dein
Vater.  Ich gehe ja mit dir wie mit einer Schwester um.

Julchen.  Papa, darf ich etwas bitten?

Cleon.  Herzlich gern.  Du bist mir so lieb als Lottchen, wenn jene
gleich etwas gelehrter ist.  Bitte, was willst du?

Julchen.  Ich?  Ich bin sehr unentschlossen, sehr verdrießlich.

Cleon.  Das ist ja keine Bitte.  Rede offenherzig.

Julchen.  Ich wollte bitten, daß Sie...  mir meine Freiheit ließen.

Cleon.  Mit deiner ewigen Freiheit!  Ich dachte, du wolltest schon um
das Brautkleid bitten.  Ich lasse dir ja deine Freiheit.  Du sollst ja
aus freiem Willen lieben, gar nicht gezwungen.  Bedenke dich noch eine
Stunde.  Uberlege es hier allein.  Ich will dich nicht langer storen.
Ich will fur dich beten.  Das will ich tun.



Zweiter Auftritt

Julchen.  Damis.


Damis.  Darf ich mit Ihnen reden, mein schones Kind?

Julchen.  Es ist gut, daß Sie kommen.  Die Gesundheit, die Sie mir
uber Tische von der Liebe zubrachten, hat mich recht gekrankt.  Meine
Schwester lachte daruber; aber das kann ich nicht.  Sie hat heute
uberhaupt eine widerwartige Gemutsart, die sich sogar bis auf Sie,
mein Herr, erstreckt.

Damis.  Bis auf mich?  Darf ich weiterfragen?

Julchen.  Ich sagte ihr, daß Sie meiner Meinung waren und behauptet
hatten, daß mehr Hoheit der Seele zur Freiheit als zur Liebe gehorte.
Daruber spottete sie und sagte dreist, Sie hatten unrecht, wo sie
nicht gar noch mehr sagte.  Aber lassen Sie sich nichts gegen sie
merken; sie mochte sonst denken, ich wollte eine Feindschaft anrichten.

Damis.  Lottchen wird es nicht so bose gemeint haben.  Sie ist ja die
Gutheit und Unschuld selbst.

Julchen.  Das konnte ich mir einbilden, daß Sie mir widersprechen
wurden.  Und ich will es Ihnen nur gestehen, daß ich's zu dem Ende
gesagt habe.  Freilich hat meine Schwester mehr Gutheit als ich.  Sie
redt von der Liebe, und so gutig bin ich nicht.

Damis.  Vergeben Sie es ihr, wenn sie auch etwas von mir gesagt hat.
Ich bin ja nicht ohne Fehler.  Und vielleicht wurde ich Ihnen mehr
gefallen, wenn ich ihrer weniger hatte.

Julchen.  Wozu soll diese Erniedrigung?  Wollen Sie mich mit dem Worte
Fehler demutigen?

Damis.  Ach, liebstes Kind, werden Sie es denn niemals glauben, wie
gut ich mit Ihnen meine?

Julchen.  Daran zweifele ich gar nicht.  Sie sind ja meiner Schwester
gewogen; und also wird es Ihnen nicht sauer ankommen, mir Ihre
Gewogenheit in ebendem Grade zu schenken.

Damis.  Ja, ich versichere Sie, daß ich Lottchen allen Schonen
vorziehen wurde, wenn ich Julchen nicht kennte.

Julchen.  Ich sehe, die Gefahr, mich hochmutig zu machen, ist zu wenig,
Sie von einer Schmeichelei abzuschrecken.

Damis.  Meine liebe Freundin, ich verliere meine Wohlfahrt, wenn
dieses eine Schmeichelei war.  Warum halten Sie mich nicht fur
aufrichtig?

Julchen (zerstreut).  Ich...  ich habe die beste Meinung von Ihnen.

Damis.  Warum sprechen Sie diesen Lobspruch mit einem so traurigen
Tone aus?  Kostet er Sie so viel?  In Wahrheit, ich bin recht
unglucklich.  Je langer ich die Ehre habe, Sie zu sehen und zu
sprechen, desto unzufriedner werden Sie.  Sagen Sie mir nur, was Sie
beunruhiget.  Ich will Ihnen ja Ihre Freiheit nicht rauben.  Nein, ich
will nicht den geringsten Anspruch auf Ihr Herz machen.  Ich will Sie
ohne alle Belohnung, ohne alle Hoffnung lieben.  Wollen Sie mir denn
auch dieses Vergnugen nicht gonnen?

Julchen.  Sie sind wirklich großmutiger, als ich geglaubt habe.  Wenn
Sie mich lieben wollen, ohne mich zu fesseln: so wird mir Ihr Beifall
sehr angenehm sein.  Aber dies ist auch alles, was ich Ihnen sagen
kann.  Werfen Sie mir mein verdrießliches Wesen nicht mehr vor.  Ich
will gleich so billig sein und Sie verlassen.

Damis.  Aber was fehlt Ihnen denn, mein Engel?

Julchen (unruhig).  Ich weiß es in Wahrheit nicht.  Es ist mir alles
so angstlich, und es scheint recht, als ob ich das Angstliche heute
suchte und liebte.  Ich bitte Sie recht sehr, lassen Sie deswegen
nichts von Ihrer Hochachtung gegen mich fallen.  Es ist unhoflich von
mir, daß ich Sie nicht munterer unterhalte, da Sie unser Gast sind.
Aber der Himmel weiß, ich kann nichts dafur.  Ich will mir eine Tasse
Kaffee machen lassen.  Vielleicht kann ich mein verdrießliches Wesen
zerstreuen.  Aber gehn Sie nicht gleich mit mir.  Lottchen mochte mir
sonst einige kleine Spottereien sagen.  Wollen Sie so gutig sein?



Dritter Auftritt

Damis.  Lottchen.


Lottchen.  Nun, Herr Damis, wie weit sind Sie in Ihrer Liebe?  Sie
weinen?  Ist das moglich?

Damis.  O gonnen Sie mir dieses Gluck.  Es sind Tranen der Wollust,
die meine ganze Seele vergnugen.  Wenn Sie nur das liebenswurdige Kind
hatten sollen reden horen!  Wenn Sie nur die Gewalt hatten sehen
sollen, die sie ihrem Herzen antat, um es nicht sehn zu lassen!  Sie
sagte endlich aufrichtig, sie ware unruhig.  Ach Himmel!  mit welcher
Annehmlichkeit, mit welcher Unschuld sagte sie dies!  Sie liebt mich
wohl, ohne es recht zu wissen.  Bedenken Sie nur, mein liebes Lottchen,
o bedenken Sie nur, wie...

Lottchen.  Warum reden Sie nicht weiter?

Damis.  Lassen Sie mich doch mein Gluck erst recht uberdenken.  Sie
nannte ihre Unruhe ein verdrießliches Wesen.  Sie bat mich, daß ich
deswegen nichts von der Hochachtung gegen sie sollte fahrenlassen.
Und das Wort Hochachtung druckte sie mit einem Tone aus, der ihm die
Bedeutung der Liebe gab.  Sie sagte endlich in aller Unschuld, sie
wollte sich eine Tasse Kaffee machen lassen, um den Nebel in ihrem
Gemute dadurch zu zerstreuen.

Lottchen.  Das gute Madchen!  Wenn der Kaffee eine Arznei fur die
Unruhen des Herzens ware: so wurden wir wenig Gemutskrankheiten haben.
Nunmehr wird sie bald empfinden, was Liebe und Freiheit ist.  Das
Traurige, das sich in ihrem Bezeigen meldet, scheint mir ein Beweis zu
sein, daß sie ihre Freiheit nicht mehr zu beschutzen weiß.  Verwandeln
Sie sich nunmehr nach und nach wieder in den Liebhaber, damit Julchen
nicht gar zu sehr bestraft wird.

Damis.  Diese Verwandlung wird mir sehr naturlich sein.  Aber ich
furchte, wenn Julchen in Gegenwart so vieler Zeugen mir ihre Liebe
wird bekraftigen sollen: so wird ihr Herz wieder scheu werden.  Sie
bat mich, da sie mich verließ, daß ich ihr nicht gleich nachfolgen
sollte, damit ihr Lottchen nicht einige Spottereien sagen mochte.  Wie
furchtsam klingt dieses!

Lottchen.  Ja, es heißt aber vielleicht nichts anders, wenn man es in
seine Sprache ubersetzt, als: Gehen Sie nicht mit mir, damit Lottchen
nicht so deutlich sieht, daß ich Sie liebe.  Ihre Braut scheut sich
nicht vor der Liebe, sondern nur vor dem Namen derselben.  Wenn sie
weniger naturliche Schamhaftigkeit hatte, so wurde ihre Liebe sich in
einem großern Lichte sehen lassen; aber vielleicht wurde sie nicht so
reizend erscheinen.  Vielleicht geht es mit der Zartlichkeit eines
Frauenzimmers wie mit ihren außerlichen Reizungen, wenn sie gefallen
sollen.

Damis.  Was meinen Sie, meine liebe Jungfer Schwester, soll ich...
Aber wie?  Ich nenne Sie schon Jungfer Schwester, und ich scheue mich
doch zugleich, Sie deswegen um Vergebung zu bitten?

Lottchen.  Ich will den Fehler gleich wieder gutmachen, mein lieber
Herr Bruder.  Ich habe Ihnen nun nichts vorzuwerfen.  Aber was wollten
Sie sagen?

Damis.  Fragen Sie mich nicht.  Ich habe es wieder vergessen.  Ich
kann gar nicht mehr zu meinen eignen Gedanken kommen.  Sie verbergen
sich in die entlegenste Gegend von meiner Seele.  Julchen denkt und
sinnt und redt in mir.  Und seitdem ich sie traurig gesehen habe, habe
ich große Lust, es auch zu sein.  Was fur ein Geheimnis hat nicht ein
Herz mit dem andern!  Ich sehe, daß ich glucklich bin, und sollte
vergnugt sein.  Ich sehe, daß mich Julchen liebt, und indem ich dieses
sehe, werde ich traurig, weil sie es ist.  Welche neue Entdeckung in
meinem Herzen!

Lottchen.  Ich weiß Ihnen keinen bessern Rat zu geben als den, folgen
Sie Ihrer Neigung und vertreiben Sie sich die Traurigkeit nicht, sonst
werden Sie zerstreut werden.  Sie wird ihres Platzes von sich selber
mude werden und ihn bald dem Vergnugen von neuem einraumen.

Damis.  Ich werde recht furchtsam.  Und ich glaube, wenn ich Julchen
wiedersehe, daß ich gar stumm werde.

Lottchen.  Das kann leicht kommen.  Vielleicht geht es Julchen auch
also.  Ich mochte Sie beide itzt beisammen sehen, ohne von Ihnen
bemerkt zu werden.  Sie wurden beide tiefsinnig tun.  Sie wurden reden
wollen und statt dessen seufzen.  Sie wurden die verraterischen
Seufzer durch gleichgultige Mienen entkraften wollen und ihnen nur
mehr Bedeutung geben.  Sie wurden einander wechselsweise bitten, sich
zu verlassen, und einander Gelegenheit geben, zu bleiben.  Und
vielleicht wurde Ihre beiderseitige Wehmut zuletzt in etliche mehr als
freundschaftliche Kusse ausbrechen.  Aber ich hore meine Schwester
kommen.  Ich will Sie nicht storen.  (Sie geht und bleibt in der Szene
versteckt stehen.)



Vierter Auftritt

Julchen.  Damis.


Julchen.  War nicht meine Schwester bei Ihnen?  Wo ist sie?

Damis (in tiefen Gedanken).  Sie ging und sagte, sie wollte uns nicht
storen.

Julchen.  Nicht storen?  Was soll das bedeuten?

Damis.  Vergeben Sie mir.  Ich habe mich ubereilet.  Ach, Juliane!

Julchen.  Sie haben sich ubereilet, und woher?  Aber...  Ja...  Ich
will Sie verlassen.  Sie sind tiefsinnig.

Damis.  Sie wollen mich verlassen?  meine Juliane!  Mich...?

Julchen.  Meine Juliane!  so haben Sie mich ja sonst nicht geheißen?
Sie vergessen sich.  Ich will Sie verlassen.

Damis.  O gehn Sie noch nicht.  Ich habe Ihnen recht viel zu sagen.
Ach viel!

Julchen.  Und was denn?  Sie halten mich wider meinen Willen zuruck.
Ist Ihnen etwas begegnet?  Was wollen Sie sagen?  Reden Sie doch.

Damis (bange).  Meine Juliane!

Julchen (mit beweglicher Stimme).  Juliane!  den Namen hore ich zum
dritten Male.  Sie schweigen wieder?  Ich muß nur gehn.  (Sie geht.
Er sieht ihr traurig nach, und sie sieht sich um.)  Wahrhaftig, es muß
Ihnen etwas Großes begegnet sein.  Darf ich's nicht wissen?

Damis (er kommt auf sie zu).  Wenn Sie mir's vergeben wollten: so
wollte ich Ihnen sagen; aber nein...  Ich wurde Ihre Gewogenheit
daruber verlieren und...  (Er kußt ihr die Hand und halt sie dabei.)
Nein, ich habe Ihnen nichts zu sagen.  Ach, Sie sind verdrießlich,
meine Juliane?

Julchen (ganz betroffen).  Nein, ich bin nicht traurig.  Aber ich
erschrecke, daß ich Sie so besturzt sehe.  Ja...  Ich bin nicht
traurig.  Ich bin ganz gelassen, und ich wollte, daß Sie auch so waren.
  Halten Sie mich nicht bei der Hand.  Ich will Sie verlassen.  Ich
wollte meine Schwester suchen und ihr sagen...

Damis.  Was wollten Sie ihr denn sagen?  mein schones Kind!

Julchen.  Ich wollte ihr sagen...  daß der Papa nach ihr gefragt hatte
und...

Damis.  Der Papa?  mein Engel!

Julchen.  Nein, ich irre mich.  Herr Siegmund hat nach ihr gefragt und
meine Schwester sprechen wollen und mich gebeten...  (Sie sieht ihn an.
)  In Wahrheit, Sie sehen so traurig aus, daß man sich des Mitleidens..
.  (Sie wendet das Gesichte beiseite.)

Damis.  Meine Juliane!  Ihr Mitleiden...  Sie bringen mich zur
außersten Wehmut.

Julchen.  Und Sie machen mich auch traurig.  Warum hielten Sie mich
zuruck?  Warum weinen Sie denn?  (Sie will ihre Tranen verbergen.)
Was fehlt Ihnen?  Verlassen Sie mich, wenn ich bitten darf.

Damis.  Ja.

Julchen (fur sich).  Er geht?

Damis (indem er wieder zuruckkehrt).  Aber darf ich nicht wissen,
meine Schone, was Ihnen begegnet ist?  Sie waren ja Vormittage nicht
so traurig.

Julchen.  Ich weiß es nicht.  Sie wollten ja gehn.  Ist Ihnen meine
Unruhe beschwerlich?  Sagen Sie mir nur, warum Sie...  Sie reden ja
nicht.

Damis.  Ich?

Julchen.  Ja.

Damis.  O wie verschonert die Wehmut Ihre Wangen!  Ach, Juliane!

Julchen.  Was seufzen Sie?  Sie vergessen sich.  Wenn doch Lottchen
wiederkame!  Bedenken Sie, wenn sie Sie so betrubt sahe und mich...
Was wurde sie sagen?  (Lottchen tritt aus der Szene hervor.)



Funfter Auftritt

Die Vorigen.  Lottchen.


Lottchen.  Ich wurde sagen, daß man einander durch bekummerte Fragen
und Tranen die starkste Liebeserklarung machen kann, ohne das Wort
Liebe zu nennen.  Mehr wurde ich nicht sagen.

Julchen.  O wie spottisch!  Ich muß nur gehn.

Lottchen.  O ich habe es wohl eher gesehn, daß du hast gehn wollen,
und doch...

Julchen.  Das wußte ich in der Tat nicht.  (Sie geht ab.)


Sechster Auftritt

Damis.  Lottchen.


Lottchen.  Es dauert mich in der Tat, daß ich Sie beide gestoret habe.
Ich hatte es nicht tun sollen: Aber ich konnte mich vor Freuden nicht
langer halten.  Kann wohl ein schonerer Anblick sein, als wenn man
zwei Zartliche sieht, die es vor Liebe nicht wagen wollen, einander
die Liebe zu gestehen?  Mein lieber Herr Damis, habe ich den Plan
Ihres zartlichen Schicksals nicht gut entworfen gehabt?  Hatte ich
mich noch einige Augenblicke halten konnen: so wurde Ihre
beiderseitige Wehmut gewiß noch bis zu etlichen vertraulichen
Liebkosungen gestiegen sein.

Damis.  Daran zweifele ich sehr.  Ich war in Wahrheit recht traurig,
und ich bin's noch.

Lottchen.  Ja, ich sehe es.  Und es wird Ihnen sehr sauer werden, mit
mir allein zu reden.  Holen Sie unmaßgeblich Ihre betrubte Freundin
wieder zuruck.  Ich will Sie miteinander aufrichten.

Damis.  Ja, das will ich tun.



Siebenter Auftritt

Lottchen.  Simon.


Simon.  Ich bitte Sie um Vergebung, Mamsell, daß ich unangemeldet
hereintrete.  Das Vergnugen macht mich unhoflich.  Sind Sie nicht die
liebenswurdige Braut meines Herrn Mundels?

Lottchen.  Und wenn ich nun seine Braut ware, was...

Simon.  So habe ich die Ehre, Ihnen zu sagen, daß Ihnen Ihre selige
Frau Muhme in ihrem Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht hat.  Sie
werden die Gewißheit davon noch heute vom Rathause erhalten.  Das
Testament ist geoffnet, und Ihr Herr Pate, der Herr Hofrat, der bei
der Eroffnung zugegen gewesen, hat mir aufgetragen, Ihrem Herrn Vater
diese angenehme Zeitung zum voraus zu hinterbringen, ehe er noch die
gerichtliche Insinuation erhalt.

Lottchen.  Ist das moglich?  Die Frau Muhme hat ihr Versprechen
zehnfach erfullt.  Wie glucklich ist meine Schwester!  Sie verdient es
in der Tat.  Das ist eine sonderbare Schickung.  Mein Herr, Sie setzen
mich in das empfindlichste Vergnugen.  Ich bin nicht die Braut Ihres
Herrn Mundels.  Aber die Nachricht wurde mich kaum so sehr erfreuen,
wenn sie mich selbst anginge.

Simon.  Kurz, Mamsell, ich weiß nicht, welche von Ihnen meinen Mundel
glucklich machen will.  Allein genug, die jungste Tochter des Herrn
Cleon ist die Erbin des ganzen Ritterguts und also eines Vermogens von
mehr als funfzigtausend Talern.

Lottchen.  Das ist meine Schwester.  Wie erfreue ich mich!

Simon.  Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht ebendiese Nachricht
bringen kann.  Ich wollte es mit tausend Freuden tun.  Wo ist Ihr
lieber Herr Vater?  Wird er nicht eine Freude haben!

Lottchen.  Ich habe gleich die Ehre, Sie zu ihm zu fuhren.  Aber ich
will Sie erst um etwas bitten.  Gonnen Sie mir doch das Vergnugen, daß
ich meiner Schwester und Ihrem Herrn Mundel die erste Nachricht von
dieser glucklichen Erbschaft bringen darf.  Es ist meine großte
Wollust, die Regungen des Vergnugens bei andern ausbrechen zu sehen.
Und wenn ich viel hatte, ich glaube, ich verschenkte alles, nur um die
Welt froh zu sehen.  Lassen Sie mir immer das Gluck, meiner Schwester
das ihrige anzukundigen.

Simon.  Von Herzen gern.  Eine so edle Liebe habe ich nicht leicht
unter zwo Schwestern gefunden.  Ich erstaune ganz.  Ich wußte wohl,
Mamsell, daß Sie die Braut meines Mundels nicht waren; allein, ich
wollte mir meinen Antrag durch eine verstellte Ungewißheit leichter
machen.  Ich glaubte, Sie wurden erschrecken und uber die Vorteile
Ihrer Jungfer Schwester unruhig werden.  Aber ich sehe das Gegenteil
und fange an zu wunschen, daß Sie selbst die Braut meines lieben
Mundels und die gluckliche Erbin der Frau Stephan sein mochten.

Lottchen.  Wenn man Ihren Beifall dadurch gewinnen kann, daß man frei
vom Neide und zur Menschenliebe geneigt ist: so hoffe ich mir Ihr
Wohlwollen zeitlebens zu erhalten.  Also wollen Sie Julchen und dem
Herrn Damis nichts von der Erbschaft sagen, sondern es mir uberlassen?
Sie sind sehr gutig.

Simon.  Ich will sogar dem Herrn Vater nichts davon sagen, wenn Sie es
ihm selber hinterbringen wollen.  Hier kommt er.



Achter Auftritt

Die Vorigen.  Herr Cleon.  Herr Siegmund.


Cleon.  Mein wertester Herr, ich habe Sie mit dem Herrn Siegmund schon
im Garten gesucht.  Ich sahe Sie in das Haus hereintreten, und ich
glaubte, Sie wurden den Kaffee im Garten trinken wollen.  Ich erfreue
mich uber die Ehre Ihrer Gegenwart.  Ich erfreue mich recht von Herzen.

Simon.  Und ich erfreue mich, Sie wohl zu sehen und heute einen Zeugen
von Ihrem Vergnugen abzugeben.

Lottchen.  Ach, lieber Papa!  Ach, lieber Herr Siegmund!  Soll ich's
sagen?  Herr Simon!

Simon.  Wenn Sie es erzahlen, wird mir's so neu klingen, als ob ich's
selbst noch nicht wußte.

Cleon.  Nun, was ist es denn?  meine Tochter!  Wem willst du es erst
sagen, mir oder meinem lieben Nachbar?  Welcher ist dir lieber, du
loses Kind?

Lottchen.  Wenn ich die Liebe der Ehrfurcht frage: so sind Sie's.  Und
wenn ich die Liebe der Freundschaft hore: so ist es Ihr lieber Nachbar.
  Ich will's Ihnen beiden zugleich sagen, was mir Herr Simon itzt
erzahlt hat.  Die selige Frau Muhme hat Julchen in ihrem Testamente
ihr ganzes Rittergut vermacht.  Das Testament ist geoffnet, und mein
Herr Pate, der Herr Hofrat, laßt Ihnen durch den Herrn Simon diese
Nachricht bringen.

Cleon.  Dafur sei Gott gedankt.  Das Gut ist doch Weiberlehn?  Ja!
Ich erschrecke ganz vor Freuden.  Das hatte ich nimmermehr gedacht.  O
sie war dem Madchen sehr gut!  Gott vergelte es ihr in der frohen
Ewigkeit.  Das ganze Rittergut?

Siegmund.  Das ist vortrefflich.  Die rechtschaffene Frau!

Simon (zu Cleon).  Ich habe mir in Ihrem Namen die Abschrift von dem
Testamente schon ausgebeten, und ich hoffe sie gegen Abend zu erhalten.
  Sie werden auch bald eine gerichtliche Verordnung bekommen.

Cleon.  Das ist ja ganz was Außerordentliches.  Ich will's die Armen
gewiß genießen lassen.  Aber du, meine liebe Tochter, du kommst dabei
zu kurz.

Lottchen.  Ich?  Papa.  Nein.  Wenn ich das Gluck tragen konnte: so
wurde mir der Himmel gewiß auch welches geben.  Ich habe schon Gluck
genug.  Nicht wahr?  Herr Siegmund!  Was meinen Sie?

Siegmund.  Daß Sie es ebenso wurdig sind als Ihre Jungfer Schwester.

Cleon.  Herr Simon, Sie haben mir ja in Ihrem Billette gemeldet, daß
auch Sie eine erfreuliche Nachricht erhalten hatten.  Kommen Sie doch
mit mir in den Garten und vertrauen Sie mir's.  Diese beiden
feindseligen Gemuter werden sich schon hier allein vertragen oder uns
nachkommen.



Neunter Auftritt

Lottchen.  Siegmund.


Lottchen.  Wenn ich Ihre Große nicht kennte: so wurde ich gezittert
haben, Ihnen die Nachricht von dem großen Glucke meiner Schwester zu
hinterbringen.  Aber ich weiß, Sie schatzen mich deswegen nicht einen
Augenblick geringer.  Unser Schicksal steht in den Handen der Vorsicht.
  Diese teilen allemal weise aus, und sie werden sich auch noch zu
unserm Vorteile offnen, wenngleich nicht in dem Augenblicke, da wir es
wunschen.

Siegmund.  Mein liebes Lottchen, es wird mir sehr leicht, uber Ihrem
Herzen das Gluck zu vergessen.  Wir wollen hoffen.  Vergeben Sie mir
nur, daß ich noch immer den Zerstreuten vorstelle.  Ich habe lange mit
Ihrem Papa gesprochen, und ich weiß in Wahrheit nicht was.

Lottchen.  Wenn Sie mich so lieben, wie ich Sie: so wundert mich's
nicht, daß Ihnen ein Tag, wie der heutige ist, wo solche Anstalten
gemacht werden, einige Wunsche und Unruhen abnotiget.  Trauen Sie doch
der Vorsehung.  Es ist eben heute ein Jahr, da Sie durch den
unglucklichen Prozeß Ihres seligen Herrn Vaters Ihr Vermogen verloren.
Vielleicht beunruhiget Sie dieser Gedanke; aber vielleicht haben Sie
auch alles heute uber ein Jahr wieder.  Haben Sie mit Julchen
gesprochen und dem Herrn Damis zum besten sich etwas zartlich gestellt?

Siegmund.  Nein, weil ich so zerstreut bin, so...

Lottchen.  Gut.  Sie werden diese kleine Muhe fast ersparen konnen.
Ihr Herz scheint keinen großen Antrieb mehr notig zu haben.  Aber
sagen Sie ihr noch nichts von der Erbschaft.  Ich will sie holen und
es ihr in Ihrer Gegenwart entdecken und ihrem Geliebten zugleich.



Zehnter Auftritt

Siegmund allein.


Welche entsetzliche Nachricht!...  Julchen!...  Ein ganzes Rittergut!
Julchen...  die so viel Reizungen, so viel Schonheit und Anmut besitzt!
...  Kennte ich Lottchens Wert nicht: so wurde Julchen....  Aber ist
Julchen nicht auch tugendhaft...  großmutig...  klug...  unschuldig...
?  Ist sie nicht die Sittsamkeit selbst?  Ist Lottchen so schamhaft?
oder...  Himmel, wo bin ich?  Verdammte Liebe, wie qualst du mich!
Muß man auch wider seinen Willen untreu werden?...  Warum konnte jene
nicht die reiche Erbschaft bekommen?  Sahe die Muhme auch, daß die
jungste mehr Verdienste hatte?...  Ich Elender!  Ich bin ohne meine
Schuld um das großte Vermogen gekommen...  Aber habe ich weniger
Vorzuge als Damis?  Julchen widersteht ja seiner Liebe...  Ist es ein
Verbrechen?...  Was kann ich dafur, daß sie mich ruhrt?  Sind meine
Wunsche verdammlich, wenn sie mit Julchens Wunschen vielleicht gar
ubereinstimmen?  O Himmel!  Sie kommt allein.



Eilfter Auftritt

Siegmund.  Julchen.


Julchen.  Meine Schwester hat gesagt, ich soll sie hier in Ihrer
Gesellschaft erwarten.  Sie sucht den Herrn Damis und will alsdann
hieherkommen und uns etwas Angenehmes erzahlen.

Siegmund.  Wird Ihnen unterdessen die Zeit in meiner Gesellschaft
nicht verdrießlich werden?

Julchen.  Mir?  Bei Ihnen?  Gewiß nicht.  Sie sind heute am
freundschaftlichsten mit mir umgegangen.  Und es wird Ihnen auch wohl
kein Geheimnis sein, daß ich ihnen gut bin, wenngleich nicht so wie
meine Schwester.

Siegmund (er kußt ihr die Hand).  Sie sagen mir vieles Schones,
angenehme Braut.

Julchen.  Bin ich denn eine Braut?  Das hat mir noch kein Mensch
gesagt.  Nein, mein Herr, heißen Sie mich nicht so.  Es kann sein, daß
ich dem Herrn Damis gewogen bin; aber muß ich darum seine Braut sein?
Nein, er ist so gutig und sagt mir fast gar nichts mehr von der Liebe.

Siegmund.  Aber, wenn ich Ihnen etwas von der Liebe sagte, wurden Sie
auch zurnen?  Sie wissen es wohl nicht, wie hoch ich Sie...  doch...

Julchen.  Bei Ihnen bin ich sehr sicher.  Solange ein Lottchen in der
Welt ist, werden Ihre Liebeserklarungen nicht viel zu bedeuten haben.
Sie wollen mich vielleicht ausforschen; aber Sie werden nichts
erfahren.

Siegmund.  Meine Schone, ich wollte wunschen, daß ich aus Verstellung
redte; aber ach nein!  Denken Sie denn, daß man...

Julchen.  Und was?

Siegmund.  Daß man Sie sehn und doch unempfindlich bleiben kann?

Julchen.  Sie spielen die Rolle des Herrn Damis, wie ich sehe.

Siegmund.  So werde ich sehr unglucklich sein, weil Sie mit seiner
Rolle nicht zufrieden sind.

Julchen.  Was verlieren denn Sie und meine Schwester, wenn ich seine
Wunsche nicht erfulle?

Siegmund.  Vielleicht gewonne ich.  Vielleicht wurden Sie die Absichten des aufrichtigsten Herzens sehn.  Ich verehre Sie; doch... wie kann ich Ihnen das sagen, was ich empfinde!

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