2014년 12월 30일 화요일

Gotz von Berlichingen mit der eisernen Hand 5

Gotz von Berlichingen mit der eisernen Hand 5

Gotz (antwortet).  Mich ergeben!  Auf Gnad und Ungnad!  Mit wem redet
Ihr!  Bin ich ein Rauber!  Sag deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche
Majestat hab ich, wie immer, schuldigen Respekt.  Er aber, sag's ihm,
er kann mich--(Schmeißt das Fenster zu.)

Belagerung.  Kuche

Elisabeth.  Gotz zu ihr.

Gotz.  Du hast viel Arbeit, arme Frau.

Elisabeth.  Ich wollt, ich hatte sie lang.  Wir werden schwerlich lang
aushalten konnen.

Gotz.  Wir hatten nicht Zeit, uns zu versehen.

Elisabeth.  Und die vielen Leute, die Ihr zeither gespeist habt.  Mit
dem Wein sind wir auch schon auf der Neige.

Gotz.  Wenn wir nur auf einen gewissen Punkt halten, daß sie
Kapitulation vorschlagen.  Wir tun ihnen brav Abbruch.  Sie schießen
den ganzen Tag und verwunden unsere Mauern und knicken unsere Scheiben.
Lerse ist ein braver Kerl; er schleicht mit seiner Buchse herum; wo
sich einer zu nahe wagt, blaff, liegt er.

Knecht.  Kohlen, gnadige Frau.

Gotz.  Was gibt's?

Knecht.  Die Kugeln sind alle, wir wollen neue gießen.

Gotz.  Wie steht's Pulver?

Knecht.  So ziemlich.  Wir sparen unsere Schusse wohl aus.

Saal

Lerse mit einer Kugelform.  Knecht mit Kohlen.

Lerse.  Stell sie daher, und seht, wo ihr im Hause Blei kriegt.
Inzwischen will ich hier zugreifen.  (Hebt ein Fenster aus und schlagt
die Scheiben ein.) Alle Vorteile gelten.--So geht's in der Welt, weiß
kein Mensch, was aus den Dingen werden kann.  Der Glaser, der die
Scheiben faßte, dachte gewiß nicht, daß das Blei einem seiner Urenkel
garstiges Kopfweh machen konnte!  Und da mich mein Vater zeugte,
dachte er nicht, welcher Vogel unter dem Himmel, welcher Wurm auf der
Erde mich fressen mochte.

(Georg kommt mit einer Dachrinne.)

Georg.  Da hast du Blei.  Wenn du nur mit der Halfte triffst, so
entgeht keiner, der Ihro Majestat ansagen kann: "Herr, wir haben
schlecht bestanden."

Lerse (haut davon).  Ein brav Stuck.

Georg.  Der Regen mag sich einen andern Weg suchen!  Ich bin nicht
bang davor; ein braver Reiter und ein rechter Regen kommen uberall
durch.

Lerse.  (Er gießt.) Halt den Loffel.  (Geht ans Fenster.) Da zieht so
ein Reichsknappe mit der Buchse herum; sie denken, wir haben uns
verschossen.  Er soll die Kugel versuchen, warm wie sie aus der Pfanne
kommt.  (Ladt.)

Georg (lehnt den Loffel an).  Laß mich sehn.

Lerse (schießt).  Da liegt der Spatz.

Georg.  Der schoß vorhin nach mir (sie gießen), wie ich zum
Dachfenster hinausstieg und die Rinne holen wollte.  Er traf eine
Taube, die nicht weit von mir saß, sie sturzt' in die Rinne; ich dankt
ihm fur den Braten und stieg mit der doppelten Beute wieder herein.

Lerse.  Nun wollen wir wohl laden und im ganzen Schloß herumgehen,
unser Mittagessen verdienen.

(Gotz kommt.)

Gotz.  Bleib, Lerse!  Ich habe mit dir zu reden!  Dich, Georg, will
ich nicht von der Jagd abhalten.

(Georg ab.)

Gotz.  Sie entbieten mir einen Vertrag.

Lerse.  Ich will zu ihnen hinaus und horen, was es soll.

Gotz.  Es wird sein: ich soll mich auf Bedingungen in ritterlich
Gefangnis stellen.

Lerse.  Das ist nichts.  Wie war's, wenn sie uns freien Abzug
eingestunden, da Ihr doch von Sickingen keinen Entsatz erwartet?  Wir
vergruben Geld und Silber, wo sie's mit keiner Wunschelrute finden
sollten, uberließen ihnen das Schloß, und kamen mit Manier davon.

Gotz.  Sie lassen uns nicht.

Lerse.  Es kommt auf eine Prob an.  Wir wollen um sicher Geleit rufen,
und ich will hinaus.  (Ab.)

Saal

Gotz, Elisabeth, Georg, Knechte bei Tische.

Gotz.  So bringt uns die Gefahr zusammen.  Laßt's euch schmecken,
meine Freunde!  Vergeßt das Trinken nicht.  Die Flasche ist leer.
Noch eine, liebe Frau.  (Elisabeth zuckt die Achsel.) Ist keine mehr
da?

Elisabeth (leise).  Noch eine; ich hab sie fur dich beiseite gesetzt.

Gotz.  Nicht doch, Liebe!  Gib sie heraus.  Sie brauchen Starkung,
nicht ich; es ist ja meine Sache.

Elisabeth.  Holt sie draußen im Schrank!

Gotz.  Es ist die letzte.  Und mir ist's, als ob wir nicht zu sparen
Ursach hatten.  Ich bin lange nicht so vergnugt gewesen.  (Schenkt ein.
) Es lebe der Kaiser!

Alle.  Er lebe!

Gotz.  Das soll unser vorletztes Wort sein, wenn wir sterben!  Ich
lieb ihn, denn wir haben einerlei Schicksal.  Und ich bin noch
glucklicher als er.  Er muß den Reichsstanden die Mause fangen,
inzwischen die Ratten seine Besitztumer annagen.  Ich weiß, er wunscht
sich manchmal lieber tot, als langer die Seele eines so kruppligen
Korpers zu sein.  (Schenkt ein.) Es geht just noch ein mal herum.  Und
wenn unser Blut anfangt, auf die Neige zu gehen, wie der Wein in
dieser Flasche erst schwach, dann tropfenweise rinnt (tropfelt das
Letzte in sein Glas), was soll unser letztes Wort sein?

Georg.  Es lebe die Freiheit!

Gotz.  Es lebe die Freiheit!

Alle.  Es lebe die Freiheit!

Gotz.  Und wenn die uns uberlebt, konnen wir ruhig sterben.  Denn wir
sehen im Geist unsere Enkel glucklich und die Kaiser unsrer Enkel
glucklich.  Wenn die Diener der Fursten so edel und frei dienen wie
ihr mir, wenn die Fursten dem Kaiser dienen, wie ich ihm dienen
mochte-Georg.  Da mußt's viel anders werden.

Gotz.  So viel nicht, als es scheinen mochte.  Hab ich nicht unter den
Fursten treffliche Menschen gekannt, und sollte das Geschlecht
ausgestorben sein?  Gute Menschen, die in sich und ihren Untertanen
glucklich waren; die einen edeln freien Nachbar neben sich leiden
konnten und ihn weder furchteten noch beneideten; denen das Herz
aufging, wenn sie viel ihresgleichen bei sich zu Tisch sahen und nicht
erst die Ritter zu Hofschranzen umzuschaffen brauchten, um mit ihnen
zu leben.

Georg.  Habt Ihr solche Herrn gekannt?,

Gotz.  Wohl.  Ich erinnere mich zeitlebens, wie der Landgraf von Hanau
eine Jagd gab und die Fursten und Herrn, die zugegen waren, unter
freiem Himmel speisten und das Landvolk all herbeilief, sie zu sehen.
Das war keine Maskerade, die er sich selbst zu Ehren angestellt hatte.
Aber die vollen runden Kopfe der Bursche und Madel, die roten Backen
alle, und die wohlhabigen Manner und stattlichen Greise, und alles
frohliche Gesichter, und wie sie teilnahmen an der Herrlichkeit ihres
Herrn, der auf Gottes Boden unter ihnen sich ergetzte!

Georg.  Das war ein Herr, vollkommen wie Ihr.

Gotz.  Sollten wir nicht hoffen, daß mehr solcher Fursten auf einmal
herrschen konnen?  Daß Verehrung des Kaisers, Fried und Freundschaft
der Nachbarn und Lieb der Untertanen der kostbarste Familienschatz
sein wird, der auf Enkel und Urenkel erbt?  Jeder wurde das Seinige
erhalten und in sich selbst vermehren, statt daß sie jetzo nicht
zuzunehmen glauben, wenn sie nicht andere verderben.

Georg.  Wurden wir hernach auch reiten?

Gotz.  Wollte Gott, es gabe keine unruhige Kopfe in ganz Deutschland!
Wir wurden noch immer zu tun genug finden.  Wir wollten die Gebirge
von Wolfen saubern, wollten unserm ruhig ackernden Nachbar einen
Braten aus dem Wald holen und dafur die Suppe mit ihm essen.  War uns
das nicht genug, wir wollten uns mit unsern Brudern, wie Cherubim mit
flammenden Schwertern, vor die Grenzen des Reichs gegen die Wolfe die
Turken, gegen die Fuchse die Franzosen lagern und zugleich unsers
teuern Kaisers sehr ausgesetzte Lander und die Ruhe des Reichs
beschutzen.  Das ware ein Leben!  Georg! wenn man seine Haut fur die
allgemeine Gluckseligkeit dransetzte.  (Georg springt auf.) Wo willst
du hin?

Georg.  Ach ich vergaß, daß wir eingesperrt sind--und der Kaiser hat
uns eingesperrt--und unsere Haut davonzubringen, setzen wir unsere
Haut dran?

Gotz.  Sei gutes Muts.

(Lerse kommt.)

Lerse.  Freiheit!  Freiheit!  Das sind schlechte Menschen,
unschlussige bedachtige Esel.  Ihr sollt abziehen mit Gewehr, Pferden
und Rustung.  Proviant sollt Ihr dahintenlassen.

Gotz.  Sie werden sich kein Zahnweh dran kauen.

Lerse (heimlich).  Habt Ihr das Silber versteckt?

Gotz.  Nein!  Frau, geh mit Franzen, er hat dir was zu sagen.

(Alle ab.)

Schloßhof

Georg (im Stall, singt).

Es fing ein Knab ein Vogelein,

Hm!  Hm!  Da lacht' er in den Kafig 'nein,

Hm!  Hm!

So!  So!

Hm!  Hm!

Der freut' sich traun so lappisch,

Hm!  Hm!  Und griff hinein so tappisch,

Hm!  Hm!

So!  So!

Hm!  Hm!

Da flog das Meislein auf ein Haus,

Hm!  Hm!  Und lacht' den dummen Buben aus,

Hm!  Hm!

So!  So!

Hm!  Hm!


Gotz.  Wie steht's?

Georg (fuhrt sein Pferd heraus).  Sie sind gesattelt.

Gotz.  Du bist fix.

Georg.  Wie der Vogel aus dem Kafig.

(Alle die Belagerten.)

Gotz.  Ihr habt eure Buchsen?  Nicht doch!  Geht hinauf und nehmt die
besten aus dem Rustschrank, es geht in einem hin.  Wir wollen
vorausreiten.

Georg.

Hm!  Hm!

So!  So!

Hm!  Hm!  (Ab.)


Saal

Zwei Knechte am Rustschrank.

Erster Knecht.  Ich nehm die.

Zweiter Knecht.  Ich die.  Da ist noch eine schonere.

Erster Knecht.  Nicht doch!  Mach, daß du fortkommst.

Zweiter Knecht.  Horch!

Erster Knecht (springt ans Fenster).  Hilf, heiliger Gott! sie
ermorden unsern Herrn.  Er liegt vom Pferd!  Georg sturzt!

Zweiter Knecht.  Wo retten wir uns!  An der Mauer den Nußbaum hinunter
ins Feld.  (Ab.)

Erster Knecht.  Franz halt sich noch, ich will zu ihm.  Wenn sie
sterben, mag ich nicht leben.  (Ab.)




Vierter Akt




IV. Akt



Wirtshaus zu Heilbronn

Gotz.

Gotz.  Ich komme mir vor wie der bose Geist, den der Kapuziner in
einen Sack beschwur.  Ich arbeite mich ab und fruchte mir nichts.  Die
Meineidigen!

(Elisabeth kommt.)

Gotz.  Was fur Nachrichten, Elisabeth, von meinen lieben Getreuen?

Elisabeth.  Nichts Gewisses.  Einige sind erstochen, einige liegen im
Turn.  Es konnte oder wollte niemand mir sie naher bezeichnen.

Gotz.  Ist das Belohnung der Treue? des kindlichen Gehorsams?--Auf daß
dir's wohl gehe und du lange lebest auf Erden!

Elisabeth.  Lieber Mann, schilt unsern himmlischen Vater nicht.  Sie
haben ihren Lohn, er ward mit ihnen geboren, ein freies edles Herz.
Laß sie gefangen sein, sie sind frei!  Gib auf die deputierten Rate
acht, die großen goldnen Ketten stehen ihnen zu Gesicht-Gotz.  Wie dem
Schwein das Halsband.  Ich mochte Georgen und Franzen geschlossen sehn!


Elisabeth.  Es ware ein Anblick, um Engel weinen zu machen.

Gotz.  Ich wollt nicht weinen.  Ich wollte die Zahne zusammenbeißen
und an meinem Grimm kauen.  In Ketten meine Augapfel!  Ihr lieben
Jungen, hattet ihr mich nicht geliebt!--Ich wurde mich nicht satt an
ihnen sehen konnen.--Im Namen des Kaisers ihr Wort nicht zu halten!

Elisabeth.  Entschlagt Euch dieser Gedanken.  Bedenkt, daß Ihr vor den
Raten erscheinen sollt.  Ihr seid nicht gestellt, ihnen wohl zu
begegnen, und ich furchte alles.

Gotz.  Was wollen sie mir anhaben?

Elisabeth.  Der Gerichtsbote!

Gotz.  Esel der Gerechtigkeit!  Schleppt ihre Sacke zur Muhle, und
ihren Kehrig aufs Feld.  Was gibt's?

(Gerichtsdiener kommt.)

Gerichtsdiener.  Die Herren Kommissarii sind auf dem Rathause
versammelt und schicken nach Euch.

Gotz.  Ich komme.

Gerichtsdiener.  Ich werde Euch begleiten.

Gotz.  Viel Ehre.

Elisabeth.  Maßigt Euch.

Gotz.  Sei außer Sorgen.  (Ab.)

Rathaus

Kaiserliche Rate.  Hauptmann.  Ratsherren von Heilbronn.

Ratsherr.  Wir haben auf Euern Befehl die starksten und tapfersten
Burger versammelt; sie warten hier in der Nahe auf Euern Wink, um sich
Berlichingens zu bemeistern.

Erster Rat.  Wir werden Ihro Kaiserlichen Majestat Eure
Bereitwilligkeit, Ihrem hochsten Befehl zu gehorchen, mit vielem
Vergnugen zu ruhmen wissen.--Es sind Handwerker?

Ratsherr.  Schmiede, Weinschroter, Zimmerleute, Manner mit geubten
Fausten und hier wohl beschlagen (auf die Brust deutend).

Rat.  Wohl.

(Gerichtsdiener kommt.)

Gerichtsdiener.  Gotz von Berlichingen wartet vor der Tur.

Rat.  Laßt ihn herein.

(Gotz kommt.)

Gotz.  Gott gruß euch, ihr Herrn, was wollt ihr mit mir?

Rat.  Zuerst, daß Ihr bedenkt: wo Ihr seid? und vor wem?

Gotz.  Bei meinem Eid, ich verkenn euch nicht, meine Herrn.

Rat.  Ihr tut Eure Schuldigkeit.

Gotz.  Von ganzem Herzen.

Rat.  Setzt Euch.

Gotz.  Da unten hin?  Ich kann stehn.  Das Stuhlchen riecht so nach
armen Sundern, wie uberhaupt die ganze Stube.

Rat.  So steht!

Gotz.  Zur Sache, wenn's gefallig ist.

Rat.  Wir werden in der Ordnung verfahren.

Gotz.  Bin's wohl zufrieden, wollt, es war von jeher geschehen.

Rat.  Ihr wißt, wie Ihr auf Gnad und Ungnad in unsere Hande kamt.

Gotz.  Was gebt Ihr mir, wenn ich's vergesse?

Rat.  Wenn ich Euch Bescheidenheit geben konnte, wurd ich Eure Sache
gut machen.

Gotz.  Gut machen!  Wenn Ihr das konntet!  Dazu gehort freilich mehr
als zum Verderben.

Schreiber.  Soll ich das alles protokollieren?

Rat.  Was zur Handlung gehort.

Gotz.  Meinetwegen durft Ihr's drucken lassen.

Rat.  Ihr wart in der Gewalt des Kaisers, dessen vaterliche Gnade an
den Platz der majestatischen Gerechtigkeit trat, Euch anstatt eines
Kerkers Heilbronn, eine seiner geliebten Stadte, zum Aufenthalt anwies.
Ihr verspracht mit einem Eid, Euch, wie es einem Ritter geziemt, zu
stellen und das Weitere demutig zu erwarten.

Gotz.  Wohl, und ich bin hier und warte.

Rat.  Und wir sind hier, Euch Ihro Kaiserlichen Majestat Gnade und
Huld zu verkundigen.  Sie verzeiht Euch Eure ubertretungen, spricht
Euch von der Acht und aller wohlverdienten Strafe los, welches Ihr mit
untertanigem Dank erkennen und dagegen die Urfehde abschworen werdet,
welche Euch hiermit vorgelesen werden soll.

Gotz.  Ich bin Ihro Majestat treuer Knecht wie immer.  Noch ein Wort,
eh Ihr weitergeht: Meine Leute, wo sind die?  Was soll mit ihnen
werden?

Rat.  Das geht Euch nichts an.

Gotz.  So wende der Kaiser sein Angesicht von Euch, wenn Ihr in Not
steckt!  Sie waren meine Gesellen, und sind's.  Wo habt Ihr sie
hingebracht?

Rat.  Wir sind Euch davon keine Rechnung schuldig.

Gotz.  Ah!  Ich dachte nicht, daß Ihr nicht einmal zu dem verbunden
seid, was Ihr versprecht, geschweige-Rat.  Unsere Kommission ist, Euch
die Urfehde vorzulegen.  Unterwerft Euch dem Kaiser, und Ihr werdet
einen Weg finden, um Eurer Gesellen Leben und Freiheit zu flehen.

Gotz.  Euern Zettel.

Rat.  Schreiber, leset!

Schreiber.  "Ich Gotz von Berlichingen bekenne offentlich durch diesen
Brief: Daß, da ich mich neulich gegen Kaiser und Reich
rebellischerweise aufgelehnt"-Gotz.  Das ist nicht wahr.  Ich bin kein
Rebell, habe gegen Ihro Kaiserliche Majestat nichts verbrochen, und
das Reich geht mich nichts an.

Rat.  Maßigt Euch und hort weiter.

Gotz.  Ich will nichts weiter horen.  Tret einer auf und zeuge!  Hab
ich wider den Kaiser, wider das Haus osterreich nur einen Schritt
getan?  Hab ich nicht von jeher durch alle Handlungen bewiesen, daß
ich besser als einer fuhle, was Deutschland seinen Regenten schuldig
ist? und besonders was die Kleinen, die Ritter und Freien, ihrem
Kaiser schuldig sind?  Ich mußte ein Schurke sein, wenn ich mich
konnte bereden lassen, das zu unterschreiben.

Rat.  Und doch haben wir gemessene Ordre, Euch in der Gute zu
uberreden, oder im Entstehungsfall Euch in den Turn zu werfen.

Gotz.  In Turn? mich?

Rat.  Und daselbst konnt Ihr Euer Schicksal von der Gerechtigkeit
erwarten, wenn Ihr es nicht aus den Handen der Gnade empfangen wollt.

Gotz.  In Turn!  Ihr mißbraucht die Kaiserliche Gewalt.  In Turn!  Das
ist sein Befehl nicht.  Was! mir erst, die Verrater! eine Falle zu
stellen, und ihren Eid, ihr ritterlich Wort zum Speck drin aufzuhangen!
Mir dann ritterlich Gefangnis zusagen, und die Zusage wieder brechen.


Rat.  Einem Rauber sind wir keine Treue schuldig.

Gotz.  Trugst du nicht das Ebenbild des Kaisers, das ich in dem
gesudeltsten Konterfei verehre, du solltest mir den Rauber fressen
oder dran erwurgen!  Ich bin in einer ehrlichen Fehd begriffen.  Du
konntest Gott danken und dich vor der Welt groß machen, wenn du in
deinem Leben eine so edle Tat getan hattest, wie die ist, um welcher
willen ich gefangen sitze.

Rat (winkt dem Ratsherrn, der zieht die Schelle).

Gotz.  Nicht um des leidigen Gewinsts willen, nicht um Land und Leute
unbewehrten Kleinen wegzukapern, bin ich ausgezogen.  Meinen Jungen zu
befreien, und mich meiner Haut zu wehren!  Seht Ihr was Unrechts dran?
Kaiser und Reich hatten unsere Not nicht in ihrem Kopfkissen gefuhlt.
Ich habe Gott sei Dank noch eine Hand, und habe wohl getan, sie zu
brauchen.

(Burger treten herein, Stangen in der Hand, Wehren an der Seite.)

Gotz.  Was soll das?

Rat.  Ihr wollt nicht horen.  Fangt ihn!

Gotz.  Ist das die Meinung?  Wer kein ungrischer Ochs ist, komm mir
nicht zu nah!  Er soll von dieser meiner rechten eisernen Hand eine
solche Ohrfeige kriegen, die ihm Kopfweh, Zahnweh und alles Weh der
Erden aus dem Grund kurieren soll.  (Sie machen sich an ihn, er
schlagt den einen zu Boden, und reißt einem andern die Wehre von der
Seite, sie weichen.) Kommt!  Kommt!  Es ware mir angenehm, den
Tapfersten unter euch kennenzulernen.

Rat.  Gebt Euch.

Gotz.  Mit dem Schwert in der Hand!  Wißt Ihr, daß es jetzt nur an mir
lage, mich durch alle diese Hasenjager durchzuschlagen und das weite
Feld zu gewinnen?  Aber ich will Euch lehren, wie man Wort halt.
Versprecht mir ritterlich Gefangnis, und ich gebe mein Schwert weg und
bin wie vorher Euer Gefangener.

Rat.  Mit dem Schwert in der Hand wollt Ihr mit dem Kaiser rechten?

Gotz.  Behute Gott!  Nur mit Euch und Eurer edlen Kompanie.--Ihr konnt
nach Hause gehn, gute Leute.  Fur die Versaumnis kriegt ihr nichts,
und zu holen ist hier nichts als Beulen.

Rat.  Greift ihn.  Gibt euch eure Liebe zu euerm Kaiser nicht mehr
Mut?

Gotz.  Nicht mehr, als ihnen der Kaiser Pflaster gibt, die Wunden zu
heilen, die sich ihr Mut holen konnte.

(Gerichtsdiener kommt.)

Gerichtsdiener.  Eben ruft der Turner: es zieht ein Trupp von mehr als
zweihunderten nach der Stadt zu.  Unversehens sind sie hinter der
Weinhohe hervorgedrungen und drohen unsern Mauern.

Ratsherr.  Weh uns! was ist das?

(Wache kommt.)

Wache.  Franz von Sickingen halt vor dem Schlag und laßt euch sagen:
Er habe gehort, wie unwurdig man an seinem Schwager bundbruchig
geworden sei, wie die Herrn von Heilbronn allen Vorschub taten.  Er
verlange Rechenschaft, sonst wolle er binnen einer Stunde die Stadt an
vier Ecken anzunden und sie der Plunderung preisgeben.

Gotz.  Braver Schwager!

Rat.  Tretet ab, Gotz!--Was ist zu tun?

Ratsherr.  Habt Mitleiden mit uns und unserer Burgerschaft!  Sickingen
ist unbandig in seinem Zorn, er ist Mann, es zu halten.

Rat.  Sollen wir uns und dem Kaiser die Gerechtsame vergeben?

Hauptmann.  Wenn wir nur Leute hatten, sie zu behaupten.  So aber
konnten wir umkommen, und die Sache ware nur desto schlimmer.  Wir
gewinnen im Nachgeben.

Ratsherr.  Wir wollen Gotzen ansprechen, fur uns ein gut Wort
einzulegen.  Mir ist's, als wenn ich die Stadt schon in Flammen sahe.

Rat.  Laßt Gotzen herein.

Gotz.  Was soll's?

Rat.  Du wurdest wohl tun, deinen Schwager von seinem rebellischen
Vorhaben abzumahnen.  Anstatt dich vom Verderben zu retten, sturzt er
dich tiefer hinein, indem er sich zu deinem Falle gesellt.

Gotz (sieht Elisabeth an der Tur, heimlich zu ihr).  Geh hin!  Sag ihm:
er soll unverzuglich hereinbrechen, soll hieher kommen, nur der Stadt
kein Leids tun.  Wenn sich die Schurken hier widersetzen, soll er
Gewalt brauchen.  Es liegt mir nichts dran umzukommen, wenn sie nur
alle mit erstochen werden.

Ein großer Saal auf dem Rathaus

Sickingen.  Gotz.  Das ganze Rathaus ist mit Sickingens Reitern
besetzt.

Gotz.  Das war Hulfe vom Himmel!  Wie kommst du so erwunscht und
unvermutet, Schwager?

Sickingen.  Ohne Zauberei.  Ich hatte zwei, drei Boten ausgeschickt,
zu horen, wie dir's ginge?  Auf die Nachricht von ihrem Meineid macht
ich mich auf den Weg. Nun haben wir sie.

Gotz.  Ich verlange nichts als ritterliche Haft.

Sickingen.  Du bist zu ehrlich.  Dich nicht einmal des Vorteils zu
bedienen, den der Rechtschaffene uber den Meineidigen hat!  Sie sitzen
im Unrecht, wir wollen ihnen keine Kissen unterlegen.  Sie haben die
Befehle des Kaisers schandlich mißbraucht.  Und wie ich Ihro Majestat
kenne, darfst du sicher auf mehr dringen.  Es ist zu wenig.

Gotz.  Ich bin von jeher mit wenigem zufrieden gewesen.

Sickingen.  Und bist von jeher zu kurz gekommen.  Meine Meinung ist:
sie sollen deine Knechte aus dem Gefangnis und dich zusamt ihnen auf
deinen Eid nach deiner Burg ziehen lassen.  Du magst versprechen,
nicht aus deiner Terminei zu gehen, und wirst immer besser sein als
hier.

Gotz.  Sie werden sagen: Meine Guter seien dem Kaiser heimgefallen.

Sickingen.  So sagen wir: Du wolltest zur Miete drin wohnen, bis sie
dir der Kaiser wieder zu Lehn gabe.  Laß sie sich wenden wie Aale in
der Reuse, sie sollen uns nicht entschlupfen.  Sie werden von
Kaiserlicher Majestat reden, von ihrem Auftrag.  Das kann uns einerlei
sein.  Ich kenne den Kaiser auch und gelte was bei ihm.  Er hat immer
gewunscht, dich unter seinem Heer zu haben.  Du wirst nicht lang auf
deinem Schlosse sitzen, so wirst du aufgerufen werden.

Gotz.  Wollte Gott bald, eh ich 's Fechten verlerne.

Sickingen.  Der Mut verlernt sich nicht, wie er sich nicht lernt.
Sorge fur nichts!  Wenn deine Sachen in der Ordnung sind, geh ich nach
Hof, denn meine Unternehmung fangt an reif zu werden.  Gunstige
Aspekten deuten mir: "Brich auf!"  Es ist mir nichts ubrig, als die
Gesinnung des Kaisers zu sondieren.  Trier und Pfalz vermuten eher des
Himmels Einfall, als daß ich ihnen ubern Kopf kommen werde.  Und ich
will kommen wie ein Hagelwetter!  Und wenn wir unser Schicksal machen
konnen, so sollst du bald der Schwager eines Kurfursten sein.  Ich
hoffte auf deine Faust bei dieser Unternehmung.

Gotz (besieht seine Hand).  Oh! das deutete der Traum, den ich hatte,
als ich tags darauf Marien an Weislingen versprach.  Er sagte mir Treu
zu, und hielt meine rechte Hand so fest, daß sie aus den Armschienen
ging, wie abgebrochen.  Ach!  Ich bin in diesem Augenblick wehrloser,
als ich war, da sie mir abgeschossen wurde.  Weislingen!  Weislingen!

Sickingen.  Vergiß einen Verrater.  Wir wollen seine Anschlage
vernichten, sein Ansehn untergraben, und Gewissen und Schande sollen
ihn zu Tode fressen.  Ich seh, ich seh im Geist meine Feinde, deine
Feinde niedergesturzt.  Gotz, nur noch ein halb Jahr!

Gotz.  Deine Seele fliegt hoch.  Ich weiß nicht; seit einiger Zeit
wollen sich in der meinigen keine frohlichen Aussichten eroffnen.--Ich
war schon mehr im Ungluck, schon einmal gefangen, und so, wie mir's
jetzt ist, war mir's niemals.

Sickingen.  Gluck macht Mut.  Kommt zu den Perucken!  Sie haben lang
genug den Vortrag gehabt, laß uns einmal die Muh ubernehmen.  (Ab.)

Adelheidens Schloß

Adelheid.  Weislingen.

Adelheid.  Das ist verhaßt!

Weislingen.  Ich hab die Zahne zusammengebissen.  Ein so schoner
Anschlag, so glucklich vollfuhrt, und am Ende ihn auf sein Schloß zu
lassen!  Der verdammte Sickingen!

Adelheid.  Sie hatten's nicht tun sollen.

Weislingen.  Sie saßen fest.  Was konnten sie machen?  Sickingen
drohte mit Feuer und Schwert, der hochmutige jahzornige Mann!  Ich haß
ihn.  Sein Ansehn nimmt zu wie ein Strom, der nur einmal ein paar
Bache gefressen hat, die ubrigen folgen von selbst.

Adelheid.  Hatten sie keinen Kaiser?

Weislingen.  Liebe Frau!  Er ist nur der Schatten davon, er wird alt
und mißmutig.  Wie er horte, was geschehen war, und ich nebst den
ubrigen Regimentsraten eiferte, sagte er: "Laßt ihnen Ruh!  Ich kann
dem alten Gotz wohl das Platzchen gonnen, und wenn er da still ist,
was habt ihr uber ihn zu klagen?"  Wir redeten vom Wohl des Staats.
"Oh!" sagt' er, "hatt' ich von jeher Rate gehabt, die meinen unruhigen
Geist mehr auf das Gluck einzelner Menschen gewiesen hatten!"

Adelheid.  Er verliert den Geist eines Regenten.

Weislingen.  Wir zogen auf Sickingen los.--"Er ist mein treuer Diener",
sagt' er; "hat er's nicht auf meinen Befehl getan, so tat er doch
besser meinen Willen als meine Bevollmachtigten, und ich kann's
gutheißen, vor oder nach."

Adelheid.  Man mochte sich zerreißen.

Weislingen.  Ich habe deswegen noch nicht alle Hoffnung aufgegeben.
Er ist auf sein ritterlich Wort auf sein Schloß gelassen, sich da
still zu halten.  Das ist ihm unmoglich; wir wollen bald eine Ursach
wider ihn haben.

Adelheid.  Und desto eher, da wir hoffen konnen, der Kaiser werde bald
aus der Welt gehn, und Karl, sein trefflicher Nachfolger,
majestatischere Gesinnungen verspricht.

Weislingen.  Karl?  Er ist noch weder gewahlt noch gekront.

Adelheid.  Wer wunscht und hofft es nicht?

Weislingen.  Du hast einen großen Begriff von seinen Eigenschaften;
fast sollte man denken, du sahest sie mit andern Augen.

Adelheid.  Du beleidigst mich, Weislingen.  Kennst du mich fur das?

Weislingen.  Ich sagte nichts dich zu beleidigen.  Aber schweigen kann
ich nicht dazu.  Karls ungewohnliche Aufmerksamkeit fur dich
beunruhigt mich.

Adelheid.  Und mein Betragen?

Weislingen.  Du bist ein Weib.  Ihr haßt keinen, der euch hofiert.

Adelheid.  Aber ihr?

Weislingen.  Er frißt mir am Herzen, der furchterliche Gedanke!
Adelheid!

Adelheid.  Kann ich deine Torheit kurieren?

Weislingen.  Wenn du wolltest!  Du konntest dich vom Hof entfernen.

Adelheid.  Sage Mittel und Art.  Bist du nicht bei Hofe?  Soll ich
dich lassen und meine Freunde, um auf meinem Schloß mich mit den Uhus
zu unterhalten?  Nein, Weislingen, daraus wird nichts.  Beruhige dich,
du weißt, wie ich dich liebe.

Weislingen.  Der heilige Anker in diesem Sturm, solang der Strick
nicht reißt.  (Ab.)

Adelheid.  Fangst du's so an!  Das fehlte noch.  Die Unternehmungen
meines Busens sind zu groß, als daß du ihnen im Wege stehen solltest.
Karl!  Großer trefflicher Mann, und Kaiser dereinst!  Und sollte er
der einzige sein unter den Mannern, dem der Besitz meiner Gunst nicht
schmeichelte?  Weislingen, denke nicht mich zu hindern, sonst mußt du
in den Boden, mein Weg geht uber dich hin.

(Franz kommt mit einem Brief.)

Franz.  Hier, gnadige Frau.

Adelheid.  Gab dir Karl ihn selbst?

Franz.  Ja.

Adelheid.  Was hast du?  Du siehst so kummervoll.

Franz.  Es ist Euer Wille, daß ich mich totschmachten soll; in den
Jahren der Hoffnung macht Ihr mich verzweifeln.

Adelheid.  Er dauert mich--und wie wenig kostet's mich, ihn glucklich
zu machen!  Sei gutes Muts, Junge.  Ich fuhle deine Lieb und Treu, und
werde nie unerkenntlich sein.

Franz (beklemmt).  Wenn Ihr das fahig wart, ich mußte vergehn.  Mein
Gott, ich habe keinen Blutstropfen in mir, der nicht Euer ware, keinen
Sinn, als Euch zu lieben und zu tun, was Euch gefallt!

Adelheid.  Lieber Junge!

Franz.  Ihr schmeichelt mir.  (In Tranen ausbrechend.) Wenn diese
Ergebenheit nichts mehr verdient, als andere sich vorgezogen zu sehn,
als Eure Gedanken alle nach dem Karl gerichtet zu sehn-Adelheid.  Du
weißt nicht, was du willst, noch weniger, was du redst.

Franz (vor Verdruß und Zorn mit dem Fuß stampfend).  Ich will auch
nicht mehr.  Will nicht mehr den Unterhandler abgeben.

Adelheid.  Franz!  Du vergißt dich.

Franz.  Mich aufzuopfern!  Meinen lieben Herrn!

Adelheid.  Geh mir aus dem Gesicht.

Franz.  Gnadige Frau!

Adelheid.  Geh, entdecke deinem lieben Herrn mein Geheimnis.  Ich war
die Narrin, dich fur was zu halten, das du nicht bist.

Franz.  Liebe gnadige Frau, Ihr wißt, daß ich Euch liebe.

Adelheid.  Und du warst mein Freund, meinem Herzen so nahe.  Geh,
verrat mich.

Franz.  Eher wollt ich mir das Herz aus dem Leibe reißen!  Verzeiht
mir, gnadige Frau.  Mein Herz ist zu voll, meine Sinnen halten's nicht
aus.

Adelheid.  Lieber warmer Junge!  (Faßt ihn bei den Handen, zieht ihn
zu sich, und ihre Kusse begegnen einander; er fallt ihr weinend um den
Hals.)

Adelheid.  Laß mich!

Franz (erstickend in Tranen an ihrem Hals).  Gott!  Gott!

Adelheid.  Laß mich, die Mauern sind Verrater.  Laß mich.  (Macht sich
los.) Wanke nicht von deiner Lieb und Treu, und der schonste Lohn soll
dir werden.  (Ab.)

Franz.  Der schonste Lohn!  Nur bis dahin laß mich leben!  Ich wollte
meinen Vater ermorden, der mir diesen Platz streitig machte.

Jagsthausen

Gotz an einem Tisch.  Elisabeth bei ihm mit der Arbeit; es steht ein
Licht auf dem Tisch und Schreibzeug.

Gotz.  Der Mußiggang will mir gar nicht schmecken, und meine
Beschrankung wird mir von Tag zu Tag enger; ich wollt, ich konnt
schlafen, oder mir nur einbilden, die Ruhe sei was Angenehmes.

Elisabeth.  So schreib doch deine Geschichte aus, die du angefangen
hast.  Gib deinen Freunden ein Zeugnis in die Hand, deine Feinde zu
beschamen; verschaff einer edlen Nachkommenschaft die Freude, dich nicht zu verkennen.

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