Der Bar
+Groteske in einem Aufzug+
Von
+Anton Tschechow+
Buhneneinrichtung mit Dekorationsplan
+Aus dem Russischen ubertragen+
von
Luise Flachs-Fokschaneanu
+Verlag von Philipp Reclam jun. Leipzig+
+Den Buhnen gegenuber als Manuskript gedruckt.+
Ubersetzungsrecht fur alle anderen Sprachen vorbehalten.
Fur samtliche Buhnen im ausschließlichen Debit der Verlags-Firma A. +Entsch+, Berlin _NW. 7._ erschienen, und ist von dort aus allein das Recht der Auffuhrung zu erwerben.
+Luise Flachs-Fokschaneanu.+
Stucke von Anton Tschechow in der Universal-Bibliothek:
Nr. 4264. Die drei Schwestern. Nr. 4919. Die Mowe.
+Druck von Philipp Reclam jun. Leipzig+
Der Bar
Groteske in einem Aufzug
Personen.
=Helene Iwanowna Popow=, eine junge Witwe, Gutsbesitzerin.
=Grigorji Stepanowitsch Smirnow=, Gutsbesitzer.
=Luka=, Diener bei Frau Popow.
Ein Gartner. Ein Kutscher. Mehrere Arbeiter.
+Ort der Handlung+: Das Gut der Frau Popow.
+Zeit+: Die Gegenwart.
Die Buhne stellt ein elegant eingerichtetes Empfangszimmer dar.
Rechts und links vom Schauspieler.
Frau Popow wird vom Dichter als eine junge Witwe mit Grubchen in den Wangen bezeichnet; Smirnow als ein Mann in den mittleren Jahren.
+Vorkommende Namen+: Nikolai Michailowitsch, Riblow, Kortschagin, Wlassow, Welikan, Tamara, Pelageja, Simion, Grusdew, Iroschewitsch, Kurzin, Masutow, Dascha.
w am Schlusse eines Namens ist wie f zu sprechen.
Die deutsche Urauffuhrung fand am 11. Oktober 1900 an der Berliner Sezessionsbuhne statt.
[Illustration: Empfangszimmer im Hause der Frau Popow nach dem vorstehenden Dekorationsplan.]
Erster Auftritt.
=Frau Popow.= =Luka.=
=Frau Popow= (in tiefer Trauer, sitzt auf dem Sofa rechts, blickt unverwandt eine Photographie an).
=Luka.= Es ist nicht recht, gnadige Frau... Sie richten sich zugrunde. Die Magd und die Kochin sind Beeren suchen gegangen, alles, was atmet, freut sich des Daseins, selbst die Katze versteht sich auf ihr Vergnugen -- schleicht im Hof umher und fangt Vogel; bloß Sie hocken den ganzen Tag im Zimmer, gerade wie in einem Kloster und haben so gar keine Freude... Ja, wahrhaftig, wenn man genau nachrechnet, haben Sie ein Jahr lang das Haus nicht verlassen.
=Frau Popow.= Und ich werde es auch niemals verlassen... Wozu? Mein Leben ist abgeschlossen... Er liegt im Grabe, ich habe mich zwischen diesen vier Mauern begraben... Wir sind beide gestorben.
=Luka.= Da hat man es! Es ist nicht zum Anhoren, wirklich wahr! Nikolai Michailowitsch ist gestorben, so war es Gottes Wille, Gott geb' ihm die ewige Ruh'... Sie haben sich gegramt, nun ist's genug, es ist Zeit, aufzuhoren. Man kann nicht ewig weinen und Trauerkleider tragen. Auch mir ist vor Jahren meine Alte gestorben... Ich habe mich gegramt, einen Monat lang habe ich geweint, und dann war's genug. Kann man denn ewig Klagelieder singen? Das war ja die Alte auch nicht wert. (Er seufzt.) Sie haben alle Nachbarn vergessen... Sie fahren nicht aus und wollen auch niemand empfangen. Wir leben, verzeihen Sie, wie die Spinnen, das liebe Tageslicht sehen wir nicht. Die Livree ist von den Mausen zerfressen... Und wenn es noch keine guten Menschen gabe, aber der ganze Umkreis ist voll von Herrschaften... In Riblow steht das Regiment, Offiziere -- einfach Konfekt, man kann sich nicht satt sehen! Und im Lager ist an jedem Freitag Ball, und jeden Tag spielt die Militarmusik... Ach, meine liebe, gnadige Frau! So jung und so schon wie Sie sind, Milch und Blut, wenn Sie doch nur Ihrem Vergnugen leben wollten ... die Schonheit ist nicht fur immer gegeben! Wenn so zehn Jahrchen vorbei sind, dann werden Sie gern paradieren wollen, um die Herren Offiziere daran zu bekommen, aber da wird es zu spat sein.
=Frau Popow= (entschieden). Ich bitte dich, mir nie mehr davon zu sprechen. Du weißt, daß mein Leben seit dem Tode Nikolai Michailowitschs fur mich jeden Wert verloren hat... Du glaubst, ich lebe, aber es scheint dir bloß... Ich habe am Grabe gelobt, diese Trauerkleider nicht abzulegen und fern von der Welt zu leben... Horst du? Moge seine abgeschiedene Seele sehen, wie ich ihn liebe... Ja, ich weiß, es ist fur dich kein Geheimnis -- er war oft ungerecht gegen mich, grausam und ... er war mir nicht treu, aber ich werde treu sein bis zum Grabe und ihm beweisen, wie ich zu lieben vermag... Dort im Jenseits wird er mich ebenso finden, wie ich bis zu seinem Tode gewesen...
=Luka.= Wozu diese Worte ... wenn Sie doch lieber im Garten spazieren gingen oder befehlen wollten, Tobby oder den Welikan vorzuspannen, um die Nachbarn wieder einmal zu besuchen.
=Frau Popow= (weint). Ach!
=Luka.= Gnadige Frau! Meine liebe gnadige Frau! Was ist's? Um Christi willen!...
=Frau Popow.= Er hat Tobby so sehr geliebt! Er ließ ihn immer anspannen, wenn er zu Kortschagins und Wlassows fuhr. Wie herrlich er kutschierte! Wie hubsch er aussah, wenn er aus allen Kraften die Zugel an sich zog! Erinnerst du dich? Tobby, Tobby! Laß ihm heute ein Achtel Hafer mehr geben!
=Luka.= Zu Befehl.
(Ein heftiges Klingeln.)
=Frau Popow= (zuckt zusammen). Was ist das? Sage, daß ich niemand empfange!
=Luka.= Zu Befehl! (Er geht durch die Mitte ab.)
Zweiter Auftritt.
=Frau Popow= allein.
=Frau Popow= (die Photographie anblickend). Du wirst sehen, Nikol, wie ich zu lieben und zu verzeihen vermag... Meine Liebe wird mit mir zugleich erloschen ... wenn mein armes Herz zu schlagen aufhoren wird. (Sie lachelt unter Tranen.) Und du schamst dich nicht? Ich bin ein braves, treues Weib, ich habe mich eingekerkert und werde dir treu bleiben bis zum Grabe, und du ... und du ... schamst dich nicht, mein liebes Ungeheuer! Hast mich betrogen, hast mir Szenen gemacht, hast mich lange Wochen allein gelassen...
=Luka= (tritt in großer Aufregung ein).
Dritter Auftritt.
=Frau Popow.= =Luka.=
=Luka.= Gnadige Frau, es fragt jemand nach Ihnen, will Sie sehen...
=Frau Popow.= Du hast doch gesagt, daß ich seit dem Tode meines Mannes niemand empfange?
=Luka.= Das habe ich gesagt, aber er will nichts davon horen, er sagt, es sei eine sehr dringende Angelegenheit.
=Frau Popow.= Ich em--pfan--ge nicht!
=Luka.= Das habe ich ihm ja gesagt, er ist ein Wilder, er schimpfte und drang einfach ins Zimmer ein ... er steht schon im Speisezimmer...
=Frau Popow= (erregt). Gut, laß ihn herein. Welche Zudringlichkeit!
=Luka= (durch die Mitte ab).
=Frau Popow.= Wie lastig die Menschen sind! Was wollen sie von mir? Warum storen sie meine Ruhe? (Sie seufzt.) Ja, es ist ganz klar, ich werde wirklich ins Kloster gehen mussen... (Nachdenklich.) Ja, ins Kloster...
=Smirnow= (tritt ein, gefolgt von Luka).
Vierter Auftritt.
=Frau Popow.= =Luka.= =Smirnow.=
=Smirnow= (zu Luka). Dummkopf, plapperst zu viel... Esel!... (Frau Popow erblickend, mit Wurde.) Meine Gnadige, ich habe die Ehre, mich vorzustellen: Artillerieleutnant außer Dienst, Grundbesitzer, Grigorji Stepanowitsch Smirnow! Bin gezwungen, Sie in einer hochst wichtigen Angelegenheit zu belastigen...
=Frau Popow= (ohne ihm die Hand zu reichen). Was wunschen Sie?
=Smirnow.= Ihr seliger Gatte, mit dem ich die Ehre hatte, bekannt zu sein, blieb mir zwei Wechsel im Betrage von zwolfhundert Rubel schuldig. Da ich morgen in der Agrarbank Zinsen zu erlegen habe, mochte ich Sie ersuchen, meine Gnadige, mir das Geld noch heute zu bezahlen...
=Frau Popow.= Zwolfhundert ... und wofur ist mein Mann Ihnen das schuldig geblieben?
=Smirnow.= Er hat Hafer von mir gekauft.
=Frau Popow= (seufzend zu Luka). Luka, vergiß also nicht zu sagen, daß man Tobby ein Achtel Hafer mehr geben soll.
=Luka= (geht ab).
=Frau Popow= (zu Smirnow). Wenn Nikolai Michailowitsch Ihnen das schuldig geblieben, so werde ich selbstverstandlich bezahlen, aber bitte, entschuldigen Sie, ich habe heute das Geld nicht zur Verfugung. Ubermorgen kehrt mein Verwalter aus der Stadt zuruck, und ich werde ihn beauftragen, Ihnen zu zahlen, was Ihnen gebuhrt, aber bis dahin kann ich Ihren Wunsch nicht erfullen... Uberdies sind es gerade heute sieben Monate, daß mein Mann gestorben ist, und ich bin nicht in der Stimmung, mich mit Geldangelegenheiten zu beschaftigen.
=Smirnow.= Und ich befinde mich in einer Stimmung, daß ich, wenn ich morgen die Zinsen nicht einzahle, mit den Fußen nach oben durch den Schornstein werde fliegen mussen. Man wird mein Gut sequestrieren!
=Frau Popow.= Ubermorgen erhalten Sie das Geld.
=Smirnow.= Ich brauche das Geld nicht ubermorgen, sondern heute.
=Frau Popow.= Verzeihen Sie, heute kann ich Ihnen nicht zahlen.
=Smirnow.= Und ich kann bis ubermorgen nicht warten.
=Frau Popow.= Was soll ich aber tun, wenn ich es nicht sofort habe!
=Smirnow.= Sie konnen also nicht zahlen?
=Frau Popow.= Ich kann nicht...
=Smirnow.= Hm... Ist das Ihr letztes Wort?
=Frau Popow.= Ja, das letzte.
=Smirnow.= Das letzte? Endgultig?
=Frau Popow.= Endgultig.
=Smirnow.= Danke gehorsamst. Wir wollen uns das merken. (Er zuckt die Schultern.) Und da verlangt man noch, daß ich kaltblutig sei! Der Akzisebeamte begegnete mir soeben auf dem Wege und fragte: ≫Warum argern Sie sich immer, Grigorji Stepanowitsch?≪ Ja, erbarmen Sie sich, wie soll ich mich denn nicht argern? Ich brauche Geld, das Messer steht mir an der Kehle... Gestern fruh fuhr ich schon beim ersten Morgengrauen vom Hause fort und war bei allen meinen Schuldnern. Wenn auch nur einer von ihnen seine Schuld bezahlt hatte! Abgeschunden habe ich mich, wie ein Hund, habe, der Teufel weiß wo, in einer judischen Schenke ubernachtet, neben einem Schnapsfaß... Endlich komme ich hierher, siebzig Werst vom Hause, und hoffe, Geld zu bekommen, und da regaliert man mich mit ≫Stimmung!≪ Wie soll ich mich da nicht argern?
=Frau Popow.= Ich glaube, Ihnen deutlich gesagt zu haben: der Verwalter wird aus der Stadt zuruckkehren, dann erhalten Sie das Geld.
=Smirnow.= Ich bin nicht zum Verwalter, sondern zu Ihnen gekommen! Was Teufel, verzeihen Sie den Ausdruck, kummert mich Ihr Verwalter!
=Frau Popow.= Entschuldigen Sie, verehrtester Herr, ich bin weder an Ihre sonderbaren Ausdrucke, noch an einen solchen Ton gewohnt. Ich hore Sie nicht weiter an. (Sie geht rasch nach links ab.)
Funfter Auftritt.
=Smirnow= allein.
=Smirnow.= Was sagt man dazu? Stimmung! Vor sieben Monaten ist der Mann gestorben! Aber muß ich die Zinsen einzahlen oder nicht? Ich frage, muß ich die Zinsen zahlen oder muß ich nicht? Nun ja, der Mann ist gestorben, Stimmung und allerlei Faxen ... der Verwalter, der Teufel hole ihn, ist irgend wohin gefahren, nun, befehlen Sie, was soll ich tun? Soll ich etwa im Luftballon meinen Glaubigern entfliehen? Oder mit dem Kopf die Mauer einrennen? Komme ich zu Grusdew, geruht er nicht zu Hause zu sein, Iroschewitsch hat sich einfach versteckt, mit Kurzin habe ich mich todlich gezankt und ich hatte ihn beinahe zum Fenster hinausgeworfen, Masutow hat die Cholerine und bei der da -- Stimmung! Keine einzige Kanaille will zahlen! Und das alles nur deshalb, weil ich sie alle zu sehr verwohnt habe, weil ich ein Jammermeyer, ein Waschlappen, ein altes Weib bin! Ich bin zu zartfuhlend mit ihnen! Aber wartet nur! Ihr werdet mich kennen lernen! Ich gestatte keinem, mit mir seinen Scherz zu treiben, der Teufel noch einmal! Ich bleibe hier und werde nicht von der Stelle weichen, bis sie zahlt! Brrr!... Wie bos ich heute bin, wie schrecklich bos ich bin! Vor Bosheit zittern mir alle Sehnenbander und der Atem versagt mir... Pfui, mein Gott! ubel, schlecht wird mir sogar. (Er schreit.) Diener!
=Luka= (tritt ein).
Sechster Auftritt.
=Smirnow.= =Luka.=
=Luka.= Was steht zu Diensten?
=Smirnow.= Gib mir Kwas oder Wasser!
=Luka= (geht ab).
=Smirnow.= Nein, was sagt man dazu! Sie hat es nicht zur Verfugung! Was ist das fur eine Logik! Einem Menschen steht das Messer an der Kehle, er braucht Geld, er ist auf dem Sprunge, sich zu erhangen, und sie zahlt nicht, weil sie nicht in Stimmung ist, sich mit Geldangelegenheiten zu beschaftigen. Sieh mal! Echte Frauenlogik, Turnurelogik! Darum habe ich auch nie mit Frauen sprechen wollen, und tue es auch jetzt nicht gern. Mir fallt es leichter, auf einem Pulverfaß zu sitzen, als mit einer Frau zu reden. Brrr!... Eiskalt uberlauft es mich, so sehr hat mich diese Turnure erbost! Ich brauche nur aus der Ferne so ein poetisches Geschopf zu erblicken, so bekomme ich vor Wut Wadenkrampfe. Man mußte einfach zu Hilfe! schreien.
=Luka= (tritt ein).
Siebenter Auftritt.
=Smirnow.= =Luka.=
=Luka= (reicht ihm Wasser). Die gnadige Frau ist krank und empfangt nicht.
=Smirnow.= Marsch hinaus!
=Luka= (geht ab).
=Smirnow.= Krank und empfangt nicht! Ist auch nicht notwendig... Empfange nicht! Ich bleibe und werde hier sitzen, bis du das Geld hergibst... Wirst du eine Woche krank sein, werde ich eine Woche hier sitzen... Wirst du ein Jahr krank sein, werde ich ein Jahr hier bleiben... Gevatterin, ich werde schon mein Geld herausbekommen! Mich ruhrst du nicht mit den Trauerkleidern, auch nicht mit den Grubchen in den Wangen... Wir kennen diese Grubchen! (Er schreit zum Fenster hinaus.) Simion, spann' aus! Wir fahren nicht so bald fort! Ich bleibe hier. Sag' dort im Stall, man soll den Pferden Hafer geben! Viehkerl, das linke Pferd hat sich schon wieder in die Zugel verwickelt. (Spottet ihm nach.) Tut nichts... Ich werde dir schon zeigen, tut nichts... (Geht vom Fenster weg.) Es ist sehr schlimm ... unertragliche Hitze, keiner zahlt, diese Nacht habe ich schlecht geschlafen und hier die Trauerschleppe mit Stimmung... Der Kopf schmerzt ... soll ich vielleicht einen Schnaps trinken? Schließlich ... trinken wir einen... (Schreit.) Diener!
=Luka= (tritt ein). Was wunschen Sie?
=Smirnow.= Ein Glaschen Schnaps!
=Luka= (geht ab).
=Smirnow= (setzt sich und betrachtet seine Kleidung). Uf! Eine nette Figur! Das laßt sich nicht leugnen! Bestaubt, schmutzige Stiefel, ungewaschen, ungekammt, Stroh auf der Weste; die Gnadige hat mich einfach fur einen Rauber gehalten. (Er gahnt.) Es war etwas unhoflich, in solchem Aufzug in einem Empfangszimmer zu erscheinen, nun ja, tut nichts... Ich bin hier nicht Gast, sondern Glaubiger, und fur Glaubiger ist das Kostum nicht vorgeschrieben.
=Luka= (kommt mit dem Schnaps). Sie erlauben sich viel, mein Herr...
=Smirnow= (zornig). Was?
=Luka.= Ich... Ich habe nichts... Ich habe eigentlich...
=Smirnow.= Zu wem sprichst du?! Halt den Mund!
=Luka= (beiseite). So eine Bescherung! Dieses Ungetum hat sich uns auf den Hals gesetzt. (Er geht ab.)
=Smirnow.= Ach Gott, wie bos ich bin! So bos, daß ich, scheint mir, die ganze Welt zu Staub zermalmen mochte... Sogar ubel wird mir... (Er ruft.) Diener!
Achter Auftritt.
=Frau Popow.= =Smirnow.=
=Frau Popow= (kommt mit gesenkten Augen). Geehrter Herr, ich habe mich in meiner Einsamkeit vollig der Menschenstimmen entwohnt und kann Geschrei nicht ertragen. Ich bitte Sie dringend, storen Sie meine Ruhe nicht!
=Smirnow.= Zahlen Sie mir mein Geld und ich reise ab.
=Frau Popow.= Ich sagte Ihnen bereits in Ihrer Muttersprache: ich habe das Geld jetzt nicht zur Verfugung, warten Sie bis ubermorgen.
=Smirnow.= Auch ich hatte die Ehre, Ihnen in Ihrer Muttersprache mitzuteilen, daß ich das Geld nicht ubermorgen, sondern heute brauche. Wenn Sie mir heute nicht zahlen, muß ich mich morgen aufhangen...
=Frau Popow.= Was soll ich aber tun, wenn ich das Geld nicht habe? Wie sonderbar!
=Smirnow.= Sie zahlen also nicht sofort? Nicht?
=Frau Popow.= Ich kann nicht...
=Smirnow.= Dann bleibe ich hier und werde so lange sitzen, bis ich das Geld bekomme. (Er setzt sich.) Sie werden ubermorgen zahlen? Ausgezeichnet! So bleibe ich bis ubermorgen. (Springt auf.) Ich frage Sie, muß ich morgen die Zinsen zahlen oder nicht?... Oder glauben Sie, ich scherze?
=Frau Popow.= Geehrter Herr, ich bitte Sie, nicht zu schreien! Hier ist kein Stall!
=Smirnow.= Ich frage Sie nicht nach dem Stall, sondern danach, ob ich morgen die Zinsen erlegen muß oder nicht?
=Frau Popow.= Sie wissen nicht, wie man sich einer Dame gegenuber betragt.
=Smirnow.= O doch, ich weiß, mich mit Damen zu benehmen.
=Frau Popow.= Nein, Sie wissen es nicht. Sie sind ein ungezogener, grober Mensch. Anstandige Leute sprechen nicht so mit Damen!
=Smirnow.= Ach, wie merkwurdig! Wie befehlen Sie denn mit Ihnen zu sprechen? Etwa franzosisch? (Boshaft lispelnd.) _Madame, je vous prie_ ... wie glucklich bin ich, daß Sie mir das Geld nicht bezahlen... Pardon, daß ich Sie gestort habe! Welch herrliches Wetter wir heute haben! Und wie gut Ihnen diese Trauerkleider stehen! (Er macht Kratzfuße.)
=Frau Popow.= Gar nicht witzig, aber grob!
=Smirnow= (nachahmend). Nicht witzig, aber grob! Ich weiß mich nicht in Damengesellschaft zu betragen! Meine Gnadigste, ich habe in meinem Leben viel mehr Frauen gesehen als Sie Sperlinge! Dreimal habe ich mich der Frauen wegen duelliert, zwolf Frauen habe ich sitzen lassen, neun haben mich sitzen lassen! Jawohl! Es gab eine Zeit, wo ich den Narren spielte, Honigworte lispelte, Kratzfuße, Komplimente machte... Ich liebte, litt, seufzte den Mond an, zerfloß in Liebesqualen. Ich liebte leidenschaftlich, ich liebte bis zur Raserei, in allen Tonarten, ich schnatterte wie eine Elster uber die Emanzipation, vergeudete infolge dieser zarten Gefuhle das halbe Vermogen, aber jetzt, hol' mich der Teufel, ist es genug! Gehorsamster Diener, jetzt lasse ich mich nicht mehr von Euch an der Nase herumfuhren. Genug! ≫Schwarze Augen, leidenschaftliche Augen, Korallenlippen, Grubchen in den Wangen, Mondenschein, Flustern, leises, schuchternes Atmen≪ -- fur das alles, meine Gnadige, gebe ich heute auch nicht einen Kupfergroschen! Ich spreche nicht von den Anwesenden, aber alle Frauen, von der kleinsten bis zur großten, sind aufgeblasen, heuchlerisch, klatschsuchtig, gehassig, verlogen vom Wirbel bis zur Zehe; eitel, kleinlich, grausam, von einer emporenden Logik und was das (er schlagt sich auf die Stirn) betrifft, so, verzeihen Sie mir die Aufrichtigkeit, kann ein Sperling einem x-beliebigen Philosophen im Unterrock zehn vorgeben! Sieht man ein solch poetisches Geschopf vor sich, so glaubt man, ein atherisches, gottliches Wesen zu erblicken, so wunderschon, ein Hauch und man zerfließt in tausend Entzuckungen und Wonnen -- sieht man aber in die Seele -- so ist es ein gewohnliches Krokodil! (Er greift eine Stuhllehne, der Stuhl kracht und bricht entzwei.) Das Emporendste ist aber, daß dieses Krokodil sich einbildet, es sei ein _Chef-d'oeuvre_, die zarten Gefuhle seien sein alleiniges Monopol. Der Teufel hol's, hangen Sie mich da an diesem Nagel mit den Fußen nach oben auf, wenn die Frau außer ihrem Seidenpinsch jemand lieben kann. Wenn sie liebt, versteht sie bloß, zu jammern oder Tranen zu vergießen. Wo der Mann leidet und Opfer bringt, dort außert sich ihre ganze Liebe darin, daß sie mit der Schleppe hin und her dreht und den Mann an der Nase herumfuhren will. Sie haben das Ungluck, eine Frau zu sein, Sie werden daher die Frauennatur kennen, sagen Sie mir auf Ehr' und Gewissen: haben Sie in Ihrem Leben schon eine Frau gesehen, die aufrichtig, treu und bestandig gewesen ware? Sie haben sie nicht gesehen! Treu und bestandig sind einzig und allein die Alten und die Mißgestalteten. Sie werden eher einer gehornten Katze oder einer weißen Waldschnepfe begegnen als einer treuen Frau!
=Frau Popow.= Aber erlauben Sie mir, wer ist denn nach Ihrer Meinung treu und bestandig in der Liebe? Etwa der Mann?
=Smirnow.= Jawohl! Der Mann!
=Frau Popow.= Der Mann! (Sie lacht ironisch.) Der Mann ist treu und bestandig in der Liebe! Das ist aber etwas ganz Neues. (Bitter.) Mit welchem Recht behaupten Sie das? Die Manner und treu, bestandig! Wenn wir schon soweit gekommen sind, so werde ich Ihnen sagen, daß von allen Mannern, die ich gekannt und kenne, der beste mein seliger Mann war... Ich liebte ihn leidenschaftlich, mit allen meinen Gefuhlen, wie nur eine junge, denkende Frau lieben kann; ich gab ihm meine Jugend hin, mein Gluck, das Leben, mein Vermogen, ich betete ihn an, wie eine Heidin und ... und was geschah? Dieser beste der Manner betrog mich auf Schritt und Tritt in der gewissenlosesten Art. Nach seinem Tode fand ich im Schreibtisch eine volle Lade mit Liebesbriefen und bei Lebzeiten -- mir ist es furchtbar, daran zuruckzudenken -- ließ er mich wochenlang allein, machte er in meiner Gegenwart anderen Frauen den Hof, hinterging er mich, verschwendete mein Geld und spottete uber meine Gefuhle... Und trotz alledem liebte ich ihn und war ihm treu... Ja noch mehr, er ist gestorben und ich bin ihm noch immer treu. Ich habe mich fur ewig zwischen den vier Mauern begraben und bis zum Tode lege ich diese Trauerkleider nicht ab...
=Smirnow= (lacht verachtlich). Trauerkleider!... Ich begreife nicht, fur wen Sie mich halten. Als ob ich nicht wußte, wozu Sie diesen schwarzen Domino tragen und warum Sie sich in den vier Wanden begraben haben. Ob ich das weiß! Das ist so geheimnisvoll, poetisch! Irgend ein Junker wird an dem Herrenhaus vorbeifahren, oder ein geckenhafter Poet zu den Fenstern hinaufblicken und sich denken: ≫Hier lebt die geheimnisvolle Tamara, die aus Liebe zu ihrem Gatten sich zwischen den vier Mauern begraben hat.≪ Wir kennen diese Kunststucke.
=Frau Popow= (aufspringend). Was? Wie unterstehen Sie sich, mir das alles zu sagen?
=Smirnow.= Sie haben sich lebendig begraben, Sie haben aber dabei nicht vergessen, Ihr Gesicht zu pudern!
=Frau Popow.= Wie wagen Sie es nur, mit mir so zu sprechen?
=Smirnow.= Schreien Sie nicht, ich bitte Sie, ich bin nicht Ihr Verwalter! Gestatten Sie mir die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Ich bin keine Frau und bin gewohnt, meine Meinung offen zu außern! Bitte also, nicht zu schreien!
=Frau Popow.= Nicht ich schreie, sondern Sie schreien. Lassen Sie mich in Ruh', ich bitte!
=Smirnow.= Zahlen Sie mir das Geld und ich reise ab.
=Frau Popow.= Ich werde Ihnen das Geld nicht geben.
=Smirnow.= Nicht? Sie geben es also nicht?
=Frau Popow.= Ihnen zum Trotz werden Sie keinen Kopeken bekommen! Sie sollen mich in Ruhe lassen!
=Smirnow.= Ich habe nicht das Vergnugen, Ihr Gemahl oder Ihr Brautigam zu sein, und bitte Sie daher, keine Szenen! (Er setzt sich.) Ich vertrage das nicht.
=Frau Popow= (schwer atmend vor Zorn). Sie setzen sich?
=Smirnow.= Ich sitze bereits.
=Frau Popow.= Ich bitte, gehen Sie!
=Smirnow.= Geben Sie das Geld! (Beiseite.) Ach, wie bose ich bin, wie bose!
=Frau Popow.= Ich wunsche nicht, mit unverschamten Menschen zu sprechen. Hinaus! (Pause.) Sie gehen nicht? Nein?
=Smirnow.= Nein.
=Frau Popow.= Nein?
=Smirnow.= Nein.
=Frau Popow.= Gut... (Sie klingelt.)
Neunter Auftritt.
=Die Vorigen.= =Luka.=
=Frau Popow.= Luka, fuhre diesen Herrn hinaus!
=Luka= (geht auf Smirnow zu). Mein Herr, gehen Sie doch, wenn man Ihnen befiehlt. Was wollen Sie hier...
=Smirnow= (aufspringend). Halt das Maul! Mit wem sprichst du? Ich zermalme dich zu Brei!
=Luka= (faßt sich nach dem Herz). Gerechter Gott! (Er fallt in einen Stuhl.) Ach, mir ist schlecht, ich habe keinen Atem!
=Frau Popow.= Wo ist Dascha? (Ruft.) Dascha! Pelageja! Dascha! (Sie klingelt.)
=Luka.= Ach, alle sind Beeren suchen gegangen... Keiner ist zu Hause! Mir ist schlecht! Wasser!
=Frau Popow= (zu Smirnow). Scheren Sie sich! Fort!
=Smirnow.= Wollen Sie nicht etwas hoflicher sein?
=Frau Popow= (die Fauste ballend und mit den Fußen stampfend). Sie sind ein Grobian! Ein grober Bar! Ein Ungeheuer!
=Smirnow.= Was, wa--as haben Sie gesagt?
=Frau Popow.= Ich habe gesagt, daß Sie ein Bar, ein Ungeheuer sind!
=Smirnow= (nahert sich ihr mit raschen Schritten). Aber erlauben Sie mir, welches Recht haben Sie, mich zu beleidigen?
=Frau Popow.= Ja, ich beleidige Sie. Was ist denn dabei? Sie glauben, daß ich mich vor Ihnen furchte?
=Smirnow.= Und Sie glauben wohl, als poetisches Geschopf haben Sie ein Recht, ungestraft zu beleidigen? Ich fordere Sie!... Da haben Sie es...
=Luka.= Barmherziger Gott! Wasser!
=Smirnow.= Es wird duelliert!
=Frau Popow.= Glauben Sie, weil Sie kraftige Fauste und einen Stiernacken haben, daß ich Sie furchte? Sie Grobian!
=Smirnow.= In die Schranken! Ich erlaube keinem, mich zu beleidigen, und schere mich nicht drum, daß Sie eine Dame, ein zartes Geschopf sind!
=Frau Popow= (bemuht sich, ihn zu uberschreien). Bar! Bar! Bar!
=Smirnow.= Es ist endlich Zeit, mit dem alten Vorurteil aufzuraumen, daß nur der Mann verpflichtet sei, fur eine Beleidigung Genugtuung zu geben. Wenn Gleichberechtigung, so Gleichberechtigung in allem, zum Teufel noch einmal! In die Schranken.
=Frau Popow.= Sie wollen sich also duellieren? Bitte!
=Smirnow.= Sofort!
=Frau Popow.= Sofort! Mein Mann hatte Pistolen... Ich bringe sie sogleich. (Sie geht eilig ab und wendet sich um.) O, mit welchem Vergnugen werde ich Ihnen die Kugel in die unverschamte Stirn jagen! Der Teufel hole Sie! (Geht ab.)
=Smirnow.= Wie ein Huhnchen schieße ich sie nieder! Ich bin kein gruner Junge, kein sentimentaler, junger Hund! Fur mich gibt es keine zarten Geschopfe!
=Luka.= Vaterchen, (er fallt auf die Knie) erbarme dich meiner, eines alten Mannes, erweise mir die Gnade und geh' fort von hier! Du hast mich zu Tode erschreckt und jetzt willst du dich noch duellieren!
=Smirnow= (hort ihn nicht). Duellieren ... darin liegt die Gleichberechtigung, die Emanzipation! Dabei sind beide Geschlechter gleich. Aus Prinzip schieße ich sie nieder. Aber was sagt man zu solch einem Weib (nachahmend) ≫der Teufel hole Sie! Ich werde die Kugel in Ihre unverschamte Stirn jagen!≪ Was sagt man dazu? Hat sich ereifert, die Augen blitzten ... sie hat die Forderung angenommen. Bei meiner Ehre, zum erstenmal in meinem Leben sehe ich eine solche Frau!
=Luka.= Vaterchen, geh' fort! Geh' fort von hier!
=Smirnow.= Das ist eine Frau! Das begreife ich. Ein echtes Weib! Kein weicher Teig, nicht zerflossen, sondern Feuer, Schießpulver, eine Rakete! Es ware schade, eine solche niederzuschießen!
=Luka= (weint). Vaterchen, geh' fort!
=Smirnow.= Sie gefallt mir entschieden! Entschieden! Trotz der Grubchen in den Wangen gefallt sie mir. Ich bin sogar bereit, ihr die Schuld nachzusehen ... und der Zorn ist mir vergangen ... eine merkwurdige Frau!
=Frau Popow= (kommt mit den Pistolen).
Zehnter Auftritt.
=Die Vorigen.= =Frau Popow.=
=Frau Popow.= Da sind die Pistolen ... aber ehe wir uns duellieren, zeigen Sie mir, bitte, wie man schießen muß... Ich habe noch nie im Leben eine Pistole in der Hand gehalten.
=Luka.= Gott sei uns gnadig und erbarme dich unser! Ich gehe und hole den Gartner und den Kutscher... Woher ist nur dieses Unheil uber uns gekommen? (Er geht ab.)
=Smirnow= (betrachtet die Pistolen). Sehen Sie, es gibt verschiedene Sorten von Pistolen... Es gibt speziell Duellpistolen von Mortimer, mit Kapseln. Aber das sind Revolver System Smith und Wesson, mit einem Extraktor ... herrliche Pistolen. So ein Paar kostet mindestens neunzig Rubel... So muß man den Revolver halten... (Beiseite.) Diese Augen, diese Augen! Ein feuriges Weib!
=Frau Popow.= So?
=Smirnow.= Ja, so ... dann ziehen Sie den Hahn auf ... da... So legen Sie an... Den Kopf ein wenig zuruck... Strecken Sie gefalligst den Arm fest aus! So ... dann drucken Sie mit diesem Finger auf das Ding da, und das ist alles. Die Hauptregel ist aber: nicht aufgeregt sein, sich nicht beeilen beim Zielen und darauf achten, daß die Hand nicht zittere.
=Frau Popow.= Gut. Im Zimmer ist es unbequem zu schießen, gehen wir in den Garten.
=Smirnow.= Gehen wir. Ich mache Sie jedoch darauf aufmerksam, daß ich in die Luft schießen werde.
=Frau Popow.= Das fehlte noch. Warum?
=Smirnow.= Weil ... weil ... das ist meine Sache, warum!
=Frau Popow.= Sie haben Angst bekommen! Ja? A--a--h? Nein, mein Herr, nur keine Ausfluchte! Bitte, folgen Sie mir! Ich werde mich nicht eher beruhigen, bis ich Ihre Stirn durchbohrt haben werde, diese Stirn, die ich so sehr hasse. Sie haben Angst bekommen?
=Smirnow.= Ja, ich habe Angst bekommen.
=Frau Popow.= Sie lugen. Warum wollen Sie sich nicht schlagen?
=Smirnow.= Weil ... weil ... weil Sie mir gefallen.
=Frau Popow= (mit bosem Lachen). Ich gefalle ihm! Er wagt es zu sagen, daß ich ihm gefalle! (Sie zeigt nach der Tur.) Gehen Sie!
=Smirnow= (legt schweigend den Revolver auf den Tisch, nimmt den Hut und geht; an der Tur bleibt er stehen; eine Weile sehen sie sich schweigend an, dann nahert er sich unschlussig). Horen Sie ... sind Sie noch bose?... Ich war auch teufelswutend, aber verstehen Sie mich nur recht ... wie soll ich mich nur ausdrucken?... Die Sache ist namlich die ... daß solche Geschichten eigentlich... (Er schreit.) Nun ja, ist es denn meine Schuld, daß Sie mir gefallen? (Ergreift die Stuhllehne, der Stuhl kracht und bricht entzwei.) Der Teufel weiß, was fur gebrechliche Mobel Sie haben! Sie gefallen mir! Verstehen Sie? Ich... Ich bin fast verliebt!
=Frau Popow.= Fort von mir, ich hasse Sie!
=Smirnow.= Gott! Welch ein Weib! Ich habe nie im Leben so etwas Ahnliches gesehen! Ich bin verloren, ruiniert! Ich bin in die Mausefalle geraten, wie eine Maus!
=Frau Popow.= Gehen Sie, oder ich schieße!
=Smirnow.= Schießen Sie! Sie konnen nicht begreifen, welches Gluck es ist, unter den Blicken dieser herrlichen Augen zu sterben, zu sterben durch den Revolver, den dieses kleine Sammethandchen halt... Ich bin verruckt geworden! Bedenken Sie und entscheiden Sie sofort, denn wenn ich jetzt von Ihnen gehe, sehen wir uns nie wieder. Entscheiden Sie, sprechen Sie... Ich bin von Adel, ein anstandiger Mensch, habe Zehntausend jahrlich Einkommen... Treffe mit dem Gewehr eine Munze, die in die Luft geworfen wird... Ich besitze herrliche Pferde. Wollen Sie meine Frau werden?
=Frau Popow= (emport, schwingt den Revolver). Schießen! In die Schranken.
=Smirnow.= Ich bin um den Verstand gekommen... Ich begreife nichts. Diener! Wasser!
=Frau Popow= (schreit). In die Schranken!
=Smirnow.= Ich habe meinen Verstand verloren ... ich habe mich verliebt, wie ein gruner Junge, wie ein Narr verliebt! (Er ergreift ihre Hand, sie schreit vor Schmerz auf.) Ich liebe Sie! (Er kniet nieder.) Ich liebe Sie, wie ich noch nie geliebt habe! Zwolf Frauen habe ich sitzen lassen, neun sind mir untreu geworden, aber keine einzige von ihnen habe ich so geliebt wie ich Sie liebe. Ich bin besiegt, verloren, ich liege auf den Knieen wie ein Narr und biete Ihnen die Hand an... Schmach und Schande! Funf Jahre lang habe ich mich nicht verliebt, ich habe es mir gelobt und nun bin ich mit einem Mal hineingeraten, wie die Deichsel in einen fremden Kutschkasten! Ich biete Ihnen die Hand an, Ja oder nein? Wollen Sie nicht? Dann nicht. (Er steht auf und geht schnell zur Tur.)
=Frau Popow.= Warten Sie...
=Smirnow= (bleibt stehen). Nun?
=Frau Popow.= Nichts... Sie konnen gehen! Ubrigens, warten Sie! Nein, gehen Sie, gehen Sie! Ich hasse Sie! Oder nein! Gehen Sie nicht fort! Ach, wenn Sie wußten, wie bose ich bin, wie bose! (Sie wirft den Revolver auf den Stuhl.) Die Finger sind mir angeschwollen von diesem Ekel... (Sie zerreißt vor Zorn ihr Taschentuch.) Was stehen Sie noch da? Packen Sie sich!
=Smirnow.= Leben Sie wohl!
=Frau Popow.= Ja, ja, gehen Sie nur! (Schreit.) Wohin gehen Sie denn? Warten Sie... Ubrigens gehen Sie... Ach, wie bose ich bin! Kommen Sie nicht zu nahe, kommen Sie nicht zu nahe, kommen Sie mir nicht naher!
=Smirnow= (nahert sich ihr). Wie ich mich uber mich selbst argere! Wie ein Gymnasiast habe ich mich verliebt, auf den Knieen habe ich gelegen ... mich uberlauft es eiskalt... (Streng.) Ich liebe Sie! Das hat mir gefehlt, ich habe es notwendig gehabt, mich zu verlieben! Morgen muß ich Zinsen zahlen, die Heuernte hat begonnen und da erscheinen Sie. (Er faßt sie um die Taille.) Ich werde es mir nie verzeihen!
=Frau Popow.= Weg! Die Hande weg! Ich hasse... Sie!... In die Schranken! (Langer Kuß.) |
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