CANDAULES: Ich bete zu Dir, Nyssia. Komm -- es wird kuhl hier. (Er nimmt, nachdem er einen schweren Vorhang vor die Terrasse so gezogen, daß nur ein schmaler Streifen Licht von draußen hereinfallt, Nyssia den Konigsmantel von den Schultern.)
NYSSIA (wie sich hingebend): Losch' dieses Licht.
CANDAULES (halt die Bewegung auf, die sie gegen die eine Fackel hin macht): Laß -- ich will Dich sehen.
NYSSIA: Eure Blicke wollen mich glauben machen, daß Ihr an mir nur meine Schonheit liebt. (Sie lacht und will selbst die Fackel loschen.)
CANDAULES (heftiger): Laß! Laß! sag' ich Dir.
NYSSIA (wie in einem Spiel): Dann will ich ein Versprechen, Candaules -- --
CANDAULES (wie eingehend auf das Spiel): Ich verspreche --
NYSSIA: Was?
CANDAULES (lost am Kleid der Nyssia und geheimnisvoll gegen Gyges hingewandt, scheint er nicht zu achten, was er sagt): Was immer --: Ich versprach! -- Alles, was Du willst. Was nun?
NYSSIA (laßt das erste Kleid fallen:) Daß Du nie mehr meinen Schleier hebst vor anderen Augen als den Deinen --
CANDAULES (wankt wie in Schmerz).
NYSSIA: Was hast Du?
CANDAULES (sinkt wie betaubt auf einen Sitz): Ich weiß nicht -- Gib mir, ich bitte Dich, ein wenig Wein ... 's ist nichts. -- (Nyssia zum Tisch, von ihm fort.) Was hab' ich mir auch zugetraut? -- Ich kann nicht mehr ... (Er preßt die Fauste an sich.) Candaules, Du bist schwach! Wer sonst kann das als Du?
NYSSIA (reicht ihm zu trinken): Ihr fuhlt Euch besser?
CANDAULES: Ja, ja. 's ist besser. Ich dank' Dir. (Er trinkt.)
NYSSIA (in einem anderen Ton): Ich mag Philebos nicht, er ist zu dreist.
CANDAULES: Und Phedros -- gefallt er Dir?
NYSSIA: Ich sah ihn nicht ganz gut. Der welche war es?
CANDAULES: Macht nichts. -- Und Nicomedes?
NYSSIA: Langweilte mich. -- Doch sprechen wir nicht mehr von denen. -- Ich bin so mud. (Wahrenddem hat sie sich allmahlich entkleidet. Sie richtet ihr Haar. Dann setzt sie sich auf's Bett, ganz im Hintergrunde des Gemachs, um ihre Sandalen abzustreifen.)
CANDAULES (vor ihr auf den Knieen): Laß mich Dir selber die Bander losen. (Das Haar Nyssia's fallt aufgelost uber den knieenden Candaules.) Das lieb' ich, so uber mir Dein Haar ...
NYSSIA: Und der arme Fischer -- was ist aus ihm geworden? Sag. -- Was gibst Du keine Antwort? Ich denke, Du hast sein Elend wohl getrostet ...
CANDAULES: Sei still.
NYSSIA: Weshalb denn soll ich still sein? Glaubst Du, ich kenne Deine Gute nicht?
CANDAULES: Nyssia!...
NYSSIA: Wie heißt er doch? Was sprichst Du nicht?
CANDAULES: Ich weiß nicht mehr.
NYSSIA: Der Ungluckselige. -- Was er getan hat, das war furchtbar. -- Er tut mir leid, trotzdem ... O, wie kann dies eine Frau ...? Er hat ganz Recht getan, als er das Messer in sie stieß ... Zwei Mannern zu gehoren -- o, das ist furchtbar.
CANDAULES: So sprich doch leiser, Nyssia!
NYSSIA: Weshalb denn leiser?
CANDAULES: Die Worte tun mir weh.
NYSSIA: Verzeih! Ich will auch schon gar nicht mehr daran denken. Vergessen wir, daß man je untreu sein konnte ... Candaules ... mein Geliebter ...
CANDAULES: Nyssia, Geliebte ...
NYSSIA (vollendet ihre Nachttoilette): Ich kann die Ose da nicht losen -- mach sie auf! (Fernes Singen wird horbar.) Horst Du das Singen?
CANDAULES: Die Gaste sind's die mich erwarten. Sie finden die Nacht weit vorgeschritten und ich versprach, sie heute noch zu sehen.
NYSSIA: Wenn Du sie heute ließest, sag?
CANDAULES (der fort will): Bloß einen Augenblick -- geh' nun zu Bett, Nyssia -- gleich bin ich wieder bei Dir ... schlaf ... wie bist Du herrlich, Nyssia!
(Nyssia ist fast vollig entkleidet. Gyges betrachtet sie wider seinen Willen, und kommt naher; man fuhlt den Kampf und wie er nicht hinsehen will. Im Augenblick, da Nyssia ihren letzten Schleier fallen laßt, geht er auf die Fackel zu und wirft sie zu Boden. Dunkelheit, nur der dammerige Streifen von der Terrasse her, quer uber die Buhne.)
CANDAULES: Gyges!
NYSSIA (bedeckt sich erschrocken): Was ist das?
CANDAULES (sehr erregt und trunken von seinem Tun): Nichts; nichts. Sei unbesorgt -- im Gehen warf ich die Fackel um. -- Schlaf, ich bin gleich zuruck.
NYSSIA (legt sich auf's Bett.)
STIMMEN (von draußen): Candaules! Konig Candaules! Du wirst erwartet!
CANDAULES (ruft): Ich komme. (Er stoßt auf Gyges, der gleichfalls fort will, vollig fassungslos, den Mantel vor dem Gesicht.)
CANDAULES (leise): Bist Du's Gyges?
GYGES (sehr leise): Ja, ich bin's.
CANDAULES (befehlend): Bleib! -- (Leise.) Und nun sei alles um mich glucklich! (Ab.)
Vorhang.
DRITTER AKT
Dieselbe Szene und Anordnung wie im ersten Akte. Syphax, Nicomedes und Pharnaces unterhalten sich rechts.
SYPHAX: Und wie gefallt Dir diese Huldigung? Ihr Schluß besonders:
Der Schenk, der kummert nicht den Zecher, Doch ist der Schenk Candaules, So reich' ich gerne ihm den Becher.
NICOMEDES: Ja, ja, Deine Verse sind ganz nett, aber ich sehe nicht, worin sie sich an Candaules mehr wenden als an irgendwen.
PHARNACES: Und ich seh nicht ein, was Dich das geniert. Was wir an einem Menschen ruhmen, sind die Eigenschaften, die ihm nicht eigentlich gehoren. Was wir an Candaules lieben, ist sein Reichtum ... (Die Anderen widersprechen.) und seine Freigebigkeit naturlich. Ware er nicht freigebig, so hatten wir nichts von seinem Reichtum, aber ware er nicht reich, was hatten wir dann von seiner Freigebigkeit?
NICOMEDES: (lacht.)
SYPHAX: Und er ware nicht der Candaules meines Gedichtes.
NICOMEDES (wiederholt):
Doch ist der Schenk Candaules, So reich' ich gerne ihm den Becher.
Ich, wenn ich Flasche ware, ich wurde mich bei Candaules bedanken, daß er mich so vielen Leuten auf einmal zur Ergetzung gibt.
PHEDROS und SIMMIAS (sind von ruckwarts gekommen, sie bleiben etwas abseits von den Anderen.)
PHEDROS: Und wenn die Flasche sprechen konnte und sagen: ich mochte lieber von Nicomedes als von Candaules getrunken sein, er schmeckt besser, vielleicht hatte es Candaules dann weniger eilig, sie in Dein Glas zu leeren.
PHARNACES: Mein lieber Phedros, nur der schlechte Wein sagt uns: ich mochte von einem Andern getrunken werden. Der gute Wein hat zu mir immer gesagt ...
SYPHAX (unterbricht ihn und zieht ihn am Mantel): Spar Deinen Witz. Kommt mit mir, ich les' Euch meine Verse. Es bleibt und vor dem Mahl nicht mehr viel Zeit. Kommt Ihr mit, Simmias und Phedros?
PHEDROS: Nein. Eure Verse werden ohne uns Euch besser vorkommen; Ihr werdet glauben, ein ganz personliches Gefuhl viel besser auszudrucken, seid Ihr nur zu Dritt.
NICOMEDES: Verzeiht, ich drucke uberhaupt nichts aus: ich begleite nur.
PHEDROS: Und wir begleiten nicht. (Die Anderen links ab. Phedros und Simmias gehen zu einander). Lassen wir sie, Simmias. Unser Platz ist nicht bei ihnen.
SIMMIAS: Ist er es mehr in diesem Hause, Phedros?
PHEDROS: Du hast Recht. Hast Recht! Wir geh'n.
SIMMIAS: Und verlassen Candaules?
PHEDROS: Ich liebe ihn und schatz' ihn hoch. Seit gestern ist er schweigsam, schließt sich ein und meidet uns. Was kann ihm auch unser Rat, Simmias?
SIMMIAS: So willst Du weg, ganz ohne Abschied?
PHEDROS: Einmal noch mocht' ich mit ihm sprechen, mit ihm allein.
SEBAS und ARCHELAOS: (sind von rechts gekommen; sie prufen die Vorbereitungen zum Mahle).
PHEDROS: Lebt wohl, Sebas, Archelaos! Trinkt und eßt und freut Euch an alldem!
SEBAS: Wie? Ihr geht?
PHEDROS: Lebt wohl!
ARCHELAOS: Ihr tut nicht recht.
SEBAS: Seht, schon ist fur ein neues Gelage der Tisch gedeckt.
PHEDROS: So bleibt Euch mehr. Komm, Freund.
PHEDROS und SIMMIAS: (links ab).
SEBAS und ARCHELAOS (sehen sich an und zucken die Schulter).
ARCHELAOS: Hast Du Hunger?
SEBAS: Ja.
ARCHELAOS: Schon?
SEBAS (klagend): Archelaos, ich werde fett.
ARCHELAOS: Iß weniger.
SEBAS: Da konnt' ich mager werden.
ARCHELAOS: Dann kannst Du nachher um so mehr essen.
SEBAS: Glaubst Du? Du durftest wahrhaftig Recht haben. Ich lege diese Feige wieder zuruck und kann dann mehr davon zu Mittag essen.
PHILEBOS (sehr schnell von rechts): Habt Ihr Pharnaces und Syphax gesehen?
ARCHELAOS: Sie waren --
SEBAS (unterbrechend): Da sind sie.
(Nicomedes, Syphax und Pharnaces kommen von links. Philebos laßt sich auf eine Bank fallen und halt sich erschopft die Seiten.)
NICOMEDES: Hast Du Candaules gesehen, Philebos? Wir suchen ihn uberall.
PHILEBOS: Grad hab' ich ihn verlassen.
SYPHAX: Wo ist er denn?
PHILEBOS: Uberall und nirgends. Er streift umher, gehetzt, gejagt ... Ach, meine Freunde, Laßt mich lachen! -- Was eine kostliche Geschichte, ah -- (Wie außer Atem von Lachen.)
PHARNACES und SEBAS: Was ist? Was soll's?
PHILEBOS: Ihr wißt doch, dieser Ring, an dem Sebas fast erstickt ware --
ARCHELAOS: Verzeiht, _ich_ war' beinah' daran erstickt.
PHILEBOS: Das ist ja gleich.
ARCHELAOS: Mir ist das gar nicht gleich.
PHILEBOS: Um so schlimmer. -- Laßt mich erzahlen: Du erinnerst Dich doch, Pharnaces, an die griechischen Worte, die Du in dem Ring geschrieben fandest?
SEBAS: Verzeiht, verzeiht! Die hat Phedros gefunden.
PHILEBOS: Aber -- unterbrecht mich doch nicht immer.
NICOMEDES: Erzahl! } } PHARNACES: Erzahl' nur! } (Gleichzeitig!) } SYPHAX: Wir sind ganz Ohr! }
PHILEBOS: Ich weiß nicht, wie und wodurch es geschah, daß der Konig, der erst noch so beunruhigt von den eingeritzten Worten war, den Ring in seiner Hand vergessen konnte. Ich glaube, Gyges, der Fischer, war die Schuld. Ach, Freunde! wunscht Ihr die Fortsetzung? Es ist zu komisch ...
DIE ANDEREN: Erzahl! So sprich doch!
PHILEBOS: Ich weiß gar nicht, gar nicht, wie ich's erzahlen soll.
NICOMEDES und PHARNACES: Ach was! Fang einmal an. Erzahl!
PHILEBOS (den das Lachen schuttelt.): Nein ... wenn Ihr den Konig hattet sehen konnen.
SYPHAX: Weshalb? Was macht er denn?
PHILEBOS: Er sucht.
SYPHAX und PHARNACES: Er sucht? Was sucht er denn?
PHILEBOS: Den Ring! -- -- Hort zu, hort zu ... Es ist das tollste aller Abenteuer. (Die Anderen haben sich alle um Philebos gruppiert, der immer auf der Bank sitzen bleibt.) Es scheint, daß gestern -- Morgen -- wozu? Das weiß ich nicht, und wie? Das weiß ich auch nicht -- kurz, daß gestern Morgen Candaules diesen Ring an seinen Finger steckte. Er war mit uns. Ihr wißt doch noch, er war mit uns. Und plotzlich war er verschwunden und wie wir ihn da suchten --
ARCHELAOS: Ja, ja. Weshalb ging er denn weg?
PHILEBOS: Er ging nicht weg.
PHARNACES, NICOMEDES: Erklar' doch deutlich. Erzahl doch weiter.
PHILEBOS: Scheint, daß der Konig -- doch Ihr werdet's mir nicht glauben!
DIE ANDEREN: So erzahl' doch! Was war's?
PHILEBOS: Und dieses war der Sinn der beiden griechischen Worte ... (Ernst.) Man sieht den nicht mehr, der den Ring am Finger tragt.
NICOMEDES: Was sagst Du da?
PHILEBOS: Der Ring macht seinen Trager unsichtbar.
DIE ANDEREN (lachend): Die Geschichte ist nicht ubel.
PHILEBOS: Hort doch das Ende. Und das ist nicht das Hubsche der Geschichte. -- Candaules uberrascht, sprach nichts. Und da er selber es kaum glauben wollte -- so wenigstens hat er mir es gesagt -- wollt' er sich von der Macht des Ringes an irgend Einem uberzeugen: Der Gyges war gerade da, und ohne weiter nach einem Anderen zu suchen, gibt er ihm den Ring. Gyges nahm ihn ... nichts mehr!
SEBAS und ARCHELAOS: Wieso? Wieso nichts mehr?
PHILEBOS: Nichts mehr. Hat Gyges seine schnelle Macht verstanden? Fest steht, daß er stillschweigend verschwand. Gyges tragt den Ring, der Ring verbirgt den Gyges. Er ist verschwunden, ohne Spur verschwunden ... Candaules hat gut suchen. So dumm ist Gyges nicht. Er ist durchaus verborgen.
GYGES (ist wahrenddem von rechts ganz langsam gekommen, so daß er am Ende von Philebos Erzahlung diesem direkt gegenuber und inmitten der Zuhorer steht; er bleibt unbeweglich, den Rucken gegen das Publikum.)
PHILEBOS: Der, ohne zu sehen, zu finden weiß, muß gar geschickt sein. Candaules irrt umher und ruft und fragt: Habt Ihr Gyges nicht gesehn? Habt Ihr meinen Ring gesehn? Doch -- wer kann die Beiden sehen? Nun hat Candaules seinen Herrn gefunden. Wo immer Gyges sein will, dort kann er sein.
DIE ANDEREN: Wunderbar! Ganz wunderbar!
PHILEBOS: Aber nichts weniger als angenehm. Vor ihm ist jeder von uns ohne Augen. Was kann man gegen einen, den man nicht sieht? Was tun wir, frag ich Euch? Wenn plotzlich seine Stimme da unter uns sagt, daß er da ist, daß er da unter uns ist, hort was wir sagen und uns Dummkopfe nennt?
GYGES (laut): Dummkopfe!
(Beim Ton von Gyges' Stimme zerstieben die Herren nach allen Seiten. Im Eifer der Flucht rennt Archelaos an einen Baum, und in der Meinung, an Gyges gerannt zu sein.)
ARCHELAOS: Oh ... verzeiht ...
(Kaum ist Gyges allein, sturzt er wie von Schande und Verzweiflung vernichtet zu Boden, gegen die Bank hin, auf der Philebos saß.)
GYGES: Mein Ring! Mein Ring! (Er druckt ihn an die Lippen.) Ach! Verbirg mir mein Denken!... Allen jagst Du Furcht und Angst ein, unsichtbarer Gyges. Ring! Was kannst Du mich mir selber nicht unsichtbar machen! Gyges hat Angst vor Gyges. (Er verhullt sein Gesicht in den Handen und schauert.) Hab' ich Dir weh getan mit meinen allzuwilden Kussen? -- Von Liebe voll und von Entsetzen floh ich. Schlafend ließ ich sie auf ihrem Bette hingestreckt, lief in die Nacht, lief wie ein Dieb, im Morgentau der kalten Wiesen das Fieber meinen Handen abzuwaschen, das Grauen von meinem Denken, die Schande von meiner Stirn und das Verbrechen meines Herzens ... Da kommt wer ... Nyssia! (Er bleibt auf der Erde und druckt sich an die Bank, da er Nyssia hort.)
Dritte Szene.
NYSSIA (an Candaules gelehnt. Sie kommen naher und setzen sich beide auf die Bank): Wie, mein Gebieter, das ist Eure Sorge? Was hat doch dieser Ring, daß sein Verlust Euch so bewegt? Ist's deshalb, daß Ihr mich heut' morgen so fruh verließet? Im Morgendammer, ermattet noch und kaum erwacht, da suchten meine Hande Euch und fanden nichts sonst, als eine kalte Stelle. Konntet Ihr mich so verlassen? Ah! Ihr wußtet nicht, was mein Erwachen Euch noch aufbewahrte!... -- Und dann, nachher, als ich Euch wiedersah im Garten, da waret Ihr nicht mehr so voller Liebe, wie in dieser Nacht. Da waret Ihr unruhig; -- was habt Ihr? -- Ihr geht fort? Ich bin eifersuchtig auf den Ring; er ist Euch wichtiger als ich. Ihr sagt mir nichts? Wie undankbar ist Euer Mund! Was liegt mir an dem Ring? Ihr habt doch andere genug!... Ihr, die Ihr immer schenkt, denkt einfach, Ihr hattet ihn verschenkt.
CANDAULES: Nur _sehen_ mocht' ich ihn.
NYSSIA: Das werdet Ihr. Doch scheucht die Falten da von Eurer Stirn. Der Morgen ist so schon! -- Seht, in dieser klaren Luft scheint alles mir verliebt und lachend wie wir selber ... Fast bin ich mud' von dieser Nacht ... Ach, mein Gebieter, schoner als der Tag ist mir Eure Liebe, und diese Nacht war mir ...
CANDAULES (unterbricht): Sprich mir nicht mehr von dieser Nacht, mein Weib.
NYSSIA: Ich kann sie auch verschweigen, doch sagt sich Eure Nyssia die Kusse alle wieder, einen um den andern. -- Oh, von allen unsern Nachten diese Nacht der Liebe schonste! --
CANDAULES: Die schonste, sagst Du, Nyssia? -- die schonste?
NYSSIA: Was erstaunt Ihr? Was hab' ich denn gesagt? Was habt Ihr?
CANDAULES: Die schonste ... weshalb?
NYSSIA (errotend): Oh, Ihr macht Euch lustig uber mich ... Weshalb erhebt Ihr Euch? -- Ihr geht? Was habt Ihr?
CANDAULES (fur sich): Du, Candaules, eifersuchtig? -- Schweig, schlechte Leidenschaft. (Er macht eine Geste des sich Bezahmens.) Verzeiht ...
NYSSIA (will ihn auf die Bank ziehen, faßt ihn am Kleid.)
CANDAULES: Nein, -- lass' mich. (Er befreit sich.) -- (Fur sich.) Die schonste!... Die ... Ich muß den Gyges sehn. (Zu Nyssia, von der er sich etwas nach links entfernt hat.) Da unten seh' ich Phedros ... Verzeiht -- gleich bin ich wieder bei Euch. Nein! Folgt mir nicht. -- Laß mich, Nyssia.
NYSSIA: So wart' ich hier auf Euch. --
GYGES (hat sich wahrend des Letzten nach und nach aufgerichtet).
Vierte Szene.
GYGES (leise): Die schonste aller Nachte!... Genug! Mein Ring -- genug! (Er reißt den Ring von seinem Finger.) Und wenn ich daran sterben muß --! (Er nahert sich der Konigin.) Konigin!
NYSSIA (laßt uberrascht den Schleier uber das Gesicht fallen): Ach! Habt Ihr mich doch erschreckt! -- Ich horte niemand kommen.
GYGES (vor ihr gebeugt): Konigin ...
NYSSIA: Was wollt Ihr?
GYGES (reicht ihr den Ring): Der Ring, den der Konig sucht -- hier ist er.
NYSSIA: Da Ihr es wußtet, daß er ihn sucht, was gabt Ihr ihn nicht fruher?
GYGES: Euch wollt' ich ihn zuerst geben.
NYSSIA: Doch -- wie kommt Ihr zu dem Ring?
GYGES: Der Konig gab mir ihn.
NYSSIA: Und wenn er Euch ihn gab, was sucht er ihn?
GYGES: Nicht, um den Ring zu sehen, doch mich, der ihn trug.
NYSSIA: Ich versteh Euch nicht ... Wer seid Ihr? Ihr war't nicht, glaub ich, gestern bei dem Fest?
GYGES: Ich kam erst spat ... als es zu Ende ging ... Ich bin Gyges: -- Erinnert Ihr Euch nicht des Fischers Gyges, um den Ihr letzte Nacht Candaules fragtet: ≪Der arme Fischer -- was ist aus ihm geworden?≫. Der bin ich.
NYSSIA (zuerst etwas verwirrt): Wie sollte ich Euch wieder erkennen, so reich gekleidet? -- Des Konigs Gute gab Dir das?
GYGES (verwirrt): Ja, Konigin; er gab mir alles das ... alles das -- und diesen Ring hier. (Er beugt sich wieder vor ihr und reicht ihr den Ring.)
NYSSIA: Ich will ihn dem Konig wiedergeben.
GYGES: Ein Wort noch, Konigin, ich bitt' Euch ... dieser Ring ...
DIE KONIGIN (betrachtet den Ring und will ihn anstecken.)
GYGES: Ah! Steckt diesen Ring nicht an!
NYSSIA: Weshalb nicht?
GYGES (angstlich vor dem, was er sagen will): Der Ring ...
NYSSIA: So sprich doch, sprich --
GYGES: Macht unsichtbar den, der ihn tragt.
NYSSIA (lachelnd): Ein ganz kostbarer Ring und ich verstehe nun, weshalb Candaules ihn so suchte.
GYGES: Und auch vielleicht, warum er ihn nicht fand.
NYSSIA (wird unruhig): Du verbargst Dich, Gyges?
GYGES: Der Ring verbarg mich.
NYSSIA: Doch, sag ... weshalb denn gab der Konig Dir den Ring?
GYGES: Um selber ungesehen zu sehen.
NYSSIA: Und was ... was konnte denn der Konig so zeigen wollen?
GYGES (fallt vor Nyssia auf die Knie): Euch Nyssia! -- (Gleichzeitig halt er ihr einen Dolch hin, den Nyssia instinktiv ergreift.) Stecht zu! Stecht zu!... Ich war's, der diese Nacht ... ich ließ Euch schlafend diesen Morgen ... Ach! Ich hatte schweigen konnen und Ihr, Ihr hattet's nie erfahren, doch war ich da, als Ihr es sagtet, daß diese Nacht der Liebe von allen Euren Nachten ...
NYSSIA (deren Verwirrung mit jedem Wort des Gyges zunimmt und die mit jedem Wort zu verstehen anfangt, schreit auf): Candaules! -- (Sie schreit wild auf.) Ich hielt mich fur geliebt.
GYGES (erhebt sich ein wenig): Ihr seid es, Konigin ...
NYSSIA (in jahem Zorn): Was sagst Du?
GYGES: Ihr seid geliebt, Nyssia.
NYSSIA (gibt ihm, wie von diesem Worte zu einem plotzlichen Entschluß gebracht, den Dolch in die Hand): Geh! Erschlag' ihn!
GYGES (in tiefer Ergriffenheit): Wen?... Ihn?
NYSSIA: Erschlag ihn!
GYGES (laßt den Dolch zur Erde fallen): Ich kann nicht. Mein Freund!...
NYSSIA: Und er war mein Gemahl! Tote ihn.
GYGES: Ich kann nicht ... er war's, der mir es gab.
NYSSIA: Er war's, der mich verriet. (Sie zerreißt ihren Schleier.) Einer von Euch Beiden muß es sein, der stirbt ... Nimm den Ring!
GYGES (besturzt): Wie? Ohne mich zu zeigen?
NYSSIA: Fur mich hast Du Dich gut verborgen!
GYGES: Er hat mir den Ring gegeben --
NYSSIA (verzweifelt vor diesem Widerstand): Es muß doch Einer von Euch Beiden eifersuchtig sein! (Sie sturzt Gyges um den Hals und kußt ihn in wilder Wut.) Oh! Du wirst ihn erschlagen, Gyges, nicht wahr? Du wirst ihn erschlagen! -- Den Ring! Nimm doch den Ring. (Sie steckt ihm den Ring an den Finger.) Und da ... den Dolch. Verbirg Dich! Der Konig!
CANDAULES (kommt im Gesprach mit Phedros).
NYSSIA und GYGES (ziehen sich nach ruckwarts zuruck).
Funfte Szene.
CANDAULES (leise zu Phedros): Nein, Phedros, wenn Du mich liebst, so bleibst Du noch zu diesem Mahl. Es ist das letzte, sag' ich Dir; das letzte ... Sie werden mit dem Trinken noch nicht fertig sein, da sag ich: Nun laßt mich. Das Haus, die Feste sind nun fur mich allein, fur mich und Nyssia ... Und Nyssia, Du weißt: nun halt' ich sie fur mich und fern von Allen im Schatten wohlverschlossen, wie ein Parfum, das allzu leicht verduftet ... Genug davon. Du bleibst zum Fest?
PHEDROS: Ich bleibe.
CANDAULES: Laß mich nun.
PHEDROS (ab).
CANDAULES (zu Nyssia): Das Festmahl ist bereitet ... Bald ist's Mittag, die Zeit, da meine Gaste kommen. Nyssia -- bis zu Eurem Gemach begleit' ich Euch. (Er nahert sich ihr, sie weicht zuruck.)
GYGES (ist ein Weniges hinter ihr).
NYSSIA: Nein. -- Ich bleibe bei Eurem Fest. |
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