Bischof. Was wird das helfen! Berlichingen hat ihn ganz eingenommen. Wenn er herkommt, wird er wieder fort wollen.
Liebetraut. Wollen, das ist keine Frage, aber ob er kann. Der Handedruck eines Fursten, und das Lacheln einer schonen Frau! Da reißt sich kein Weisling los. Ich eile und empfehle mich zu Gnaden.
Bischof. Reist wohl.
Adelheid. Adieu.
(Er geht.)
Bischof. Wenn er einmal hier ist, verlaß ich mich auf Euch.
Adelheid. Wollt Ihr mich zur Leimstange brauchen?
Bischof. Nicht doch.
Adelheid. Zum Lockvogel denn?
Bischof. Nein, den spielt Liebetraut. Ich bitt Euch, versagt mir nicht, was mir sonst niemand gewahren kann.
Adelheid. Wollen sehn.
Jagsthausen
Hans von Selbitz. Gotz.
Selbitz. Jedermann wird Euch loben, daß Ihr denen von Nurnberg Fehd angekundigt habt.
Gotz. Es hatte mir das Herz abgefressen, wenn ich's ihnen hatte lang schuldig bleiben sollen. Es ist am Tag, sie haben den Bambergern meinen Buben verraten. Sie sollen an mich denken!
Selbitz. Sie haben einen alten Groll gegen Euch.
Gotz. Und ich wider sie; mir ist gar recht, daß sie angefangen haben.
Selbitz. Die Reichsstadte und Pfaffen halten doch von jeher zusammen.
Gotz. Sie haben's Ursach.
Selbitz. Wir wollen ihnen die Holle heiß machen.
Gotz. Ich zahlte auf Euch. Wollte Gott, der Burgemeister von Nurnberg, mit der guldenen Kett um den Hals, kam uns in Wurf, er sollt sich mit all seinem Witz verwundern.
Selbitz. Ich hore, Weislingen ist wieder auf Eurer Seite. Tritt er zu uns?
Gotz. Noch nicht; es hat seine Ursachen, warum er uns noch nicht offentlich Vorschub tun darf; doch ist's eine Weile genug, daß er nicht wider uns ist. Der Pfaff ist ohne ihn, was das Meßgewand ohne den Pfaffen.
Selbitz. Wann ziehen wir aus?
Gotz. Morgen oder ubermorgen. Es kommen nun bald Kaufleute von Bamberg und Nurnberg aus der Frankfurter Messe. Wir werden einen guten Fang tun.
Selbitz. Will's Gott. (Ab.)
Bamberg. Zimmer der Adelheid
Adelheid. Kammerfraulein.
Adelheid. Er ist da! sagst du. Ich glaub es kaum.
Fraulein. Wenn ich ihn nicht selbst gesehn hatte, wurd ich sagen, ich zweifle.
Adelheid. Den Liebetraut mag der Bischof in Gold einfassen: er hat ein Meisterstuck gemacht.
Fraulein. Ich sah ihn, wie er zum Schloß hereinreiten wollte, er saß auf einem Schimmel. Das Pferd scheute, wie's an die Brucke kam, und wollte nicht von der Stelle. Das Volk war aus allen Straßen gelaufen, ihn zu sehn. Sie freuten sich uber des Pferds Unart. Von allen Seiten ward er gegrußt, und er dankte allen. Mit einer angenehmen Gleichgultigkeit saß er droben, und mit Schmeicheln und Drohen bracht er es endlich zum Tor herein, der Liebetraut mit, und wenig Knechte.
Adelheid. Wie gefallt er dir?
Fraulein. Wie mir nicht leicht ein Mann gefallen hat. Er glich dem Kaiser hier (deutet auf Maximilians Portrat), als wenn er sein Sohn ware. Die Nase nur etwas kleiner, ebenso freundliche lichtbraune Augen, ebenso ein blondes schones Haar, und gewachsen wie eine Puppe. Ein halb trauriger Zug auf seinem Gesicht--ich weiß nicht--gefiel mir so wohl!
Adelheid. Ich bin neugierig, ihn zu sehen.
Fraulein. Das war ein Herr fur Euch.
Adelheid. Narrin!
Fraulein. Kinder und Narren-(Liebetraut kommt.)
Liebetraut. Nun, gnadige Frau, was verdien ich?
Adelheid. Horner von deinem Weibe. Denn nach dem zu rechnen, habt Ihr schon manches Nachbars ehrliches Hausweib aus ihrer Pflicht hinausgeschwatzt.
Liebetraut. Nicht doch, gnadige Frau! Auf ihre Pflicht, wollt Ihr sagen; denn wenn's ja geschah, schwatzt ich sie auf ihres Mannes Bette.
Adelheid. Wie habt Ihr's gemacht, ihn herzubringen?
Liebetraut. Ihr wißt zu gut, wie man Schnepfen fangt; soll ich Euch meine Kunststuckchen noch dazu lehren?--Erst tat ich, als wußt ich nichts, verstund nichts von seiner Auffuhrung, und setzt ihn dadurch in den Nachteil, die ganze Historie zu erzahlen. Die sah ich nun gleich von einer ganz andern Seite an als er, konnte nicht finden--nicht einsehen--und so weiter. Dann redete ich von Bamberg allerlei durcheinander, Großes und Kleines, erweckte gewisse alte Erinnerungen, und wie ich seine Einbildungskraft beschaftigt hatte, knupfte ich wirklich eine Menge Fadchen wieder an, die ich zerrissen fand. Er wußte nicht, wie ihm geschah, fuhlte einen neuen Zug nach Bamberg, er wollte--ohne zu wollen. Wie er nun in sein Herz ging und das zu entwickeln suchte, und viel zu sehr mit sich beschaftigt war, um auf sich achtzugeben, warf ich ihm ein Seil um den Hals, aus drei machtigen Stricken, Weiber-, Furstengunst und Schmeichelei, gedreht, und so hab ich ihn hergeschleppt.
Adelheid. Was sagtet Ihr von mir?
Liebetraut. Die lautre Wahrheit. Ihr hattet wegen Eurer Guter Verdrießlichkeiten--hattet gehofft, da er beim Kaiser so viel gelte, werde er das leicht enden konnen.
Adelheid. Wohl.
Liebetraut. Der Bischof wird ihn Euch bringen.
Adelheid. Ich erwarte sie. (Liebetraut ab.) Mit einem Herzen, wie ich selten Besuch erwarte.
Im Spessart
Berlichingen. Selbitz. Georg als Reitersknecht.
Gotz. Du hast ihn nicht angetroffen, Georg!
Georg. Er war tags vorher mit Liebetraut nach Bamberg geritten und zwei Knechte mit.
Gotz. Ich seh nicht ein, was das geben soll.
Selbitz. Ich wohl. Eure Versohnung war ein wenig zu schnell, als daß sie dauerhaft hatte sein sollen. Der Liebetraut ist ein pfiffiger Kerl; von dem hat er sich beschwatzen lassen.
Gotz. Glaubst du, daß er bundbruchig werden wird?
Selbitz. Der erste Schritt ist getan.
Gotz. Ich glaub's nicht. Wer weiß, wie notig es war, an Hof zu gehen; man ist ihm noch schuldig; wir wollen das Beste hoffen.
Selbitz. Wollte Gott, er verdient' es und tate das Beste!
Gotz. Mir fallt eine List ein. Wir wollen Georgen des Bamberger Reiters erbeuteten Kittel anziehen und ihm das Geleitzeichen geben; er mag nach Bamberg reiten und sehen, wie's steht.
Georg. Da hab ich lange drauf gehofft.
Gotz. Es ist dein erster Ritt. Sei vorsichtig, Knabe! Mir ware leid, wenn dir ein Unfall begegnen sollt.
Georg. Laßt nur, mich irrt's nicht, wenn noch so viel um mich herumkrabbeln, mir ist's, als wenn's Ratten und Mause waren. (Ab.)
Bamberg
Bischof. Du willst dich nicht langer halten lassen!
Weislingen. Ihr werdet nicht verlangen, daß ich meinen Eid brechen soll.
Bischof. Ich hatte verlangen konnen, du solltest ihn nicht schworen. Was fur ein Geist regierte dich? Konnt ich dich ohne das nicht befreien? Gelt ich so wenig am Kaiserlichen Hofe?
Weislingen. Es ist geschehen; verzeiht mir, wenn Ihr konnt.
Bischof. Ich begreif nicht, was nur im geringsten dich notigte, den Schritt zu tun! Mir zu entsagen? Waren denn nicht hundert andere Bedingungen, loszukommen? Haben wir nicht seinen Buben? Hatt ich nicht Gelds genug gegeben und ihn wieder beruhigt? Unsere Anschlage auf ihn und seine Gesellen waren fortgegangen--Ach ich denke nicht, daß ich mit seinem Freunde rede, der nun wider mich arbeitet und die Minen leicht entkraften kann, die er selbst gegraben hat.
Weislingen. Gnadiger Herr!
Bischof. Und doch--wenn ich wieder dein Angesicht sehe, deine Stimme hore. Es ist nicht moglich, nicht moglich.
Weislingen. Lebt wohl, gnadiger Herr.
Bischof. Ich gebe dir meinen Segen. Sonst, wenn du gingst, sagt ich: "Auf Wiedersehn!" Jetzt--Wollte Gott, wir sahen einander nie wieder!
Weislingen. Es kann sich vieles andern.
Bischof. Vielleicht seh ich dich noch einmal, als Feind vor meinen Mauern, die Felder verheeren, die ihren bluhenden Zustand dir jetzo danken.
Weislingen. Nein, gnadiger Herr.
Bischof. Du kannst nicht nein sagen. Die weltlichen Stande, meine Nachbarn, haben alle einen Zahn auf mich. Solang ich dich hatte--Geht, Weislingen! Ich habe Euch nichts mehr zu sagen. Ihr habt vieles zunichte gemacht. Geht!
Weislingen. Und ich weiß nicht, was ich sagen soll.
(Bischof ab.--Franz tritt auf.)
Franz. Adelheid erwartet Euch. Sie ist nicht wohl. Und doch will sie Euch ohne Abschied nicht lassen.
Weislingen. Komm.
Franz. Gehn wir denn gewiß?
Weislingen. Noch diesen Abend.-Franz. Mir ist, als wenn ich aus der Welt sollte.
Weislingen. Mir auch, und noch darzu, als wußt ich nicht wohin.
II. Akt, Szene 2
Adelheidens Zimmer
Adelheid. Fraulein.
Fraulein. Ihr seht blaß, gnadige Frau.
Adelheid.--Ich lieb ihn nicht, und wollte doch, daß er bliebe. Siehst du, ich konnte mit ihm leben, ob ich ihn gleich nicht zum Manne haben mochte.
Fraulein. Glaubt Ihr, er geht?
Adelheid. Er ist zum Bischof, um Lebewohl zu sagen.
Fraulein. Er hat darnach noch einen schweren Stand.
Adelheid. Wie meinst du?
Fraulein. Was fragt Ihr, gnadige Frau? Ihr habt sein Herz geangelt, und wenn er sich losreißen will, verblutet er.
(Adelheid. Weislingen.)
Weislingen. Ihr seid nicht wohl, gnadige Frau?
Adelheid. Das kann Euch einerlei sein. Ihr verlaßt uns, verlaßt uns auf immer. Was fragt Ihr, ob wir leben oder sterben.
Weislingen. Ihr verkennt mich.
Adelheid. Ich nehme Euch, wie Ihr Euch gebt.
Weislingen. Das Ansehn trugt.
Adelheid. So seid Ihr ein Chamaleon?
Weislingen. Wenn Ihr mein Herz sehen konntet!
Adelheid. Schone Sachen wurden mir vor die Augen kommen.
Weislingen. Gewiß! Ihr wurdet Euer Bild drin finden.
Adelheid. In irgendeinem Winkel bei den Portraten ausgestorbener Familien. Ich bitt Euch, Weislingen, bedenkt, Ihr redet mit mir. Falsche Worte gelten zum hochsten, wenn sie Masken unserer Taten sind. Ein Vermummter, der kenntlich ist, spielt eine armselige Rolle. Ihr leugnet Eure Handlungen nicht und redet das Gegenteil; was soll man von Euch halten?
Weislingen. Was Ihr wollt. Ich bin so geplagt mit dem, was ich bin, daß mir wenig bang ist, fur was man mich nehmen mag.
Adelheid. Ihr kommt, um Abschied zu nehmen.
Weislingen. Erlaubt mir, Eure Hand zu kussen, und ich will sagen. Lebt wohl. Ihr erinnert mich! Ich bedachte nicht--Ich bin beschwerlich, gnadige Frau.
Adelheid. Ihr legt's falsch aus: ich wollte Euch forthelfen; denn Ihr wollt fort.
Weislingen. O sagt: ich muß. Zoge mich nicht die Ritterpflicht, der heilige Handschlag-Adelheid. Geht! Geht! Erzahlt das Madchen, die den "Theuerdank" lesen und sich so einen Mann wunschen. Ritterpflicht! Kinderspiel!
Weislingen. Ihr denkt nicht so.
Adelheid. Bei meinem Eid, Ihr verstellt Euch! Was habt Ihr versprochen? Und wem? Einem Mann, der seine Pflicht gegen den Kaiser und das Reich verkennt, in eben dem Augenblick Pflicht zu leisten, da er durch Eure Gefangennehmung in die Strafe der Acht verfallt. Pflicht zu leisten! die nicht gultiger sein kann als ungerechter gezwungener Eid. Entbinden nicht unsere Gesetze von solchen Schwuren? Macht das Kindern weis, die den Rubezahl glauben. Es stecken andere Sachen dahinter. Ein Feind des Reichs zu werden, ein Feind der burgerlichen Ruh und Gluckseligkeit! Ein Feind des Kaisers! Geselle eines Raubers! du, Weislingen, mit deiner sanften Seele!
Weislingen. Wenn Ihr ihn kenntet-Adelheid. Ich wollt ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er hat eine hohe unbandige Seele. Eben darum wehe dir, Weislingen! Geh und bilde dir ein, Geselle von ihm zu sein. Geh! und laß dich beherrschen. Du bist freundlich, gefallig-Weislingen. Er ist's auch.
Adelheid. Aber du bist nachgebend und er nicht! Unversehens wird er dich wegreißen, du wirst ein Sklave eines Edelmanns werden, da du Herr von Fursten sein konntest.--Doch es ist Unbarmherzigkeit, dir deinen zukunftigen Stand zu verleiden.
Weislingen. Hattest du gefuhlt, wie liebreich er mir begegnete.
Adelheid. Liebreich! Das rechnest du ihm an? Es war seine Schuldigkeit; und was hattest du verloren, wenn er widerwartig gewesen ware? Mir hatte das willkommner sein sollen. Ein ubermutiger Mensch wie der-Weislingen. Ihr redet von Euerm Feind.
Adelheid. Ich redete fur Eure Freiheit--Und weiß uberhaupt nicht, was ich vor einen Anteil dran nehme. Lebt wohl.
Weislingen. Erlaubt noch einen Augenblick. (Er nimmt ihre Hand und schweigt.)
Adelheid. Habt Ihr mir noch was zu sagen?
Weislingen.--Ich muß fort.
Adelheid. So geht.
Weislingen. Gnadige Frau!--Ich kann nicht.
Adelheid. Ihr mußt.
Weislingen. Soll das Euer letzter Blick sein?
Adelheid. Geht, ich bin krank, sehr zur ungelegnen Zeit.
Weislingen. Seht mich nicht so an.
Adelheid. Willst du unser Feind sein, und wir sollen dir lacheln? Geh!
Weislingen. Adelheid!
Adelheid. Ich hasse Euch!
(Franz kommt.)
Franz. Gnadiger Herr! Der Bischof laßt Euch rufen.
Adelheid. Geht! Geht!
Franz. Er bittet Euch, eilend zu kommen.
Adelheid. Geht! Geht!
Weislingen. Ich nehme nicht Abschied, ich sehe Euch wieder! (Ab.)
Adelheid. Mich wieder? Wir wollen dafur sein. Margarete, wenn er kommt, weis ihn ab. Ich bin krank, habe Kopfweh, ich schlafe--Weis ihn ab. Wenn er noch zu gewinnen ist, so ist's auf diesem Wege. (Ab. )
Vorzimmer
Weislingen. Franz.
Weislingen. Sie will mich nicht sehn?
Franz. Es wird Nacht, soll ich die Pferde satteln?
Weislingen. Sie will mich nicht sehn?
Franz. Wann befehlen Ihro Gnaden die Pferde?
Weislingen. Es ist zu spat! Wir bleiben hier.
Franz. Gott sei Dank! (Ab.)
Weislingen. Du bleibst! Sei auf, deiner Hut, die Versuchung ist groß. Mein Pferd scheute, wie ich zum Schloßtor herein wollte, mein guter Geist stellte sich ihm entgegen, er kannte die Gefahren, die mein hier warteten.--Doch ist's nicht recht, die vielen Geschafte, die ich dem Bischof unvollendet liegen ließ, nicht wenigstens so zu ordnen, daß ein Nachfolger da anfangen kann, wo ich's gelassen habe. Das kann ich doch alles tun, unbeschadet Berlichingen und unserer Verbindung. Denn halten sollen sie mich hier nicht.--Ware doch besser gewesen, wenn ich nicht gekommen ware. Aber ich will fort--morgen oder ubermorgen. (Geht ab.)
Im Spessart
Gotz. Selbitz. Georg.
Selbitz. Ihr seht, es ist gegangen, wie ich gesagt habe.
Gotz. Nein! Nein! Nein!
Georg. Glaubt, ich berichte Euch mit der Wahrheit. Ich tat, wie Ihr befahlt, nahm den Kittel des Bambergischen und sein Zeichen, und damit ich doch mein Essen und Trinken verdiente, geleitete ich Reineckische Bauern hinauf nach Bamberg.
Selbitz. In der Verkappung? Das hatte dir ubel geraten konnen.
Georg. So denk ich auch hintendrein. Ein Reitersmann, der das voraus denkt, wird keine weiten Sprunge machen. Ich kam nach Bamberg, und gleich im Wirtshaus horte ich erzahlen: Weislingen und der Bischof seien ausgesohnt, und man redte viel von einer Heirat mit der Witwe des von Walldorf.
Gotz. Gesprache.
Georg. Ich sah ihn, wie er sie zur Tafel fuhrte. Sie ist schon, bei meinem Eid, sie ist schon. Wir buckten uns alle, sie dankte uns allen, er nickte mit dem Kopf, sah sehr vergnugt, sie gingen vorbei, und das Volk murmelte: "Ein schones Paar!"
Gotz. Das kann sein.
Georg. Hort weiter. Da er des andern Tags in die Messe ging, paßt ich meine Zeit ab. Er war allein mit einem Knaben. Ich stund unten an der Treppe und sagte leise zu ihm: "Ein paar Worte von Euerm Berlichingen." Er ward besturzt; ich sahe das Gestandnis seines Lasters in seinem Gesicht, er hatte kaum das Herz, mich anzusehen, mich, einen schlechten Reitersjungen.
Selbitz. Das macht, sein Gewissen war schlechter als dein Stand.
Georg. "Du bist Bambergisch?" sagt' er.--"Ich bring einen Gruß vom Ritter Berlichingen", sagt ich, "und soll fragen--"--"Komm morgen fruh", sagt' er, "an mein Zimmer, wir wollen weiterreden."
Gotz. Kamst du?
Georg. Wohl kam ich, und mußt im Vorsaal stehn, lang, lang. Und die seidnen Buben beguckten mich von vorn und hinten. Ich dachte, guckt ihr--Endlich fuhrte man mich hinein, er schien bose, mir war's einerlei. Ich trat zu ihm und legte meine Kommission ab. Er tat feindlich bose, wie einer, der kein Herz hat und 's nit will merken lassen. Er verwunderte sich, daß Ihr ihn durch einen Reitersjungen zur Rede setzen ließt. Das verdroß mich. Ich sagte, es gabe nur zweierlei Leut, brave und Schurken, und ich diente Gotzen von Berlichingen. Nun fing er an, schwatzte allerlei verkehrtes Zeug, das darauf hinausging: Ihr hattet ihn ubereilt, er sei Euch keine Pflicht schuldig und wolle nichts mit Euch zu tun haben.
Gotz. Hast du das aus seinem Munde?
Georg. Das und noch mehr--Er drohte mir-Gotz. Es ist genug! Der ware nun auch verloren! Treu und Glaube, du hast mich wieder betrogen. Arme Marie! Wie werd ich dir's beibringen!
Selbitz. Ich wollte lieber mein ander Bein dazu verlieren, als so ein Hundsfott sein. (Ab.)
Bamberg
Adelheid. Weislingen.
Adelheid. Die Zeit fangt mir an unertraglich lang zu werden; reden mag ich nicht, und ich schame mich, mit Euch zu spielen. Langeweile, du bist arger als ein kaltes Fieber.
Weislingen. Seid Ihr mich schon mude?
Adelheid. Euch nicht sowohl als Euern Umgang. Ich wollte, Ihr wart, wo Ihr hinwolltet, und wir hatten Euch nicht gehalten.
Weislingen. Das ist Weibergunst! Erst brutet sie, mit Mutterwarme, unsere liebsten Hoffnungen an; dann, gleich einer unbestandigen Henne, verlaßt sie das Nest und ubergibt ihre schon keimende Nachkommenschaft dem Tode und der Verwesung.
Adelheid. Scheltet die Weiber! Der unbesonnene Spieler zerbeißt und zerstampft die Karten, die ihn unschuldigerweise verlieren machten. Aber laßt mich Euch was von Mannsleuten erzahlen. Was seid denn ihr, um von Wankelmut zu sprechen? Ihr, die ihr selten seid, was ihr sein wollt, niemals, was ihr sein solltet. Konige im Festtagsornat, vom Pobel beneidet. Was gab eine Schneidersfrau drum, eine Schnur Perlen um ihren Hals zu haben, von dem Saum eures Kleids, den eure Absatze verachtlich zuruckstoßen!
Weislingen. Ihr seid bitter.
Adelheid. Es ist die Antistrophe von Eurem Gesang. Eh ich Euch kannte, Weislingen, ging mir's wie der Schneidersfrau. Der Ruf, hundertzungig, ohne Metapher gesprochen, hatte Euch so zahnarztmaßig herausgestrichen, daß ich mich uberreden ließ zu wunschen: mochtest du doch diese Quintessenz des mannlichen Geschlechts, den Phonix Weislingen zu Gesicht kriegen! Ich ward meines Wunsches gewahrt.
Weislingen. Und der Phonix prasentierte sich als ein ordinarer Haushahn.
Adelheid. Nein, Weislingen, ich nahm Anteil an Euch.
Weislingen. Es schien so-Adelheid. Und war. Denn wirklich, ihr ubertraft Euern Ruf. Die Menge schatzt nur den Widerschein des Verdienstes. Wie mir's denn nun geht, daß ich uber die Leute nicht denken mag, denen ich wohlwill; so lebten wir eine Zeitlang nebeneinander, es fehlte mir was, und ich wußte nicht, was ich an Euch vermißte. Endlich gingen mir die Augen auf. Ich sah statt des aktiven Mannes, der die Geschafte eines Furstentums belebte, der sich und seinen Ruhm dabei nicht vergaß, der auf hundert großen Unternehmungen, wie auf ubereinander gewalzten Bergen, zu den Wolken hinaufgestiegen war: den sah ich auf einmal, jammernd wie einen kranken Poeten, melancholisch wie ein gesundes Madchen und mußiger als einen alten Junggesellen. Anfangs schrieb ich's Euerm Unfall zu, der Euch noch neu auf dem Herzen lag, und entschuldigte Euch, so gut ich konnte. Jetzt, da es von Tag zu Tage schlimmer mit Euch zu werden scheint, mußt Ihr mir verzeihen, wenn ich Euch meine Gunst entreiße. Ihr besitzt sie ohne Recht, ich schenkte sie einem andern auf Lebenslang, der sie Euch nicht ubertragen konnte.
Weislingen. So laßt mich los.
Adelheid. Nicht, bis alle Hoffnung verloren ist. Die Einsamkeit ist in diesen Umstanden gefahrlich.--Armer Mensch! Ihr seid so mißmutig, wie einer, dem sein erstes Madchen untreu wird, und eben darum geb ich Euch nicht auf. Gebt mir die Hand, verzeiht mir, was ich aus Liebe gesagt habe.
Weislingen. Konntest du mich lieben, konntest du meiner heißen Leidenschaft einen Tropfen Linderung gewahren! Adelheid! deine Vorwurfe sind hochst ungerecht. Konntest du den hundertsten Teil ahnen von dem, was die Zeit her in mir arbeitet, du wurdest mich nicht mit Gefalligkeit, Gleichgultigkeit und Verachtung so unbarmherzig hin und her zerrissen haben--Du lachelst!--Nach dem ubereilten Schritt wieder mit mir selbst einig zu werden, kostete mehr als einen Tag. Wider den Menschen zu arbeiten, dessen Andenken so lebhaft neu in Liebe bei mir ist.
Adelheid. Wunderlicher Mann, der du den lieben kannst, den du beneidest! Das ist, als wenn ich meinem Feinde Proviant zufuhrte.
Weislingen. Ich fuhl's wohl, es gilt hier, kein Saumen. Er ist berichtet, daß ich wieder Weislingen bin, und er wird sich seines Vorteils uber uns ersehen. Auch, Adelheid, sind wir nicht so trag, als du meinst. Unsere Reiter sind verstarkt und wachsam, unsere Unterhandlungen gehen fort, und der Reichstag zu Augsburg soll hoffentlich unsere Projekte zur Reife bringen.
Adelheid. Ihr geht hin?
Weislingen. Wenn ich eine Hoffnung mitnehmen konnte! (Kußt ihre Hand. )
Adelheid. O ihr Unglaubigen! Immer Zeichen und Wunder! Geh, Weislingen, und vollende das Werk. Der Vorteil des Bischofs, der deinige, der meinige, sie sind so verwebt, daß, ware es auch nur der Politik wegen-Weislingen. Du kannst scherzen.
Adelheid. Ich scherze nicht. Meine Guter hat der stolze Herzog inne, die deinigen wird Gotz nicht lange ungeneckt lassen; und wenn wir nicht zusammenhalten wie unsere Feinde und den Kaiser auf unsere Seite lenken, sind wir verloren.
Weislingen. Mir ist's nicht bange. Der großte Teil der Fursten ist unserer Gesinnung. Der Kaiser verlangt Hulfe gegen die Turken, und dafur ist's billig, daß er uns wieder beisteht. Welche Wollust wird mir's sein, deine Guter von ubermutigen Feinden zu befreien, die unruhigen Kopfe in Schwaben aufs Kissen zu bringen, die Ruhe des Bistums, unser aller herzustellen. Und dann--?
Adelheid. Ein Tag bringt den andern, und beim Schicksal steht das Zukunftige.
Weislingen. Aber wir mussen wollen.
Adelheid. Wir wollen ja.
Weislingen. Gewiß?
Adelheid. Nun ja. Geht.
Weislingen. Zauberin!
Herberge Bauernhochzeit. Musik und Tanz draußen
Der Brautvater, Gotz, Selbitz am Tische. Brautigam tritt zu ihnen.
Gotz. Das Gescheitste war, daß ihr euern Zwist so glucklich und frohlich durch eine Heirat endigt.
Brautvater. Besser, als ich mir's hatte traumen lassen. In Ruh und Fried mit meinem Nachbar, und eine Tochter wohl versorgt dazu!
Brautigam. Und ich im Besitz des strittigen Stucks, und druber den hubschten Backfisch im ganzen Dorf. Wollte Gott, Ihr hattet Euch eher drein geben.
Selbitz. Wie lange habt ihr prozessiert?
Brautvater. An die acht Jahre. Ich wollte lieber noch einmal so lang das Frieren haben, als von vorn anfangen. Das ist ein Gezerre, Ihr glaubt's nicht, bis man den Perucken ein Urteil vom Herzen reißt; und was hat man darnach? Der Teufel hol den Assessor Sapupi! 's is ein verfluchter schwarzer Italiener.
Brautigam. Ja, das ist ein toller Kerl. Zweimal war ich dort.
Brautvater. Und ich dreimal. Und seht, ihr Herrn: kriegen wir ein Urteil endlich, wo ich so viel Recht hab als er, und er so viel als ich, und wir eben stunden wie die Maulaffen, bis mir unser Herrgott eingab, ihm meine Tochter zu geben und das Zeug dazu.
Gotz (trinkt). Gut Vernehmen kunftig.
Brautvater. Geb's Gott! Geh aber, wie's will, prozessieren tu ich mein Tag nit mehr. Was das ein Geldspiel kost! Jeden Reverenz, den euch ein Prokurator macht, mußt ihr bezahlen.
Selbitz. Sind ja jahrlich Kaiserliche Visitationen da.
Brautvater. Hab nichts davon gehort. Ist mir mancher schone Taler nebenaus gangen. Das unerhorte Blechen!
Gotz. Wie meint Ihr?
Brautvater. Ach, da macht alles hohle Pfotchen. Der Assessor allein, Gott verzeih's ihm, hat mir achtzehn Goldgulden abgenommen.
Brautigam. Wer?
Brautvater. Wer anders als der Sapupi?
Gotz. Das ist schandlich.
Brautvater. Wohl, ich mußt ihm zwanzig erlegen. Und da ich sie ihm hingezahlt hatte, in seinem Gartenhaus, das prachtig ist, im großen Saal, wollt mir vor Wehmut fast das Herz brechen. Denn seht, eines Haus und Hof steht gut, aber wo soll bar Geld herkommen? Ich stund da, Gott weiß, wie mir's war. Ich hatte keinen roten Heller Reisegeld im Sack. Endlich nahm ich mir 's Herz und stellt's ihm vor. Nun er sah, daß mir 's Wasser an die Seele ging, da warf er mir zwei davon zuruck und schickt' mich fort.
Brautigam. Es ist nicht moglich! Der Sapupi?
Brautvater. Wie stellst du dich! Freilich! Kein andrer!
Brautigam. Den soll der Teufel holen, er hat mir auch funfzehn Goldgulden abgenommen.
Brautvater. Verflucht!
Selbitz. Gotz! Wir sind Rauber!
Brautvater. Drum fiel das Urteil so scheel aus. Du Hund!
Gotz. Das mußt ihr nicht ungerugt lassen.
Brautvater. Was sollen wir tun?
Gotz. Macht euch auf nach Speier, es ist eben Visitationszeit, zeigt's an, sie mussen's untersuchen und euch zu dem Eurigen helfen.
Brautigam. Denkt Ihr, wir treiben's durch?
Gotz. Wenn ich ihm uber die Ohren durfte, wollt ich's euch versprechen.
Selbitz. Die Summe ist wohl einen Versuch wert.
Gotz. Bin ich wohl eher um des vierten Teils willen ausgeritten.
Brautvater. Wie meinst du?
Brautigam. Wir wollen, geh's wie's geh.
(Georg kommt.)
Georg. Die Nurnberger sind im Anzug.
Gotz. Wo?
Georg. Wenn wir ganz sachte reiten, packen wir sie zwischen Beerheim und Muhlbach im Wald.
Selbitz. Trefflich!
Gotz. Kommt, Kinder. Gott gruß euch! Helf uns allen zum Unsrigen!
Bauer. Großen Dank! Ihr wollt nicht zum Nacht-Ims bleiben?
Gotz. Konnen nicht. Adies.
Dritter Akt
III. Akt, Szene 1
Augsburg. Ein Garten
Zwei Nurnberger Kaufleute.
Erster Kaufmann. Hier wollen wir stehn, denn da muß der Kaiser vorbei. Er kommt eben den langen Gang herauf.
Zweiter Kaufmann. Wer ist bei ihm?
Erster Kaufmann. Adelbert von Weislingen!
Zweiter Kaufmann. Bambergs Freund! Das ist gut.
Erster Kaufmann. Wir wollen einen Fußfall tun, und ich will reden.
Zweiter Kaufmann. Wohl, da kommen sie.
(Kaiser. Weislingen.)
Erster Kaufmann. Er sieht verdrießlich aus.
Kaiser. Ich bin unmutig, Weislingen, und wenn ich auf mein vergangenes Leben zurucksehe, mocht ich verzagt werden; so viel halbe, so viel verungluckte Unternehmungen! und das alles, weil kein Furst im Reich so klein ist, dem nicht mehr an seinen Grillen gelegen ware als an meinen Gedanken.
(Die Kaufleute werfen sich ihm zu Fußen.)
Kaufmann. Allerdurchlauchtigster! Großmachtigster!
Kaiser. Wer seid ihr? Was gibt's?
Kaufmann. Arme Kaufleute von Nurnberg, Eurer Majestat Knechte, und flehen um Hulfe. Gotz von Berlichingen und Hans von Selbitz haben unser dreißig, die von der Frankfurter Messe kamen, im Bambergischen Geleite niedergeworfen und beraubt; wir bitten Eure Kaiserliche Majestat um Hulfe, um Beistand, sonst sind wir alle verdorbene Leute, genotigt, unser Brot zu betteln.
Kaiser. Heiliger Gott! Heiliger Gott! Was ist das? Der eine hat nur eine Hand, der andere nur ein Bein; wenn sie denn erst zwei Hande hatten, und zwei Beine, was wolltet ihr dann tun?
Kaufmann. Wir bitten Eure Majestat untertanigst, auf unsere bedrangten Umstande ein mitleidiges Auge zu werfen.
Kaiser. Wie geht's zu! Wenn ein Kaufmann einen Pfeffersack verliert, soll man das ganze Reich aufmahnen; und wenn Handel vorhanden sind, daran Kaiserlicher Majestat und dem Reich viel gelegen ist, daß es Konigreich, Furstentum, Herzogtum und anders betrifft, so kann euch kein Mensch zusammenbringen.
Weislingen. Ihr kommt zur ungelegnen Zeit. Geht und verweilt einige Tage hier.
Kaufleute. Wir empfehlen uns zu Gnaden. (Ab.)
Kaiser. Wieder neue Handel. Sie wachsen nach wie die Kopfe der Hydra.
Weislingen. Und sind nicht auszurotten als mit Feuer und Schwert und einer mutigen Unternehmung.
Kaiser. Glaubt Ihr?
Weislingen. Ich halte nichts fur tunlicher, wenn Eure Majestat und die Fursten sich uber andern unbedeutenden Zwist vereinigen konnten. Es ist mit nichten ganz Deutschland, das uber Beunruhigung klagt. Franken und Schwaben allein glimmt noch von den Resten des innerlichen verderblichen Burgerkriegs. Und auch da sind viele der Edeln und Freien, die sich nach Ruhe sehnen. Hatten wir einmal diesen Sickingen, Selbitz--Berlichingen auf die Seite geschafft, das ubrige wurde bald von sich selbst zerfallen. Denn sie sind's, deren Geist die aufruhrische Menge belebt.
Kaiser. Ich mochte die Leute gerne schonen, sie sind tapfer und edel. Wenn ich Krieg fuhrte, mußten sie mit mir zu Felde.
Weislingen. Es ware zu wunschen, daß sie von jeher gelernt hatten, ihrer Pflicht zu gehorchen. Und dann war es hochst gefahrlich, ihre aufruhrischen Unternehmungen durch Ehrenstellen zu belohnen. Denn eben diese kaiserliche Mild und Gnade ist's, die sie bisher so ungeheuer mißbrauchten, und ihr Anhang, der sein Vertrauen und Hoffnung darauf setzt, wird nicht ehe zu bandigen sein, bis wir sie ganz vor den Augen der Welt zunichte gemacht und ihnen alle Hoffnung, jemals wieder emporzukommen, vollig abgeschnitten haben.
Kaiser. Ihr ratet also zur Strenge?
Weislingen. Ich sehe kein ander Mittel, den Schwindelgeist, der ganze Landschaften ergreift, zu bannen. Horen wir nicht schon hier und da die bittersten Klagen der Edeln, daß ihre Untertanen, ihre Leibeignen sich gegen sie auflehnen und mit ihnen rechten, ihnen die hergebrachte Oberherrschaft zu schmalern drohen, so daß die gefahrlichsten Folgen zu furchten sind?
Kaiser. Jetzt war eine schone Gelegenheit wider den Berlichingen und Selbitz; nur wollt ich nicht, daß ihnen was zuleid geschehe. Gefangen mocht ich sie haben, und dann mußten sie Urfehde schworen, auf ihren Schlossern ruhig zu bleiben und nicht aus ihrem Bann zu gehen. Bei der nachsten Session will ich's vortragen.
Weislingen. Ein freudiger beistimmender Zuruf wird Eurer Majestat das Ende der Rede ersparen. (Ab.) Jagsthausen |
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