Nach dem Erzahlten ist es leicht begreiflich, dass die Gesammtzahl der Negritos nur eine sehr geringe sein kann, Mas (pobl. 9) schatzt sie auf 25 000, Mallat (II, 94) giebt dieselbe Ziffer an, Semper halt diess mit Recht fur ubertrieben (Skizzen 138). Jedenfalls betragt ihre Anzahl mehr als 10 000 Seelen, wobei ich von Mindanao ganz absehe und mich nur auf Luzon und die Visayas beschranke. Sie gehen langsam, aber sicher ihrem Untergange entgegen.
Ehe ich zu den Malaien ubergehe, habe ich noch den interessanten Stamm der Balugas zu erwahnen, welcher in Pangasinan und zwar der Centralebene Luzons wohnt. Semper hat die Balugas selbst gesehen und bezeichnet sie als eine Mischlingsrasse von Negritos und Malaien (Skizzen 53); der Name ist nach ihm tagalisch und bedeutet soviel als schwarzer Mestize, schwarzer Bastard (Skizzen 136). Diese Mischung mit malaiischem Blute ist aber nicht stark genug, um die den Negritos charakteristischen Eigenthumlichkeiten verschwinden zu machen; im vorigen Jahrhundert haben diese Balugas ein Leben gefuhrt, das sich in gar Nichts oder wenigstens so gut wie gar nicht von jenem der Negritos unterscheidet, so dass man geneigt ware, sie in jener Zeit als noch unvermischt anzusehen. Es darf nicht unerwahnt bleiben, dass nach Mas (pobl.) die Negritos neben dem spanischen Namen Negrillos auch noch die eingeborenen: aetas, itas, etas und balugas fuhren und Scheidnagel (Filipinas 61) bemerkt ausdrucklich: "Se les suele denominar por los indios con el nombre de balugas", ebenso spricht Cavada (I, 164) von Balugas o Aetas. Die Malaiinnen Luzons haben einen Abscheu vor den Negritos und gehen trotz ihrer starken Sinnlichkeit keine geschlechtlichen Verbindungen mit den Mannern der schwarzen Rasse ein, wie Fr. Gaspar de S. Augustin schon bemerkt (die Visaya-Malaiinnen sollen nicht so heikel sein), es kann daher jene Vermischung nur durch geraubte Malaiinnen Statt gefunden haben oder durch Remontados, das heisst durch Malaien, welche eines Verbrechens wegen oder um den Steuern zu entgehen in die Walder flohen und sich unter jenen Negritos niederliessen, was aber nicht gut moglich ist, da die Negritos gegen diese Exchristen ein starkes Misstrauen hegen. Es ist also nur der erste Fall der wahrscheinlichere.
Fray Antonio Mozo uberschreibt das VIII. Cap. seines Werkes mit: "Missiones de Balugas o Aetas", er will also Balugas mit Negritos identificiren, wie auch aus dem Inhalt des ganzen Capitels erhellt. Was er von dem Leben und Treiben der Balugas erzahlt, ist eben so gut auf die heutigen Negritos anwendbar. Die Balugas von Pangasinan, welche Professor Semper sah, mussen also erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit malaiischem Blute sich gemengt haben, und man wird vorsichtig mit dem Namen Baluga umgehen mussen, nachdem, wie wir soeben gesehen, auch Vollblut-Negritos so genannt wurden und werden.
Noch sei zum Schlusse bemerkt, dass es eine Zeit gab, wo man zweifelte, ob die Negritos sich im Besitze eines eigenen Idioms befanden. Diess kam daher, weil die Negritos im Verkehre mit Spaniern und Indiern sich der Sprache ihrer malaiischen Nachbarn bedienen. Durch die grundlichen Untersuchungen der Herrn Dr. A. B. Meyer, Dr. v. Miklucho-Maclay und Dr. A. Schadenberg ist sichergestellt, dass die Negritos sich im Besitze einer eigenen Sprache befinden, welche freilich von den malaiischen Nachbar-Dialekten nicht unbeeinflusst geblieben ist.
II. MALAIEN.
1. Tagalen.
Der bedeutendste Zweig der malaiischen Rasse auf den Philippinen wird von den Tagalen (Tagales) gebildet. Die Tagalen bewohnen den centralen Theil Luzons. Die Provinzen und Districte: Manila, Laguna, Cavite, Batangas, Bulacan, Morong, Infanta, Tayabas, Bataan und die Corregidor-Insel werden beinahe ausschliesslich von ihnen bewohnt, nur in Manila bilden Weisse, Chinesen und die Mischlinge dieser Rassen einen erheblichen Bruchtheil der Bevolkerung, wie die officiellen Censuslisten aufweisen. Uberdiess wohnen sie in nicht unbedeutender Starke in der Provinz Zambales, ferner in den Provinzen Principe, Isabela und Nueva Ecija. An der Nordostkuste Luzons ist der nordlichste von ihnen bewohnte Punkt Paranan (Semper, Erdk. X, 258). In der Provinz Camarines Norte reichen sie von Nordwesten her bis zu dem durch seine reichen Goldminen bekannten Orte Paracali, wo bereits mehr Tagalisch als Vicol gesprochen wird (Jagor, Phil., 149). Hier hat also das Tagalog seit den Tagen der Conquista bedeutende Fortschritte gemacht, denn in der Zeit des Don Juan de Salcedo waren jene Gegenden von Camarines Norte ausschliesslich mit Vicols besiedelt. Die grosse Insel Mindoro wurde im XVII. Jahrhunderte nur an den Nordkusten von Tagalen bewohnt (Allg. Hist. XI, 406), heute herrscht auf der ganzen Insel, so weit sie Spanien unterworfen ist, d. h. an den Kusten, die tagalische Sprache. Die Insel Marinduque war bei der Ankunft der Spanier von Visayern bewohnt, welche unter tagalischen Hauptlingen lebten, die Zahl der Tagalen war gering, auch hier bewahrte sich die tagalische Sprache als Siegerin, sie ist heute die herrschende, wie die Censuslisten aufweisen. Auf der Ostkuste Luzons wird die Insel Polillo gleichfalls von ihnen bewohnt. Verstreut, aber nur in geringer Anzahl, sind sie in allen Theilen der Philippinen zu finden, selbst ausserhalb des Archipels, so fand Jagor auch welche in Singapore (Jagor, Skizzen 35). In Zamboanga auf Mindanao, ferner auf den Marianen bilden Tagalen und deren Mischlinge einen erheblichen Theil der Bevolkerung (Buzeta I, 66). Ebenso giebt es tagalische Niederlassungen seit 1848 im Meerbusen von Davao auf Mindanao (Cavada II, 224).
Die Tagalen zeigen eine grossere Verschiedenheit vom malaiischen Typus als die Visayas (Bastian, Reisen V, 273). Ihre Hautfarbe ist braunlich mit einem gelblichen Tone, in Manila durch Kreuzung mit Europaern und Chinesen etwas heller als in den anderen Provinzen. Der Korper ist gut gewachsen, die Gliedmaassen sehr zart. Der Kopf ist rund, hinten platt, die Nase ist etwas plattgedruckt und mit breiten Flugeln versehen, der Mund ist gross, die Lippen ziemlich dick. Die Backenknochen treten stark hervor, die Stirne ist niedrig. Die Augen sind gross und dunkel, nach Mallat lebhaft, nach Canamaque das Gegentheil. Einen eigenthumlichen Eindruck machten auf mich stets die zwei Hautfalten, welche von den Nasenflugeln sich zu den Mundwinkeln hinziehen und die man auf Abbildungen und Photographien selbst jugendlicher Personen scharfer hervortreten sieht, als diess bei Europaern desselben Alters der Fall ist. Dieser Umstand ist noch von Niemandem bemerkt worden. Der Haarwuchs ist ein ungemein uppiger, das Haar schwarz, aber grob.
Die Beweglichkeit ihrer Zehen ist eine auffallende, sie sind im Stande die Fusse zur Unterstutzung ihrer Hande herbeizuziehen, mit Leichtigkeit erfassen sie die kleinsten Gegenstande mit den Zehen und heben sie vom Boden auf, um sich die Muhe des Buckens zu ersparen; beim Klettern kommt ihnen besonders diese Eigenschaft zu gute (Ilustr. 1858, n. 7, p. 53). Wir haben bereits oben Ahnliches bei den Negritos gefunden. Die grosse Zehe ist auch von den ubrigen durch einen grosseren Zwischenraum getrennt (Buzeta I, 59).
Nicht minder ausserordentlich ist ihr Geruchssinn. Selbst in einer grosseren Gesellschaft erkennen sie an dem Geruche der Taschentucher deren Besitzer (Jagor, Skizzen 39). Es giebt Diener, welche durch Beriechen unter einem Dutzend fremder, frischgewaschener Hemden das Eigenthum ihres Herrn sofort herausfinden. Liebende tauschen Kleidungsstucke &c. aus, um sich am Beriechen derselben zu erfreuen, ist der fremde "Duft" durch den eigenen verdrangt, findet neuer Austausch Statt. Nach Mas (pobl. 87), dem ich auch das Obige entnehme, sollen die Weiber durch ihren Geruchssinn es erkennen, ob ein in ihrer Nahe befindlicher Mann geschlechtlich erregt ist oder nicht (?).
Die Tagalen siedeln sich stets unmittelbar an einem grosseren Wasser an, sei es ein Fluss, ein Bach, ein See oder das Meer selbst, ihr Name selbst soll soviel wie Flussbewohner bedeuten, die Ebene und das Thal sind ihre Heimath, die steilen Hange, die Gebirgsgelande meiden sie nach Thunlichkeit. In den Zeiten ihrer Unabhangigkeit waren ihre Niederlassungen klein und zersplittert, die Spanier aber zwangen sie, sich in grossere Ortschaften zusammenzusiedeln, welche Pueblos (wenn sie eine autonome Gemeinde bilden) oder Barrios heissen. Es gehorte viel dazu, die zum isolirten Vegetiren sich hinneigenden Tagalen zu dieser Concentration zu bringen, zum Gluck begegneten sich da die Absichten der Regierung mit den Interessen der Geistlichkeit und des durch kluge Concessionen gewonnenen eingeborenen Adels.
Die Hutten der Tagalen stehen auf Pfahlen; der von den Pfahlen eingeschlossene Raum wird durch Bambuslatten abgesperrt (Jagor, Phil. 20), in denselben werfen die Tagalen durch die Spalten des Bodens der Hutte den Kehricht herunter (Semper, Skizzen 50). Die Hutten selbst sind aus Rohr, bei Reicheren aus Brettern und Balken erbaut, meist besteht jedoch nur das Geruste aus diesem Material, die Wande werden dann aus Pandanusblattern verfertigt. Die Fenster haben Laden aus Facherpalmblattern oder Bambusrohr. Selten fehlt die Azotea oder Batalan, eine Art Galerie oder Veranda. Das Dach wird mit Blattern der Nipapalme gedeckt, welche oft zu formlichen Ziegeln geformt sind. Es giebt Hutten, welche sammt dem Mobiliar zwei Centner wiegen (Jagor, Phil. 20). Beim Baue wird zuerst das Dach, dann erst die Hutte selbst hergestellt (Jagor, Phil. 46; Scheidnagel 54). Der Aufstieg geschieht auf einer Leiter oder einem eingekerbten Bambus, bei Nacht wird die Hutte durch Aufziehen der Leiter unnahbar. Die Hutten haben nur ein Stockwerk, dessen Fussboden ungefahr einen Meter uber der Erde erhaben ist (Scheidnagel 54). Vornehme Indier, die Principales oder Glieder der Dorf-Aristokratie, haben bessere zum Theil aus Stein erbaute Hauser, welche mitunter ein mit Zink gedecktes Dach besitzen (Scheidnagel l. c.). Das Mobiliar besteht bei der Mehrzahl der Tagalen nur aus dem Kochgeschirr und Matten. Jagor fand die stattlichsten Tagalenhauser in der Provinz Bulacan, in denselben fehlten weder Stuhle, noch Tische, Banke, Schranke, selbst Spiegel und Lithographien waren vorhanden (Jagor, Phil. 48).
In den Provinzen laufen die Kinder ganz nackt herum oder tragen nur das philippinische Hemd, die Camisa, d. h. eine Jacke, welche nicht einmal den Nabel bedeckt. Selbst grossere Burschen begnugen sich mit dem Tapa-Rabo, einem Baumwollstoffe, welcher zwischen die Beine geschlagen und am Gurtel festgemacht wird (Vila 7). Die Tracht der erwachsenen Manner ist sehr einfach, sie besteht aus der erwahnten Camisa und Beinkleidern, nur pflegt hier das Hemd meist so lang wie das der Europaer zu sein, was aber um so unanstandiger erscheint, indem das Hemd uber den Hosen getragen wird. Die Hemden der Vornehmen sind oft reich gestickt oder wenigstens mit rothen Knopfen versehen. Reiche Leute tragen Perlen oder Brillanten als Knopfe (Scheidnagel 60). Die Mitglieder des eingeborenen Adels tragen uber dem Hemde eine schwarze Tuchjacke, doch ist diess nicht ihr ausschliessliches Privileg, wie in einigen Werken zu lesen ist. Lacherlich nehmen sich die Kutscher europaischer Herren aus: Das Hemd uber den Hosen, eine gallonirte Jacke, Gamaschen und Cylinderhut! Die Fusse tragen sie meist nackt, selbst die eingeborenen Truppen der Spanier tragen Schuhe nur zur Parade, und in der Stadt, bei Marschen und im Felde gehen sie barfuss, sonst wurden sie bald marschunfahig werden. Die Vornehmen tragen mitunter selbst Lackschuhe (Scheidnagel 60).
Auf dem Kopfe tragen sie einen grossen Hut, den Salacot oder Salaco. Dieser hat die Form eines Kugelsegments und ist sehr haufig mit einer Spitze versehen, welche aus Silber oder gar aus Gold besteht (Scheidnagel, l. c.). Das Material sind Palmenblatter, Stroh & c. Vornehme tragen gern Hute europaischer Facon, ja mit Vorliebe Cylinder.
Armere Frauen tragen nur die kurze Camisa und dann die Saya. Letztere ist ein Frauenrock, der von der Hufte bis zu den Knocheln reicht, oft aber auch die Waden ganz unbedeckt lasst. Bei der Kurze der Camisa bleibt haufig ein Streifen nackten Leibes den Blicken der Manner ausgesetzt. Reichere tragen noch den Tapis, dieser besteht aus einem Zeuge, welches um den oberen Theil der Saya herumgewunden wird. Sie wissen den Tapis in einen schonen Faltenwurf zu bringen. Man liebt besonders gestreifte Stoffe, am beruhmtesten sind die Tapisstoffe, welche in Balivag (Provinz Bulacan) fabricirt werden, sie sind dunkelbraun und weiss gestreift. Die Stoffe zu diesen Kleidern werden aus Baumwolle, Abaca oder Seide verfertigt. Das Haar tragen die Weiber aufgelost oder in einem durch einen Kamm zusammengehaltenen Knoten ("pusod") geknupft. Zum Schmucke der Haare dienen Blumen. Geschmeide wird gleichfalls getragen, doch ist es meist europaischen oder chinesischen Ursprunges oder doch fremden Mustern entlehnt. Die Fusse stecken bei allen Bemittelten in eigenthumlichen Pantoffeln, den sogenannten Chinelas, deren Oberdecke so kurz ist, dass sie kaum die Zehen bedeckt.
Die Tagalen leben vom Fischfang und Ackerbau. Der Reis ist ihre Hauptnahrung, deshalb wird er auch am meisten gebaut. Auf einer Ausstellung zu Manila wurden 60 angeblich verschiedene Reisgattungen ausgestellt, welche sammtlich in den Philippinen gebaut werden (Jagor, Skizzen 37). Dem Reisbau wenden sie auch die grosste Sorgfalt zu, obwohl sie nicht viel mehr zu bauen pflegen, als sie selbst zum Unterhalte brauchen. Wo die Acker an Waldwildnisse grenzen, werden sie durch lebendige Hecken aus einer sehr stacheligen Bambusart geschutzt (Semper, Skizzen 135). Die Ackergerathe sind sehr plump und meist aus Bambus zusammengesetzt. Den Pflug zieht der Carabao-Buffel, von dem ich noch weiter unten sprechen will. Reis ist ihre tagliche Nahrung, und man sieht die Weiber stets damit beschaftigt, den noch in der Hulle steckenden Reis--"palay" genannt--durch Stossen in einem Holzmorser--lusong--zu enthulsen. Diejenige Speise, welche bei ihnen nicht nur die Stelle unseres Brotes vertritt, sondern fur viele die ausschliessliche Nahrung ist, besteht nur aus in Wasser gekochtem, oft ungesalzenem Reis, der Name derselben ist: Morisqueta oder Canin. Auch ihre Leckereien und Delicatessen bestehen meistentheils aus Reis, so die Bibinca (gekochter Reis mit Cocosmilch) &c. Aus Reis wird auch ein Branntwein gebrannt. Die Vorliebe fur den Reis ist so gross, dass selbst der Chocolade gerosteter Reis zugesetzt wird.
Nachst dem Reis werden noch Camote und Mais gebaut. Camote (Convulvulus batatas) wuchert beinahe ohne jede Pflege, sie ist "eine unversiegbare Vorrathskammer fur den Besitzer, der das ganze Jahr hindurch seinen Bedarf dem Felde entnehmen kann" (Jagor 122). Von Nahrungspflanzen fur heimischen Bedarf werden noch Gabi (Caladium), Ubi (Dioscorea) und zwei Arumarten cultivirt. Der Cacaobaum wird zwar gepflanzt, liefert aber bei der Indolenz der Eingeborenen und der Empfindlichkeit des Baumes einen schlechten Ertrag. Der Caffeebau, fur den Export bestimmt, nimmt immer mehr zu, Zuckerrohr wird von den Tagalen nicht in der Menge gebaut, wie von den Visayern. Die Fruchtbaume des ostindischen Archipels werden auch von den Tagalen gezogen, ich gebe hier die wichtigsten nach der "Ilustracion filipina" (1859, n. 12, p. 99) mit den tagalischen Namen an: Manga (Mangifera indica), Saguing (Musa paradisiaca) von den Spaniern "platano" genannt, Atte (Annona squamosa), Sapote (Sapote nigra), Tampoy (Eugenia Malaccensis), Pina (Bromelia ananas), Mangostan (Garciana mangostana), Sagu (Sagus Rumphii). Die Cocospalme ist nachst der Musa paradisiaca der wichtigste Fruchtbaum. Sie wird in grossen Waldern oder Hainen (Cocales) gepflanzt, bekannt sind die Cocoteros von Pagsanjan, die Cocosnusse werden von dort in haushohen Pyramiden uber die Laguna de Bay und den Pasig nach Manila gerudert: "diese Massen haben keine weitere Unterlage als die Cocosnusse selbst, deren unterste Schicht mit Stricken zusammengebunden ist" (Hugel 236). Aus der Milch der Cocosnuss bereiten sie verschiedene susse Speisen und Backereien, insbesondere die Speise Macapumi (Scheidnagel 75), diese Palme liefert ihnen den so beliebten Tuba-Wein, und das Cocosol dient zum allgemeinen Leuchtmaterial, sowie zur Pomade. Aus dem Zuckerstoffe der Buripalme bereiten sie die Zuckerspeise Chancaca, desgleichen aus Pilikornern [8] (Scheidnagel, l. c.). An den Flusslaufen wird Nipa littoralis gezogen, von welcher auch Branntwein gewonnen wird. Von Nutzpflanzen werden von den Tagalen Baumwolle, Indigo und Abaca (Manilahanf) gebaut. Der Tabak wurde vor der Einfuhrung des Monopols von den Tagalen fleissig gepflanzt, jetzt (seit 1781) ist sein Anbau auf bestimmte Provinzen beschrankt. Von den erwahnten Pflanzen sind folgende erst durch die Spanier eingefuhrt worden: Indigo(?), Tabak, Mais, Caffee, Cacao und Camote.
Die Hausthiere der Tagalen vor Ankunft der Spanier bestanden nur aus dem Carabao-Buffel, dem Schweine, Hunde und Geflugel, unter letzterem besonders Huhner und Enten. Erst die Spanier brachten Rind, Pferd, Schaf und Esel, doch haben diese beiden letzteren Thiergattungen sich in diesem Lande nicht bewahrt und werden demgemass auch nicht mehr oder nur hie und da gezuchtet. Der Carabao dient nicht nur als Zugthier, er wird auch zum Reiten benutzt (Canamaque, Recuerdos I, 152). Das Schwein galt bei den Tagalen der Conquista als ein ausserst wichtiges Thier, wesshalb es bei Opferfesten stets als Schlachtopfer diente, bei vielen religiosen Ceremonien war wenigstens Schweineblut erforderlich. Auch heute noch bildet Schweinefleisch eine Lieblingskost der Tagalen, doch pflegen sie gar keine Sorgfalt auf diese Thiere zu verwenden, welche sich meist nur von menschlichen Excrementen nahren (Jagor, Phil. 124). Vom Rinde kommen zwei Gattungen vor, die spanische, im XVI. Jahrhunderte uber Neuspanien eingefuhrt und der indische Zebu (Scheidnagel 104), der erst in neuerer Zeit eingefuhrt worden sein muss, da altere Werke hieruber gar Nichts erwahnen. Beide Rindergattungen werden hauptsachlich des Fleisches wegen gezogen, zur Arbeit gebraucht man nur den Buffel. Ziegen sind sehr selten (Scheidnagel 105), ebenso wie Schafe. Die Pferderasse ist ein kleiner Schlag, gemischt aus andalusischem, chinesischem und japanischem Blute (Jagor 123 und 315, nach Morga fol. 130 und 161).
Von Geflugel werden hauptsachlich Huhner und Enten gehalten, erstere nicht blos des Fleisches oder der Eier wegen, sondern, wie ich es weiter unten ausfuhrlicher besprechen werde, um die Hahne zum Kampfsport aufzuziehen. Die Entenzucht der Tagalen hat auf den Philippinen einen weiten Ruf, insbesondere sind es die Ortschaften am Pasig und der Laguna de Bay, deren Bewohner sich mit der Entenzucht im grossartigsten Maassstabe befassen, besonders Pateros erfreut sich einer grossen Beruhmtheit, und zwar werden die Eier kunstlich ausgebrutet. Die Ilustracion filipina (1860, n. 4, p. 38) berichtet daruber folgendes: Das Weib--mit dieser "Industrie" befassen sich nur die Weiber--richtet 1000-1500 Enteneier zu, dann schlagt sie Palay (Reis in der Hulse) in ein rohes Gewebe ("tigbo") und macht diesen Haufen entweder durch ein Feuer oder die Glut der Sonnenstrahlen warm. Darauf wird ein grosser Korb genommen und in diesem eine Schicht des gewarmten Palay's ausgebreitet, darauf folgt eine Schicht Eier und so abwechselnd fort, bis die oberste Schicht wieder von Palay gebildet wird. Diese Operation wird durch mehr als zwei Wochen taglich zwei Mal ausgefuhrt, hierauf werden die Eier in einen Trog, der mit Reishulsen gefullt ist, gelegt und mit Zeug bedeckt, um ein Ausstrahlen der Warme zu verhindern, andererseits wird wieder geluftet, um die nothige gleichmassige Temperatur zu erhalten. 12 oder 14 Tage nachher kriegen die jungen Enten aus den Eiern hervor, 800-1000 an der Zahl. Sie werden sofort in eingezaunte Wasserplatze gebracht. "Vor jeder Hutte befindet sich gegen den Fluss (Pasig) zu ein grosser eingezaunter Platz, wo diese Thiere sich sonnen und nach Belieben im Wasser baden konnen. Der vom Fluss bespulte Boden des kleinen Geflugelhofes wird jeden Morgen mit Sorgfalt gereinigt, umgegraben und taglich von Neuem mit einer grossen Menge von Schalthieren angefullt, welche den Enten zum Futter dienen und von den Eingeborenen in kleinen Canoes aus dem See (Laguna de Bay) geholt werden, wo dieselben zu Milliarden im Schlamm leben. In Pateros werden jahrlich Millionen von Enten als Handelsartikel gezogen, indem die Tagalen, gleich den Chinesen, halbausgebrutete Eier und Kuchlein fur besondere Leckerbissen halten" (Scherzer, Novara-Reise I, 602). Ganse wurden von den Spaniern aus China importirt (Jagor, l. c.).
Nachst dem Reis und der Camote bilden Fische die Hauptnahrung der Tagalen. Die Hauptbeute liefert der Dalag-Fisch (Ophicephalus vagus, Peters). "Wenn in der Durre die Bache zu einer unzusammenhangenden Kette von Tumpeln einschrumpfen, dann beginnt der Dalag-Fang. Der Dalag grabt sich im Schlamme weiter fort, deshalb werden zunachst flussabwarts in den Schlamm engmaschige Bambusgitter gesteckt, um ein Entweichen des Fisches zu verhindern, darauf wird das Wasser aus den Lachen herausgeschopft und die Fische ausgegraben" (Jagor, Phil. 47). In der nassen Zeit sind sie auch so haufig in allen Graben und Reisfeldern zu finden, "dass sie mit Knitteln todtgeschlagen werden" (Jagor, l. c.). In Flussen und Bachen werden die Fische dadurch gefangen, dass man die betaubende Frucht des Tuba-Tuba-Baumes in das Wasser wirft oder in der Nacht sie durch Fackeln, besonders die Aale, in den Handbereich lockt (Scheidnagel 151). Die Strandbewohner des Meeres und der Binnen-Seen fangen die Fische auf ahnliche Weise und durch Harpunirung (Semper, Skizzen 31), oder sie fangen sie durch besonders construirte Netze und Fangapparate, welche die Kustenschifffahrt behindern. Die Netze beruhen auf einem Hebelapparate, der auf einem grossen von Bambusrohr gebauten Floss steht (Semper, Skizzen 111). Die kleinen Fische werden meist an der Sonne getrocknet oder gesalzen (Scheidnagel 60), sie bilden die picante Zukost zum faden Reis.
Der Jagd verdanken sie den geringsten Theil ihrer Nahrung. Der wilde Carabao wird zu Pferde, welche zu diesem Zwecke besonders abgerichtet sind, und mit der Lanze gejagt (Naheres: Ilustr. 1859, n. 10, p. 78) oder man lockt ihn durch eine zahme Carabao-Kuh heran und haut ihm dann in seiner blinden Liebesbrunst die Sehnen mit dem scharfen Campilan entzwei (l. c.). Gefangen wird er mit dem Lazo. Hirsche und Wildschweine kommen haufig vor. Wildenten werden gejagt, indem der Tagale den Kopf sich mit Zweigen bedeckt und schwimmend oder watend sich den Enten nahert und eine nach der anderen unter das Wasser zieht (Scheidnagel 150). Der fliegende Hund wird seines wohlschmeckenden Fleisches wegen gleichfalls verfolgt (Jagor, Skizzen 217). Heuschrecken werden in irdenen Pfannen gerostet, jedoch nur die Kopfe und Rucken gegessen (Jagor, Phil. 219). Trotz ihres hochentwickelten Geruchssinnes essen die Indier gern faules Fleisch (Jagor, Skizzen 39). Der Tagale isst drei Mal des Tags, um 7 Uhr Morgens, 12 Uhr Mittags und um 7 oder 8 Uhr Abends. Alle Speisen sind stark mit spanischem Pfeffer gewurzt (Jagor, Phil. 126).
Die Waffen der Tagalen in der Zeit der Conquista bildeten Lanze, Schild und Campilan (sabelartiges Waldmesser), alles noch heute vorhanden. Bogen und Pfeile sind noch heute im Gebrauche (Meyer, Negr.). Zahlreich sind ihre verschiedenen Schiffsgattungen. Da ist die Falua oder Lorcha, ein grosses, bequemes, aber schwerfalliges Ruderschiff, das Pontin, ein Zweimaster mit Mastensegeln von etwa 100 Tonnen Gehalt. Am haufigsten ist am Pasig der Casco, ein Zweimaster ohne Deck, jedoch mit Strohmatten uberdacht, langs der Bordseiten lauft ein Trittbret, auf welchem die Schiffsleute sich bewegen, wenn sie mit ihren langen Stangen das Fahrzeug vorwarts stossen. Der Casco fuhrt einen Holzanker und ist am Vordertheile meist weiss und roth bemalt (Ilustr. 1860, n. 5, p. 49). Barotos sind kleine Handelsschiffe. Die Bancas sind Kahne mit einem Schutzdache, sie werden mit Rohrstangen vorwarts bewegt. Die tagalischen Fischerboote in der Bai von Manila haben sammtlich Auslieger (Hugel 95). In den Zeiten der Conquista besassen noch die Tagalen niedrige, leichte Schiffe ohne Verdeck mit Ausliegern, Barangay oder Balangay genannt. Die Barangayes besassen ein bis zwei Maste, konnten aber auch durch Ruder fortgetrieben werden, uber den Ruderbanken befand sich eine Galerie aus Bambus, auf welcher die Krieger standen (Jagor 311, Morga fol. 128, Morga-Stanley 297).
Als die Spanier mit den Tagalen zum ersten Male in Beruhrung kamen, fanden sie bei ihnen bereits den Islam vor, der erst kurz vorher von Borneo aus importirt worden war; aber, obwohl uberall unter den Tagalen verbreitet, waren in den Binnendistricten es nur die Hauptlinge, die den neuen Glauben angenommen hatten (Morga-Stanley 307 f.). In einem Berichte, den der Vicekonig von Neuspanien, Dr. Martin Enriquez, an Philipp II. am 5. December 1573 von Mejico aus richtet, bemerkt er uber die Luzon, dass der Islam seinen Bewohnern aufgezwungen ware und noch keine festen Wurzeln gefasst hatte, "weil viele von ihnen Wein trinken und Schweinefleisch essen" (Cartas de Indias, fol. 291). In der That hing noch der grosste Theil der Tagalen fest an seinem alten heidnischen Glauben, und als dann das Christenthum ihre Religion wurde, blieben noch die meisten religiosen Anschauungen ihres Heidenthums bei ihnen wach und sind es auch bis zum heutigen Tage, alle Bemuhungen der Monche vermochten nicht die nunmehr zum Aberglauben gestempelten altreligiosen Brauche auszurotten.
Ihre alte Religion enthielt den Glauben an einen Weltschopfer und Hauptgott, der im Himmel throne, uberdiess noch an eine grosse Zahl von bosen und guten Damonen, neben dieser Mythologie besassen sie noch den Ahnencultus, indem die Seelen der als Grossvater verstorbenen, die Anitos oder Nonos, zu Hausgottern oder Schutzgottheiten gewisser Platze werden. Sie besassen auch Priester (Catalonanes) und Priesterinnen (Catalonas), welche von ihrem Hohenpriester, dem "Sonat", zu ihrem Amte geweiht wurden.
Noch heute existirt die heilige Scheu vor den Seelen der Verschiedenen, den Nonos, ich werde bei Gelegenheit der Todtenbestattungen noch darauf zuruckkommen. Freilich in Manila und dort, wo die Spanier zahlreicher wohnen, treten diese Erscheinungen nicht so grell zu Tage. Aberglaubische Indier pflegen (wohl nur Abends) etwas Speise am Tische liegen zu lassen, damit die Geister der Verstorbenen sich sattigen konnen (Mas, pobl. 94). In vielen Dorfern besteht noch der Brauch "Pasing-tabi sa Nono", d. h. die Tagalen bitten die Seelen ihrer verschiedenen Ahnen, sie mogen die Arbeit oder das Werk, womit sie sich gerade beschaftigen wollen, zu einem guten Ende fuhren (El Indio viejo von F. de P. Martinez in Ilustracion 1859, n. 7, p. 54). Grosse stattliche Baume, charakteristisch geformte Berge gelten ihnen als Wohnsitze der Nonos oder Anitos. Niemand geht vorbei, ohne zu rufen: "mit Deiner Erlaubniss", sonst wurde ihnen der Nono schweres Unheil oder Krankheit senden. Wenn sie einen Baum (Waldbaum?) fallen mussen, so bitten sie den Nono um Entschuldigung und rufen unter anderem: der Padre (Pfarrer) hat es befohlen, es ist nicht unsere Schuld und auch nicht unser Wille (Mas, pobl. 90). Die alten Gotter und Damonen Tigbalang, Patianac, Sava &c. leben in ihrem Glauben noch heute, nur sind sie zum Range von Gespenstern heruntergesunken (Mas, l. c.). Sie glauben auch an eine Art Wunschelruthe, den "Antinantin", welcher ihnen Reichthumer und Gluckseligkeit verschaffen soll (Mas, pobl. 91). Einen eigenthumlichen Aberglauben hegen sie Schlafenden gegenuber; es gilt fur die schwerste Beleidigung, uber einen Schlafenden hinwegzuschreiten oder ihn plotzlich und schroff aus dem Schlafe zu wecken (Jagor, Phil. 132). Mas fuhrt diese Sitte auf die Furcht der Indier zuruck, im Schlafe zu sterben (Mas, pobl. 77).
Ausserlich [9] hangen sie fest an dem katholischen Glauben. Das Tragen von Scapulieren, Rosenkranzen, Reliquien und Heiligenbildern ist allgemein (Mas, pobl. 100). Baron Hugel sah 1834 bei den Tagalen an der Laguna de Bay, dass sie am Boden des Salaco ein Heiligenbild oder Amulet trugen, von welchem sie glaubten, dass es sie schutze. Sie beteten zu ihm, indem sie den Hut abnahmen und auf das Bild starrten; sah irgend ein Anderer in den Hut und erblickte er das Bild, so war die Zauberkraft desselben vollstandig erloschen (Hugel 207). Festlichen Gottesdienst, Processionen und Kirchenfeste machen sie sehr gern mit (Scheidnagel 62), in Manila soll diess weniger der Fall sein als auf dem Lande (Mas, pobl. 103). Die Beichte ist bei allen dieselbe, sie haben stets nur drei Sunden: am Fasttage Fleisch gegessen, am Sonntage die Messe versaumt und eitel geschworen zu haben (Mas, l. c.). Sie erzahlen gern von Visionen, die sie gehabt hatten (Mas, pobl. 95), noch zu Anfang dieses Jahrhunderts war der Glaube an Hexen weit verbreitet (Mas, pobl. 122). Die tagalischen Maler malen gewohnlich die Christus- und Heiligenbilder nach Modellen ihrer eigenen Rasse, diesen Heiligenbildern erweisen sie aber geringere Verehrung, indem sie sagen, die Heiligen waren sammtlich Spanier gewesen (Mas, pobl. 102). Um Diebe zu entdecken, bedienen sie sich verschiedenartiger katholisch gefarbter Brauche: so, um nur einen herauszugreifen, wird eine Kerze dem hl. Antonius von Padua angezundet, rings herum knieen die Verdachtigen, neigt sich die Kerze oder Fackel gegen einen derselben, so ist dieser der Schuldige (Mas, pobl. 93, nach Fr. Tomas Ortiz, Practica del Ministerio). Neben den Heiligenbildern und Reliquien, welche meist von Weibern getragen werden, tragen sie noch andere Amulete mit sich herum, welche aus Wurzeln, Rinden, Fellstuckchen, Knochen &c. bestehen, denen sie die Gewalt zuschreiben, sie entweder in Gefahren zu schutzen oder Reichthumer und Liebesgenuss zu verschaffen (l. c.). Der Glaube an Prophezeiungen und Ungluckstage ist gleichfalls verbreitet (l. c.).
Machen sich bei einer Frau die Geburtswehen fuhlbar, dann trifft der Gatte alle Anstalten, um dem Patianac und dem Usuang entgegenzutreten, beides sind bose Damonen. Der Patianac sucht die Geburt unmoglich zu machen und ebenso wie der Usuang die neugeborenen Kinder zu todten (Mas, pobl. 92). Man schreibt dem Vogel Tictic es zu, dass er diesen beiden Unholden durch seinen Gesang jene Orte anzeige, wo eine Kreisende sich befinde. Um nun diese bosen Geister abzuhalten, steigt der Gatte der Wochnerin ganz nackt [10] oder nur mit einem Schurze bekleidet auf das Dach seiner Hutte, bewaffnet mit dem Campilan, der Lanze und womoglich mit einem Schilde, um das Haus stellen sich seine Freunde auf und nun haut und sticht er wuthend in der Luft herum, damit die beiden Unholde nicht in die Hutte eindringen konnen (Mas, pobl. 123). Oft suchen sie den Patianac dadurch irre zu fuhren, dass sie die Kreisende schnell in eine andere Hutte bringen und so den Unhold im Besitze des leeren Hauses lassen (Fr. Tomas Ortiz in Mas, pobl. 92).
Im Wochenzimmer selbst werden alle Thuren und Fenster fest verschlossen (Jagor, Phil. 130), um dem Patianac das Eindringen unmoglich zu machen. In der Stube selbst sammeln sich die Verwandten und erfullen die ohnehin stinkige Luft des Zimmers mit den Rauchwolken ihrer Cigarren und Cigarritos. Hildebrand (Kossak, III, 32) sah, dass auch die Kreisende in den Pausen ihrer Wehen sich die Zeit durch Rauchen verkurzte. Sobald die Geburt Statt gefunden hat, pressen die anwesenden Weiber mit aller Kraftanwendung von beiden Huften aus den Bauch der Wochnerin zusammen, "um die inneren Organe wieder in den alten Status zuruckzubringen" (Mas, pobl. 88). Ist das Kind geboren, so ist damit noch nicht alle Gefahr vor jenen beiden Unholden zu Ende, zwar stellen der gluckliche Vater und dessen Freunde das Luftgefecht ein, aber um das Kind vor den Klauen jener Ungeheuer zu schutzen, werden Raucherkerzchen angezundet (Mas, pobl. 85), bis die Taufe alle Gefahr beseitigt. In entfernteren Provinzen soll von den Tagalen noch heimlich die Beschneidung ausgeubt werden, der Schnitt wird von oben bis unten gefuhrt (el corte se hace de arriba abajo); es ist diess nicht etwa eine Erinnerung an den Islam, denn auch die heidnischen Stamme der Philippinen ubten zur Zeit der Conquista schon die Beschneidung (Mas, domin. I, 21), doch scheinen die einwandernden Moslim aus Borneo die Sitte nach Luzon gebracht zu haben (Morga-Stanley 308).
Hatte Jemand die Absicht, ein Madchen zu heirathen, so war es fruher ublich, dass der Brautigam drei bis vier Jahre bei seinem zukunftigen Schwiegervater nicht nur Wohnung nahm, sondern auch die schwierigsten Knechtsarbeiten verrichtete. Dann erst erhielt der Ehestandscandidat die Ersehnte zur Frau, wobei seine Eltern die Hutte, Kleider &c. hergeben. Diese Sitte hat sich nicht mehr halten konnen, da die Pfarrer gegen das Anstossige derselben mit allem Eifer arbeiteten; wo sie noch hie und da erhalten ist, darf der Brautigam zum wenigsten nicht in der Hutte seiner Braut wohnen (Mas, pobl. 87). Will der Tagale der Jetztzeit heirathen, so schenkt er seiner Auserwahlten irgend eine werthvolle Sache oder Geld, welches ihre Eltern sich in der Regel aneignen, letztere pflegen auf diese Gabe so erpicht zu sein, dass sie ihre Tochter, selbst wenn sie geschwangert ist, lieber ledig lassen, als dass sie auf jenes Geschenk verzichten wurden (Mas, pobl. 88 u. 125).
Die Hochzeit wird mit einem festlichen Gelage ("Catapusan") gefeiert, von diesem bringen sie einige Gerichte unter den von ihnen als Sitz der Nonos verehrten Balete-Baum: es ist schon vorgekommen, dass sie bei einer solchen Festlichkeit sich vom Pfarrer Weihrauch zu erschwindeln wussten, um diesen dann unter dem heiligen Baume zu verbrennen (Mas, pobl. 88). Bei der grossen Sinnlichkeit der Tagalen ist Ehebruch nichts weniger als selten, er wird auch sehr gelinde gestraft, die Frau wird gehorig durchgeprugelt, womit die Sache abgethan ist, dem Verfuhrer geschieht gar Nichts (Jagor, Phil. 129). Die Behandlung der Frauen ist eine gute, die Manner aber sind meist liederlich (Jagor, l. c.). Sind die Gatten einander uberdrussig geworden, so verschwindet der unzufriedene Theil, oder sie gehen in grosster Gemuthsruhe auseinander (Canamaque, Recuerdos I, 136). Alt und Jung, Weiber und Manner schlafen bunt durch- und nebeneinander (Mas, pobl. 124, nach Fr. Manuel Ortiz), bei ihrer Geilheit und Ungenirtheit ist Incest nicht ausgeschlossen (Canamaque, Rec. I, 168 u. 174), letzteren Vorwurf erhebt auch Renouard de St.-Croix (a. v. St.), doch darf man nicht vergessen, dass sowohl St.-Croix wie Canamaque gern grelle Farben auftragen.
Trotz der Bemuhung der spanischen Monche ist die Sittenlosigkeit eine grosse und zwar nicht nur in Manila, sondern auch auf dem Lande. Auf Jungfraulichkeit wird gar nicht gesehen, die Madchen geben sich ohne Weiteres jedem Liebhaber preis, nur wenige treten im jungfraulichen Zustande zum Traualtar (Mas, pobl. 124), es ruhrt diess noch aus den Zeiten des Heidenthums her, wo der jungfrauliche Stand in gar keinem Ansehen stand. Der Coitus wird nach Canamaque (Recuerdos I, 174) angeblich ganz ungenirt auf offener Strasse vollzogen, derselbe Autor beschuldigt (l. c.) selbst Kinder der Unzucht (?). Canamaque (Recuerdos I, 43) spricht ihnen auch alles Schamgefuhl ab: Manner wie Weiber, besonders in der Provinz, lassen sich splitternackt erblicken, ohne die geringste Verlegenheit zu zeigen! Prostitution ist vorhanden (Vila 10).
Diebstahle kommen unter ihnen haufig vor, am allerhaufigsten Spaniern gegenuber, indem sie behaupten, alles, was jene besassen, sei Landeseigenthum (Mas, pobl. 80). Zum Rauber- und Piratenleben sind sie sehr geneigt, und diess hangt mit ihrer Neigung zum unabhangigen Mussiggang zusammen. Der Tagale hat einen ausgesprochenen Hang, isolirt zu leben, waren nicht die Pfarrer und die Dorfaltesten (cabezas de barangay) fur die Abgaben ihrer Untergebenen solidarisch haftbar, die Stadte und Dorfer wurden dann langst sich in Familienniederlassungen (Ranchos) aufgelost haben (Jagor, Phil. 106). Trotz der Wachsamkeit dieser Behorden verlassen viele Tagalen ihre Dorfer und fluchten sich in die undurchdringlichen Bergwildnisse, wo ihnen die Gendarmerie Nichts anhaben kann. Diese Fluchtlinge, welche ganz in die Ungebundenheit der Wilden zuruckfallen, heissen Remontados. Aus ihnen und entlaufenen Verbrechern und eingeborenen Deserteuren recrutiren sich die nicht seltenen Rauberbanden. Diese Rauber ("Tulisanes") vereinigen sich oft zu grosseren Corps und ihre Verwegenheit ist nicht gering; hat doch zu Anfang der sechziger Jahre eine Bande von Tulisanes die Frechheit gehabt, einen Vorort Manila's anzugreifen, bis das schnell herbeieilende Militar sie wieder hinauswarf (Jagor 181). 1866 wurden 50 Rauber aufgeknupft und 140 zur Zwangsarbeit verurtheilt (Jagor 182, Note 101). Trotz der Unermudlichkeit der Gendarmerie wuchert das Rauberunwesen fort, wenngleich nicht mehr in so hohem Grade wie fruher. 1876 fand Ritter v. Drasche (Fragmente, 54) im Nordwesten der Laguna de Bombon Rauberbanden, 1877 wurde in der Prov. N. Ecija eine grosse Bande durch zwei Compagnien Infanterie ausgehoben, dasselbe wiederholte sich 1880 (Scheidnagel 67). Im letzteren Jahre wurden die Banden des Antonio Sumicat und Juan Martin zersprengt und ihre beiden Fuhrer, welche sich zusammengefunden, endlich erwischt und hingerichtet. Die beiden Kerle ritten auf Carabaos (Diario 1880, Num. 165).
Das Betelkauen ist die Hauptleidenschaft des Tagalen. Die Betelportion heisst Buyo. Der Buyo wird in verschiedenen Sorten fabricirt, deren beste den Namen "buyo de castila", d. h. spanischer Buyo, oder Buyo der Weissen fuhrt (Ilustr. 1859, n. 8, p. 62). Die Areca heisst Bonga, der Betel Icmo (l. c.). Mit dem Verkaufe befassen sich meist junge Madchen, die Buyeras, deren Kramladen von Verehrern ihrer Reize stets umschwarmt werden. Alte Leute, denen die Zahne ausgefallen sind, zerstossen sich den geliebten Buyo in kleinen Morsern aus Bambusrohr, welche Calicot oder Calicut heissen (Ilustr. 1859, n. 7, p. 53). Bei Festtafeln der Tagalen wird auch Buyo prasentirt (Canamaque, Recuerdos I, 35). Der im Munde zerkaute Buyo wird Sapa genannt, welchen Liebende mit einander als Zartlichkeitsbeweis austauschen (Canamaque, Recuerdos I, 150). Die Tagalen hungern lieber, als dass sie auf den Buyo verzichten (Ilustr., l. c.).
Nachst dem Buyo und dem Tabak liebt der Tagale den Hahnenkampf uber alles. Dr. Jagor erwahnt (Phil. 21), dass die Hahnenkampfe erst von den Spaniern und zwar von deren mejicanischen Soldaten eingefuhrt worden waren, nun ist aber der Hahnensport auch bei den ubrigen Malaien verbreitet (Waitz V, 158), die Javaner lassen nicht nur Hahne, sondern auch Wachteln mit einander kampfen (Bastian, Reisen V, 215), auch auf den Carolinen findet man diesen Sport (Waitz V, 2. Abth. 129), und was am schlagendsten ist: die Spanier fanden bei der Entdeckung der jetzt Marianen genannten Inseln diese Thierqualerei vor (Oviedo XX, 16). Es ist daher nicht so unwahrscheinlich, dass die Tagalen schon vor Ankunft der Spanier mit diesem Sporte bekannt waren.
Fast jeder Tagale besitzt einen Kampfhahn, den er mit mehr Sorgfalt behandelt als seine Kinder; das erste, was der Indier beim Erwachen macht, ist, sich nach seinem Hahne umzusehen, das letzte, was er vor dem Einschlafen thut, ist, das geliebte Thier zu liebkosen (Canamaque Recu. a. v. St., Mas, pobl. a. v. St.). Keines ihrer Hausthiere wird so gepflegt, wie dieses. Wenn der Indier arbeitet, so hat er seinen Hahn in der Nahe angebunden, um in den (zahlreichen) Ruhepausen den Liebling zu streicheln oder wenigstens an seinem Anblicke sich zu sattigen. Fur einen guten Hahn zahlt ein Tagale oft 40 bis 70 Pesos (Canamaque, Recu. II, 7), besitzt er den Hahn schon einige Zeit hindurch, dann ist er ihm uberhaupt nicht mehr feil. Sie tragen den Hahn unter dem Arme auf ihren Spaziergangen, setzen ihn zeitweilig auf die Erde und suchen ihn zum Kampfe dadurch zu uben, dass sie einen anderen Hahn in die Nahe des ihren bringen und beide aufeinander loshacken lassen. Die Leidenschaft fur den Hahnenkampf ist bei ihnen so tief gewurzelt, dass es wohl kaum einen Indier giebt, der sich nicht einen Kampfhahn halt, "selbst wenn er Nichts zu essen hat, findet er Geld zum Hahnenkampf" (Jagor, Phil. 127).
Der Hahnenkampf selbst darf nur in besonderen zu diesem Zwecke erbauten Arenen Statt finden, indem dieser Sport seit 1779 mit einer eigenen Steuer belegt ist, welche "Gallera" heisst. Zum Kampfe werden die Hahne mit Stahlsporen versehen, welche aus alten Rasirmessern verfertigt werden. In der Arena macht das Phlegma des Tagalen einer leidenschaftlichen Erregung Platz, die Hohe der Wetten ist gesetzlich auf das Maximum von 50 Pesos beschrankt (Jagor, Phil. 22), sonst wurden die Indier all' ihr Hab und Gut verspielen, was trotzdem nicht selten geschieht.
Stiergefechte werden auf Luzon zwar auch gegeben, doch dienen diese nur zur Belustigung der Spanier Manila's, die Tagalen haben bisher diese nationale Sitte ihrer weissen Herren nicht acceptirt. Dagegen hat sich das Billardspiel bei ihnen eingeburgert, das Billard der Tagalen besteht oft nur aus "Pandanusmatten mit Banden von funf Rotan, spanischen Rohrchen" (Hugel 148), der Tisch ruht oft auf steinernen Pfeilern. Gewohnlich treten an Stelle der elfenbeinernen Kugeln solche aus hartem Holze (Ilustr. 1860, n. 10, p. 109). Auf diesen Billards wird Carambol, Einunddreissig und Kegelpartie (mit neun Kegeln) gespielt (l. c.). Auch Karten spielen sie mit grosser Leidenschaftlichkeit, besonders "Einunddreissig", doch durfen sie nur zu gewissen gesetzlich bestimmten Stunden spielen (Scheidnagel 58), diess ist um so nothwendiger, als sie sonst ganze Nachte hindurch dem Hasard frohnen wurden, wie es denn nicht selten geschehen ist, dass Cabezas de barangay (Viertelmeister) den ganzen Tribut (Kopfsteuer) ihres Viertels im Kartenspiele verloren haben (Mas, pobl. 71). Ungluckliche Spieler liefern ein nicht unerhebliches Contingent zu den Remontados.
Sie kennen auch andere harmlosere Spiele, selbst solche, welche unseren Pfanderspielen gleichen (Mas, pobl. 71). Von den Chinesen haben sie es gelernt, Papierdrachen ohne Schweif in die Hohe steigen zu lassen, ein Vergnugen, das sich bei ihnen nicht allein auf die Kinder beschrankt (Scheidnagel 101).
Bei ihren Kirchenfesten fehlt das Pala-pala selten: Auf einem Geruste, welches dem Traubengelande des europaischen Sudens gleicht, wird Laub aufgehauft, dann buntfarbige Lampions darin aufgehangt, in deren Nahe ganze Buschel von frischen oder getrockneten Fruchten, Backereien und Zuckerwerk aufgehangt werden. Ist es Abend geworden, so werden die Lampions angezundet und auf ein gegebenes Zeichen sturzen die Festtheilnehmer in die Pala-pala-Lauben, um sich die Leckereien gegenseitig abzujagen. Manchmal ist das Pala-pala nur fur Kinder hergerichtet, dem entsprechend ist das Geruste dann sehr niedrig (Ilustr. 1860, n. 12, p. 143).
Grosse Vorliebe hegen die Tagalen fur das Theater. Man darf nicht vergessen, dass sie ein eigenes Alphabet besassen, von welchem in Mas (Informe), wie auch in der englischen Ubersetzung des Morga Proben gegeben sind. Diese Vorliebe fur dramatische Spiele wurde bei der Christianisirung der Tagalen von den Monchen nicht angetastet, im Gegentheile, letztere ubten mit ihren Pfarrkindern Schauspiele in spanischer wie tagalischer Sprache ein (Morga-Stanley 320). Es giebt ein standiges tagalisches Theater und zwar in Tondo, das sogenannte "Teatro de Tondo" (Scheidnagel 19), doch die eigentlichen nationalen, freilich schon christlich gefarbten Theatervorstellungen der Tagalen muss man auf dem platten Lande suchen, wo dieselben bei Gelegenheit von Kirchenfesten unter freiem Himmel gegeben werden. Die Dramen haben die Kampfe zwischen Christen und mohammedanischen Piraten--"Moros" der Spanier--zum Gegenstande. Die Vorstellungen sind endlos, indem sie sich oft 3 Tage und Nachte hindurchziehen, auf der Buhne treten oft Hunderte von Personen auf, wobei zu bemerken ist, dass die Darsteller keine professionsmassigen Schauspieler, sondern schlichte Landleute sind. Die Darstellung eines Gefechts nimmt mindestens eine Stunde in Anspruch und die Kampfenden gerathen mitunter in eine solche Wuth, dass es zu wirklichem Blutvergiessen kommt. Das oft aus 2000 Familien bestehende Publicum nimmt an diesen Gefechtsscenen den lebhaftesten Antheil, besonders an dem Schicksale der Christen, von allen Seiten erschallen lebhafte Verwunschungen und Fluche gegen die Darsteller der Moros &c. Da diese tagelangen Vorstellungen ohne Unterbrechung fortdauern und das Publicum sich nicht eher entfernt, als bis das Drama mit dem Siege der Christen endet, so nehmen die Zuschauer Lebensmittel mit, wer schlafrig wird, schlaft ungenirt auf seinem Sitze ein. Bei Nacht werden Fackeln angezundet (Canamaque, Recu. I, 60 u. f.).
Mitunter werden in den Landstadten von Spaniern Versuche gemacht, spanische Theaterstucke von Tagalen auffuhren zu lassen, doch misslingen sie in der Regel, indem die Tagalen in dem fremden Stoffe und der fremden Ideenwelt sich nicht auskennen und sich daher sehr linkisch benehmen (Jagor, Phil. 84).
Auch die lyrische Poesie wird von den Tagalen gepflegt, es sind meist Liebeslieder, welche in Begleitung von Musikinstrumenten gesungen werden. In einem Liebeslied aus Tayabas heisst es: "Wenn mir mein Brautchen sterben sollte, ich wurde mich uber ihren Grabhugel werfen, damit nicht ihre Gebeine Kalte leiden" (Oriente 1878, n. 11, p. 20 nach D. Juan Alvarez Guerra). Bei Festgelagen treten Improvisatoren auf, welche bei Begleitung eines Blasinstrumentes vierzeilige Lieder singen (Canamaque, Recuerdos I, 39).
Am beliebtesten sind zwolfsilbige Verse, die vierzeiligen Strophen haben alle denselben Reim, wobei zu beachten ist, dass bei den Tagalen der Reim lediglich aus dem letzten Buchstaben oder Laute des Verses besteht (Mas, pobl. 115), diess gilt auch, wenn sie in spanischer Sprache dichten, so sind z. B. die Worte: estrellas, cielos, veces, nubes bei ihnen Reime, weil sie mit einem s endigen. Jedes lyrische Gedicht muss von Musik begleitet werden (Mas, pobl. 116). Von ihren Nationalmelodien--wenn ich mich so ausdrucken darf--ist die bekannteste und beliebteste der Comintan, der zugleich ihre Nationalhymne und ihr Nationaltanz ist. Der Comintan ist im 3/4 oder 6/8 Tact gesetzt (Hugel, 307), seine Weise wird ebenso beim Begrabniss von Kindern gesungen, wie bei festlichen Gelegenheiten nach derselben getanzt wird (l. c. 145). Wird der Comintan getanzt, so tritt nur ein Paar auf, welches pantomimisch eine Liebeserklarung darstellt "von dem Ausdrucke des einfachen Wohlgefallens bis zu der heftigsten Leidenschaft" (Hugel, 307). Eine andere Art des Comintans besteht darin, dass die tanzenden Personen korperliche Gebrechen nachahmen (l. c.). Ein anderer Nationaltanz ist der Talindao, er "wird zu vier Personen getanzt, die sich einzeln gegenuberstehen, meistens ihren Platz nicht verlassen und nur mit wenigen Bewegungen tanzen. Die Musik ist hochst romantisch, ernst, und von Zeit zu Zeit fallen alle vier Personen mit rauschendem Castagnettenschlage ein" (l. c.). Baron Hugel sah bei einem Kirchenfeste im Orte Pasig einen Tanz, der nicht wie die beiden erwahnten bereits spanische Einflusse offenbart, sondern noch ein Uberbleibsel aus den Zeiten vor der Conquista zu sein scheint. Die Tanzer waren Tagalen, welche in der Tracht und Bewaffnung, wie sie vor Ankunft der Spanier ublich war, einhergingen. Sie tanzten unter grosser Bravour und Leidenschaftlichkeit eine Art Waffentanz (Hugel, 186). Ubrigens tanzen die Tagalen auch alle europaischen und specifisch-spanischen Tanze als Walzer, Polka, Bolero &c. Die Weiber tanzen mit den Chinelas (Pantoffeln) an den Fussen.
Sie sind grosse Freunde der Musik, fast jedes Dorf hat seine Musikbande (Canamaque, Recu. I, 50). Europaische Musikstucke spielen sie recht brav, insbesondere Marsche (l. c. 35), und die Militarmusikcapellen Manila's, deren Musikanten sammtlich Tagalen sind, werden von allen europaischen Besuchern belobt.
In fruheren Zeiten schrieben die Tagalen sammtliche Krankheiten dem Einflusse bosgesinnter Nonos zu, weshalb sie in Krankheitsfallen denselben, unter den von ihnen bewohnten Baumen, Opfer darbrachten, welche im Verbrennen einzelner Krauter und Deponirung von Speisen, Getranken, Tabaksblattern und Buyo bestanden (Mozo, a. v. St.). Auch glaubten sie fruher, dass mannigfache Krankheiten und Irrsinn durch Damone erzeugt werden (Mas, pobl. 92). Heutzutage ist der Glaube so ziemlich verschwunden, dagegen bluhen Kurpfuscherei und Wunderkuren. Tagalische Kurpfuscher und Quacksalber giebt es in jedem Orte. Werden diese zu einem Kranken gerufen, so lassen sie sich vorerst von den Angehorigen desselben gehorig bewirthen und mit Tabak beschenken, dann befuhlen sie erst dem Patienten den Puls und verordnen, wie es ihnen gerade einfallt, Umschlage, Aderlasse, Hausmittel und Schropfkopfe (Ilustr. 1859, p. 121). Schropfen ist sehr beliebt, da die heutigen Tagalen der Ansicht huldigen, dass die Krankheiten dadurch rasch geheilt wurden, wenn die bose verdorbene Luft aus dem Innern des Patienten entfernt werde (Mas, pobl. 88). Unter ihren Hausmitteln ist auch eine Epheu-Gattung ("Malacatmon") zu erwahnen, auch Vanille und die Cardamome werden gern von jenen Volksarzten verwendet (Ilustr. 1860, n. 7, p. 80).
Sobald der Tagale die Sterbestunde herannahen fuhlt, wird eiligst zu dem Pfarrer geschickt oder, wenn dieser weit entfernt lebt, der Sterbende hingetragen, um die Sterbesacramente zu empfangen, da sonst ein ehrliches Begrabniss verweigert wird (Mas, pobl. 101). Stirbt ein Kind, so wird es unter grosser Lustbarkeit und den Weisen des Comintans zu Grabe getragen (Hugel, 145), hier haben also die Tagalen die spanisch-christliche Anschauung vollstandig adoptirt, nach welcher man uber den Tod eines unschuldigen Kindes sich nur freuen musse, da seine Seele doch sofort unter die Englein aufgenommen wurde. Bei den Todtenfesten zu Ehren erwachsener Verstorbenen uberwiegen aber vollstandig die Brauche und Sitten des fruheren Heidenthums. Sobald ein Erwachsener gestorben ist, wird die ganze Verwandtschaft desselben in das Sterbehaus eingeladen, angeblich, um Rosenkranze zu beten, kaum aber sind einige Gebete heruntergeschnarrt, so wird gegessen, getrunken und getanzt und diess durch volle neun Tage (Mas, pobl. 85, Ilustr. 1859, n. 7, p. 55). Dieses neuntagige Fest, welches mitunter zur Orgie ausartet (Vila 10), heisst Siam-na-arao oder Tibao. Am wichtigsten ist der dritte Tag dieses Festes, denn die Tagalen glauben, dass die Seele des Verstorbenen an diesem Tage wieder in das Sterbehaus zuruckkehre, um an dem Festmahl Theil zu nehmen. Es werden deshalb Kerzen angezundet und eine mit Asche bestreute Matte ausgebreitet, letzteres geschieht, um an den allenfallsigen Fussabdrucken in der Asche zu erkennen, ob die Seele des Verschiedenen wirklich erschienen ware oder nicht Vor die Thure der Hutte wird Wasser in einem Gefass hingestellt, damit die heimkehrende Seele sich die Fusse waschen konnte (Mas, pobl. 91). Um diesen "Aberglauben" zu unterdrucken, suchen die Pfarrer auf alle Weise es zu verhindern, dass die Hutte eines Verstorbenen den dritten Tag nach seinem Tode von irgend Jemand besucht wird. Die Bestattung ist ganz und gar katholisch, jede nationale Sitte hat hier der Macht der Kirche weichen mussen. Die Tagalen sterben ubrigens mit grosser Resignation, und zwar sowohl in der friedlichen Hutte, wie draussen auf dem Schlachtfeld. |
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