2014년 12월 30일 화요일

Gotz von Berlichingen mit der eisernen Hand 2

Gotz von Berlichingen mit der eisernen Hand 2

I. Akt, Szene 3



Weislingen.  O daß ich aufwachte! und das alles ware ein Traum!  In
Berlichingens Gewalt! von dem ich mich kaum losgearbeitet habe, dessen
Andenken ich mied wie Feuer, den ich hoffte zu uberwaltigen!  Und
er--der alte treuherzige Gotz!  Heiliger Gott, was will, will aus dem
allen werden?  Ruckgefuhrt, Adelbert, in den Saal! wo wir als Buben
unsere Jagd trieben--da du ihn liebtest, an ihm hingst wie an deiner
Seele.  Wer kann ihm nahen und ihn hassen?  Ach! ich bin so ganz
nichts hier!  Gluckselige Zeiten, ihr seid vorbei, da noch der alte
Berlichingen hier am Kamin saß, da wir um ihn durcheinander spielten
und uns liebten wie die Engel.  Wie wird sich der Bischof angstigen,
und meine Freunde.  Ich weiß, das ganze Land nimmt teil an meinem
Unfall.  Was ist's!  Konnen sie mir geben, wornach ich strebe?

Gotz (mit einer Flasche Wein und Becher).  Bis das Essen fertig wird,
wollen wir eins trinken.  Kommt, setzt Euch, tut, als wenn Ihr zu
Hause wart!  Denkt, Ihr seid einmal wieder beim Gotz.  Haben doch
lange nicht beisammengesessen, lang keine Flasche miteinander
ausgestochen.  (Bringt's ihm.) Ein frohlich Herz!

Weislingen.  Die Zeiten sind vorbei.

Gotz.  Behute Gott!  Zwar vergnugtere Tage werden wir wohl nicht
wieder finden als an des Markgrafen Hof, da wir noch
beisammenschliefen und miteinander umherzogen.  Ich erinnere mich mit
Freuden meiner Jugend.  Wißt Ihr noch, wie ich mit dem Polacken Handel
kriegte, dem ich sein gepicht und gekrauselt Haar von ungefahr mit dem
armel verwischt?

Weislingen.  Es war bei Tische, und er stach nach Euch mit dem Messer.

Gotz.  Den schlug ich wacker aus dazumal, und daruber wurdet Ihr mit
seinem Kameraden zu Unfried.  Wir hielten immer redlich zusammen als
gute brave Jungen, dafur erkennte uns auch jedermann.  (Schenkt ein
und bringt's.) Kastor und Pollux!  Mir tat's immer im Herzen wohl,
wenn uns der Markgraf so nannte.

Weislingen.  Der Bischof von Wurzburg hatte es aufgebracht.

Gotz.  Das war ein gelehrter Herr, und dabei so leutselig.  Ich
erinnere mich seiner, so lange ich lebe, wie er uns liebkoste, unsere
Eintracht lobte und den Menschen glucklich pries, der ein
Zwillingsbruder seines Freundes ware.

Weislingen.  Nichts mehr davon!

Gotz.  Warum nicht?  Nach der Arbeit wußt ich nichts Angenehmers, als
mich des Vergangenen zu erinnern.  Freilich, wenn ich wieder so
bedenke, wie wir Liebs und Leids zusammen trugen, einander alles waren,
und wie ich damals wahnte, so sollt's unser ganzes Leben sein!  War
das nicht all mein Trost,, wie mir diese Hand weggeschossen ward vor
Landshut, und du mein pflegtest und mehr als Bruder fur mich sorgtest?
Ich hoffte, Adelbert wird kunftig meine rechte Hand sein.  Und
nun-Weislingen.  Oh!

Gotz.  Wenn du mir damals gefolgt hattest, da ich dir anlag, mit nach
Brabant zu ziehen, es ware alles gut geblieben.  Da hielt dich das
ungluckliche Hofleben und das Schlenzen und Scherwenzen mit den
Weibern.  Ich sagt es dir immer, wenn du dich mit den eiteln garstigen
Vetteln abgabst und ihnen erzahltest von mißvergnugten Ehen,
verfuhrten Madchen, der rauhen Haut einer Dritten, oder was sie sonst
gerne horen: "Du wirst ein Spitzbub", sagt ich, "Adelbert."

Weislingen.  Wozu soll das alles?

Gotz.  Wollte Gott, ich konnt's vergessen, oder es war anders!  Bist
du nicht ebenso frei, so edel geboren als einer in Deutschland,
unabhangig, nur dem Kaiser untertan, und du schmiegst dich unter
Vasallen?  Was hast du von dem Bischof?  Weil er dein Nachbar ist?
dich necken konnte?  Hast du nicht Arme und Freunde, ihn wieder zu
necken?  Verkennst den Wert eines freien Rittersmanns, der nur abhangt
von Gott, seinem Kaiser und sich selbst!  Verkriechst dich zum ersten
Hofschranzen eines eigensinnigen neidischen Pfaffen!

Weislingen.  Laßt mich reden.

Gotz.  Was hast du zu sagen?

Weislingen.  Du siehst die Fursten an, wie der Wolf den Hirten.  Und
doch, darfst du sie schelten, daß sie ihrer Leut und Lander Bestes
wahren?  Sind sie denn einen Augenblick vor den ungerechten Rittern
sicher, die ihre Untertanen auf allen Straßen anfallen, ihre Dorfer
und Schlosser verheeren?  Wenn nun auf der andern Seite unsers teuern
Kaisers Lander der Gewalt des Erbfeindes ausgesetzt sind, er von den
Standen Hulfe begehrt, und sie sich kaum ihres Lebens erwehren: ist's
nicht ein guter Geist, der ihnen einrat, auf Mittel zu denken,
Deutschland zu beruhigen, Recht und Gerechtigkeit zu handhaben, um
einen jeden, Großen und Kleinen, die Vorteile des Friedens genießen zu
machen?  Und uns verdenkst du's, Berlichingen, daß wir uns in ihren
Schutz begeben, deren Hulfe uns nah ist, statt daß die entfernte
Majestat sich selbst nicht beschutzen kann.

Gotz.  Ja! ja!  Ich versteh!  Weislingen, waren die Fursten, wie Ihr
sie schildert, wir hatten alle, was wir begehren.  Ruh und Frieden!
Ich glaub's wohl!  Den wunscht jeder Raubvogel, die Beute nach
Bequemlichkeit zu verzehren.  Wohlsein eines jeden!  Daß sie sich nur
darum graue Haare wachsen ließen!  Und mit unserm Kaiser spielen sie
auf eine unanstandige Art.  Er meint's gut und mocht gern bessern.  Da
kommt denn alle Tage ein neuer Pfannenflicker und meint so und so.
Und weil der Herr geschwind etwas begreift, und nur reden darf, um
tausend Hande in Bewegung zu setzen, so denkt er, es war auch alles so
geschwind und leicht ausgefuhrt.  Nun ergehn Verordnungen uber
Verordnungen, und wird eine uber die andere vergessen; und was den
Fursten in ihren Kram dient, da sind sie hinterher, und gloriieren von
Ruh und Sicherheit des Reichs, bis sie die Kleinen unterm Fuß haben.
Ich will darauf schworen, es dankt mancher in seinem Herzen Gott, daß
der Turk dem Kaiser die Waage halt.

Weislingen.  Ihr seht's von Eurer Seite.

Gotz.  Das tut jeder.  Es ist die Frage, auf welcher Licht und Recht
ist, und eure Gange scheuen wenigstens den Tag.

Weislingen.  Ihr durft reden, ich bin der Gefangne.

Gotz.  Wenn Euer Gewissen rein ist, so seid Ihr frei.  Aber wie war's
um den Landfrieden?  Ich weiß noch, als ein Bub von sechzehn Jahren
war ich mit dem Markgrafen auf dem Reichstag.  Was die Fursten da fur
weite Mauler machten, und die Geistlichen am argsten.  Euer Bischof
larmte dem Kaiser die Ohren voll, als wenn ihm wunder wie! die
Gerechtigkeit ans Herz gewachsen ware; und jetzt wirft er mir selbst
einen Buben nieder, zur Zeit da unsere Handel vertragen sind, ich an
nichts Boses denke.  Ist nicht alles zwischen uns geschlichtet?  Was
hat er mit dem Buben?

Weislingen.  Es geschah ohne sein Wissen.

Gotz.  Warum gibt er ihn nicht wieder los?

Weislingen.  Er hat sich nicht aufgefuhrt, wie er sollte.

Gotz.  Nicht wie er sollte?  Bei meinem Eid, er hat getan, wie er
sollte, so gewiß er mit Eurer und des Bischofs Kundschaft gefangen ist.
Meint Ihr, ich komm erst heut auf die Welt, daß ich nicht sehen soll,
wo alles hinaus will?

Weislingen.  Ihr seid argwohnisch und tut uns unrecht.

Gotz.  Weislingen, soll ich von der Leber weg reden?  Ich bin euch ein
Dorn in den Augen, so klein ich bin, und der Sickingen und Selbitz
nicht weniger, weil wir fest entschlossen sind, zu sterben eh, als
jemanden die Luft zu verdanken, außer Gott, und unsere Treu und Dienst
zu leisten, als dem Kaiser.  Da ziehen sie nun um mich herum,
verschwarzen mich bei Ihro Majestat und ihren Freunden und meinen
Nachbarn, und spionieren nach Vorteil uber mich.  Aus dem Wege wollen
sie mich haben, wie's ware.  Darum nahmt ihr meinen Buben gefangen,
weil ihr wußtet, ich hatt' ihn auf Kundschaft ausgeschickt; und darum
tat er nicht, was er sollte, weil er mich nicht an euch verriet.  Und
du, Weislingen, bist ihr Werkzeug!

Weislingen.  Berlichingen!

Gotz.  Kein Wort mehr davon!  Ich bin ein Feind von Explikationen; man
betriegt sich oder den andern, und meist beide.

Karl.  Zu Tisch, Vater.

Gotz.  Frohliche Botschaft!--Kommt! ich hoffe, meine Weibsleute sollen
Euch munter machen.  Ihr wart sonst ein Liebhaber, die Fraulein wußten
von Euch zu erzahlen.  Kommt!  (Ab.)

Im bischoflichen Palaste zu Bamberg Der Speisesaal

Bischof von Bamberg.  Abt von Fulda.  Olearius.  Liebetraut.  Hofleute.
An Tafel.  Der Nachtisch und die großen Pokale werden aufgetragen.

Bischof.  Studieren jetzt viele Deutsche von Adel zu Bologna?

Olearius.  Vom Adel- und Burgerstande.  Und ohne Ruhm zu melden,
tragen sie das großte Lob davon.  Man pflegt im Sprichwort auf der
Akademie zu sagen: "So fleißig wie ein Deutscher von Adel."  Denn
indem die Burgerlichen einen ruhmlichen Fleiß anwenden, durch Talente
den Mangel der Geburt zu ersetzen, so bestreben sich jene, mit
ruhmlicher Wetteiferung, ihre angeborne Wurde durch die glanzendsten
Verdienste zu erhohen.

Abt.  Ei!

Liebetraut.  Sag einer, was man, nicht erlebet.  So fleißig wie ein
Deutscher von Adel!  Das hab ich mein Tage nicht gehort.

Olearius.  Ja, sie sind die Bewunderung der ganzen Akademie.  Es
werden ehestens einige von den altesten und geschicktesten als
Doktores zuruckkommen.  Der Kaiser wird glucklich sein, die ersten
Stellen damit besetzen zu konnen.

Bischof.  Das kann nicht fehlen.

Abt.  Kennen Sie nicht zum Exempel einen Junker?--Er ist aus
Hessen-Olearius.  Es sind viel Hessen da.

Abt.  Er heißt--er ist--Weiß es keiner von euch?--Seine Mutter war
eine von--Oh!  Sein Vater hatte nur ein Aug--und war Marschall.

Liebetraut.  Von Wildenholz?

Abt.  Recht--von Wildenholz.

Olearius.  Den kenn ich wohl, ein junger Herr von vielen Fahigkeiten.
Besonders ruhmt man ihn wegen seiner Starke im Disputieren.

Abt.  Das hat er von seiner Mutter.

Liebetraut.  Nur wollte sie ihr Mann niemals drum ruhmen.

Bischof.  Wie sagtet Ihr, daß der Kaiser hieß, der Euer "Corpus Juris"
geschrieben hat?

Olearius.  Justinianus.

Bischof.  Ein trefflicher Herr! er soll leben!

Olearius.  Sein Andenken!

(Sie trinken.)

Abt.  Es mag ein schon Buch sein.

Olearius.  Man mocht's wohl ein Buch aller Bucher nennen; eine
Sammlung aller Gesetze; bei jedem Fall der Urteilsspruch bereit; und
was ja noch abgangig oder dunkel ware, ersetzen die Glossen, womit die
gelehrtesten Manner das vortrefflichste Werk geschmuckt haben.

Abt.  Eine Sammlung aller Gesetze!  Potz!  Da mussen wohl auch die
Zehn Gebote drin sein.

Olearius.  Implicite wohl, nicht explicite.

Abt.  Das mein ich auch, an und vor sich, ohne weitere Explikation.

Bischof.  Und was das Schonste ist, so konnte, wie Ihr sagt, ein Reich
in sicherster Ruhe und Frieden leben, wo es vollig eingefuhrt und
recht gehandhabt wurde.

Olearius.  Ohne Frage.

Bischof.  Alle Doctores Juris!

Olearius.  Ich werd's zu ruhmen wissen.  (Sie trinken.) Wollte Gott,
man sprache so in meinem Vaterlande!

Abt.  Wo seid Ihr her, hochgelahrter Herr?

Olearius.  Von Frankfurt am Main, Ihro Eminenz zu dienen.

Bischof.  Steht ihr Herrn da nicht wohl angeschrieben?  Wie kommt das?

Olearius.  Sonderbar genug.  Ich war da, meines Vaters Erbschaft
abzuholen; der Pobel hatte mich fast gesteinigt, wie er horte, ich sei
ein Jurist.

Abt.  Behute Gott!

Olearius.  Aber das kommt daher: Der Schoppenstuhl, der in großem
Ansehn weit umher steht, ist mit lauter Leuten besetzt, die der
Romischen Rechte unkundig sind.  Man glaubt, es sei genug, durch Alter
und Erfahrung sich eine genaue Kenntnis des innern und außern
Zustandes der Stadt zu erwerben.  So werden, nach altem Herkommen und
wenigen Statuten, die Burger und die Nachbarschaft gerichtet.

Abt.  Das ist wohl gut.

Olearius.  Aber lange nicht genug.  Der Menschen Leben ist kurz, und
in einer Generation kommen nicht alle Kasus vor.  Eine Sammlung
solcher Falle von vielen Jahrhunderten ist unser Gesetzbuch.  Und dann
ist der Wille und die Meinung der Menschen schwankend; dem deucht
heute das recht, was der andere morgen mißbilliget; und so ist
Verwirrung und Ungerechtigkeit unvermeidlich.  Das alles bestimmen die
Gesetze; und die Gesetze sind unveranderlich.

Abt.  Das ist freilich besser.

Olearius.  Das erkennt der Pobel nicht, der, so gierig er auf
Neuigkeiten ist, das Neue hochst verabscheuet, das ihn aus seinem
Gleise leiten will, und wenn er sich noch so sehr dadurch verbessert.
Sie halten den Juristen so arg, als einen Verwirrer des Staats, einen
Beutelschneider, und sind wie rasend, wenn einer dort sich
niederzulassen gedenkt.

Liebetraut.  Ihr seid von Frankfurt!  Ich bin wohl da bekannt.  Bei
Kaiser Maximilians Kronung haben wir Euern Brautigams was
vorgeschmaust.  Euer Name ist Olearius?  Ich kenne so niemanden.

Olearius.  Mein Vater hieß ohlmann.  Nur, den Mißstand auf dem Titel
meiner lateinischen Schriften zu vermeiden, nenn ich mich, nach dem
Beispiel und auf Anraten wurdiger Rechtslehrer, Olearius.

Liebetraut.  Ihr tatet wohl, daß Ihr Euch ubersetztet.  Ein Prophet
gilt nichts in seinem Vaterlande, es hatt' Euch in Eurer Muttersprache
auch so gehen konnen.

Olearius.  Es war nicht darum.

Liebetraut.  Alle Dinge haben ein paar Ursachen.

Abt.  Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande!

Liebetraut.  Wißt Ihr auch warum, hochwurdiger Herr?

Abt.  Weil er da geboren und erzogen ist.

Liebetraut.  Wohl!  Das mag die eine Ursache sein.  Die andere ist:
Weil, bei einer naheren Bekanntschaft mit den Herrn, der Nimbus von
Ehrwurdigkeit und Heiligkeit wegschwindet, den uns eine neblichte
Ferne um sie herumlugt; und dann sind sie ganz kleine Stumpfchen
Unschlitt.

Olearius.  Es scheint, Ihr seid dazu bestellt, Wahrheiten, zu sagen.

Liebetraut.  Weil ich 's Herz dazu hab, so fehlt mir's nicht am Maul.

Olearius.  Aber doch an Geschicklichkeit, sie wohl anzubringen.

Liebetraut.  Schropfkopfe sind wohl angebracht, wo sie ziehen.

Olearius.  Bader erkennt man an der Schurze und nimmt in ihrem Amte
ihnen nichts ubel.  Zur Vorsorge tatet Ihr wohl, wenn Ihr eine
Schellenkappe trugt.

Liebetraut.  Wo habt Ihr promoviert?  Es ist nur zur Nachfrage, wenn
mir einmal der Einfall kame, daß ich gleich vor die rechte Schmiede
ginge.

Olearius.  Ihr seid verwegen.

Liebetraut.  Und Ihr sehr breit.

(Bischof und Abt lachen.)

Bischof.  Von was anders!--Nicht so hitzig, ihr Herrn.  Bei Tisch geht
alles drein--Einen andern Diskurs, Liebetraut!

Liebetraut.  Gegen Frankfurt liegt ein Ding uber, heißt
Sachsenhausen-Olearius (zum Bischof).  Was spricht man vom Turkenzug,
Ihro Furstliche Gnaden?

Bischof.  Der Kaiser hat nichts Angelegners, als vorerst das Reich zu
beruhigen, die Fehden abzuschaffen und das Ansehn der Gerichte zu
befestigen.  Dann, sagt man, wird er personlich gegen die Feinde des
Reichs und der Christenheit ziehen.  Jetzt machen ihm seine
Privathandel noch zu tun, und das Reich ist, trotz ein vierzig
Landfrieden, noch immer eine Mordergrube.  Franken, Schwaben, der
Oberrhein und die angrenzenden Lander werden von ubermutigen und
kuhnen Rittern verheeret.  Sickingen, Selbitz mit einem Fuß,
Berlichingen mit der eisernen Hand spotten in diesen Gegenden des
kaiserlichen Ansehens-Abt.  Ja, wenn Ihro Majestat nicht bald dazu tun,
so stecken einen die Kerl am End in Sack.

Liebetraut.  Das mußt ein Kerl sein, der das Weinfaß von Fuld in den
Sack schieben wollte.

Bischof.  Besonders ist der letzte seit vielen Jahren mein
unversohnlicher Feind, und molestiert mich unsaglich; aber es soll
nicht lang mehr wahren, hoff ich.  Der Kaiser halt jetzt seinen Hof zu
Augsburg.  Wir haben unsere Maßregeln genommen, es kann uns nicht
fehlen.--Herr Doktor, kennt Ihr Adelberten von Weislingen?

Olearius.  Nein, Ihro Eminenz.

Bischof.  Wenn Ihr die Ankunft dieses Mannes erwartet, werdet Ihr Euch
freuen, den edelsten, verstandigsten und angenehmsten Ritter in einer
Person zu sehen.

Olearius.  Es muß ein vortrefflicher Mann sein, der solche
Lobeserhebungen aus solch einem Munde verdient.

Liebetraut.  Er ist auf keiner Akademie gewesen.

Bischof.  Das wissen wir.  (Die Bedienten laufen ans Fenster.) Was
gibt's?

Ein Bedienter.  Eben reit Farber, Weislingens Knecht, zum Schloßtor
herein.

Bischof.  Seht, was er bringt, er wird ihn melden.

(Liebetraut geht.  Sie stehn auf und trinken noch eins.--Liebetraut
kommt zuruck.)

Bischof.  Was fur Nachrichten?

Liebetraut.  Ich wollt, es mußt sie Euch ein andrer sagen.  Weislingen
ist gefangen.

Bischof.  Oh!

Liebetraut.  Berlichingen hat ihn und drei Knechte bei Haslach
weggenommen.  Einer ist entronnen, Euch's anzusagen.

Abt.  Eine Hiobspost.

Olearius.  Es tut mir von Herzen leid.

Bischof.  Ich will den Knecht sehn, bringt ihn herauf--Ich will ihn
selbst sprechen.  Bringt ihn in mein Kabinett.  (Ab.)

Abt (setzt sich).  Noch einen Schluck.

(Die Knechte schenken ein.)

Olearius.  Belieben Ihro Hochwurden nicht eine kleine Promenade in den
Garten zu machen?  Post coenam stabis seu passus mille meabis.

Liebetraut.  Wahrhaftig, das Sitzen ist Ihnen nicht gesund.  Sie
kriegen noch einen Schlagfluß.

Abt (hebt sich auf).

Liebetraut (vor sich).  Wann ich ihn nur draußen hab, will ich ihm
furs Exerzitium sorgen.

(Gehn ab.)




I. Akt, Szene 4



Jagsthausen

Maria.  Weislingen.

Maria.  Ihr liebt mich, sagt Ihr.  Ich glaub es gerne und hoffe, mit
Euch glucklich zu sein und Euch glucklich zu machen.

Weislingen.  Ich fuhle nichts, als nur daß ich ganz dein bin.  (Er
umarmt sie.)

Maria.  Ich bitte Euch, laßt mich.  Einen Kuß hab ich Euch zum
Gottespfennig erlaubt; Ihr scheint aber schon von dem Besitz nehmen zu
wollen, was nur unter Bedingungen Euer ist.

Weislingen.  Ihr seid zu streng, Maria!  Unschuldige Liebe erfreut die
Gottheit, statt sie zu beleidigen.

Maria.  Es sei!  Aber ich bin nicht dadurch erbaut.  Man lehrte mich:
Liebkosungen sein wie Ketten, stark durch ihre Verwandtschaft, und
Madchen, wenn sie liebten, sein schwacher als Simson nach Verlust
seiner Locken.

Weislingen.  Wer lehrte Euch das?

Maria.  Die abtissin meines Klosters.  Bis in mein sechzehntes Jahr
war ich bei ihr, und nur mit Euch empfind ich das Gluck, das ich in
ihrem Umgang genoß.  Sie hatte geliebt und durfte reden.  Sie hatte
ein Herz voll Empfindung!  Sie war eine vortreffliche Frau.

Weislingen.  Da glich sie dir!  (Er nimmt ihre Hand.) Wie wird mir's
werden, wenn ich Euch verlassen soll!

Maria (zieht ihre Hand zuruck).  Ein bißchen eng, hoff ich, denn ich
weiß, wie's mir sein wird.  Aber Ihr sollt fort.

Weislingen.  Ja, meine Teuerste, und ich will.  Denn ich fuhle, welche
Seligkeiten ich mir durch dies Opfer erwerbe.  Gesegnet sei dein
Bruder, und der Tag, an dem er auszog, mich zu fangen!

Maria.  Sein Herz war voll Hoffnung fur ihn und dich.  "Lebt wohl!"
sagt' er beim Abschied, "ich will sehen, daß ich ihn wiederfinde."

Weislingen.  Er hat's.  Wie wunscht ich, die Verwaltung meiner Guter
und ihre Sicherheit nicht durch das leidige Hofleben so versaumt zu
haben!  Du konntest gleich die Meinige sein.

Maria.  Auch der Aufschub hat seine Freuden.

Weislingen.  Sage das nicht, Maria, ich muß sonst furchten, du
empfindest weniger stark als ich.  Doch ich buße verdient; und welche
Hoffnungen werden mich auf jedem Schritt begleiten!  Ganz der Deine zu
sein, nur in dir und dem Kreise von Guten zu leben, von der Welt
entfernt, getrennt, alle Wonne zu genießen, die so zwei Herzen,
einander gewahren!  Was ist die Gnade des Fursten, was der Beifall der
Welt gegen diese einfache Gluckseligkeit?  Ich habe viel gehofft und
gewunscht, das widerfahrt mir uber alles Hoffen und Wunschen.

(Gotz kommt.)

Gotz.  Euer Knab ist wieder da.  Er konnte vor Mudigkeit und Hunger
kaum etwas vorbringen.  Meine Frau gibt ihm zu essen.  So viel hab ich
verstanden: der Bischof will den Knaben nicht herausgeben, es sollen
Kaiserliche Kommissarien ernannt und ein Tag ausgesetzt werden, wo die
Sache dann verglichen werden mag.  Dem sei, wie ihm wolle, Adelbert,
Ihr seid frei; ich verlange weiter nichts als Eure Hand, daß Ihr ins
kunftige meinen Feinden weder offentlich noch heimlich Vorschub tun
wollt.

Weislingen.  Hier faß ich Eure Hand.  Laßt, von diesem Augenblick an,
Freundschaft und Vertrauen, gleich einem ewigen Gesetz der Natur,
unveranderlich unter uns sein!  Erlaubt mir zugleich, diese Hand zu
fassen (er nimmt Mariens Hand) und den Besitz des edelsten Frauleins.

Gotz.  Darf ich ja fur Euch sagen?

Maria.  Wenn Ihr es mit mir sagt.

Gotz.  Es ist ein Gluck, daß unsere Vorteile diesmal miteinander gehn.
Du brauchst nicht rot zu werden.  Deine Blicke sind Beweis genug.  Ja
denn, Weislingen!  Gebt Euch die Hande, und so sprech ich Amen!--Mein
Freund und Bruder!--Ich danke dir, Schwester!  Du kannst mehr als Hanf
spinnen.  Du hast einen Faden gedreht, diesen Paradiesvogel zu fesseln.
Du siehst nicht ganz frei, Adelbert!  Was fehlt dir?  Ich--bin ganz
glucklich; was ich nur traumend hoffte, seh ich, und bin wie traumend.
Ach! nun ist mein Traum aus.  Mir war's heute nacht, ich gab dir
meine rechte eiserne Hand, und du hieltest mich so fest, daß sie aus
den Armschienen ging wie abgebrochen.  Ich erschrak und wachte druber
auf.  Ich hatte nur forttraumen sollen, da wurd ich gesehen haben, wie
du mir eine neue lebendige Hand ansetztest--Du sollst mir jetzo fort,
dein Schloß und deine Guter in vollkommenen Stand zu setzen.  Der
verdammte Hof hat dich beides versaumen machen.  Ich muß meiner Frau
rufen.  Elisabeth!

Maria.  Mein Bruder ist in voller Freude.

Weislingen.  Und doch darf ich ihm den Rang streitig machen.

Gotz.  Du wirst anmutig wohnen.

Maria.  Franken ist ein gesegnetes Land.

Weislingen.  Und ich darf wohl sagen, mein Schloß liegt in der
gesegnetsten und anmutigsten Gegend.

Gotz.  Das durft Ihr, und ich will's behaupten.  Hier fließt der Main,
und allmahlich hebt der Berg an, der, mit ackern und Weinbergen
bekleidet, von Euerm Schloß gekront wird, dann biegt sich der Fluß
schnell um die Ecke hinter dem Felsen Eures Schlosses hin.  Die
Fenster des großen Saals gehen steil herab aufs Wasser, eine Aussicht
viel Stunden weit.

(Elisabeth kommt.)

Elisabeth.  Was schafft ihr?

Gotz.  Du sollst deine Hand auch dazu geben und sagen: "Gott segne
euch!"  Sie sind ein Paar.

Elisabeth.  So geschwind!

Gotz.  Aber nicht unvermutet.

Elisabeth.  Moget Ihr Euch so immer nach ihr sehnen als bisher, da ihr
um sie warbt!  Und dann!  Mochtet Ihr so glucklich sein, als Ihr sie
lieb behaltet!

Weislingen.  Amen!  Ich begehre kein Gluck als unter diesem Titel.

Gotz.  Der Brautigam, meine liebe Frau, tut eine kleine Reise; denn
die große Veranderung zieht viel geringe nach sich.  Er entfernt sich
zuerst vom Bischoflichen Hof, um diese Freundschaft nach und nach
erkalten zu lassen.  Dann reißt er seine Guter eigennutzigen Pachtern
aus den Handen.  Und--kommt, Schwester, komm, Elisabeth!  Wir wollen
ihn allein lassen.  Sein Knab hat ohne Zweifel geheime Auftrage an ihn.


Weislingen.  Nichts, als was Ihr wissen durft.

Gotz.  Braucht's nicht.--Franken und Schwaben!  Ihr seid nun
verschwisterter als jemals.  Wie wollen wir den Fursten den Daumen auf
dem Aug halten!

(Die drei gehn.)

Weislingen.  Gott im Himmel!  Konntest du mir Unwurdigem solch eine
Seligkeit bereiten?  Es ist zu viel fur mein Herz.  Wie ich von den
elenden Menschen abhing, die ich zu beherrschen glaubte, von den
Blicken des Fursten, von dem ehrerbietigen Beifall umher!  Gotz,
teurer Gotz, du hast mich mir selbst wiedergegeben, und, Maria, du
vollendest meine Sinnesanderung.  Ich fuhle mich so frei wie in
heiterer Luft.  Bamberg will ich nicht mehr sehen, will all die
schandlichen Verbindungen durchschneiden, die mich unter mir selbst
hielten.  Mein Herz erweitert sich, hier ist kein beschwerliches
Streben nach versagter Große.  So gewiß ist der allein glucklich und
groß, der weder zu herrschen noch zu gehorchen braucht, um etwas zu
sein!

(Franz tritt auf.)

Franz.  Gott gruß Euch, gestrenger Herr!  Ich bring Euch so viel Gruße,
daß ich nicht weiß, wo anzufangen.  Bamberg und zehn Meilen in die
Runde entbieten Euch ein tausendfaches: Gott gruß Euch!

Weislingen.  Willkommen, Franz!  Was bringst du mehr?

Franz.  Ihr steht in einem Andenken bei Hof und uberall, daß es nicht
zu sagen ist.

Weislingen.  Das wird nicht lange dauern.

Franz.  So lang Ihr lebt! und nach Eurem Tod wird's heller blinken als
die messingenen Buchstaben auf einem Grabstein.  Wie man sich Euern
Unfall zu Herzen nahm!

Weislingen.  Was sagte der Bischof?

Franz.  Er war so begierig zu wissen, daß er mit geschaftiger
Geschwindigkeit der Fragen meine Antwort verhinderte.  Er wußt es zwar
schon; denn Farber, der von Haslach entrann, brachte ihm die Botschaft.
Aber er wollte alles wissen.  Er fragte so angstlich, ob Ihr nicht
versehrt waret?  Ich sagte: "Er ist ganz, von der außersten Haarspitze
bis zum Nagel des kleinen Zehs."

Weislingen.  Was sagte er zu den Vorschlagen?

Franz.  Er wollte gleich alles herausgeben, den Knaben und noch Geld
darauf, nur Euch zu befreien.  Da er aber horte, Ihr solltet ohne das
loskommen und nur Euer Wort das aquivalent gegen den.  Buben sein, da
wollte er absolut den Berlichingen vertagt haben.  Er sagte mir
hundert Sachen an Euch--ich hab sie wieder vergessen.  Es war eine
lange Predigt uber die Worte: "Ich kann Weislingen nicht entbehren."

Weislingen.  Er wird's lernen mussen!

Franz.  Wie meint Ihr?  Er sagte: "Mach ihn eilen, es wartet alles auf
ihn."

Weislingen.  Es kann warten.  Ich gehe nicht nach Hof.

Franz.  Nicht nach Hof?  Herr!  Wie kommt Euch das?  Wenn Ihr wußtet,
was ich weiß.  Wenn Ihr nur traumen konntet, was ich gesehen habe.

Weislingen.  Wie wird dir's?

Franz.  Nur von der bloßen Erinnerung komm ich außer mir.  Bamberg ist
nicht mehr Bamberg, ein Engel in Weibesgestalt macht es zum Vorhofe
des Himmels.

Weislingen.  Nichts weiter?

Franz.  Ich will ein Pfaff werden, wenn Ihr sie sehet und nicht außer
Euch kommt.

Weislingen.  Wer ist's denn?

Franz.  Adelheid von Walldorf.

Weislingen.  Die!  Ich habe viel von ihrer Schonheit gehort.

Franz.  Gehort?  Das ist eben, als wenn Ihr sagtet: "Ich hab die Musik
gesehen."  Es ist der Zunge so wenig moglich, eine Linie ihrer
Vollkommenheiten auszudrucken, da das Aug sogar in ihrer Gegenwart
sich nicht selbst genug ist.

Weislingen.  Du bist nicht gescheit.

Franz.  Das kann wohl sein.  Das letztemal, da ich sie sahe, hatte ich
nicht mehr Sinne als ein Trunkener.  Oder vielmehr, kann ich sagen,
ich fuhlte in dem Augenblick, wie's den Heiligen bei himmlischen
Erscheinungen sein mag.  Alle Sinne starker, hoher, vollkommener, und
doch den Gebrauch von keinem.

Weislingen.  Das ist seltsam.

Franz.  Wie ich von dem Bischof Abschied nahm, saß sie bei ihm.  Sie
spielten Schach.  Er war sehr gnadig, reichte mir seine Hand zu kussen,
und sagte mir vieles, davon ich nichts vernahm.  Denn ich sah seine
Nachbarin, sie hatte ihr Auge aufs Brett geheftet, als wenn sie einem
großen Streich nachsanne.  Ein feiner lauernder Zug um Mund und Wange!
Ich hatt' der elfenbeinerne Konig sein mogen.  Adel und
Freundlichkeit herrschten auf ihrer Stirn.  Und das blendende Licht
des Angesichts und des Busens, wie es von den finstern Haaren erhoben
ward!

Weislingen.  Du bist druber gar zum Dichter geworden.

Franz.  So fuhl ich denn in dem Augenblick, was den Dichter macht, ein
volles, ganz von einer Empfindung volles Herz!  Wie der Bischof
endigte und ich mich neigte, sah sie mich an und sagte: "Auch von mir
einen Gruß unbekannterweise!  Sag ihm, er mag ja bald kommen.  Es
warten neue Freunde auf ihn; er soll sie nicht verachten, wenn er
schon an alten so reich ist."--Ich wollte was antworten, aber der Paß
vom Herzen nach der Zunge war versperrt, ich neigte mich.  Ich hatte
mein Vermogen gegeben, die Spitze ihres kleinen Fingers kussen zu
durfen!  Wie ich so stund, warf der Bischof einen Bauern herunter, ich
fuhr darnach und ruhrte im Aufheben den Saum ihres Kleides, das fuhr
mir durch alle Glieder, und ich weiß nicht, wie ich zur Tur
hinausgekommen bin.

Weislingen.  Ist ihr Mann bei Hofe?

Franz.  Sie ist schon vier Monat Witwe.  Um sich zu zerstreuen, halt
sie sich in Bamberg auf.  Ihr werdet sie sehen.  Wenn sie einen
ansieht, ist's, als wenn man in der Fruhlingssonne stunde.

Weislingen.  Es wurde eine schwachere Wirkung auf mich haben.

Franz.  Ich hore, Ihr seid so gut als verheiratet.

Weislingen.  Wollte, ich war's.  Meine sanfte Marie wird das Gluck
meines Lebens machen.  Ihre suße Seele bildet sich in ihren blauen
Augen.  Und weiß wie ein Engel des Himmels, gebildet aus Unschuld und
Liebe, leitet sie mein Herz zur Ruhe und Gluckseligkeit.  Pack
zusammen! und dann auf mein Schloß!  Ich will Bamberg nicht sehen, und
wenn Sankt Veit in Person meiner begehrte.  (Geht ab.)

Franz.  Da sei Gott vor!  Wollen das Beste hoffen!  Maria ist
liebreich und schon, und einem Gefangenen und Kranken kann ich's nicht
ubelnehmen, der sich in sie verliebt.  In ihren Augen ist Trost,
gesellschaftliche Melancholie.--Aber um dich, Adelheid, ist Leben,
Feuer, Mut--Ich wurde!--Ich bin ein Narr--dazu machte mich ein Blick
von ihr.  Mein Herr muß hin!  Ich muß hin!  Und da will ich mich
wieder gescheit oder vollig rasend gaffen.




Zweiter Akt




II. Akt, Szene 1



Bamberg.  Ein Saal

Bischof, Adelheid spielen Schach.  Liebetraut mit einer Zither.
Frauen, Hofleute um ihn herum am Kamin.

Liebetraut (spielt und singt).

Mit Pfeilen und Bogen Cupido geflogen, Die Fackel in Brand, Wollt
mutilich kriegen Und mannilich siegen Mit sturmender Hand.

Auf!  Auf!

An!  An!  Die Waffen erklirrten, Die Flugelein schwirrten, Die Augen
entbrannt.

Da fand er die Busen Ach leider so bloß, Sie nahmen so willig Ihn all
auf den Schoß.  Er schuttet' die Pfeile Zum Feuer hinein, Sie herzten
und druckten Und wiegten ihn ein.

Hei ei o!  Popeio!


Adelheid.  Ihr seid nicht bei Eurem Spiele.  Schach dem Konig!

Bischof.  Es ist noch Auskunft.

Adelheid.  Lange werdet Ihr's nicht mehr treiben.  Schach dem Konig!

Liebetraut.  Dies Spiel spielt ich nicht, wenn ich ein großer Herr war,
und verbot's am Hofe und im ganzen Land.

Adelheid.  Es ist wahr, dies Spiel ist ein Probierstein des Gehirns.

Liebetraut.  Nicht darum!  Ich wollte lieber das Geheul der
Totenglocke und ominoser Vogel, lieber das Gebell des knurrischen
Hofhunds Gewissen, lieber wollt ich sie durch den tiefsten Schlaf
horen, als von Laufern, Springern und andern Bestien das ewige:
"Schach dem Konig!"

Bischof.  Wem wird auch das einfallen!

Liebetraut.  Einem zum Exempel, der schwach ware und ein stark
Gewissen hatte, wie denn das meistenteils beisammen ist.  Sie nennen's
ein koniglich Spiel und sagen, es sei fur einen Konig erfunden worden,
der den Erfinder mit einem Meer von uberfluß belohnt habe.  Wenn das
wahr ist, so ist mir's, als wenn ich ihn sahe.  Er war minorenn an
Verstand oder an Jahren, unter der Vormundschaft seiner Mutter oder
seiner Frau, hatte Milchhaare im Bart und Flachshaare um die Schlafe,
er war so gefallig wie ein Weidenschoßling und spielte gern Dame und
mit den Damen, nicht aus Leidenschaft, behute Gott! nur zum
Zeitvertreib.  Sein Hofmeister, zu tatig, um ein Gelehrter, zu
unlenksam, ein Weltmann zu sein, erfand das Spiel in usum Delphini,
das so homogen mit Seiner Majestat war--und so ferner.

Adelheid.  Matt!  Ihr solltet die Lucken unsrer Geschichtsbucher
ausfullen, Liebetraut.

(Sie stehen auf.)

Liebetraut.  Die Lucken unsrer Geschlechtsregister, das ware
profitabler.  Seitdem die Verdienste unserer Vorfahren mit ihren
Portrats zu einerlei Gebrauch dienen, die leeren Seiten namlich unsrer
Zimmer und unsers Charakters zu tapezieren; da ware was zu verdienen.

Bischof.  Er will nicht kommen, sagtet Ihr!

Adelheid.  Ich bitt Euch, schlagt's Euch aus dem Sinn.

Bischof.  Was das sein mag?

Liebetraut.  Was?  Die Ursachen lassen sich herunterbeten wie ein
Rosenkranz.  Er ist in eine Art von Zerknirschung gefallen, von der
ich ihn leicht kurieren wollt.

Bischof.  Tut das, reitet zu ihm.

Liebetraut.  Meinen Auftrag!

Bischof.  Er soll unumschrankt sein.  Spare nichts, wenn du ihn
zuruckbringst.

Liebetraut.  Darf ich Euch auch hineinmischen, gnadige Frau?

Adelheid.  Mit Bescheidenheit.

Liebetraut.  Das ist eine weitlaufige Kommission.

Adelheid.  Kennt Ihr mich so wenig, oder seid Ihr so jung, um nicht zu
wissen, in welchem Ton Ihr mit Weislingen von mir zu reden habt?

Liebetraut.  Im Ton einer Wachtelpfeife, denk ich.

Adelheid.  Ihr werdet nie gescheit werden!

Liebetraut.  Wird man das, gnadige Frau?

Bischof.  Geht, geht.  Nehmt das beste Pferd aus meinem Stall, wahlt
Euch Knechte, und schafft mir ihn her!

Liebetraut.  Wenn ich ihn nicht herbanne, so sagt: ein altes Weib, das
Warzen und Sommerflecken vertreibt, verstehe mehr von der Sympathie als ich.

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