SYPHAX: Paßt auf ... um so schlimmer, wenn sie schlecht sind:
Du Sonne, deren letzten Strahlen Dich Karpfen durchaus goldig malen, Laß auch den Dichter ohne Qualen Dir diesen Spruch als Dank bezahlen.
PHARNACES und CANDAULES: Bravo, Syphax!
NICOMEDES: Hoffen wir, der Fisch ist besser als das Gedicht. (Man reicht den Fisch.)
CANDAULES: Wie findet Ihr ihn, Pharnaces? Archelaos?
PHARNACES: Ausgezeichnet ...
ARCHELAOS (mit einem Schrei): Holle! Was ist das? -- Beinahe hatt' ich einen Ring gegessen!
NICOMEDES und ANDERE: Einen Ring? --
ARCHELAOS: Und habe mir zwei Zahne daran ausgebrochen.
SYPHAX (leise): Was ein gefraßiges Tier!
ARCHELAOS: Er war im Fleisch des Fischs versteckt. Ihr lacht dazu?!
SYPHAX und ANDERE (lebhaft widersprechend): Durchaus nicht! Nicht im geringsten!
SEBAS: Du nimmst eben zu große Bissen.
ARCHELAOS: Ich hatte dran ersticken konnen.
SYPHAX: Mindestens.
NICOMEDES: Zeig' doch den Ring.
PHILEBOS (gibt ihn ihm): Er ist nicht ubel.
NICOMEDES (nimmt ihn in der Reihe): Im Fisch, sagst Du?
SYPHAX: Hochst sonderbare Nahrung.
NICOMEDES: Der Stein darin ist hubsch.
CANDAULES: Ein ganz gewohnlicher Saphir, nichts weiter. Ich hab' mehr solche, großer noch und reiner. Morgen sollst Du sie sehen, Nicomedes.
SYPHAX (zu dem nun der Ring, der die Runde gemacht, gekommen): Wem gehort er nun, der Ring?
ARCHELAOS: Mir gab ihn der Fisch und ich geb ihn dem Konig.
SYPHAX: Fur Archelaos ist das Wort sehr hubsch.
EINIGE: Dem Konig den Ring, dem Candaules!
PHEDROS (der den Ring genommen, um ihn dem Konig zu geben): Halt, da ist was eingeschrieben.
NICOMEDES (neigt sich schauend zu Phedros): Syphax hat Recht: der Karpfen hat gesprochen.
DIE KONIGIN und CANDAULES: Was sagt er?
NICOMEDES: Ich seh' nicht deutlich.
PHEDROS: Pharnaces hat scharfe Augen.
PHARNACES (erhebt sich und geht mit dem Ring zu einer der Fackeln, die die Diener mittlerweile gebracht hatten): Zwei griech'sche Worte.
CANDAULES: Und heißen?
PHARNACES: εὐτυχίαν κρύπτω
PHEDROS: ≪Ich verberge das Gluck.≫
EINIGE: ≪Ich verberge das Gluck≫? Was fur ein Gluck?...
NICOMEDES: Das Wort ist dunkel.
PHARNACES (als ob er noch etwas sahe): Wartet! -- Da ... (Alle in Erwartung.) Nein -- es ist alles. Konig Candaules, ich stecke diesen ratselvollen Ring an Deinen Finger.
CANDAULES (halt mit einer Geste Pharnaces zuruck): Koch! -- Woher kommt der Fisch?
DER KOCH: Ein Mensch bracht' ihn vorhin. Der Fisch war schon, so kaufte ich ihn.
CANDAULES: Wo ist der Mensch?
DER KOCH: Er ist heim.
CANDAULES: Weshalb hast Du ihn nicht zum Gelage in der Kuche zuruckgehalten?
DER KOCH: Er wollte nicht.
CANDAULES: Ich seh's nicht gern, daß man zuruckweist, was ich biete ... Was fur ein Mensch?
DER KOCH: Ein armer Fischer, weiter besond'res nichts.
CANDAULES: Und Du, Du gabst ihm fur den Fisch?
DER KOCH: Vier Silberstucke.
CANDAULES: Gold verdiente er dafur.
DER KOCH: Er ist so unglucklich, daß Silber ihm genug ist.
CANDAULES: Es gibt nur Gluckliche in meinem Reich, -- oder es ist, daß ich ihn nicht kenne. Wie heißt er?
DER KOCH: Er hat, zu dienen, den Namen Gyges.
CANDAULES: Man suche ihn. Ich will ihn kennen. Ich schwore es, kein Finger kommt in diesen Ring, bevor ich nicht den Mann gesehn. Gyges sagst Du?
DER KOCH: Ja, Gyges.
CANDAULES: Bevor ich nicht mit Gyges, dem Fischer, gesprochen. Geh! Such' ihn!
DER KOCH (gibt einem Mann Befehle): Auf der Stelle.
(Ein ziemlich langes Schweigen begleitet das Schweigen des Konigs. Dann hort man):
SEBAS: Es ist luftiger hier als drinnen im Saal.
PHILEBOS: Und diese Stelle hier im Garten ist wundervoll zur Nacht.
NICOMEDES: Was fur ein Blick! Ich hab' es gern, wenn man so bis aufs Meer sieht: -- wo sich, da seht, der wachsende Mond heraufhebt.
NYSSIA: Was ist das fur ein Leuchten?
PHILEBOS: Es ist der Mond, hohe Frau.
NYSSIA: Nein! Da, da unten, ganz am Rand der Kuste.
PHARNACES: Man mochte sagen, eine Hutte brennt.
NICOMEDES: Es sieht sehr schon aus, so in der Nacht, das Brennen.
SEBAS: Diese Fasane sind vorzuglich.
ARCHELAOS: Ich habe eine Wachtel genommen.
SYPHAX: Candaules spricht kein Wort und scheint bekummert.
CANDAULES: Man sieht fast nichts mehr ... bringt Fackeln, mehr Fackeln. (Man bringt Fackeln.) -- Mein Becher ist leer. Der Eure auch. Philebos! Pharnaces ... der Wein verdirbt.
(Philebos, dem man Wein eingießen will, weist zuruck.) Und wenn Du schon nicht trinkst, so sprich -- ich bin voll Unruh ... dies Wort im Ring ... was denkst Du davon? Philebos? Ich kann mein Denken nicht davon wenden.
PHILEBOS: Weshalb, Candaules? Ich glaube, nichts weiter ist's als solcher doppelsinniger Worte Spiel, wie sie im Brauche der Orakel. Was sie Geheimnisvolles haben, ist nur der Glaube, den man ihnen gibt. Mit vieler Muhe findet man am Ende nichts weiter in dem Ratsel als eine ganz gemeine Alltagswahrheit.
PHARNACES: Und ofter noch findet man uberhaupt nichts.
CANDAULES: So meint Ihr, die Worte wollen fast nichts sagen?
PHILEBOS: ≪Ich verberge das Gluck≫ --? Nein ... nichts.
CANDAULES: So besser so. Ich hatte mich davon beunruhigen lassen.
NICOMEDES: Und dann, wenn Worte dieser Art schon einem nuchternen Menschen widerspenstig scheinen, sind wir, der eine nicht und nicht der andere, glaub' ich, jetzt im Stand, das Ratsel zu losen.
SYPHAX: Du hast recht, Nicomedes! Trinken wir kurz und gut auf das Gluck des Candaules. Er macht es dem Ring nicht nach, er verbirgt sein Gluck nicht, im Gegenteil! --
PHARNACES (erhebt sich, um mit den Anderen anzustoßen): Es lebe Candaules, der glucklichste Mensch der Erde!
CANDAULES (schlagt mit der Faust heftig auf den Tisch): Was! Mein Gluck! Was wißt ihr von meinem Gluck!? Was!
PHEDROS: Nichts, Candaules.
CANDAULES (sich besinnend): Verzeiht, Ihr werten Herren -- ich weiß nicht, was mich so bewegen konnte ... Und Ihr, Nyssia, die Ihr schweigt, wenn man an Euch nicht ganz besonders das Wort richtet -- sagt, was denkt Ihr von meinem Gluck?
NYSSIA: Daß es ist wie ich, hoher Herr.
CANDAULES (von Neuem erregt): Ratsel! Wieder Ratsel! -- Was meint Ihr damit? Sprecht!
NYSSIA: Ich wollte sagen, das Gluck verwelkt, wird es entschleiert.
CANDAULES (in dem der Wein zu wirken beginnt): So bedeckt Euch! Es liegt mir nichts mehr daran nun Jeder Euch gesehen hat.
NYSSIA (macht eine Bewegung traurigen Erstaunens).
CANDAULES: O, verzeiht, Nyssia!... Was habe ich sagen konnen? Ach Schmerz ... ich will Euch keinen Schmerz antun. Doch weil mein Gluck, weil mir mein unverborg'nes Gluck im Andern seine Kraft und seine Heftigkeit zu schopfen scheint, so kommt's mir vor, oft kommt's mir vor, es existierte nur im Wissen, daß die Andern davon haben und daß ich's erst besitze, wenn Andere wissen, daß ich es besitze. Dies schwor' ich Euch, Ihr Freunde, wenig lag' mir daran, die Erde mein zu nennen, war' ich allein auf ihr und keiner da, der wußte, daß die Erde _mein_ ist. Glaubt mir dies: ich fuhle meinen Reichtum nur, da Ihr ihn nutzt. Ich bin so reich ...! Kein Rausch ist stark genug, daß er mich dieses ubertreiben machte: ich bin sehr reich. Und da ich vorhin unwillig ward, als Ihr mein Wohl, das Wohl des reichsten Menschen dieser Erde tranket, so war es nur, weil Ihr ja gar nicht wißt, wie reich ich bin.
PHEDROS: Nicht auf Deinen Reichtum tranken wir, Candaules, wir tranken auf Dein Gluck.
CANDAULES (beugt sich vor, sich ereifernd): Das ist das Schlimm're! Was? Was wißt Ihr von meinem Gluck? Weiß ich denn selbst davon? Kann man sein Gluck denn ansehn, greifen? Man sieht nur das der Anderen. Das eigene fuhlt man nur, wenn man's nicht ansieht. -- Die Luft ist schwul heut Nacht und ihre Wollust druckend ... Und dieser Gyges! Was ist's mit ihm! (Er erhebt sich und schwankt ein wenig, aber ganz wenig.) Wenn Gyges kommt, so wollen wir ihn betrunken machen. (Man gießt ihm ein. -- Er nahert sich Phedros.) Und Du weißt nicht, Phedros, noch nicht weißt Du -- ein Geheimnis ...
(Er setzt sich zwischen Phedros und Simmias. Die Tafel ist etwas in Unordnung, wie bei unsern Mahlzeiten, wenn der Kaffee gereicht wird. Nicomedes nahert sich der Konigin und spricht zu ihr.)
CANDAULES (zu Phedros): Und dann -- was liegt mir, mir am Gluck? Nicht wahr, 's ist nur des Armen wurdig, sich zu beschaftigen mit dem Glucklichsein. Sag, verstehst Du mich, Phedros? Und Deine Weisheit, unterschreibt sie, was ich nur Dir sagen kann? Jedes neue Gut, das man besitzt, es schleppt sein neues Verlangen nach, es zu probieren, es zu wagen ... Und Besitzen, das ist fur mich Versuchen, Wagen. (Er schlagt mit seinem Becher auf den Tisch und hort auf den Ton.) Warum sagst Du nichts, Phedros? Hast Du nichts getrunken? Phedros, ist Dein Gluck denn in der Ruhe? Hab' ich mehr Weisheit, als Du Philosoph, um zu verstehen, daß, nur wo das Leben uberfließt, das Gluck ist? O Phedros! Fur mehr Gluck und mehr Leben verbraucht sich der Mensch, wenn er arm ist, im Verlangen -- das ist die eine Art, verstehst Du? Aber nichts verlangen, nein: Arbeiten fur das, was man verlangt. Und wenn man es hat, es wagen. Verstehst Du. Das Gluck auf's Spiel setzen -- das ist die andere Art, die Art der Reichen. Das ist die meine. Ich bin so reich, Phedros, und des Lebens so voll ...
SIMMIAS: Ware Dein Gluck eine Freundschaft, Du sprachst nicht davon, mit diesem Gluck zu spielen, Candaules: aber eine Freundschaft, das ist es, was Dir fehlt.
CANDAULES: Du hast recht. Um wieviel Schatze, schoner Simmias, kaufte ich nicht die Deine!
DER KOCH (kommt mit Gyges, von links.)
DER KOCH: Konig, hier ist der Fischer.
CANDAULES (von der rechten Seite des Tisches, wo er sich niedergelassen): Also Du bist Gyges?
GYGES: Ja, ich bin Gyges, Konig Candaules.
CANDAULES: Gyges, der Fischer.
GYGES: Ja, Gyges der Fischer.
CANDAULES: Gyges, der Arme.
GYGES: Gyges, der Arme, Konig Candaules.
ARCHELAOS: Er ist nicht sehr gesprachig.
SEBAS: Das hat er von den Fischen.
CANDAULES: Laß, Sebas, -- Komm naher, Gyges. Warum bist Du nicht beim Gelage in den Kuchen?
GYGES (antwortet nicht).
CANDAULES: Man reiche ihm einen Becher. Trinkst Du manchmal Wein?
GYGES: Sozusagen nie.
CANDAULES: Trink! (Er sieht einen Sklaven gewohnlichen Wein eingießen.) Nein! Nicht von dem! Bessern.
PHARNACES: He! Das schmeckt, Gyges!
CANDAULES: Laß, Pharnaces! Ist es wahr, daß Du so unglucklich bist, Gyges?
GYGES: Nein, nicht unglucklich -- elend.
CANDAULES: Bist Du sehr arm?
GYGES: Ich habe, was ich brauche.
SYPHAX: Fur einen Fischer ist er gar nicht so dumm.
CANDAULES: Was hast Du denn?
GYGES: Ich hatte ein kleines Haus. Aber mein Weib kam aus Deinen Kuchen, Konig, und hatte sich da ein wenig betrunken. Sie wollte das Herdfeuer aufschuren, mir meine Suppe zu warmen. Sie brachte Feuer an's Stroh und, ich weiß nicht wie es kam, die Hutte war wohl ausgedorrt -- Alles brannte nieder.
CANDAULES: Hattest Du sonst nichts, Gyges?
GYGES: Meine Netze -- sie verbrannten in der Hutte.
CANDAULES: Wie kann auf dieser selben Erde, neben einem Gluck wie dem meinen, wie kann ein solches Elend sein?... Ich will Dein Weib sehen armer Gyges.
ARCHELAOS: Und ich auch.
GYGES: Sie sehen? -- Leicht, Candaules, sie ist nicht weit. Ich wollte sie nicht allein lassen, denn sie ist betrunken, so nahm ich sie mit mir. (Gyges ab.)
SEBAS (stoßt Archelaos mit dem Ellenbogen, leise): Archelaos, das gibt zu lachen! S' ist _die_! Du weißt, mein Schatz von gestern Nacht.
ARCHELAOS: Ich bin gespannt. (Zu Pharnaces.) Candaules hat da wahrhaftig einen wunderbaren Einfall! (Zu Sebas.) Ist sie wenigstens schon?
SEBAS: Was willst Du! Ein Fischerweib!
PHARNACES: Na weißt Du, ich hab' schon Bauerinnen gesehen, die nicht ...
PHEDROS (sieht Gyges mit seinem Weibe kommen; die ist wie eine Wilde, das Haar wirr und schlecht gekleidet): O Konig, was Du tust, ist gefahrlich!
GYGES: Hier, werte Herren, ist das Weib des Gyges.
ARCHELAOS (lacht).
CANDAULES: Wie heißt sie?
GYGES: Ich ruf' sie Trydo.
SEBAS: Haha, hatt ich das gewußt! Trydo! Trydo!
CANDAULES: Gebt Frieden! (Leise.) Laßt mich gut zu diesem Menschen sprechen. Nun, armer Gyges, das ist alles, was Du hast?
GYGES: Besser das Wenige, aber das fur mich allein.
SEBAS (platzt heraus, zu Archelaos): Paß auf!
GYGES: Vier Dinge waren mein Eigen, ich hab' nur mehr zwei. Man halt zwei Dinge besser in den Handen als vier.
CANDAULES: Was sind das fur zwei Dinge, tapfrer Gyges?
GYGES: Das eine ist mein Weib.
SEBAS (kann sich nicht mehr halten): Ach, mein lieber Gyges, was das Weib betrifft, da kannst Du sicher sein, daß Du es nicht allein besitzest.
CANDAULES (entrustet): Sebas!
SEBAS: Nein. Aber es darf doch dieses Schwein nicht kommen und sich stolz vor mir machen und sagen, daß er das Weib da allein hat ...
CANDAULES: Sebas!
SEBAS: Wenn sie, wahrend er seinen gehornten Fisch fangt, (Archelaos krummt sich vor Lachen) nicht, Trydo, he? Gestern in der Kuche ...
NYSSIA (zu Candaules): Aber, mein Gebieter, das ist ja furchterlich ...
CANDAULES: Ich bitt' Euch, Nyssia. Ich werde es nicht dulden, daß man diesen Mann beschimpft.
GYGES: Danke, Candaules. -- Und Du, Herr, dessen Namen ich gar nicht kenne und den zu kennen mich wahrhaftig nicht verlangt -- Du vermagst viel uber mich, ich uber Dich -- nichts. Aber ich vermag alles uber die da. Sie gehort mir, sag ich Dir. (Er reißt ein Messer vom Tisch und sticht auf Trydo.) Sie gehort mir! -- (Bewegung.) Sie gehort mir!
NYSSIA: Haltet ihn doch!
NICOMEDES: Archelaos! Sebas! Haltet ihn doch!
SEBAS (der sich erhoben, verwickelt sich mit seinen Beinen in seine Kleider und rollt, vollig betrunken, unter den Tisch).
NYSSIA (erhebt sich und will gehen).
NICOMEDES (versucht, sie zuruckzuhalten.)
PHARNACES: Dieser Mensch ist scheußlich!...
CANDAULES: Nein, Pharnaces, wunderbar ist er! Und vornehmer als Du, Sebas. -- Sebas! Wo ist er denn?
NICOMEDES: Er ist unter den Tisch gefluchtet.
CANDAULES: Laß ihn, Pharnaces, er ist besser dort, als anderswo. Nyssia! Ihr geht?
NYSSIA (ab).
GYGES (der eine Weile neben seinem toten Weibe steht, will fort.)
CANDAULES: Bleib! Bleib! Gyges! Gyges!
GYGES: Nein, Herr.
CANDAULES: Gyges!
GYGES: Nein. -- Nichts hab' ich mehr als eines -- das kann mir keiner rauben. (Fragende Geste des Candaules) Mein Elend!
CANDAULES: Ja, Gyges; und der es von Dir nimmt, bin ich, Dein Herr.
GYGES: Ich bin nicht Dein Knecht, o Konig.
CANDAULES: Das sagst Du gut. Ihr hortet es, Philebos und Phedros. Nein, Du bist mein Knecht nicht, Gyges, und ich bin nicht Dein Herr; Dein Freund! (Zu den Dienern) Man richte im Palast ein Gemach fur ihn. -- Die Tafel ist aufgehoben, meine Herren. Heute wird wohl keiner mehr trinken wollen.
Vorhang schnell.
ZWEITER AKT
Die Szene ist ein Gemach im Palaste, offen nach links und da von einer Terrasse abgeschlossen, auf der Musikanten ihren Platz haben. CANDAULES und GYGES sitzen noch beim Schluß eines Mahles, fast ausgestreckt auf niedrigen Stuhlen. GYGES ist glanzend gekleidet. Die Musikanten spielen.
Erste Szene.
CANDAULES: Nun qualt mich die Musik. Hort auf! Gyges weiß nun, was ihr konnt. Jede Regung hat nichts sonst Kostliches als ihre Uberraschung. Unsere Freude gleicht dem beweglichen Wasser des Stromes -- es dankt die Frische seiner wahrenden Flucht. (Zu den Musikanten.) Geht und zerstreut die Gaste in den Garten. Entschuldigt mich bei ihnen. Und daß ich spater in der Nacht noch komme. Versucht mit Eurem leichten Spiel, sie wach zu halten. (Die Musikanten ab.) Deckt ab! (Die Diener beeilen sich damit.) Den sußen Wein laßt da ... Vielleicht trinkt Gyges noch davon ... Gib Deinen Becher, Gyges. -- Er kommt von Cypern. -- Liebst Du ihn? (Zu den Dienern, die abseits stehen.) Bringt uns bald Licht. Der Abend schließt sich. Geht! (Die Diener ab. Candaules ruckt Gyges naher.) Freund Gyges! So mußtest Du, wenn Dir das Meer nicht gnadig war, hungrig zu Bett.
GYGES: Ja, Candaules. Es gibt in Deinen Landern mehr als einen Armen, der ofter als an einem Abend ohne Mahl sein Lager aufsucht.
CANDAULES: Das hatt' ich fruher wissen mogen.
GYGES: Wozu?
CANDAULES: Vielleicht -- um mich darum zu kummern.
GYGES: Um Dein Gluck Dir zu verderben?...
CANDAULES: Nein, nein -- mein Gluck hatte das Elend besiegt ... Ich glaubte es so groß, so strahlend groß, daß neben ihm nichts Armes moglich ware.
GYGES: Was Du fur mich getan, das hattest Du so auch getan, so ohne mich zu kennen?
CANDAULES: Selbst ohne Dich zu kennen, ja, wahrhaftig.
GYGES (wendet sich traurig ab): So siehst Du, daß Freundschaft zwischen uns nicht sein kann.
CANDAULES: Weshalb denn? Sag!
GYGES: Was Du fur mich getan, das tatest Du aus Mitleid. Man hat nicht Freundschaft, man hat nur Mitleid mit den Armen.
CANDAULES: Arm! Bist Du's denn noch? Steh' auf und sieh Dich an! Dein Kleid ist doch ein anderes. Glanzender Gyges, wer wollte Dir jetzt wohl sein Mitleid schenken? (Gyges hat sich erhoben, er betrachtet sein kostbares Gewand, doch sieht bekummert und wendet sich von Candaules.) Nimm diese Kette ... (Er nimmt eine seiner Halsketten ab und will sie Gyges umhangen, der abwehrt.) Ich will es. (Gyges tragt nun die Kette und setzt sich wieder. Candaules neben ihm, eindringlich): Glaubst Du mich reich?
GYGES: Ja.
CANDAULES: Sehr reich?
GYGES: Ja, sehr reich.
CANDAULES: Dann sag mir noch, ... wie ... wie reich?
GYGES: Ich weiß, so weit mein Blick reicht, ist Dein Land.
CANDAULES: O großer, Gyges, viel großer!
GYGES: Man sagt, Du habest Inseln auf dem Meer.
CANDAULES: Meine schwerbeladenen Schiffe kommen her von dort ... Doch, das ist nur ein kleiner Teil ... Kannst Du Dir denken, wie viel Gold in meinen Kellern liegt?
GYGES: Fast so viel, denk' ich, als den Armen fehlt.
CANDAULES: Sprich mir nicht von den Armen, Gyges, ich kann sie reich machen wie Konige und wurd' es doch kaum spuren in meinem Schatzhause. Morgen sollst Du es sehen. Deine Hutte war eng, Gyges, nicht wahr?
GYGES: Eng und niedrig, ja, Candaules.
CANDAULES: Und Geschmeide, glaubst Du, daß ich Geschmeide habe?
GYGES: Du zeigtest mir sehr schone ...
CANDAULES: Ich habe noch schonere, Du wirst sehen. Was trinkst Du fur gewohnlich?
GYGES: Wasser.
CANDAULES: Schmeckt Dir der Wein?
GYGES: Er mag nicht schlecht sein.
CANDAULES: Ich habe besseren.
GYGES (zieht seinen Kopf aus seinen Handen): Konig Candaules, weshalb haltst Du so viel darauf, daß ich Deinen Reichtum kenne?
CANDAULES: Damit Dich die Freundschaft freut, die Dich von all den Schatzen genießen laßt.
GYGES: Ich dachte, die Freundschaft, die Du wolltest, war nicht die Deines Reichtumes, aber Deiner selbst ...
CANDAULES: Laß Deinen Spott, Gyges. Und wehr' Dich nicht gegen das Gluck. Was liegt daran, daß Einer gibt, der Andere nimmt, wo Beide sich desselben Gutes freuen? Hor': Unmut und Kummer ist in mir, so lang' Du nicht die ganze Fulle meines Reichtums kennst.
GYGES: Viel besitzt Du, dessen Namen nichts fur mich bedeutet. Was nanntest Du mir alle Deine Schatze? Wie sie schmecken, laßt sich das denken? Was man nicht haben kann, ist besser, nicht daran zu denken.
CANDAULES: Aber ich geb' Dir alles das ... Alles ... Alles ... O Gyges, zu lang unglucklicher Gyges. Ich mochte heut' Dein Gluck großer als je Dein Ungluck groß war und Dein Schmerz. (Die Diener bringen Fackeln und gehen ab. Schweigen.) An was denkt mein Freund?... Um diese Stunde, was tat er gestern? Mude von der bittern Welle, trauriger Fischer
GYGES (unterbrechend): Kam er in seine Hutte, wo Trydo ihn erwartete.
CANDAULES: Trydo ... ja -- Du trauerst um sie! Armer Gyges ... Komm zu mir, sag -- Du liebtest sie? (Gyges schweigt.) Hast Du fur mich nur eine Freundschaft, die kein Vertrauen kennt? -- Mein Freund Gyges, sag, sprich doch ... Du liebtest sie? -- Gyges?
GYGES (legt den Kopf in die Hande und bebt): Die Winternachte war sie warm in meinem Bett ... Ich sagte zu ihr: Trydo; und sie sprach: Meister. -- Ich glaubte, sie liebte mich, und ich war glucklich.
CANDAULES: Armer Gyges! (Er hat sich erhoben, geht langsam den Saal nach ruckwarts, leise.) Was flusterst Du mir da zu, unruhiger Gedanke? (Er loscht entschlossen einige Fackeln; dann wendet er sich, noch immer ruckwarts, zu Gyges.) Gyges -- weißt Du, weshalb mich die Liebe zu Dir faßte? -- Du allein hast die Schonheit der Konigin verstanden ... Bevor Du sie sahest, konntest Du glauben, Dein Weib sei schon ... Aber ich weiß es, kaum daß Du Nyssia sahest, da schien Dir auch Trydo nicht mehr schon. (Er kommt Gyges naher.) Deshalb ... hast Du sie getotet, nicht wahr, Gyges?
GYGES: Wie kannst Du das denken, o Konig!
CANDAULES: Fing ich Dich, Gyges?
GYGES: So wahr ich an Gott glaube, dies ist nicht so.
CANDAULES (nimmt wieder sein Gehen auf): Du glaubst an Gott?
GYGES: Ich glaube.
CANDAULES: Ich nicht viel. -- Einfach Du selber kannst Du auch nur Einfaches denken, ich aber ... (leise) lauter, sprich lauter, mein jungster Gedanke! Wohin willst Du mich fuhren? Herrlicher Candaules ... (Er schreitet im Gemach, loscht wieder eine Fackel, dann zu Gyges gewandt.) Also wirklich deshalb, weil ... So war es Dir so arg, zu wissen, daß Dein Weib nicht Dir allein gehorte?
GYGES: Dafur hab' ich sie getotet -- und weil ich den Andern nicht toten konnte.
CANDAULES: Stolzer Gyges!... Sonderbar ... muß man so wenig sein Eigen nennen, um es so fur sich allein zu wollen?... Aber -- wenn der Andere Dein Freund gewesen ware?
GYGES: O Konig, wie konnte ein Freund daran denken, mich zu betrugen?
CANDAULES: Ja ... aber, wenn er es tate, ohne Dich zu betrugen?
GYGES: Ich verstehe Dich nicht mehr, Candaules.
CANDAULES: ... Also Du hast die Konigin nicht gesehen?
GYGES: Ein wenig, ja ... doch hab' ich sie nicht angesehen.
CANDAULES: Dann sahst Du sie nicht. -- Man kann den Blick nicht von ihr wenden, sieht man sie. (Leiser.) Sie weiß das. Sie will nicht mehr, daß man sie sieht. -- Sie sagte zu mir: Dies erste Mal, daß ich mich zeige, sei auch das letzte Mal. (Noch naher zu Gyges und noch leiser.) Gyges ... willst Du sie sehn, die Konigin?
GYGES (erhebt sich, wie ermudet): Nun bin ich mude, laß mich gehn.
CANDAULES (halt ihn am Gewand zuruck): Gyges ... verlangt es Dich, die Konigin zu sehn?
GYGES (macht sich los): Nein.
CANDAULES: Gyges, ich will Dir Nyssia zeigen.
GYGES (wendet sich heftig zu Candaules): Aber ich will sie nicht sehn.
CANDAULES (leise): Ach! Wenn Du sie angesehen hattest ...!
GYGES: Liebst Du sie denn nicht?
CANDAULES: Oh -- mehr als mich selbst! Sie durfte es auch nicht wissen ... Und wie sie mich liebt ...! Das soll Dir ihre Schonheit sagen -- doch hor's ganz leise: (Er neigt sich Gyges ans Ohr.) Niemals, niemals hab' ich nach anderen Frauen begehrt ... Ihr Antlitz, was ist ihr Antlitz ... Wenn Du wußtest, Gyges!... Und ihre Wollust ... Und wenn Du sie da hortest ... Ich leide, hor' ich ein andres Weib loben und sag' zu mir: das ist nur, weil sie Nyssia nicht kennen. -- Gyges ... willst Du Nyssia kennen?
GYGES: Du willst mich auf die Probe stellen? -- Ich versteh' Dich nicht.
CANDAULES: So schlimmer. Lassen wir's. Das Kleinod, das ich Dir um den Nacken legte, -- alle meine Diener kennen es und gehorchen dem, der es tragt. Es ist des Konigs Halsband und ich schenk' es Dir. Zweifelst Du noch an meiner Freundschaft?
GYGES: So lange Du es bist, der immer gibt: ja ... Entlaß mich nun, ich mochte schlafen.
CANDAULES (ein wenig erregt): Spater, spater! -- Bleib, Gyges. Hor: -- Du hast mir auch etwas gegeben.
GYGES: Ich?
CANDAULES: So setz' Dich doch!... Bleib noch ein wenig. (Gyges setzt sich halb.) Siehst Du den Ring? Gestern noch, da machte ich nicht viel daraus. Nur, weil ich seinen Wert nicht kannte. Doch waren da zwei Worte eingegraben, die machten mich, wie auch die sonderbare Herkunft unruhig. Er war im Fleisch des Fisches, den Du gestern fingst. Einer fand ihn in einem Bissen und gab ihn mir. Ich aber war erstaunt, verwirrt, und tat den Schwur, nicht fruher den Ring an meine Hand zu stecken, bevor ich nicht den Fischer sprach, dem wir den Fisch auf unserer Tafel dankten. -- Du kamst. Wir sprachen. Und des Mahles blutiges Ende ließ mich den Ring vergessen, bis heute Morgen -- ich war mit meinen Gasten -- da steckt' ich ihn gedankenlos an meinen Finger. Auf einmal: ≪Wohin entfloh Candaules?≫ sprach einer. Ein anderer: ≪Er war im Augenblick noch unter uns≫, ≪Wo ist er? Wo steckt er denn? Er ist verschwunden, fort!≫ Und doch hatt' ich mich nicht vom Fleck geruhrt. Ich sah die Herren neben mir, ganz nah, wie ich bei Dir ... doch sie, sie sahn mich nicht. Und voll Entzucken ward ich betaubend so gewahr, daß mich der Ring unsichtbar machte. Stark genug, kein Wort zu sagen, schlich ich mich leise aus ihrer Mitte, und dachte gleich: der Ring, der ist von Gyges, meinem Freund, dem ich ihn schulde. -- Da ist er!
GYGES: War' ich _so_ Dein Freund, Candaules?
CANDAULES: Da -- sieh mich an. (Er steckt sehr deutlich auffallend den Ring an den Finger.)
GYGES: Oh! Wie ein Kornchen Salz, so schmilzst Du weg. -- Die Luft, sie schließt sich uber Dich -- -- Du verschwandest ... Candaules? Bist Du da? -- Wo bist Du denn?... Candaules ... (Sehr deutlich auffallend zieht Candaules den Ring vom Finger. -- Es ist vollig unnutz, daß Candaules durch irgendwelche Maschinerie auch immer aus dem Blick der Zuschauer verschwindet. Worte und Gesten des Gyges genugen, anzuzeigen, daß er Candaules nicht mehr sieht. -- Da Candaules seinen Ring wieder abgezogen hat, wirft sich Gyges vor dem Konig zu Fußen und zeigt so, daß er ihn wieder sieht.) Ah! meine Augen!... Da bist Du! -- Du verschwandest und erschienest wieder wie ein Gott, Candaules.
CANDAULES: Nicht wie ein Gott, Gyges -- wie Du selber, wenn Du diesen Ring an Deinen Finger steckst ... da ...
GYGES (besieht furchtsam den Ring und wagt es, ihn an den Finger zu stecken.)
CANDAULES: Wunder! Ein Traum entflieht nicht schneller den Augen des aufgewachten Schlafers ... Geheimnisvoller Ring, verschwunden mit dem, den Du verschwinden laßt, schutze das Gluck meines Freundes Gyges und verbirg es! -- Bleib verborgen, Gyges!... Still! -- Ich hore Nyssia! (Er wendet sich auf ungefahr gegen den Platz, auf dem er Gyges gelassen und der leer ist, da Gyges, wie erfullt von Entsetzen, zuruckgewichen) Bleib verborgen, Gyges. -- Halt fest den Ring an Deinem Finger. Sei still! Sei wie die Luft unsichtbar. (Er loscht noch eine Fackel. Der Saal ist nur noch ganz schwach erleuchtet von einer Fackel und dem Dammer der Nacht, der von der Terrasse kommt.) Seid Ihr es, Nyssia?
NYSSIA (draußen:) Geliebter?
CANDAULES: Kommt Ihr?
NYSSIA: Langsam. -- Die Nacht ist schon ... Komm, Candaules, sieh, was eine Sußigkeit hier draußen ...
CANDAULES (horcht auf die Worte, bleibt unbeweglich, wie bebend in trauriger Lust ... Wie zu sich spricht er und wie in Tranen): Nyssia? Meine Liebe -- Nyssia, meine Geliebte! -- Halte Dich, halte Dich, schwankender Gedanke!... Wein! Ist noch genug?... (Er trinkt.) Ich wurde schwach ... (Dann -- ins Unbestimmte, Leere.) Bleib' still! -- Ich tu' Unsinniges ...
Zweite Szene.
Nyssia kommt langsam, doch bleibt sie noch auf der Terrasse, die nur der Mond beleuchtet. Im Gemach selber nur eine Fackel. Ihr unsichtbar und instinktiv erschauert Gyges, da er Nyssia auf die Terrasse treten sieht; er geht ganz leise nach links und bleibt wahrend der ganzen Szene halb im Dunkel verborgen. Candaules ist Nyssia entgegengegangen.
NYSSIA: Ich war' schon lang bei Euch, doch glaubte ich Euch nicht allein. Es kam mir vor von Weitem, als horte ich Euch sprechen.
CANDAULES: Ich sprach laut Verse von Syphax.
NYSSIA: Weshalb ließt Ihr die Gaste heut' allein?
CANDAULES: Sie fingen an, mich zu ermuden.
NYSSIA: Seit sie hier sind, sah ich Euch fast kaum ... Ihr wißt nicht mehr allein zu sein. Liebt Ihr die Einsamkeit nicht mehr?
CANDAULES: Nein.
NYSSIA: Und fuhlt Euch einsam auch mit mir?
CANDAULES: O Nyssia!
NYSSIA: Horcht! -- Eure Musikanten in den Garten -- weshalb habt Ihr sie denn hinabgeschickt?
CANDAULES: Nur, um mit Euch allein zu sein ...
NYSSIA: Von ferne so ist die Musik sehr schon -- der Abendwind bringt sie uns her und tragt sie fort -- horcht! -- -- nun hort man nichts sonst als die Stille. (Am Arm des Candaules und immer zartlicher an ihn geschmiegt.) Wie waren diese Tage, diese Nachte mir ohne Euch so lang!
CANDAULES: Und mir nicht anders. Ich bin der Worte mud', des Singens, Lachens und warte nicht das Ende ab, zu Euch zu kommen.
NYSSIA: Und meine Liebe hungert, da Ihr fern seid, und ich leide, nicht mehr mit Euch allein zu sein. Ihr habt mich so an's Gluck verwohnt, Geliebter, so viel Ihr fur mich tatet.
CANDAULES: Meine Nyssia, fur Dich zu viel? Mehr jeden Tag und jeden Tag verliebter. Manchmal erschreck' ich, daß ich so wenig Deiner Lust zu finden weiß. Ach Alles, was Verliebtes diese Erde schuf, ich wollt', es sei von mir erschaffen. Doch -- was tun?...
NYSSIA: Mich lieben. |
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