2014년 12월 30일 화요일

Die zaertlichen Schwestern 3

Die zaertlichen Schwestern 3

Julchen.  Sie konnen eine fremde Person vortrefflich annehmen.  Aber
auch die Liebe im Scherze beunruhigt mich.  Ich weiß nicht, wo meine
Schwester bleibt.  Ich mochte doch wissen, was sie mir zu sagen hatte;
sie kußte mich vor Freuden.  Es muß etwas Wichtiges sein.  Ich muß sie
nur suchen..  Verziehn Sie einen Augenblick.



Zwolfter Auftritt

Siegmund allein.


Ich Abscheu!  Was habe ich getan?  Ich werde der redlichsten Seele
untreu, die mich mit Entzuckung liebt?  Ich...?  Aber wie schon, wie
reizend ist Julchen!  Sie liebt ihn noch nicht...  Und mir, mir ist
sie gewogen?  Aber die Vernunft...?  Sie soll schweigen...  Mein Herz
mag die Sache ausfuhren....  Mißlingt mir meine Absicht: so bleibt mir
Lottchen noch gewiß.  ...  Hat sie mir nicht selbst befohlen, mich
verliebt in Julchen zu stellen?  Werde ich ihr darum untreu?  Wie?
Sie kommt noch einmal?  Sucht sie mich mit Fleiß?



Dreizehnter Auftritt

Siegmund.  Julchen.  Der Magister.


Julchen (zu Siegmund).  Lottchen will mir nichts eher sagen, bis Herr
Damis wiederkommt.  Er ist eine halbe Stunde nach Hause gegangen, und
Sie sollen so gutig sein und zu dem Papa kommen.  Er wartet mit dem
Kaffee auf Sie.

Siegmund.  Nach Ihrem Befehle.  Aber darf ich hoffen?

Julchen.  Weil Sie in der Sprache der Liebhaber reden: so muß ich
Ihnen in der Sprache der Schonen antworten: Sie mussen mit meinem Papa
davon sprechen.

Der Magister.  Ja, Herr Siegmund, mein Bruder wartet auf Sie, und ich
mochte gern ein Wort mit Jungfer Julchen allein sprechen.



Vierzehnter Auftritt

Julchen.  Der Magister.


Julchen.  Herr Magister, wollen Sie mir etwa sagen, was mir Lottchen
Neues erzahlen will?

Der Magister.  Nein, ich habe sie gar nicht gesehn.  Ich komme aus
meiner Studierstube und habe zum Zeitvertreibe in einem deutschen
Fabelbuche gelesen.  Wenn Sie mir zuhoren wollten: so wollte ich Ihnen
eine Fabel daraus vorlesen, die mir ganz artig geschienen hat.  Ich
weiß, Sie horen gerne witzige Sachen.

Julchen.  Ja, aber nur heute nicht, weil ich gar zu unruhig bin.  Sie
lesen mir ja sonst keine Fabeln vor.  Wie kommen Sie denn heute auf
diesen Einfall?  Ja, ich weiß wohl eher, daß Sie mir eine ziemliche
finstere Miene gemalt haben, wenn Sie mich in des Fontaine oder
Hagedorns Fabeln haben lesen sehen.

Der Magister.  Sie haben recht.  Ich halte mehr auf grundliche
Schriften.  Und das Solide ist fur die Welt allemal besser als das
Witzige.  Aber wie man den Verstand nicht immer anstrengen kann: so
ist es auch erlaubt, zuweilen etwas Seichtes zu lesen.  Wollen Sie die
Fabel horen?  Sie heißt Die Sonne.

Julchen.  O ich habe schon viele Fabeln von der Sonne gelesen!  Ich
will es Ihnen auf Ihr Wort glauben, daß sie artig ist.  Lesen Sie mir
sie nur nicht vor.

Der Magister.  Jungfer Muhme, ich weiß nicht, was Sie heute fur eine
verdrießliche Gemutsart haben.  Ihnen zu gefallen, verderbe ich mir
etliche kostbare Stunden.  Ich arbeite fur Ihr Gluck, fur Ihre
Beruhigung.  Und Sie sind so unerkenntlich und beleidigen mich alle
Augenblicke dafur?  Bin ich Ihnen denn so geringe?  Verdienen meine
Absichten nicht wenigstens Ihre Aufmerksamkeit?  Sind denn Ihre
Pflichten gegen mich durch die Blutsverwandtschaft nicht deutlich
genug bestimmt?  Warum widersprechen Sie mir denn?  Kann ich etwas
dafur, daß Sie nach der Vernunft verbunden sind, zu heiraten?  Habe
ich den Gehorsam, den Sie Ihrem Herrn Vater und mir schuldig sind,
etwa erdacht?  Ist er nicht in dem ewigen Gesetze der Vernunft
enthalten?

Julchen.  Sie schmalen auf mich, Herr Magister; aber Sie schmalen doch
gelehrt, und deswegen will ich mich zufriedengeben.  Darf ich bitten:
so lesen Sie mir die Fabel vor, damit ich wieder zu meiner Schwester
gehn kann.  Sie wissen nicht, wie hoch ich Sie schatze.

Der Magister.  Warum sollte ich's nicht wissen?  Wenn Sie gleich nicht
den scharfsten Verstand haben, so haben Sie doch ein gutes Herz.  Und
ich wollte wetten, wenn Sie statt der Bremischen Beitrage und anderer
solchen leichten Schriften eine systematische Moralphilosophie lasen,
daß Sie bald anders sollten denken lernen.  Wenn Sie die Triebe des
Willens und ihre Natur philosophisch kennen sollten: so wurden Sie
sehen, daß der Trieb der Liebe ein Grundtrieb ware, und also...

Julchen.  Sie reden mir so viel von der Liebe vor.  Haben Sie denn in
Ihrer Jugend auch geliebt?  Kennen Sie denn die Liebe recht genau?
Was ist sie denn?  Ein Ratsel, das niemand auflosen kann.

Der Magister.  Als der Verstand genug hat, in die Natur der Dinge zu
dringen.  Die Liebe ist eine Ubereinstimmung zweener Willen zu
gleichen Zwecken.  Mich deucht, dies ist sehr adaquat.  Oder soll ich
Ihnen eine andere Beschreibung geben?

Julchen.  Nein, ich habe mit dieser genug zu tun.  Sagen Sie mir
lieber die Fabel.  Ich muß zu meiner Schwester.

Der Magister.  Ja, ja, die Fabel ist freilich nicht so schwer zu
verstehen als eine Kausaldefinition.  Sie ist kurz, und sie scheint
mir mehr eine Allegorie als eine Fabel zu sein.  Sie klingt also: Die
Sonne verliebte sich, wie man erzahlt, einsmals in den Mond.  Sie
entdeckte ihm ihre Wunsche auf das zartlichste; allein der Mond blieb
seiner Natur nach kalt und unempfindlich.  Er verlachte alle die
Grunde, womit ihn einige benachbarte Planeten zur Zartlichkeit gegen
die Sonne bewegen wollten.  Ein heimlicher Stolz hieß ihn sprode tun,
ob ihm die Liebe der Sonne gleich angenehm war.  Er trotzte auf sein
schones und reines Gesicht, bis es eine Gottheit auf das Bitten der
Sonne mit Flecken verunstaltete.  Und dies sind die Flecken, die wir
noch heutzutage in dem Gesichte des Monden finden.  Dies ist die Fabel.
  Was empfinden Sie dabei?

Julchen.  Ich empfinde, daß sie mir nicht gefallt und daß der
Verfasser ihrer noch viel machen wird.  Ich will doch nicht hoffen,
daß Sie diese Erzahlung im Ernste fur artig halten.

Der Magister.  Freilich kann der Verstand bei witzigen Sachen seine
Starke nicht sehen lassen.  Aber wie?  wenn ich die Fabel selbst
gemacht hatte?

Julchen.  So wurde ich glauben mussen, daß die Schuld an mir lage,
warum sie mir nicht schon vorkommt.

Der Magister.  Sie wissen sich gut herauszuwickeln.  Ich will es Ihnen
gestehen.  Es ist meine Arbeit.  Ich will mich eben nicht groß damit
machen, denn Witz kann auch ein Ungelehrter haben.  Aber wollten Sie
diese Fabel wohl auflosen?  Was soll die Moral sein?

Julchen.  Das werden Sie mir am besten sagen konnen.

Der Magister.  Die Moral soll etwan diese sein: Ein schones
Frauenzimmer, die gegen den Liebhaber gar zu lange sprode tut, steht
in der Gefahr, daß das Alter ihr schones Gesicht endlich verwustet.

Julchen.  Sie sind heute recht sinnreich, Herr Magister.  Ich merke,
die Fabel geht auf mich.  Ich bin der Mond.  Herr Damis wird die Sonne
sein, und die Planeten werden auf Sie und meine Schwester zielen.
Habe ich nicht alles erraten?

Der Magister.  Ich sehe wohl, wenn man Ihnen seine Gedanken unter
Bildern vortragt: so machen sie einen großen Eindruck bei Ihnen.
Jungfer Muhme, denken Sie unmaßgeblich an die Fabel und widerstehen
Sie der Liebe des Herrn Damis nicht langer.  Was soll ich Ihrem Papa
fur eine Antwort bringen?

Julchen.  Sagen Sie ihm nur, daß ich uber Ihre Fabel hatte lachen
mussen: so verdrießlich ich auch gewesen ware.  Ich habe die Ehre,
mich Ihnen zu empfehlen.


Funfzehnter Auftritt

Der Magister.  Cleon.  Siegmund.


Cleon.  Nun, mein lieber Magister, was spricht Julchen?  Ich denke,
sie wird sich wohl ohne deine Fabel zur Liebe entschlossen haben.

Der Magister.  Sie bleibt unbeweglich.  Ich weiß nicht, warum ich mir
des eigensinnigen Madchens wegen so viel Muhe gebe.  Wer weder durch
philosophische noch durch sinnliche Beweise zu bewegen ist, den muß
man seinem Wahne zur Strafe uberlassen.  Ich sage ihr kein Wort mehr.
So geht es, wenn man seinen Kindern nicht beizeiten ein grundliches
Erkenntnis von der Moral beibringen laßt.  Ich habe mich zehnmal
erboten, deine Tochter denken zu lehren und ihnen die Grundursachen
der Dinge zu zeigen.  Aber nein, sie sollten witzig und nicht
vernunftig werden.

Siegmund.  Mein Herr, dies war ein verwegner Ausspruch.  Ist Julchen
nicht vernunftig genug?

Der Magister.  Warum denn nur Julchen?  Ich verstehe Sie.  Ich habe
ein andermal die Ehre, Ihnen zu antworten.  Itzt warten meine Zuhorer
auf mich.



Sechzehnter Auftritt

Cleon.  Siegmund.


Cleon.  Ich weiß nicht, wem ich glauben soll, ob dem Magister oder
Lottchen?  Diese spricht, Julchen liebt den Herrn Damis, und jener
spricht: nein.  Er hat ja Verstand.  Sollte er denn die Sache nicht
einsehen?  Sagen Sie mir doch Ihre aufrichtige Meinung, Herr Siegmund.

Siegmund.  Ich komme fast selbst auf die Gedanken, daß Julchen den
Herrn Damis nicht wohl leiden kann.

Cleon.  Aber was soll denn daraus werden?  Wenn sie schon etwas von
der Erbschaft wußte: so dachte ich, das Rittergut machte sie stolz.
Herr Damis ist so redlich gewesen und hat sie zur Frau verlangt, da
sie arm war.  Nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit
heiraten.  Sie wird sich wohl noch geben.

Siegmund.  Aber Sie wissen wohl, daß der Zwang in der Ehe uble Fruchte
bringt.

Cleon.  Es wird schon gehen.  Ich verlasse mich auf die Fugung.  Und
ich wollte wohl wunschen, Herr Siegmund, wenn Sie anders noch willens
sind, meine Tochter Lottchen zu ehelichen, daß ich heute ein doppeltes
Verlobnis ausrichten konnte.

Siegmund.  Ja, wenn nur meine Umstande...  Ich habe einige hundert
Taler Schulden...

Cleon.  Gut.  Julchen soll Ihre Schulden von ihrer Erbschaft bezahlen
und Ihnen auch noch tausend Taler zum Anfange in der Ehe geben.

Siegmund.  Das ist sehr schon; aber...

Cleon.  Sie kriegen an Lottchen gewiß eine verstandige Frau.  Das
Madchen hat fast gar keinen Fehler, und ihr Gesichte ist auch nicht
schlecht.  Ich darf's ihr nur nicht sagen, aber sie sieht eine Sache
manchmal besser ein als ich.  Wenn doch die Abschrift von dem
Testamente bald kame!  Also, wollen Sie Lottchen haben?

Siegmund.  Ja, ich wunsche mir Lottchen.  Ich gehorche Ihnen als
meinem Vater.  Aber darf ich Ihnen sagen, daß es scheint, daß mir
Julchen gewogener ist als dem Herrn Damis; und daß Lottchen hingegen
mit diesem sehr zufrieden zu sein scheinet.  Darf ich Ihnen wohl sagen,
daß mir Julchen nur itzt noch befohlen hat, bei Ihnen um sie
anzuhalten und...

Cleon.  Was hore ich?  Nun errate ich, warum das Madchen sich so
geweigert hat.  Lieber Herr Siegmund, ich beschwore Sie, sagen Sie mir,
was bei der Sache anzufangen ist.  Ich vergehe, ich...  Ja doch.
Julchen kann Ihnen gewogen sein, aber Lottchen ist Ihnen noch
gewogener.

Siegmund.  Sie haben vollkommen recht, lieber Papa.

Cleon.  Also will Lottchen zwei Manner und Herr Damis zwo Weiber
haben?  Das ist ja unsinnig.

Siegmund.  Es ist eine verwirrte Sache, bei der ich eine sehr
ungewisse Person spiele.  Das beste wird sein, daß Sie alles so
geheimhalten, als es moglich ist, und die Verlobung mit dem Herrn
Damis etwan noch acht Tage anstehen lassen.  Vielleicht besinnt sich
Julchen anders.

Cleon.  Lieber Gott, zu wem wollte ich davon reden als zu Ihnen?  Ich
mußte mich ja schamen.

Siegmund.  Wenn Lottchen den Herrn Damis freiwillig wahlen sollte: so
bin ich viel zu redlich, als daß ich ihr einen Mann mit so großem
Vermogen entziehen will.

Cleon.  Sie sind die Großmut selbst.  Ich kann alles zufrieden sein.
Ich wollte Ihnen Julchens Vermogen ebensowohl gonnen als dem Herrn
Damis.  Freilich ware die Einteilung nicht uneben.  Lottchen ware
durch Herrn Damis' Vermogen und Ihnen durch Julchens Erbschaft
geholfen.  Ich weiß nicht, was ich anfangen soll.

Siegmund.  Also wollten Sie mir, wenn es so weit kommen sollte,
Julchen versprechen?

Cleon.  Aber Lottchen hat Sie so lieb, lieber als mich.  Und ich
dachte, es ware unbillig, daß Sie sie vergaßen.  Ich kann mir nicht
einbilden, daß meine Tochter so unbestandig sein sollte.  Ich habe sie
selber vielmal fur Sie beten horen, daß es Ihnen der Himmel mochte
wohlgehen und Sie ihr zum Vergnugen leben lassen, wenn es sein Wille
ware.  Sollte sie denn so leichtsinnig sein?  Nein.  Sie irren sich
wohl.

Siegmund.  Eben deswegen wollen wir die Sache noch geheimhalten.  Ich
liebe Lottchen wie meine Seele, und ich werde sie auf alle Art zu
erhalten suchen.

Cleon.  Wir wollen heute zusehn.  Wir wollen genau auf alles achtgeben.
  Ich denke gewiß, es soll bei der ersten Einrichtung bleiben.  Ich
will Ihnen Lottchen mit einer guten Art herschicken.  Sagen Sie ihr
nur recht viel Zartliches vor.  Sie hort es gern.  Julchen will ich
selber noch einmal ausforschen; aber ganz schlau.  Ich habe mich lange
aufgehalten und den Herrn Simon alleine gelassen.  Wenn es nur der
rechtschaffene Mann nicht ubelnimmt.



Siebenzehnter Auftritt

Siegmund allein.


Das geht gut.  Julchen wird noch meine...  Sie ist schon, reich und
wohlgesittet, aufrichtig, edelgesinnt...  Aber, Himmel, wenn Lottchen
mein Vorhaben erfahren sollte!  Wurde sie mein Herz nicht verfluchen?..
.  Doch nein.  Sie ist sicher.  Sie liebt mich...  Aber was qualt
mich?  Sind es die Schwure, die ich ihr...?  Unkraftige Schwure der
Treue, euch hort der Himmel nicht...  O Julchen, wie reizend bist du!
Dich zu besitzen, ist dies kein gerechter Wunsch?



Achtzehnter Auftritt

Siegmund.  Lottchen.


Lottchen.  Itzt kommen sie beide.  Nun wollen wir's ihnen entdecken.
Wie wird sich Julchen erfreuen, o wie wird sie sich erfreuen!  Und Sie,
mein Freund, Sie haben mich doch noch lieb?  Vergeben Sie mir diese
uberflussige Frage.

Siegmund.  Ja, meine Schone, ich liebe Sie ewig und bin durch Ihre
Liebe fur meine Treue unendlich belohnet.  O konnte ich Sie doch
vollkommen glucklich machen!  (Er kußt sie.)  Um dies Vergnugen muß
mich ein Prinz beneiden.  Hier kommen sie.  Erlauben Sie, meine Schone,
der Papa wartet schon lange mit dem Kaffee auf mich.  Er mochte
ungehalten werden.



Neunzehnter Auftritt

Lottchen.  Julchen.  Damis.


Lottchen (zu Damis).  Ich wollte Ihnen ein schones, junges,
liebenswurdiges Frauenzimmer mit einem Rittergute anbieten, wenn Sie
Julchen wollen fahren lassen.

Julchen.  Ist das die Neuigkeit?

Damis.  Und wenn Ihr Frauenzimmer zehn Ritterguter hatte: so wurde mir
Julchen auch in einer Schaferhutte besser gefallen.

Julchen.  Was reden Sie?  Horen Sie doch Lottchen an.  Wer weiß, wie
glucklich Sie werden!  Ich gonne es Ihnen und der andern Person.
Lottchen, wer ist sie denn?

Lottchen.  Es ist ein artiges Kind.  Sie hat ein Rittergut fur
funfzigtausend Reichstaler.  Sie ist wohlerzogen.

Julchen.  So?  Aber, wo...  Wie heißt sie denn?

Lottchen.  Sie ist fast so schon wie du.

Julchen.  Das mag ich ja nicht wissen.  Wenn ich schon bin: so wird
mir's der Spiegel sagen.  So muß keine Schwester mit der andern reden.
Sage es dem Herrn Damis allein.  Ich werde wohl nicht dabei notig
sein.  (Sie will gehn.)

Damis.  Ach, liebe Mamsell, gehn Sie noch nicht.  Ich gehe mit Ihnen.

Julchen.  Das wird sich nicht schicken.  Das Frauenzimmer mit dem
Rittergute, das sich in Sie verliebt hat, wurde es sehr ubelnehmen.
Es ist gut, daß Sie sich bei mir in den Liebeserklarungen geubt haben.
Nunmehr werden sie Ihnen wenig Muhe machen.

Lottchen.  Hore nur, meine Schwester.  Es kommt erst darauf an, ob das
Frauenzimmer dem Herrn Damis gefallen wird.  Sie hat freilich schone
große blaue Augen, fast wie du; eine gefallige Bildung und eine recht
erobernde Miene; kleine volle runde Hande.  (Julchen sieht ihre Hande
an.)  Sie ist dem Herrn Damis gut; aber sie liebt auch die Freiheit.

Julchen.  O ich weiß gar nicht, was du haben willst?  Kurz, wie heißt
denn das Frauenzimmer, die den Herrn Damis liebt?

Lottchen.  Sie heißt ebenfalls, wie du, Julchen.

Julchen.  Oh!  du willst mich zum Kinde machen.

Lottchen.  Nein, Julchen, ich kundige hiermit dir und deinem Liebhaber
ein ansehnliches Gluck an.  Die selige Frau Muhme hat dir in ihrem
Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht.  Herr Simon hat uns die
Nachricht nur itzt gegeben, und ich habe ihn gebeten, daß er mir die
Freude gonnen mochte, sie euch beiden zuerst zu hinterbringen.  Meine
liebe Schwester, ich wunsche dir tausend Gluck zu deiner Erbschaft,
und Ihnen, mein Freund, wunsche ich meine Schwester.  Wie glucklich
bin ich heute!

Julchen.  Was?  Das ganze Rittergut?  Und dir nichts?  Hatte sie es
denn nicht teilen konnen?  Ist es denn auch gewiß?  Kann es nicht ein
Mißverstand sein?  Warum hat sie denn dir nichts vermacht?

Lottchen.  Wenn sie dich nun lieber gehabt hat als mich.  Genug, die
Erbschaft ist deine und fur dich bestimmt gewesen.  Ich habe genug,
wenn ich kunftig ohne Kummer mit meinem Geliebten leben kann.  Ach,
Julchen, ich weiß, daß dem Papa ein jeder Augenblick zu lang wird, bis
er dir seinen Gluckwunsch abstatten kann.  Ich habe ihn gebeten, dich
nichts merken zu lassen, bis ich mit dir geredt hatte.

Damis.  Ich erstaune ganz.  Vielleicht ware es ein Gluck fur mich,
wenn kein Testament ware.  Ach, mein liebes Julchen, soll ich Sie
verlieren?

Julchen.  Lottchen, ich teile das Gut mit dir und dem Papa.  Nein,
ganz wunsche ich mir es nicht.  Ich verdiene es auch nicht.  Traurige
Erbschaft!...  Ich war unruhig vor dieser Nachricht, und ich bin noch
nicht vergnugt.  (Sie sieht den Damis an.)  Und Sie, mein Herr...?

Damis.  Und Sie, meine Schone...?

Lottchen.  Kommt, sonst geht die traurige Szene wieder an.  Ich weiß,
daß der Papa schon ein wenig geschmalet haben wird.



Zwanzigster Auftritt

Die Vorigen.  Cleon.


Cleon.  Ihr losen Kinder, wo bleibt ihr denn?  Soll sich der Kaffee
selber einschenken?

Lottchen.  Schmalen Sie nicht, lieber Papa.  Ihre Tochter sind in
guten Handen.  Wir waren gleich im Begriffe, zu Ihnen zu kommen.

Julchen.  Ach, lieber Papa...

Cleon.  Nun, was willst du?  Soll ich dir zu deinem Glucke
gratulieren?  Ich habe vor Freuden schon daruber geweint.  Hast du
auch Gott fur die reiche Erbschaft gedankt?  Du gutes Kind.  Ach
Lottchen, geh doch und schenke dem Herrn Simon noch eine Tasse Kaffee
ein.  Er will alsdann gehn und sich um die Abschrift des Testaments
bemuhn.  Sie, Herr Damis, sollen so gutig sein und ihm Gesellschaft
leisten.

Damis.  Von Herzen gern.

(Er geht mit Lottchen und Julchen, und der Vater winkt Julchen.)



Einundzwanzigster Auftritt

Cleon.  Julchen.


Cleon.  Nun, meine Tochter, wie steht es mit deinem Herzen?  Es muß
dir doch lieb sein, daß du ein Rittergut hast.

Julchen.  Ja, deswegen, damit ich's Ihnen und meiner Schwester
anbieten kann.

Cleon.  Du gutes Kind!  Behalte, was dein ist.  Willst du deiner
Schwester etwas geben; wohl gut.  Ich werde schon, solange ich lebe,
Brot in meinem kleinen Hause haben.  Aber, was spricht Herr Damis?
Hat auch der eine Freude uber deine Erbschaft?

Julchen.  Meine Erbschaft scheint ihm sehr gleichgultig zu sein.

Cleon.  Ja, ja, er hat freilich selber genug Vermogen.  Aber du mußt
auch bedenken, daß er dich gewahlt hat, da du noch ein armes Madchen
warest.  Ach, wenn du wissen solltest, wieviel Gutes mir der Herr
Vormund itzt von ihm erzahlet hat, du wurdest ihn gewiß lieben!  Ich
habe immer gedacht, er ware nicht gar zu gelehrt, weil er nicht so
hoch redt wie mein Bruder, der Magister; allein, sein Vormund hat mich
versichert, daß er ein rechter scharfsinniger Mensch ware und mehr
gute Bucher gelesen hatte, als Stunden im Jahre waren.  Wer hatte das
denken sollen?

Julchen.  Daß er gelehrt ist, habe ich lange gewußt; allein daß ich's
nicht bin, weiß ich leider auch.  Vielleicht sucht er die
Gelehrsamkeit bei einem Frauenzimmer und nicht ein Rittergut.

Cleon.  Du redst artig.  Da werden die Tochter studieren konnen wie
die Sohne.  Du kannst ja auf der Laute spielen.  Du kannst schon
singen.  Du kannst dein bißchen Franzosisch.  Du schreibst einen
feinen Brief und eine gute Hand.  Du kannst gut tanzen, verstehst die
Wirtschaft und siehst ganz fein aus, bist ehrlicher Geburt, gesittet
und fromm und nunmehr auch ziemlich reich.  Was will denn ein Mann
mehr haben?  Herr Damis liebt dich gewiß.  Mache, daß ich ihn bald
Herr Sohn und dich Braut heißen kann.

Julchen.  Braut?  Das weiß ich nicht.  Sollte er mich lieben?  Papa,
Sie haben mich wohl zu sehr gelobt.  Meine Schwester kann ja
ebensoviel und noch mehr als ich.

Cleon.  Es ist itzt die Rede nicht von deiner Schwester.  Sie hat
ihren Herrn Siegmund und verlangt kein großes Gluck.  Gib ihr etwas
von deinem Vermogen: so wird sie vollkommen zufrieden sein.  Und so
will ich sie gleich heute verloben.  Oder mochtest du Herrn Siegmunden
lieber zum Manne haben?

Julchen.  Ich, Papa?  Herrn Siegmunden?  Wie kommen Sie auf die
Gedanken?  Wenn ich lieben wollte: warum sollte ich nicht den Herrn
Damis lieben?  Hat er nicht vielleicht noch mehr Verdienste als jener?
Und wenn auch dieser liebenswurdiger ware, da er es doch nicht ist,
wie konnte ich ohne Verbrechen an ihn denken, da ihn meine Schwester
und er sie so zartlich liebt?

Cleon.  So gefallst du mir.  Ich bin ein rechter glucklicher Vater.
(Er klopft sie auf die Backen.)  Meine liebe schone Tochter, bleibe
bei den Gedanken.  Du wirst wohl dabei fahren.  Nicht wahr, du hast
den Herrn Damis viel lieber als Herrn Siegmunden?  Dieser scheint mir
zuweilen ein bißchen leichtsinnig zu sein oder doch lose.  Ich habe
alleweile mit dem Herrn Simon von ihm gesprochen und allerhand...

Julchen.  Papa, wenn ich mich zur Liebe entschließe: so gebe ich Ihnen
mein Wort, daß ich einen Mann wahle, wie Herr Damis ist.  Wenn ich nur
nicht meine Freiheit dabei verlore!  Wenn ich nur wußte, ob ich ihn
etwan schon gar liebte!  Nein, Papa, ich liebe ihn noch nicht.  Ich
habe eine so reiche Erbschaft getan, und gleichwohl bin ich nicht
zufriedner.  Ob ich etwan gar krank werde?

Cleon.  Ja, wohl kann man vor Liebe krank werden.  Aber die Gegenliebe
macht wieder gesund.  Ich sprache ja, wenn ich wie du ware, damit ich
der Krankheit zuvorkame.

Julchen.  Ach!  Papa.

Cleon.  Ach!  Du sollst nicht ≫Ach≪, du sollst ≫Ja≪ sprechen.  Du
gefallst ihm ganz ausnehmend.  Er wird dich wie sein Kind lieben.

Julchen.  Aber werde ich ihm stets gefallen?

Cleon.  Das kannst du denken.  Woran stoßt sich denn dein Herz noch?
Befurchtest du denn gar, daß er dir kunftig untreu werden mochte?
Nimmermehr!  Der Herr Vormund hat mir gesagt, daß dein Liebster sehr
viel Religion hatte und oft zu sagen pflegte, daß er kein Mensch sein
mochte, wenn er nicht zugleich ein Christ sein sollte.  Er wird dich
gewiß zeitlebens fur gut halten.  Er wird seine Schwure nicht brechen.

Julchen.  Ich hore keine Schwure von ihm.  Wurde er seine Liebe nicht
beteuern, wenn er mich...?

Cleon.  Das ist schon, daß er nicht schwort.  Um desto mehr kannst du
auf sein Wort bauen.  Das offentliche Versprechen ist eben der Schwur
in der Liebe.  Und diesen Schwur will er heute tun, wenn du ihn
zugleich tun willst.

Julchen.  Papa, ich bin unentschlossen und ungeschickt, die Sache
recht zu uberlegen.  Lassen Sie mir noch Zeit.

Cleon.  Bis auf den Abend bei Tische sollst du Zeit haben.  Alsdann
sprich ≫Ja≪ oder ≫Nein≪.  Die Sache ist ernstlich gemeint.  Ich habe
dir mein Herz entdeckt.  Du hast meine Einwilligung.  Mache es, wie du
willst.  Komm, dein Liebster wird sich schon recht nach dir umgesehen
haben.  Die beiden schwarzen Pflasterchen lassen recht hubsch zu
deinem Gesichte.  Bist du denn etwan ausgefahren?

Julchen.  Ja, ich habe zu Mittage ein Glas Wein getrunken.

Cleon.  Nun, nun, es wird schon wieder vergehen, ehe du mir einen
Gevatterbrief schickst.  Komm und fuhre mich bei der Hand.  Ich mochte
gern einmal von einer Braut gefuhret werden.

(Ende des zweiten Aufzugs.)




Dritter Aufzug



Erster Auftritt

Siegmund.  Julchen.


Julchen.  Was sagen Sie mir?  Das glaube ich in Ewigkeit nicht.

Siegmund.  Ich aber glaube es.

Julchen (besturzt).  Hat er es Ihnen denn selbst gesagt?  Ich
Ungluckliche!

Siegmund.  Er hat mir's nicht mit deutlichen Worten gesagt: aber es
ist gewiß, daß er Ihnen Lottchen weit vorzieht.  Ich wollte ihm diese
Beleidigung, so groß sie auch ist, gern vergeben, wenn er nur Sie
nicht zugleich beleidigte.  Ich bedaure Sie, mein Engel.  Ich weiß,
Sie meinen es aufrichtig und werden meine Redlichkeit dadurch belohnen,
daß Sie dem Unbestandigen wenigstens meinen Namen verschweigen.

Julchen.  War dies die Ursache seiner Traurigkeit?  Der Treulose!  Was
hat er fur Vorteil davon, ein unerfahrnes Herz zu betrugen?  Wenn er
mir aus Rache das Leben hatte nehmen wollen: so wurde ich ihn noch
nicht hassen.  Aber daß er mich unter der Maske der Liebe und
Aufrichtigkeit hintergeht, ist die schandbarste Tat.

Siegmund.  Er wird es leugnen, denken Sie an mich.

Julchen.  Der Verrater!  Ja, er soll es leugnen.  Ich mag dieses
Verbrechen nie aus seinem Munde erfahren.  Ich will ihn nicht
bestrafen.  Nein!  Sein Gewissen wird mich rachen...  Wie?  Er?  dem
ich heute mein Herz schenken...  doch nein, ich habe ihn nicht geliebt.
  Aber hat er nicht tausendmal gesagt, daß er mich liebte?  Halt man
sein Wort unter den Mannern nicht besser?

Siegmund.  O meine Freundin, lassen Sie das Verbrechen eines einzigen
nicht auf unser ganzes Geschlecht fallen.  Sollten Sie mein Herz sehen!
  Ja...  auch der Zorn macht Sie noch liebenswurdiger.

Julchen.  Verlassen Sie mich, liebster Freund.  Ich will...  Und du,
meine Schwester, du schweigst?  Und alles dies tust du, o Liebe, du
Pest der Menschen!...  Verlassen Sie mich.  Ich verspreche Ihnen bei
meiner Ehre, Ihren Namen nicht zu entdecken und Ihre Aufrichtigkeit
zeitlebens zu belohnen.  Aber kommen Sie bald wieder hieher.

Siegmund.  Sobald, als ich glaube, daß sich Ihre Hitze etwas gelegt
haben wird.



Zweiter Auftritt

Julchen.  Damis.


Julchen (die ihn in der Hitze nicht kommen sieht).  Eben zu der Zeit,
da er mir die teuresten Versicherungen der Liebe gibt, wird er auch
untreu...?  Und ich, ich kann ihn noch nicht hassen?  Bin ich
bezaubert?

Damis.  Allerliebstes Kind, sehen Sie mich denn nicht?  Mit wem reden
Sie?

Julchen.  Mit einem Betruger, den ich geliebt haben wurde, wenn ich
weniger von ihm erfahren hatte.  (Gelinder.)  Ist es Ihnen moglich
gewesen, mich zu hintergehn?  Mich?  die ich schon anfing, Sie im
Herzen allen Personen Ihres Geschlechts vorzuziehn?  Warum handeln Sie
so grausam und erwecken eine Neigung in mir, die ich verabscheuen muß,
nachdem ich sie gefuhlt habe?  Doch um Ihnen zu zeigen, was Sie fur
ein Herz hintergangen haben: so sage ich Ihnen, daß ich Sie niemals
hassen, daß ich mich vielmehr bemuhen werde, Ihren Fehler vor mir
selbst zu verbergen.

Damis.  Ich Unglucklicher!  Ist der Betruger der Name, den ich
verdiene?  Ich entschuldige mich nicht einen Augenblick, erzurnte
Freundin.  Ich sage Ihnen vielmehr mit dem Stolze eines guten
Gewissens, daß mein Herz gar keines Betrugs fahig ist.  Ich verlange
es auch nicht zu wissen, wer Ihnen die ubele Meinung beigebracht hat.
Die Zeit wird mich schon rechtfertigen.

Julchen.  Und Sie sprechen noch mit so vielem Stolze?



Dritter Auftritt

Die Vorigen.  Lottchen.


Damis (zu Lottchen).  Kommen Sie, meine Freundin, und fangen Sie an,
mich zu hassen.  Ich soll meine Juliane hintergangen haben.

Lottchen.  Haben Sie sich beide schon ein wenig gezankt?  Vermutlich
uber die ersten Kusse.

Damis (zu Julchen).  Verklagen Sie mich doch bei Ihrer Jungfer
Schwester.  Sagen Sie ihr doch mein Verbrechen.

Julchen.  Vielleicht fande ich da die wenigste Hulfe.

Lottchen.  Ach, Julchen, wenn die selige Frau Muhme es hatte wissen
sollen, daß du dich an dem Tage deiner Verlobung mit deinem Brautigam
zanken wurdest: sie hatte dir nicht einen Ziegel von ihrem Rittergute
vermacht.  Ich habe die gute Hoffnung, daß der Krieg nicht lange
dauern wird.  Dein Herz ist von Natur friedfertig, wenngleich die
Liebe etwas zankisch ist.

Julchen.  O scherze nicht.

Lottchen (zu Damis).  Sehn Sie nur Ihre liebe Braut recht an.  Haben
Sie sie durch eine kleine Liebkosung erbittert gemacht: so wollte ich
Ihnen den Rat geben, sie durch zwo neue zu besanftigen.  Julchen, rede
wenigstens mit mir, wenn es Herr Damis nicht verdient.  Oder wenn er
dich ja beleidiget hat: so laß dir den Kuß wiedergeben: so seid ihr
geschiedene Leute.  Was habt ihr denn miteinander?

Julchen.  Was wir miteinander haben?  Das werde ich in deiner
Gegenwart nicht sagen konnen.  Ich glaube zwar gar nicht, daß du ihm
Gelegenheit gegeben hast.  Und was kann er dafur, daß du
liebenswurdiger bist als ich?  Auch sein Vergehn ist noch ein
Verdienst.  Er wurde dich nicht lieben, wenn er nicht die großten
Vorzuge zu lieben gewohnt ware.  Ich entschuldige ihn selbst.

Lottchen.  Du gutes Kind!  Also bin ich deine Nebenbuhlerin!  Du
dauerst mich in Wahrheit.  Ich will dir das ganze Geheimnis eroffnen.
Kommen nicht die Beschuldigungen wider deinen Liebhaber von Herrn
Siegmunden her?  Ich kann mir's leicht einbilden.  Er hat sich in dich
verliebt stellen sollen, um dich zu uberfuhren, daß du vielleicht
schon liebtest.  Er wird also die List gebraucht und dich beredt haben,
daß Herr Damis mich liebte.  Vergib ihm diesen Scherz.  Er hat seine
Rolle gar zu gut gespielt.

Julchen.  Er tat sehr ernstlich und...

Damis (zu Julchen).  Sehn Sie, was ich fur ein betrugerisches Herz
habe?

Julchen.  Aber...

Damis.  Sie konnen noch ein Mißtrauen in mich setzen?  Wie wenig
mussen Sie mich kennen!

Julchen.  Ich?  mein Herr...

Damis.  Ist das der Lohn fur meine Liebe?

Julchen.  Der Lohn?  Hassen Sie mich denn?  Wurde ich eifersuchtig
geworden sein, wenn ich nicht...  Also haben Sie mich nicht
hintergangen?  Ja, mein ganzes Herz hat fur Sie gesprochen.

Lottchen.  Du hast dich fangen lassen, meine gute Schwester.  Und ich
merke, daß es dir schon weh tut, daß du deinen Geliebten wegen deiner
Hitze noch nicht um Vergebung gebeten hast.  Ich will es an deiner
Stelle tun.  (Zum Damis.)  Mein Herr, sein Sie so gutig und vergeben
Sie es Julchen, daß Sie zartlicher von ihr geliebt werden, als Sie
gedacht haben.

Julchen.  Nein, wenn ich mich geirrt habe: so bitte ich Ihnen meinen
Fehler freiwillig ab.

Damis.  Aber lieben Sie mich denn auch?

Julchen.  Ja.  Nunmehr weiß ich's gewiß, daß ich Sie liebe.  Und
nunmehr bin ich bereit, dieses Bekenntnis vor meinem Vater und Ihrem
Herrn Vormunde zu wiederholen, wenn Ihre Wunsche dadurch befriediget
werden.

Damis.  Meine Juliane!  Ich bin zu glucklich.

Julchen.  Wenn ich Ihr Herz noch nicht hatte: so wurde ich nunmehr
selbst darum bitten, so hoch schatze ich's.

Damis.  Vortreffliche Juliane!  Ich bin...  Doch es ist mir kein
Gedanke anstandig genug fur Sie.  Dieses ist es alles, was ich Ihnen
in der Entzuckung antworten kann.

Lottchen.  Meine liebe Schwester (sie umarmt Julchen), deine Liebe sei
ewig glucklich!  Sei mir ein Beispiel der Zartlichkeit und der
Zufriedenheit.  (Zum Damis.)  Und Sie, mein lieber Herr Bruder, sollen
so glucklich sein, als ich meine Schwester zu sehn wunsche.  Bleiben
Sie ein Freund meines Freundes, und befordern Sie unsere Ruhe durch
Ihre Aufrichtigkeit.  Kommen Sie, wir wollen zu unserm ehrlichen Vater
gehn.  Wie froh wird der fromme Alte nicht sein, wenn er Julchens
Entschluß hort!  Doch ich sehe den Herrn Vormund kommen.  Gehn Sie,
ich will das Vergnugen haben, diesem rechtschaffenen Mann, der mir
heute eine freudige Post gebracht hat, auch die erste Nachricht von
der Gewißheit Ihrer beiderseitigen Liebe zu geben.

(Julchen und Damis gehn ab.)



Vierter Auftritt

Lottchen.  Simon.


Simon.  Endlich habe ich die Ehre, Ihnen die Abschrift von dem
Testamente zu bringen.  Ich habe sie selbst geholet.  Wollen Sie
unbeschwert diesen Punkt lesen?  (Er reicht ihr die Abschrift.)

Lottchen (sie liest).  Wie?  Ich bin die Erbin des Ritterguts?  Ich?

Simon.  Ja, Sie sind es, Mamsell, und nicht Ihre Jungfer Schwester.
Der Herr Hofrat, der mir die erste Nachricht gegeben, muß sich
entweder geirret oder diese kleine Verwirrung mit Fleiß angerichtet
haben, um seiner Jungfer Pate eine desto großere Freude zu machen.
Genug, es ist nunmehr gewiß, daß Sie die Erbin des Ritterguts sind,
und kein Mensch kann Ihnen dieses Gluck aufrichtiger gonnen, als ich
tue.  Sie verdienen noch weit mehr.

Lottchen.  O das ist ein trauriges Gluck!  Wird nicht meine liebe
Schwester daruber betrubt werden?  Wird nicht Ihr Herr Mundel...?

Simon.  Waren Sie doch viel zufriedner, da ich Ihnen die erste und
nunmehr falsche Nachricht brachte.  Lesen Sie doch nur weiter.  Sie
sind die Erbin des Ritterguts, aber Sie sollen Jungfer Julchen
zehntausend Taler abgeben, sobald sie heiraten wird.

Lottchen.  Nun bin ich zufrieden.  Sie soll noch mehr haben als
zehntausend Taler, wenn sie sich nur nicht uber ihren Verlust krankt.
O was fur Bewegungen fuhle ich in meiner Seele!  Und was werde ich
erst da empfinden, wenn ich meinen Geliebten vor Freuden uber mein
Gluck erschrecken sehe?  O wie schon wird er erschrecken!  Gott, wie
glucklich bin ich!  Wenn nur meine liebe Schwester nicht unruhig wird.



Funfter Auftritt

Die Vorigen.  Siegmund.


Siegmund.  Jungfer Julchen hat, wie ich gleich gehort, endlich ihr Ja
von sich gegeben?  Ist es gewiß?  Das ist mir sehr angenehm.

Lottchen (zu Simon).  Ja, sie hat sich nach dem Wunsche Ihres Herrn
Mundels erklart und wird die Ehre haben, Sie um einen Brautigam zu
bitten, der unter Ihren Handen so liebenswurdig geworden ist.  Aber,
mein Liebster, hier ist die Abschrift von dem Testamente.  Geht es
Ihnen nicht ein wenig nahe, daß die Frau Muhme uns beide vergessen hat?

Siegmund.  Nein, nicht einen Augenblick.  Sie sind mir mehr als ein
reiches Testament.

Lottchen.  Aber wenn uns Julchen etwas von ihrer Erbschaft anbieten
sollte, wollen wir's annehmen?

Siegmund.  Da sie nicht mehr uber ihr Herz zu gebieten hat: so hat sie
auch nicht uber ihr Vermogen zu befehlen.

Simon.  O mein Herr, Sie konnen versichert sein, daß ihr mein Mundel
die vollige Freiheit lassen wird, freigebig und erkenntlich zu sein.
Er sucht seinen Reichtum nicht in dem Uberflusse, sondern in dem
Gebrauche desselben.  Er wurde Julchen gewahlt haben, wenn sie auch
keine Erbschaft getan hatte.  Und vielleicht ware es ihm gar lieber,
wenn er ihr Gluck durch sich allein hatte machen konnen.  Wir wollen
wunschen, daß alle Liebhaber so edel gesinnt sein mogen als er.

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