Julchen. Sie konnen eine fremde Person vortrefflich annehmen. Aber auch die Liebe im Scherze beunruhigt mich. Ich weiß nicht, wo meine Schwester bleibt. Ich mochte doch wissen, was sie mir zu sagen hatte; sie kußte mich vor Freuden. Es muß etwas Wichtiges sein. Ich muß sie nur suchen.. Verziehn Sie einen Augenblick.
Zwolfter Auftritt
Siegmund allein.
Ich Abscheu! Was habe ich getan? Ich werde der redlichsten Seele untreu, die mich mit Entzuckung liebt? Ich...? Aber wie schon, wie reizend ist Julchen! Sie liebt ihn noch nicht... Und mir, mir ist sie gewogen? Aber die Vernunft...? Sie soll schweigen... Mein Herz mag die Sache ausfuhren.... Mißlingt mir meine Absicht: so bleibt mir Lottchen noch gewiß. ... Hat sie mir nicht selbst befohlen, mich verliebt in Julchen zu stellen? Werde ich ihr darum untreu? Wie? Sie kommt noch einmal? Sucht sie mich mit Fleiß?
Dreizehnter Auftritt
Siegmund. Julchen. Der Magister.
Julchen (zu Siegmund). Lottchen will mir nichts eher sagen, bis Herr Damis wiederkommt. Er ist eine halbe Stunde nach Hause gegangen, und Sie sollen so gutig sein und zu dem Papa kommen. Er wartet mit dem Kaffee auf Sie.
Siegmund. Nach Ihrem Befehle. Aber darf ich hoffen?
Julchen. Weil Sie in der Sprache der Liebhaber reden: so muß ich Ihnen in der Sprache der Schonen antworten: Sie mussen mit meinem Papa davon sprechen.
Der Magister. Ja, Herr Siegmund, mein Bruder wartet auf Sie, und ich mochte gern ein Wort mit Jungfer Julchen allein sprechen.
Vierzehnter Auftritt
Julchen. Der Magister.
Julchen. Herr Magister, wollen Sie mir etwa sagen, was mir Lottchen Neues erzahlen will?
Der Magister. Nein, ich habe sie gar nicht gesehn. Ich komme aus meiner Studierstube und habe zum Zeitvertreibe in einem deutschen Fabelbuche gelesen. Wenn Sie mir zuhoren wollten: so wollte ich Ihnen eine Fabel daraus vorlesen, die mir ganz artig geschienen hat. Ich weiß, Sie horen gerne witzige Sachen.
Julchen. Ja, aber nur heute nicht, weil ich gar zu unruhig bin. Sie lesen mir ja sonst keine Fabeln vor. Wie kommen Sie denn heute auf diesen Einfall? Ja, ich weiß wohl eher, daß Sie mir eine ziemliche finstere Miene gemalt haben, wenn Sie mich in des Fontaine oder Hagedorns Fabeln haben lesen sehen.
Der Magister. Sie haben recht. Ich halte mehr auf grundliche Schriften. Und das Solide ist fur die Welt allemal besser als das Witzige. Aber wie man den Verstand nicht immer anstrengen kann: so ist es auch erlaubt, zuweilen etwas Seichtes zu lesen. Wollen Sie die Fabel horen? Sie heißt Die Sonne.
Julchen. O ich habe schon viele Fabeln von der Sonne gelesen! Ich will es Ihnen auf Ihr Wort glauben, daß sie artig ist. Lesen Sie mir sie nur nicht vor.
Der Magister. Jungfer Muhme, ich weiß nicht, was Sie heute fur eine verdrießliche Gemutsart haben. Ihnen zu gefallen, verderbe ich mir etliche kostbare Stunden. Ich arbeite fur Ihr Gluck, fur Ihre Beruhigung. Und Sie sind so unerkenntlich und beleidigen mich alle Augenblicke dafur? Bin ich Ihnen denn so geringe? Verdienen meine Absichten nicht wenigstens Ihre Aufmerksamkeit? Sind denn Ihre Pflichten gegen mich durch die Blutsverwandtschaft nicht deutlich genug bestimmt? Warum widersprechen Sie mir denn? Kann ich etwas dafur, daß Sie nach der Vernunft verbunden sind, zu heiraten? Habe ich den Gehorsam, den Sie Ihrem Herrn Vater und mir schuldig sind, etwa erdacht? Ist er nicht in dem ewigen Gesetze der Vernunft enthalten?
Julchen. Sie schmalen auf mich, Herr Magister; aber Sie schmalen doch gelehrt, und deswegen will ich mich zufriedengeben. Darf ich bitten: so lesen Sie mir die Fabel vor, damit ich wieder zu meiner Schwester gehn kann. Sie wissen nicht, wie hoch ich Sie schatze.
Der Magister. Warum sollte ich's nicht wissen? Wenn Sie gleich nicht den scharfsten Verstand haben, so haben Sie doch ein gutes Herz. Und ich wollte wetten, wenn Sie statt der Bremischen Beitrage und anderer solchen leichten Schriften eine systematische Moralphilosophie lasen, daß Sie bald anders sollten denken lernen. Wenn Sie die Triebe des Willens und ihre Natur philosophisch kennen sollten: so wurden Sie sehen, daß der Trieb der Liebe ein Grundtrieb ware, und also...
Julchen. Sie reden mir so viel von der Liebe vor. Haben Sie denn in Ihrer Jugend auch geliebt? Kennen Sie denn die Liebe recht genau? Was ist sie denn? Ein Ratsel, das niemand auflosen kann.
Der Magister. Als der Verstand genug hat, in die Natur der Dinge zu dringen. Die Liebe ist eine Ubereinstimmung zweener Willen zu gleichen Zwecken. Mich deucht, dies ist sehr adaquat. Oder soll ich Ihnen eine andere Beschreibung geben?
Julchen. Nein, ich habe mit dieser genug zu tun. Sagen Sie mir lieber die Fabel. Ich muß zu meiner Schwester.
Der Magister. Ja, ja, die Fabel ist freilich nicht so schwer zu verstehen als eine Kausaldefinition. Sie ist kurz, und sie scheint mir mehr eine Allegorie als eine Fabel zu sein. Sie klingt also: Die Sonne verliebte sich, wie man erzahlt, einsmals in den Mond. Sie entdeckte ihm ihre Wunsche auf das zartlichste; allein der Mond blieb seiner Natur nach kalt und unempfindlich. Er verlachte alle die Grunde, womit ihn einige benachbarte Planeten zur Zartlichkeit gegen die Sonne bewegen wollten. Ein heimlicher Stolz hieß ihn sprode tun, ob ihm die Liebe der Sonne gleich angenehm war. Er trotzte auf sein schones und reines Gesicht, bis es eine Gottheit auf das Bitten der Sonne mit Flecken verunstaltete. Und dies sind die Flecken, die wir noch heutzutage in dem Gesichte des Monden finden. Dies ist die Fabel. Was empfinden Sie dabei?
Julchen. Ich empfinde, daß sie mir nicht gefallt und daß der Verfasser ihrer noch viel machen wird. Ich will doch nicht hoffen, daß Sie diese Erzahlung im Ernste fur artig halten.
Der Magister. Freilich kann der Verstand bei witzigen Sachen seine Starke nicht sehen lassen. Aber wie? wenn ich die Fabel selbst gemacht hatte?
Julchen. So wurde ich glauben mussen, daß die Schuld an mir lage, warum sie mir nicht schon vorkommt.
Der Magister. Sie wissen sich gut herauszuwickeln. Ich will es Ihnen gestehen. Es ist meine Arbeit. Ich will mich eben nicht groß damit machen, denn Witz kann auch ein Ungelehrter haben. Aber wollten Sie diese Fabel wohl auflosen? Was soll die Moral sein?
Julchen. Das werden Sie mir am besten sagen konnen.
Der Magister. Die Moral soll etwan diese sein: Ein schones Frauenzimmer, die gegen den Liebhaber gar zu lange sprode tut, steht in der Gefahr, daß das Alter ihr schones Gesicht endlich verwustet.
Julchen. Sie sind heute recht sinnreich, Herr Magister. Ich merke, die Fabel geht auf mich. Ich bin der Mond. Herr Damis wird die Sonne sein, und die Planeten werden auf Sie und meine Schwester zielen. Habe ich nicht alles erraten?
Der Magister. Ich sehe wohl, wenn man Ihnen seine Gedanken unter Bildern vortragt: so machen sie einen großen Eindruck bei Ihnen. Jungfer Muhme, denken Sie unmaßgeblich an die Fabel und widerstehen Sie der Liebe des Herrn Damis nicht langer. Was soll ich Ihrem Papa fur eine Antwort bringen?
Julchen. Sagen Sie ihm nur, daß ich uber Ihre Fabel hatte lachen mussen: so verdrießlich ich auch gewesen ware. Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen.
Funfzehnter Auftritt
Der Magister. Cleon. Siegmund.
Cleon. Nun, mein lieber Magister, was spricht Julchen? Ich denke, sie wird sich wohl ohne deine Fabel zur Liebe entschlossen haben.
Der Magister. Sie bleibt unbeweglich. Ich weiß nicht, warum ich mir des eigensinnigen Madchens wegen so viel Muhe gebe. Wer weder durch philosophische noch durch sinnliche Beweise zu bewegen ist, den muß man seinem Wahne zur Strafe uberlassen. Ich sage ihr kein Wort mehr. So geht es, wenn man seinen Kindern nicht beizeiten ein grundliches Erkenntnis von der Moral beibringen laßt. Ich habe mich zehnmal erboten, deine Tochter denken zu lehren und ihnen die Grundursachen der Dinge zu zeigen. Aber nein, sie sollten witzig und nicht vernunftig werden.
Siegmund. Mein Herr, dies war ein verwegner Ausspruch. Ist Julchen nicht vernunftig genug?
Der Magister. Warum denn nur Julchen? Ich verstehe Sie. Ich habe ein andermal die Ehre, Ihnen zu antworten. Itzt warten meine Zuhorer auf mich.
Sechzehnter Auftritt
Cleon. Siegmund.
Cleon. Ich weiß nicht, wem ich glauben soll, ob dem Magister oder Lottchen? Diese spricht, Julchen liebt den Herrn Damis, und jener spricht: nein. Er hat ja Verstand. Sollte er denn die Sache nicht einsehen? Sagen Sie mir doch Ihre aufrichtige Meinung, Herr Siegmund.
Siegmund. Ich komme fast selbst auf die Gedanken, daß Julchen den Herrn Damis nicht wohl leiden kann.
Cleon. Aber was soll denn daraus werden? Wenn sie schon etwas von der Erbschaft wußte: so dachte ich, das Rittergut machte sie stolz. Herr Damis ist so redlich gewesen und hat sie zur Frau verlangt, da sie arm war. Nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit heiraten. Sie wird sich wohl noch geben.
Siegmund. Aber Sie wissen wohl, daß der Zwang in der Ehe uble Fruchte bringt.
Cleon. Es wird schon gehen. Ich verlasse mich auf die Fugung. Und ich wollte wohl wunschen, Herr Siegmund, wenn Sie anders noch willens sind, meine Tochter Lottchen zu ehelichen, daß ich heute ein doppeltes Verlobnis ausrichten konnte.
Siegmund. Ja, wenn nur meine Umstande... Ich habe einige hundert Taler Schulden...
Cleon. Gut. Julchen soll Ihre Schulden von ihrer Erbschaft bezahlen und Ihnen auch noch tausend Taler zum Anfange in der Ehe geben.
Siegmund. Das ist sehr schon; aber...
Cleon. Sie kriegen an Lottchen gewiß eine verstandige Frau. Das Madchen hat fast gar keinen Fehler, und ihr Gesichte ist auch nicht schlecht. Ich darf's ihr nur nicht sagen, aber sie sieht eine Sache manchmal besser ein als ich. Wenn doch die Abschrift von dem Testamente bald kame! Also, wollen Sie Lottchen haben?
Siegmund. Ja, ich wunsche mir Lottchen. Ich gehorche Ihnen als meinem Vater. Aber darf ich Ihnen sagen, daß es scheint, daß mir Julchen gewogener ist als dem Herrn Damis; und daß Lottchen hingegen mit diesem sehr zufrieden zu sein scheinet. Darf ich Ihnen wohl sagen, daß mir Julchen nur itzt noch befohlen hat, bei Ihnen um sie anzuhalten und...
Cleon. Was hore ich? Nun errate ich, warum das Madchen sich so geweigert hat. Lieber Herr Siegmund, ich beschwore Sie, sagen Sie mir, was bei der Sache anzufangen ist. Ich vergehe, ich... Ja doch. Julchen kann Ihnen gewogen sein, aber Lottchen ist Ihnen noch gewogener.
Siegmund. Sie haben vollkommen recht, lieber Papa.
Cleon. Also will Lottchen zwei Manner und Herr Damis zwo Weiber haben? Das ist ja unsinnig.
Siegmund. Es ist eine verwirrte Sache, bei der ich eine sehr ungewisse Person spiele. Das beste wird sein, daß Sie alles so geheimhalten, als es moglich ist, und die Verlobung mit dem Herrn Damis etwan noch acht Tage anstehen lassen. Vielleicht besinnt sich Julchen anders.
Cleon. Lieber Gott, zu wem wollte ich davon reden als zu Ihnen? Ich mußte mich ja schamen.
Siegmund. Wenn Lottchen den Herrn Damis freiwillig wahlen sollte: so bin ich viel zu redlich, als daß ich ihr einen Mann mit so großem Vermogen entziehen will.
Cleon. Sie sind die Großmut selbst. Ich kann alles zufrieden sein. Ich wollte Ihnen Julchens Vermogen ebensowohl gonnen als dem Herrn Damis. Freilich ware die Einteilung nicht uneben. Lottchen ware durch Herrn Damis' Vermogen und Ihnen durch Julchens Erbschaft geholfen. Ich weiß nicht, was ich anfangen soll.
Siegmund. Also wollten Sie mir, wenn es so weit kommen sollte, Julchen versprechen?
Cleon. Aber Lottchen hat Sie so lieb, lieber als mich. Und ich dachte, es ware unbillig, daß Sie sie vergaßen. Ich kann mir nicht einbilden, daß meine Tochter so unbestandig sein sollte. Ich habe sie selber vielmal fur Sie beten horen, daß es Ihnen der Himmel mochte wohlgehen und Sie ihr zum Vergnugen leben lassen, wenn es sein Wille ware. Sollte sie denn so leichtsinnig sein? Nein. Sie irren sich wohl.
Siegmund. Eben deswegen wollen wir die Sache noch geheimhalten. Ich liebe Lottchen wie meine Seele, und ich werde sie auf alle Art zu erhalten suchen.
Cleon. Wir wollen heute zusehn. Wir wollen genau auf alles achtgeben. Ich denke gewiß, es soll bei der ersten Einrichtung bleiben. Ich will Ihnen Lottchen mit einer guten Art herschicken. Sagen Sie ihr nur recht viel Zartliches vor. Sie hort es gern. Julchen will ich selber noch einmal ausforschen; aber ganz schlau. Ich habe mich lange aufgehalten und den Herrn Simon alleine gelassen. Wenn es nur der rechtschaffene Mann nicht ubelnimmt.
Siebenzehnter Auftritt
Siegmund allein.
Das geht gut. Julchen wird noch meine... Sie ist schon, reich und wohlgesittet, aufrichtig, edelgesinnt... Aber, Himmel, wenn Lottchen mein Vorhaben erfahren sollte! Wurde sie mein Herz nicht verfluchen?.. . Doch nein. Sie ist sicher. Sie liebt mich... Aber was qualt mich? Sind es die Schwure, die ich ihr...? Unkraftige Schwure der Treue, euch hort der Himmel nicht... O Julchen, wie reizend bist du! Dich zu besitzen, ist dies kein gerechter Wunsch?
Achtzehnter Auftritt
Siegmund. Lottchen.
Lottchen. Itzt kommen sie beide. Nun wollen wir's ihnen entdecken. Wie wird sich Julchen erfreuen, o wie wird sie sich erfreuen! Und Sie, mein Freund, Sie haben mich doch noch lieb? Vergeben Sie mir diese uberflussige Frage.
Siegmund. Ja, meine Schone, ich liebe Sie ewig und bin durch Ihre Liebe fur meine Treue unendlich belohnet. O konnte ich Sie doch vollkommen glucklich machen! (Er kußt sie.) Um dies Vergnugen muß mich ein Prinz beneiden. Hier kommen sie. Erlauben Sie, meine Schone, der Papa wartet schon lange mit dem Kaffee auf mich. Er mochte ungehalten werden.
Neunzehnter Auftritt
Lottchen. Julchen. Damis.
Lottchen (zu Damis). Ich wollte Ihnen ein schones, junges, liebenswurdiges Frauenzimmer mit einem Rittergute anbieten, wenn Sie Julchen wollen fahren lassen.
Julchen. Ist das die Neuigkeit?
Damis. Und wenn Ihr Frauenzimmer zehn Ritterguter hatte: so wurde mir Julchen auch in einer Schaferhutte besser gefallen.
Julchen. Was reden Sie? Horen Sie doch Lottchen an. Wer weiß, wie glucklich Sie werden! Ich gonne es Ihnen und der andern Person. Lottchen, wer ist sie denn?
Lottchen. Es ist ein artiges Kind. Sie hat ein Rittergut fur funfzigtausend Reichstaler. Sie ist wohlerzogen.
Julchen. So? Aber, wo... Wie heißt sie denn?
Lottchen. Sie ist fast so schon wie du.
Julchen. Das mag ich ja nicht wissen. Wenn ich schon bin: so wird mir's der Spiegel sagen. So muß keine Schwester mit der andern reden. Sage es dem Herrn Damis allein. Ich werde wohl nicht dabei notig sein. (Sie will gehn.)
Damis. Ach, liebe Mamsell, gehn Sie noch nicht. Ich gehe mit Ihnen.
Julchen. Das wird sich nicht schicken. Das Frauenzimmer mit dem Rittergute, das sich in Sie verliebt hat, wurde es sehr ubelnehmen. Es ist gut, daß Sie sich bei mir in den Liebeserklarungen geubt haben. Nunmehr werden sie Ihnen wenig Muhe machen.
Lottchen. Hore nur, meine Schwester. Es kommt erst darauf an, ob das Frauenzimmer dem Herrn Damis gefallen wird. Sie hat freilich schone große blaue Augen, fast wie du; eine gefallige Bildung und eine recht erobernde Miene; kleine volle runde Hande. (Julchen sieht ihre Hande an.) Sie ist dem Herrn Damis gut; aber sie liebt auch die Freiheit.
Julchen. O ich weiß gar nicht, was du haben willst? Kurz, wie heißt denn das Frauenzimmer, die den Herrn Damis liebt?
Lottchen. Sie heißt ebenfalls, wie du, Julchen.
Julchen. Oh! du willst mich zum Kinde machen.
Lottchen. Nein, Julchen, ich kundige hiermit dir und deinem Liebhaber ein ansehnliches Gluck an. Die selige Frau Muhme hat dir in ihrem Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht. Herr Simon hat uns die Nachricht nur itzt gegeben, und ich habe ihn gebeten, daß er mir die Freude gonnen mochte, sie euch beiden zuerst zu hinterbringen. Meine liebe Schwester, ich wunsche dir tausend Gluck zu deiner Erbschaft, und Ihnen, mein Freund, wunsche ich meine Schwester. Wie glucklich bin ich heute!
Julchen. Was? Das ganze Rittergut? Und dir nichts? Hatte sie es denn nicht teilen konnen? Ist es denn auch gewiß? Kann es nicht ein Mißverstand sein? Warum hat sie denn dir nichts vermacht?
Lottchen. Wenn sie dich nun lieber gehabt hat als mich. Genug, die Erbschaft ist deine und fur dich bestimmt gewesen. Ich habe genug, wenn ich kunftig ohne Kummer mit meinem Geliebten leben kann. Ach, Julchen, ich weiß, daß dem Papa ein jeder Augenblick zu lang wird, bis er dir seinen Gluckwunsch abstatten kann. Ich habe ihn gebeten, dich nichts merken zu lassen, bis ich mit dir geredt hatte.
Damis. Ich erstaune ganz. Vielleicht ware es ein Gluck fur mich, wenn kein Testament ware. Ach, mein liebes Julchen, soll ich Sie verlieren?
Julchen. Lottchen, ich teile das Gut mit dir und dem Papa. Nein, ganz wunsche ich mir es nicht. Ich verdiene es auch nicht. Traurige Erbschaft!... Ich war unruhig vor dieser Nachricht, und ich bin noch nicht vergnugt. (Sie sieht den Damis an.) Und Sie, mein Herr...?
Damis. Und Sie, meine Schone...?
Lottchen. Kommt, sonst geht die traurige Szene wieder an. Ich weiß, daß der Papa schon ein wenig geschmalet haben wird.
Zwanzigster Auftritt
Die Vorigen. Cleon.
Cleon. Ihr losen Kinder, wo bleibt ihr denn? Soll sich der Kaffee selber einschenken?
Lottchen. Schmalen Sie nicht, lieber Papa. Ihre Tochter sind in guten Handen. Wir waren gleich im Begriffe, zu Ihnen zu kommen.
Julchen. Ach, lieber Papa...
Cleon. Nun, was willst du? Soll ich dir zu deinem Glucke gratulieren? Ich habe vor Freuden schon daruber geweint. Hast du auch Gott fur die reiche Erbschaft gedankt? Du gutes Kind. Ach Lottchen, geh doch und schenke dem Herrn Simon noch eine Tasse Kaffee ein. Er will alsdann gehn und sich um die Abschrift des Testaments bemuhn. Sie, Herr Damis, sollen so gutig sein und ihm Gesellschaft leisten.
Damis. Von Herzen gern.
(Er geht mit Lottchen und Julchen, und der Vater winkt Julchen.)
Einundzwanzigster Auftritt
Cleon. Julchen.
Cleon. Nun, meine Tochter, wie steht es mit deinem Herzen? Es muß dir doch lieb sein, daß du ein Rittergut hast.
Julchen. Ja, deswegen, damit ich's Ihnen und meiner Schwester anbieten kann.
Cleon. Du gutes Kind! Behalte, was dein ist. Willst du deiner Schwester etwas geben; wohl gut. Ich werde schon, solange ich lebe, Brot in meinem kleinen Hause haben. Aber, was spricht Herr Damis? Hat auch der eine Freude uber deine Erbschaft?
Julchen. Meine Erbschaft scheint ihm sehr gleichgultig zu sein.
Cleon. Ja, ja, er hat freilich selber genug Vermogen. Aber du mußt auch bedenken, daß er dich gewahlt hat, da du noch ein armes Madchen warest. Ach, wenn du wissen solltest, wieviel Gutes mir der Herr Vormund itzt von ihm erzahlet hat, du wurdest ihn gewiß lieben! Ich habe immer gedacht, er ware nicht gar zu gelehrt, weil er nicht so hoch redt wie mein Bruder, der Magister; allein, sein Vormund hat mich versichert, daß er ein rechter scharfsinniger Mensch ware und mehr gute Bucher gelesen hatte, als Stunden im Jahre waren. Wer hatte das denken sollen?
Julchen. Daß er gelehrt ist, habe ich lange gewußt; allein daß ich's nicht bin, weiß ich leider auch. Vielleicht sucht er die Gelehrsamkeit bei einem Frauenzimmer und nicht ein Rittergut.
Cleon. Du redst artig. Da werden die Tochter studieren konnen wie die Sohne. Du kannst ja auf der Laute spielen. Du kannst schon singen. Du kannst dein bißchen Franzosisch. Du schreibst einen feinen Brief und eine gute Hand. Du kannst gut tanzen, verstehst die Wirtschaft und siehst ganz fein aus, bist ehrlicher Geburt, gesittet und fromm und nunmehr auch ziemlich reich. Was will denn ein Mann mehr haben? Herr Damis liebt dich gewiß. Mache, daß ich ihn bald Herr Sohn und dich Braut heißen kann.
Julchen. Braut? Das weiß ich nicht. Sollte er mich lieben? Papa, Sie haben mich wohl zu sehr gelobt. Meine Schwester kann ja ebensoviel und noch mehr als ich.
Cleon. Es ist itzt die Rede nicht von deiner Schwester. Sie hat ihren Herrn Siegmund und verlangt kein großes Gluck. Gib ihr etwas von deinem Vermogen: so wird sie vollkommen zufrieden sein. Und so will ich sie gleich heute verloben. Oder mochtest du Herrn Siegmunden lieber zum Manne haben?
Julchen. Ich, Papa? Herrn Siegmunden? Wie kommen Sie auf die Gedanken? Wenn ich lieben wollte: warum sollte ich nicht den Herrn Damis lieben? Hat er nicht vielleicht noch mehr Verdienste als jener? Und wenn auch dieser liebenswurdiger ware, da er es doch nicht ist, wie konnte ich ohne Verbrechen an ihn denken, da ihn meine Schwester und er sie so zartlich liebt?
Cleon. So gefallst du mir. Ich bin ein rechter glucklicher Vater. (Er klopft sie auf die Backen.) Meine liebe schone Tochter, bleibe bei den Gedanken. Du wirst wohl dabei fahren. Nicht wahr, du hast den Herrn Damis viel lieber als Herrn Siegmunden? Dieser scheint mir zuweilen ein bißchen leichtsinnig zu sein oder doch lose. Ich habe alleweile mit dem Herrn Simon von ihm gesprochen und allerhand...
Julchen. Papa, wenn ich mich zur Liebe entschließe: so gebe ich Ihnen mein Wort, daß ich einen Mann wahle, wie Herr Damis ist. Wenn ich nur nicht meine Freiheit dabei verlore! Wenn ich nur wußte, ob ich ihn etwan schon gar liebte! Nein, Papa, ich liebe ihn noch nicht. Ich habe eine so reiche Erbschaft getan, und gleichwohl bin ich nicht zufriedner. Ob ich etwan gar krank werde?
Cleon. Ja, wohl kann man vor Liebe krank werden. Aber die Gegenliebe macht wieder gesund. Ich sprache ja, wenn ich wie du ware, damit ich der Krankheit zuvorkame.
Julchen. Ach! Papa.
Cleon. Ach! Du sollst nicht ≫Ach≪, du sollst ≫Ja≪ sprechen. Du gefallst ihm ganz ausnehmend. Er wird dich wie sein Kind lieben.
Julchen. Aber werde ich ihm stets gefallen?
Cleon. Das kannst du denken. Woran stoßt sich denn dein Herz noch? Befurchtest du denn gar, daß er dir kunftig untreu werden mochte? Nimmermehr! Der Herr Vormund hat mir gesagt, daß dein Liebster sehr viel Religion hatte und oft zu sagen pflegte, daß er kein Mensch sein mochte, wenn er nicht zugleich ein Christ sein sollte. Er wird dich gewiß zeitlebens fur gut halten. Er wird seine Schwure nicht brechen.
Julchen. Ich hore keine Schwure von ihm. Wurde er seine Liebe nicht beteuern, wenn er mich...?
Cleon. Das ist schon, daß er nicht schwort. Um desto mehr kannst du auf sein Wort bauen. Das offentliche Versprechen ist eben der Schwur in der Liebe. Und diesen Schwur will er heute tun, wenn du ihn zugleich tun willst.
Julchen. Papa, ich bin unentschlossen und ungeschickt, die Sache recht zu uberlegen. Lassen Sie mir noch Zeit.
Cleon. Bis auf den Abend bei Tische sollst du Zeit haben. Alsdann sprich ≫Ja≪ oder ≫Nein≪. Die Sache ist ernstlich gemeint. Ich habe dir mein Herz entdeckt. Du hast meine Einwilligung. Mache es, wie du willst. Komm, dein Liebster wird sich schon recht nach dir umgesehen haben. Die beiden schwarzen Pflasterchen lassen recht hubsch zu deinem Gesichte. Bist du denn etwan ausgefahren?
Julchen. Ja, ich habe zu Mittage ein Glas Wein getrunken.
Cleon. Nun, nun, es wird schon wieder vergehen, ehe du mir einen Gevatterbrief schickst. Komm und fuhre mich bei der Hand. Ich mochte gern einmal von einer Braut gefuhret werden.
(Ende des zweiten Aufzugs.)
Dritter Aufzug
Erster Auftritt
Siegmund. Julchen.
Julchen. Was sagen Sie mir? Das glaube ich in Ewigkeit nicht.
Siegmund. Ich aber glaube es.
Julchen (besturzt). Hat er es Ihnen denn selbst gesagt? Ich Ungluckliche!
Siegmund. Er hat mir's nicht mit deutlichen Worten gesagt: aber es ist gewiß, daß er Ihnen Lottchen weit vorzieht. Ich wollte ihm diese Beleidigung, so groß sie auch ist, gern vergeben, wenn er nur Sie nicht zugleich beleidigte. Ich bedaure Sie, mein Engel. Ich weiß, Sie meinen es aufrichtig und werden meine Redlichkeit dadurch belohnen, daß Sie dem Unbestandigen wenigstens meinen Namen verschweigen.
Julchen. War dies die Ursache seiner Traurigkeit? Der Treulose! Was hat er fur Vorteil davon, ein unerfahrnes Herz zu betrugen? Wenn er mir aus Rache das Leben hatte nehmen wollen: so wurde ich ihn noch nicht hassen. Aber daß er mich unter der Maske der Liebe und Aufrichtigkeit hintergeht, ist die schandbarste Tat.
Siegmund. Er wird es leugnen, denken Sie an mich.
Julchen. Der Verrater! Ja, er soll es leugnen. Ich mag dieses Verbrechen nie aus seinem Munde erfahren. Ich will ihn nicht bestrafen. Nein! Sein Gewissen wird mich rachen... Wie? Er? dem ich heute mein Herz schenken... doch nein, ich habe ihn nicht geliebt. Aber hat er nicht tausendmal gesagt, daß er mich liebte? Halt man sein Wort unter den Mannern nicht besser?
Siegmund. O meine Freundin, lassen Sie das Verbrechen eines einzigen nicht auf unser ganzes Geschlecht fallen. Sollten Sie mein Herz sehen! Ja... auch der Zorn macht Sie noch liebenswurdiger.
Julchen. Verlassen Sie mich, liebster Freund. Ich will... Und du, meine Schwester, du schweigst? Und alles dies tust du, o Liebe, du Pest der Menschen!... Verlassen Sie mich. Ich verspreche Ihnen bei meiner Ehre, Ihren Namen nicht zu entdecken und Ihre Aufrichtigkeit zeitlebens zu belohnen. Aber kommen Sie bald wieder hieher.
Siegmund. Sobald, als ich glaube, daß sich Ihre Hitze etwas gelegt haben wird.
Zweiter Auftritt
Julchen. Damis.
Julchen (die ihn in der Hitze nicht kommen sieht). Eben zu der Zeit, da er mir die teuresten Versicherungen der Liebe gibt, wird er auch untreu...? Und ich, ich kann ihn noch nicht hassen? Bin ich bezaubert?
Damis. Allerliebstes Kind, sehen Sie mich denn nicht? Mit wem reden Sie?
Julchen. Mit einem Betruger, den ich geliebt haben wurde, wenn ich weniger von ihm erfahren hatte. (Gelinder.) Ist es Ihnen moglich gewesen, mich zu hintergehn? Mich? die ich schon anfing, Sie im Herzen allen Personen Ihres Geschlechts vorzuziehn? Warum handeln Sie so grausam und erwecken eine Neigung in mir, die ich verabscheuen muß, nachdem ich sie gefuhlt habe? Doch um Ihnen zu zeigen, was Sie fur ein Herz hintergangen haben: so sage ich Ihnen, daß ich Sie niemals hassen, daß ich mich vielmehr bemuhen werde, Ihren Fehler vor mir selbst zu verbergen.
Damis. Ich Unglucklicher! Ist der Betruger der Name, den ich verdiene? Ich entschuldige mich nicht einen Augenblick, erzurnte Freundin. Ich sage Ihnen vielmehr mit dem Stolze eines guten Gewissens, daß mein Herz gar keines Betrugs fahig ist. Ich verlange es auch nicht zu wissen, wer Ihnen die ubele Meinung beigebracht hat. Die Zeit wird mich schon rechtfertigen.
Julchen. Und Sie sprechen noch mit so vielem Stolze?
Dritter Auftritt
Die Vorigen. Lottchen.
Damis (zu Lottchen). Kommen Sie, meine Freundin, und fangen Sie an, mich zu hassen. Ich soll meine Juliane hintergangen haben.
Lottchen. Haben Sie sich beide schon ein wenig gezankt? Vermutlich uber die ersten Kusse.
Damis (zu Julchen). Verklagen Sie mich doch bei Ihrer Jungfer Schwester. Sagen Sie ihr doch mein Verbrechen.
Julchen. Vielleicht fande ich da die wenigste Hulfe.
Lottchen. Ach, Julchen, wenn die selige Frau Muhme es hatte wissen sollen, daß du dich an dem Tage deiner Verlobung mit deinem Brautigam zanken wurdest: sie hatte dir nicht einen Ziegel von ihrem Rittergute vermacht. Ich habe die gute Hoffnung, daß der Krieg nicht lange dauern wird. Dein Herz ist von Natur friedfertig, wenngleich die Liebe etwas zankisch ist.
Julchen. O scherze nicht.
Lottchen (zu Damis). Sehn Sie nur Ihre liebe Braut recht an. Haben Sie sie durch eine kleine Liebkosung erbittert gemacht: so wollte ich Ihnen den Rat geben, sie durch zwo neue zu besanftigen. Julchen, rede wenigstens mit mir, wenn es Herr Damis nicht verdient. Oder wenn er dich ja beleidiget hat: so laß dir den Kuß wiedergeben: so seid ihr geschiedene Leute. Was habt ihr denn miteinander?
Julchen. Was wir miteinander haben? Das werde ich in deiner Gegenwart nicht sagen konnen. Ich glaube zwar gar nicht, daß du ihm Gelegenheit gegeben hast. Und was kann er dafur, daß du liebenswurdiger bist als ich? Auch sein Vergehn ist noch ein Verdienst. Er wurde dich nicht lieben, wenn er nicht die großten Vorzuge zu lieben gewohnt ware. Ich entschuldige ihn selbst.
Lottchen. Du gutes Kind! Also bin ich deine Nebenbuhlerin! Du dauerst mich in Wahrheit. Ich will dir das ganze Geheimnis eroffnen. Kommen nicht die Beschuldigungen wider deinen Liebhaber von Herrn Siegmunden her? Ich kann mir's leicht einbilden. Er hat sich in dich verliebt stellen sollen, um dich zu uberfuhren, daß du vielleicht schon liebtest. Er wird also die List gebraucht und dich beredt haben, daß Herr Damis mich liebte. Vergib ihm diesen Scherz. Er hat seine Rolle gar zu gut gespielt.
Julchen. Er tat sehr ernstlich und...
Damis (zu Julchen). Sehn Sie, was ich fur ein betrugerisches Herz habe?
Julchen. Aber...
Damis. Sie konnen noch ein Mißtrauen in mich setzen? Wie wenig mussen Sie mich kennen!
Julchen. Ich? mein Herr...
Damis. Ist das der Lohn fur meine Liebe?
Julchen. Der Lohn? Hassen Sie mich denn? Wurde ich eifersuchtig geworden sein, wenn ich nicht... Also haben Sie mich nicht hintergangen? Ja, mein ganzes Herz hat fur Sie gesprochen.
Lottchen. Du hast dich fangen lassen, meine gute Schwester. Und ich merke, daß es dir schon weh tut, daß du deinen Geliebten wegen deiner Hitze noch nicht um Vergebung gebeten hast. Ich will es an deiner Stelle tun. (Zum Damis.) Mein Herr, sein Sie so gutig und vergeben Sie es Julchen, daß Sie zartlicher von ihr geliebt werden, als Sie gedacht haben.
Julchen. Nein, wenn ich mich geirrt habe: so bitte ich Ihnen meinen Fehler freiwillig ab.
Damis. Aber lieben Sie mich denn auch?
Julchen. Ja. Nunmehr weiß ich's gewiß, daß ich Sie liebe. Und nunmehr bin ich bereit, dieses Bekenntnis vor meinem Vater und Ihrem Herrn Vormunde zu wiederholen, wenn Ihre Wunsche dadurch befriediget werden.
Damis. Meine Juliane! Ich bin zu glucklich.
Julchen. Wenn ich Ihr Herz noch nicht hatte: so wurde ich nunmehr selbst darum bitten, so hoch schatze ich's.
Damis. Vortreffliche Juliane! Ich bin... Doch es ist mir kein Gedanke anstandig genug fur Sie. Dieses ist es alles, was ich Ihnen in der Entzuckung antworten kann.
Lottchen. Meine liebe Schwester (sie umarmt Julchen), deine Liebe sei ewig glucklich! Sei mir ein Beispiel der Zartlichkeit und der Zufriedenheit. (Zum Damis.) Und Sie, mein lieber Herr Bruder, sollen so glucklich sein, als ich meine Schwester zu sehn wunsche. Bleiben Sie ein Freund meines Freundes, und befordern Sie unsere Ruhe durch Ihre Aufrichtigkeit. Kommen Sie, wir wollen zu unserm ehrlichen Vater gehn. Wie froh wird der fromme Alte nicht sein, wenn er Julchens Entschluß hort! Doch ich sehe den Herrn Vormund kommen. Gehn Sie, ich will das Vergnugen haben, diesem rechtschaffenen Mann, der mir heute eine freudige Post gebracht hat, auch die erste Nachricht von der Gewißheit Ihrer beiderseitigen Liebe zu geben.
(Julchen und Damis gehn ab.)
Vierter Auftritt
Lottchen. Simon.
Simon. Endlich habe ich die Ehre, Ihnen die Abschrift von dem Testamente zu bringen. Ich habe sie selbst geholet. Wollen Sie unbeschwert diesen Punkt lesen? (Er reicht ihr die Abschrift.)
Lottchen (sie liest). Wie? Ich bin die Erbin des Ritterguts? Ich?
Simon. Ja, Sie sind es, Mamsell, und nicht Ihre Jungfer Schwester. Der Herr Hofrat, der mir die erste Nachricht gegeben, muß sich entweder geirret oder diese kleine Verwirrung mit Fleiß angerichtet haben, um seiner Jungfer Pate eine desto großere Freude zu machen. Genug, es ist nunmehr gewiß, daß Sie die Erbin des Ritterguts sind, und kein Mensch kann Ihnen dieses Gluck aufrichtiger gonnen, als ich tue. Sie verdienen noch weit mehr.
Lottchen. O das ist ein trauriges Gluck! Wird nicht meine liebe Schwester daruber betrubt werden? Wird nicht Ihr Herr Mundel...?
Simon. Waren Sie doch viel zufriedner, da ich Ihnen die erste und nunmehr falsche Nachricht brachte. Lesen Sie doch nur weiter. Sie sind die Erbin des Ritterguts, aber Sie sollen Jungfer Julchen zehntausend Taler abgeben, sobald sie heiraten wird.
Lottchen. Nun bin ich zufrieden. Sie soll noch mehr haben als zehntausend Taler, wenn sie sich nur nicht uber ihren Verlust krankt. O was fur Bewegungen fuhle ich in meiner Seele! Und was werde ich erst da empfinden, wenn ich meinen Geliebten vor Freuden uber mein Gluck erschrecken sehe? O wie schon wird er erschrecken! Gott, wie glucklich bin ich! Wenn nur meine liebe Schwester nicht unruhig wird.
Funfter Auftritt
Die Vorigen. Siegmund.
Siegmund. Jungfer Julchen hat, wie ich gleich gehort, endlich ihr Ja von sich gegeben? Ist es gewiß? Das ist mir sehr angenehm.
Lottchen (zu Simon). Ja, sie hat sich nach dem Wunsche Ihres Herrn Mundels erklart und wird die Ehre haben, Sie um einen Brautigam zu bitten, der unter Ihren Handen so liebenswurdig geworden ist. Aber, mein Liebster, hier ist die Abschrift von dem Testamente. Geht es Ihnen nicht ein wenig nahe, daß die Frau Muhme uns beide vergessen hat?
Siegmund. Nein, nicht einen Augenblick. Sie sind mir mehr als ein reiches Testament.
Lottchen. Aber wenn uns Julchen etwas von ihrer Erbschaft anbieten sollte, wollen wir's annehmen?
Siegmund. Da sie nicht mehr uber ihr Herz zu gebieten hat: so hat sie auch nicht uber ihr Vermogen zu befehlen.
Simon. O mein Herr, Sie konnen versichert sein, daß ihr mein Mundel die vollige Freiheit lassen wird, freigebig und erkenntlich zu sein. Er sucht seinen Reichtum nicht in dem Uberflusse, sondern in dem Gebrauche desselben. Er wurde Julchen gewahlt haben, wenn sie auch keine Erbschaft getan hatte. Und vielleicht ware es ihm gar lieber, wenn er ihr Gluck durch sich allein hatte machen konnen. Wir wollen wunschen, daß alle Liebhaber so edel gesinnt sein mogen als er. |
|
댓글 없음:
댓글 쓰기