2014년 12월 30일 화요일

Die zaertlichen Schwestern 4

Die zaertlichen Schwestern 4

Lottchen.  Horen Sie, Herr Siegmund, was wir fur einen großmutigen
Bruder bekommen haben?

Siegmund.  Er macht seinem Herrn Vormunde und uns die großte Ehre.

Simon.  Ja, ich bin in der Tat stolz auf ihn.  Er ist von seinem
zehnten Jahre an in meinem Hause gewesen und hat bis auf diese Stunde
alle meine Sorgfalt fur ihn so reichlich belohnet und mir so vieles
Vergnugen gemacht, daß ich nicht weiß, wer dem andern mehr Dank
schuldig ist.

Lottchen.  Dieses ist ein Lobspruch, den ich niemanden als dem
Brautigam meiner Schwester gonne.  Und wenn mein Papa sterben sollte:
so wurde ich Ihr Mundel sein, um ebendieses Lob zu verdienen.  O was
ist der Umgang mit großen Herzen fur eine Wollust!  Aber, Herr Simon,
darf ich in Ihrer Gegenwart eine Freiheit begehen, die die Liebe
gebeut und rechtfertiget?  Ja, Sie sind es wurdig, die Regungen meiner
Seele ohne Decke zu sehen.  (Sie geht auf Siegmund zu und umarmet ihn.
)  Endlich, mein Freund, bin ich so glucklich, Ihren Umgang und Ihre
Treue gegen mich durch ein unvermutetes Schicksal zu belohnen.  Sie
haben mich als ein armes Frauenzimmer geliebt.  Die Vorsicht hat mich
heute mit einer Erbschaft beschenkt, die ich nicht ruhmlicher
anzuwenden weiß, als wenn ich sie in Ihre Hande bringe.  Ich weiß, Sie
werden es mir und der Tugend davon wohlgehen lassen.  Hier ist eine
Abschrift des Testaments, worin ich zur Erbin erklaret bin, anstatt
daß es meine liebe Schwester nach unserer Meinung war.  Kurz, die
Erbschaft ist Ihre, und ein Teil von zehntausend Talern gehort Julchen.
  Fragen Sie nunmehr Ihr Herz, was Sie mit mir anfangen wollen.

Siegmund.  Ohne Ihre Liebe ist mir Ihr Geschenke sehr gleichgultig.

Lottchen.  Eben deswegen verdienen Sie's.  Fehlt zu Ihrem Glucke
nichts als meine Liebe: so konnen Sie nie glucklicher werden.

Siegmund.  Ach, meine Schone, wie erschrecke ich!  Sie machen, daß man
die Liebe und das Gluck erst hochschatzt.  O warum kann nicht die
ganze Welt Ihrer Großmut zusehen!  Sie wurden auch den
niedertrachtigsten Seelen liebenswurdig vorkommen und ihnen bei aller
Verachtung der Tugend den Wunsch auspressen, daß sie Ihnen gleichen
mochten.  Ich danke es der Schickung ewig, daß sie mir Ihren Besitz
zugedacht hat.  Und ich eile mit Ihrer Erlaubnis zu Ihrem Herrn Vater,
um ihn nunmehr...



Sechster Auftritt

Die Vorigen.  Ein Bedienter.


Der Bediente (zu Lottchen).  Hier ist ein Brief an Sie, Mamsell.  Er
kommt von der Post.

Lottchen.  Ein Brief von der Post?

Siegmund.  Ja, ich habe den Brieftrager selbst auf dem Saale stehen
sehen, ehe ich hereingekommen bin.

Lottchen.  Wollen Sie erlauben, meine Herren, daß ich den Brief in
Ihrer Gegenwart erbrechen darf?

Simon.  Ich will indessen meinem lieben Mundel meinen Gluckwunsch
abstatten.



Siebenter Auftritt

Lottchen.  Siegmund.


Lottchen (indem sie den Brief fur sich gelesen hat).  O mein Freund,
man will mir mein Gluck sauermachen.  Man beneidet mich, sonst wurde
man Sie nicht verkleinern.  Es ist ein boshafter Streich; er ist mir
aber lieb, weil ich Ihnen einen neuen Beweis meines Vertrauens und
meiner Liebe geben kann.  Ich will Ihnen den Brief lesen.  Er besteht,
wie Sie sehen, nur aus zwo Zeilen.  (Sie liest.)  ≫Mamsell, trauen Sie
Ihrem Liebhaber, dem Herrn Siegmund, nicht.  Er ist ein Betruger.  N.
N.≪

Siegmund.  Was?  Ich ein Betruger?

Lottchen (sie nimmt ihn bei der Hand).  Ich weiß, daß Sie groß genug
sind, dieses hassenswurdige Wort mit Gelassenheit anzuhoren.  Es ist
ein Lobspruch fur Sie.  Ich verlange einen solchen Betruger, als Sie
sind, mein Freund.

Siegmund.  Aber wer muß mir diesen boshaften Streich an dem heutigen
Tage spielen?  Wie?  Sollte es auch Herr Simon selbst sein?  Liebt er
Sie vielleicht?  Macht ihn Ihre Erbschaft boshaft?  Warum ging er, da
der Brief kam?  Soll ich ihm dieses Laster vergeben?  Wenn er mir
meinen Verstand, meinen Witz abgesprochen hatte: so wurde ich ihm fur
diese Demutigung danken; aber daß er mir die Ehre eines guten Herzens
rauben will, das ist arger, als wenn er mir Gift hatte geben wollen.
Ich?...  Ich, ein Betruger?  Himmel, bringe es an den Tag, wer ein
Betruger ist, ich oder der, der diesen Brief geschrieben hat!  Ist das
der edelgesinnte Vormund?

Lottchen.  Ich bitte Sie bei Ihrer Liebe gegen mich, beruhigen Sie
sich.  Verschonen Sie den Herrn Vormund mit Ihrem Verdachte.  Es ist
nicht moglich, daß er eine solche Niedertrachtigkeit begehen sollte.
Sein Charakter ist edel.  Wer weiß, was Sie sonst fur einen Feind
haben, der von unserer Liebe und von meiner Erbschaft heute Nachricht
bekommen hat.

Siegmund.  Sie entschuldigen den Vormund noch?  Horten Sie nicht den
boshaften Ausdruck: Wir wollen wunschen, daß alle Liebhaber so edel
gesinnt sein mogen als mein Mundel?  Ist dieses nicht eine
unverschamte Anklage wider mich?

Lottchen.  Ich sage Ihnen, daß Sie mich beleidigen, wenn Sie ihn noch
einen Augenblick in Verdacht haben.  So, wie ich ihn kenne und wie mir
ihn sein Mundel beschrieben hat: so ist er ein Mann, dem man sein
Leben, seine Ehre und alles vertrauen kann.

Siegmund.  Aber sollte er nicht unerlaubte Absichten haben?  Ich habe
gemerkt, daß er sehr genau auf Ihr ganzes Bezeigen, bis auf das
geringste Wort Achtung gegeben hat.  Es kommt noch ein merkwurdiger
Umstand dazu.  Er hat in dem Billette an Ihren Herrn Vater schon
triumphieret, daß er heute eine erfreuliche Nachricht vom Hofe
erhalten hatte.  Und er hat es dem Herrn Vater auch schon entdeckt;
aber mir nicht.

Lottchen.  Ich beschwore Sie bei Ihrer Aufrichtigkeit, lassen Sie
diesen Mann aus dem Verdachte.

Siegmund.  Warum hat er mir nicht gesagt, daß man ihm vom Hofe einen
vornehmen Charakter und eine ungewohnliche Pension gegeben hat?  Was
sucht er darunter, wenn er nicht mein Ungluck bei Ihnen sucht?

Lottchen.  Ich vergebe Ihren Fehler Ihrer zartlichen Liebe zu mir.
Außerdem wurde ich Sie nicht langer anhoren.  Wir wollen die Sache zu
unserm Vorteile enden.  Ihre Feinde mogen sagen, was sie wollen.  Sie
sind bestraft genug, daß sie Ihren Wert nicht kennen.  Und wir konnen
uns nicht besser rachen, als daß wir uns nicht die geringste Muhe
geben, sie zu entdecken.  Lassen Sie Ihren Zorn hier verfliegen.  Ich
komme in der Gesellschaft meines Vaters und der ubrigen gleich wieder
zu Ihnen, unser Bundnis in den Augen unserer Feinde sicher zu machen.


Achter Auftritt

Siegmund allein.


Das war ein verfluchter Streich!  Aber er macht mich nur mutiger.
Julchen ist verloren...  Gut, ist doch Lottchen, ist doch das
Rittergut mein...  Ich bin nicht untreu gewesen.  Nein!  Ich habe es
nur sein wollen; aber ich war zu edel, als daß mich's die Umstande
hatten werden lassen.  Aber wo bleibt Lottchen?  Hat sie gar meine
Untreue erfahren?  Ich will sie sicher machen.



Neunter Auftritt

Julchen.  Damis.


Julchen.  ≫Wo bleibt Lottchen?  Hat sie gar meine Untreue erfahren?
Ich will sie sicher machen.≪ Der Boshafte!  Horten Sie sein
Bekenntnis?  Wir wollten sehen, wie er sich nach diesem Briefe
auffuhren wurde.  O hatten wir diese ungluckselige Entdeckung doch
niemals gemacht!  Du arme Schwester!  Du verbindest dich mit einem
Menschen, der ein boses Herz bei der Miene der Aufrichtigkeit hat.

Damis.  Ja, es ist ein nichtswurdiger Freund, wie ich Ihnen gesagt
habe.  Er hat den großten Betrug begangen.  Ich bitte ihn heute
Vormittage, wie man einen Bruder bitten kann, daß er mir Ihre Liebe
sollte gewinnen helfen.  Und statt dessen bittet er Ihren Herrn Vater,
unsere Verlobung noch acht Tage aufzuschieben, und will ihn bereden,
als ob Sie, meine Braut, ihn selbst liebten.  Ist das mein Freund, dem
ich mehr als einmal mein Haus und mein Vermogen angeboten habe?

Julchen.  Mich hat er bereden wollen, daß Sie meiner Schwester
gewogener waren als mir.  Nunmehro weiß ich gewiß, daß es keine
Verstellung gewesen.  Aber meine arme Schwester wird es doch denken,
weil sie ihm diese List aus gutem Herzen aufgetragen hat.  Wer soll
ihr ihren Irrtum entdecken?  Wird sie uns horen?  Und wenn sie es
glaubt, uberfuhren wir sie nicht von dem großten Unglucke!  Wie dauret
sie mich!

Damis.  Ja.  Aber sie muß es doch erfahren, und wenn Sie schweigen, so
rede ich.

Julchen.  Ach, bedenken Sie doch das Elend meiner lieben Schwester!
Schweigen Sie.  Vielleicht...  Vielleicht ist er nicht von Natur
boshaft, vielleicht hat ihn nur meine Erbschaft...

Damis.  Es habe ihn, was auch immer wolle, zur Untreue bewogen: so ist
er in meinen Augen doch allemal weniger zu entschuldigen als ein
Mensch, der den andern aus Hunger auf der Straße umbringt.  Hat ihn
die ausnehmende Zartlichkeit, die ganz bezaubernde Unschuld, die
edelste Freundschaft Ihrer Jungfer Schwester nicht treu und tugendhaft
erhalten konnen: so muß es ihm nunmehr leicht sein, um eines Gewinstes
willen seinen nachsten Blutsfreund umzubringen und die Religion der
geringsten Wollust wegen abzuschworen.

Julchen.  Aber ach, meine Schwester...  Tun Sie es nicht.  Ich zittre..
.

Damis.  Meine Braut, Sie sind mir das Kostbarste auf der Welt.  Aber
ich sage Ihnen, ehe ich Lottchen so unglucklich werden lasse, sich mit
einem Nichtswurdigen zu verbinden: so will ich mein Vermogen, meine
Ehre und Sie selbst verlieren.  Ich gehe und sage ihr alles, und wenn
sie auch ohne Trost sein sollte.  Mein Herr Vormund hat das Billett an
Lottchen auf meine Bitte schreiben und auf die Post bringen lassen.
ihr ehrlicher Vater und der Magister, die Siegmund beide fur zu
einfaltig gehalten, haben seine tuckischen Absichten zuerst gemerkt,
und ihr Herr Vater hat sie meinem Vormunde vertraut.  Dieser haßt und
sieht die kleinsten Betrugereien.

Julchen.  Ist er denn gar nicht zu entschuldigen?

Damis.  Nein, sage ich Ihnen.  Wir haben alles untersucht.  Er ist ein
Betruger.  (Mit Bitterkeit.)  Ich habe in meinem Leben noch kein Tier
gern umgebracht; aber diesen Mann, wenn er es leugnen und Lottchen
durch seine Verstellung unglucklich machen sollte, wollte ich mit
Freuden umbringen.  Was?  Wir Manner wollen durch den haßlichsten
Betrug das Frauenzimmer im Triumph auffuhren, das wir durch unsere
Tugend ehren sollten?

Julchen.  Was soll aber meine Schwester mit dem Untreuen anfangen?

Damis.  Sie soll ihn mit Verachtung bestrafen.  Sie soll ihn fuhlen
lassen, was es heißt, ein edles Herz hintergehn.

Julchen.  Wenn ihm aber meine Schwester verzeihen wollte.  Ware das
nicht auch großmutig?

Damis.  Sie braucht ihn nicht zu verfolgen.  Sie kann alle Regungen
der Rache ersticken und sich doch seiner ewig entschlagen.  Er ist ein
Unmensch.



Zehnter Auftritt

Die Vorigen.  Simon.


Simon.  Ich stehe die großte Qual aus.  Unsere Absicht mit dem Briefe
schlagt leider fehl.  Sie liebt ihn nur desto mehr, je mehr sie ihn
fur unschuldig halt.  Sie dringt in ihren Vater, daß er die Verlobung
beschleunigen soll.  Dieser gute Alte liebt seine Tochter und vergißt
vielleicht in der großen Liebe die Vorsichtigkeit und meine
Erinnerungen.  Wenn es niemand wagen will, sich dem Sturme
preiszugeben: so will ich's tun.

Damis.  Ich tue es auch.

Julchen.  Wenn nur meine Schwester kame.  Ich wollte...  Aber sie
liebt ihn unaussprechlich.  Was wird ihr Herz empfinden, wenn es sich
auf einmal von ihm trennen soll?

Simon.  Es wird viel empfinden.  Sie liebt ihn so sehr, als man nur
lieben kann.  Aber sie liebt ihn deswegen so sehr, weil sie ihn der
Liebe wert halt.  Sobald sie ihren Irrtum sehen wird: so wird sich die
Vernunft, das Gefuhl der Tugend und das Abscheuliche der Untreue wider
ihre Liebe emporen und sie verdringen.  Der Haß wird sich an die
Stelle der Liebe setzen.  Wir mussen alle drei noch einmal mit ihr und
dem Herrn Vater sprechen, ehe er sie um das Ja betrugt.

Julchen.  Du redliche Schwester!  Konnte ich doch dein Ungluck durch
Wehmut mit dir teilen!  Wie traurig wird das Ende dieses Tages fur
mich!

Simon.  Betruben Sie sich nicht uber den Verlust eines solchen Mannes.
Lottchen ist glucklich, wenn sie ihn verliert, und unglucklich, wenn
sie ihn behalt.  Herr Damis, haben Sie die Gute und sehen Sie, wie Sie
Lottchen einen Augenblick von ihrem Liebhaber entfernen und
hieherbringen konnen.

Damis.  Ja, das ist das letzte Mittel.

Simon (zu Damis).  Noch ein Wort.  Haben Sie die Abschrift des
Testaments schon gelesen, die ich itzt mitgebracht habe?

Damis.  Nein, Herr Vormund.

Simon.  Sie auch nicht, Mamsell Julchen?

Julchen.  Nein.

Simon.  Also wissen Sie beide noch nicht, daß die erste Nachricht
falsch gewesen ist.  Mamsell Julchen, erschrecken Sie nicht.  Sie sind
nicht die Erbin des Ritterguts.

Julchen.  Wie?  Ich bin's nicht?  Warum haben Sie mir denn eine
falsche Freude gemacht?  Das ist betrubt.  Geht denn heute alles
unglucklich?  Ach, Herr Damis, Sie sagen nichts?  Bin ich nicht mehr
Ihre Braut?  Geht denn das Ungluck gleich mit der Liebe an?  Ich
wollte meinen Vater und meine liebe Schwester mit in mein Gut nehmen.
Ich ließ schon die besten Zimmer fur sie zurechtemachen.  Ach, mein
Herr, was fur Freude empfand ich nicht, wenn ich mir vorstellte, daß
ich Sie an meiner Hand durch das ganze Gut, durch alle Felder und
Wiesen fuhrte...  !  Also habe ich nichts?

Damis.  Sie haben so viel, als ich habe.  Vergessen Sie die traurige
Erbschaft.  Es wird uns an nichts gebrechen.  Mir ist es recht lieb,
daß Sie das Rittergut nicht bekommen haben.  Vielleicht hatte die Welt
geglaubt, daß ich bei meiner Liebe mehr auf dieses als auf Ihren
eigenen Wert gesehen hatte.  Und dies soll sie nicht glauben.  Sie
soll meine Braut aus ebender Ursache hochschatzen, aus der ich sie
verehre und wahle.  Fuhren Sie mich an Ihrer Hand in meinem eigenen
Hause herum: so werden Sie mir ebendas Vergnugen machen.  Genug, daß
Sie ein Rittergut verdienen.  O wenn ich nur Lottchen aus ihrem Elende
gerissen hatte.  Ich werde eher nicht ruhig.

Simon.  Jungfer Lottchen ist die Erbin des Ritterguts.

Julchen.  Meine Schwester ist es?  Meine Schwester?  Bald hatte ich
sie beneidet; aber verwunscht sei diese Regung!  Nein!  Ich gonne ihr
alles.  (Zu Damis.)  Was konnte ich mir noch wunschen, wenn Sie mit
mir zufrieden sind.  Sie soll es haben.  Ich gonne ihr alles.

Damis.  Auch mich, meine Braut?

Julchen.  Ob ich Sie meiner Schwester gonne?  Nein, so redlich bin ich
doch nicht.  Es ist keine Tugend; aber...  Fragen Sie mich nicht mehr.

Damis.  Nein.  Ich will Mamsell Lottchen suchen.  Die Zartlichkeit
soll der Freundschaft einige Augenblicke nachstehen.



Eilfter Auftritt

Julchen.  Simon.


Julchen.  Ob ich ihn meiner Schwester gonne?  Wie konnte sie das von
mir verlangen?  Sie hat ja das Rittergut.  Ich liebe sie sehr; aber
wenn ich ihre Ruhe durch den Verlust des Herrn Damis befordern soll:
so fordert sie zu viel.  Das ist mir nicht moglich.

Simon.  Machen Sie sich keine Sorge.  Sie wird es gewiß nicht begehren.
  Ich muß Ihnen auch sagen, daß sie Ihnen nach dem Testamente
zehntausend Taler zu Ihrer Heirat abgeben soll.

Julchen.  Das ist alles gut.  Wenn ich nur meiner Schwester ihren
Liebhaber durch dieses Geld treu machen konnte, wie gern wollte ich's
ihm geben!  Der bose Mensch!  Kann er nicht machen, daß ich den Herrn
Damis verliere, indem er Lottchen verliert?  Aber warum laßt der
Himmel solche Bosheiten zu?  Was kann denn ich fur seine Untreue?  Ich
bin ja unschuldig.

Simon.  Mein Mundel kann niemals aufhoren, Sie zu lieben.  Verlassen
Sie sich auf mein Wort.  Jungfer Lottchen ist zu beklagen.  Aber
besser ohne Liebe leben, als unglucklich lieben.  Wenn sie doch kame!

Julchen.  Aber wenn sie nun kommt?  Ich kann ja ihre Ruhe nicht
herstellen.  Ich habe sie herzlich lieb.  Aber warum soll denn meine
Liebe mit der ihrigen leiden?  Nein, so großmutig kann ich nicht sein,
daß ich ihr zuliebe mich und...  mich und ihn vergaße.  Wenn sie doch
glucklich ware!  Ich werde recht unruhig.  Er sagte, er wollte die
Zartlichkeit der Freundschaft nachsetzen.  Was heißt dieses?

Simon.  Bleiben Sie ruhig.  Mein Mundel ist der Ihrige.  Sie verdienen
ihn.  Und wenn Sie kunftig an seiner Seite die Gluckseligkeiten der
Liebe genießen: so verdanken Sie es der Tugend, daß sie uns durch
Liebe und Freundschaft das Leben zur Lust macht.



Zwolfter Auftritt

Die Vorigen.  Der Magister.


Der Magister.  Herr Simon, ich mochte Ihnen gern ein paar Worte
vertrauen.  Wenn ich nicht sehr irre: so habe ich heute eine wichtige
Entdeckung gemacht, was die Reizungen der Reichtumer fur Gewalt uber
das menschliche Herz haben.

Simon.  Ich furchte, daß mir diese ungluckliche Entdeckung schon mehr
als zu bekannt ist.

Der Magister.  Ich habe der Sache alleweile auf meiner Studierstube
nachgedacht.

Julchen.  Konnen Sie uns denn sagen, wie ihr zu helfen ist?  Tun Sie
es doch, lieber Herr Magister.

Der Magister.  Siegmund muß bestraft werden, damit er gebessert werde.

Simon.  Er verdient nicht, daß man ihn anders bestrafe als durch
Verachtung.

Der Magister.  Aber wie sollen seine Willenstriebe gebessert werden?

Simon.  Ist denn die Verachtung kein Mittel, ein Herz zu bessern?

Der Magister.  Das will ich itzt nicht ausmachen.  Aber sagen Sie mir,
Herr Simon, ob die Stoiker nicht recht haben, wenn sie behaupten, daß
nur ein Laster ist; oder daß, wo ein Laster ist, die andern alle ihrer
Kraft nach zugegen sind?  Sehn Sie nur Siegmunden an.  Ist er nicht
recht das Exempel zu diesem Paradoxo?

Simon.  Ja, Herr Magister.  Aber wie werden wir Jungfer Lottchen von
der Liebe zu Siegmunden abbringen?  Sie glaubt es ja nicht, daß er
untreu ist.

Der Magister.  Das wird sich schon geben.  O wie erstaunt man nicht
uber die genaue Verwandtschaft, welche ein Laster mit dem andern hat
und welche alle mit einem haben!  Siegmund wird bei der Gelegenheit
des Testaments geizig.  Ein Laster.  Er strebt nach Julchen, damit er
ihre Reichtumer bekomme.  Welcher schandliche Eigennutz!  Er wird
Lottchen untreu und will Julchen untreu machen.  Wieder zwei neue
Verbrechen.  Er kann sein erstes Laster nicht ausfuhren, wenn er nicht
ein Betruger und Verrater wird.  Also hintergeht er seinen Freund,
seinen Schwiegervater, Sie, mich und alle, nachdem er einmal die
Tugend hintergangen hat.  Aber alle diese Bosheiten auszufuhren, mußte
er ein Lugner und ein Verleumder werden.  Und er ward es.  Welche
unselige Vertraulichkeit herrscht nicht unter den Lastern?  Sollten
also die Stoiker nicht recht haben?

Simon.  Wer zweifelt daran?  Herr Magister.  Ich glaube es, daß Sie
die Sache genauer einsehen als ich und Jungfer Julchen.  Sie reden
sehr wahr, sehr gelehrt.  Sie haben seine Untreue zuerst mit entdeckt,
und wir danken Ihnen zeitlebens dafur.  Aber entdecken Sie nun auch
das Mittel, Lottchen so weit zu bringen, daß sie sich nicht mit dem
untreuen Siegmund verbindet.

Der Magister.  Darauf will ich denken.  Lottchen ist zu leichtglaubig
gewesen.  Aber sie kann bei dieser Gelegenheit lernen, wieviel man
Ursache hat, ein Mißtrauen in das menschliche Herz zu setzen, wenn Man
es genau kennt und die Erzeugung der Begierden recht ausstudiert hat.
Wir haben so viele Vernunftlehren.  Eine Willenslehre ist ebenso notig.
  Ist denn der Wille kein so wesentlicher Teil der Seele als der
Verstand?  So wie der Verstand Grundsatze hat, die sein Wesen
ausmachen: so hat der Wille gewisse Grundtriebe.  Kennt man diese, so
kennt man sein Wesen; und so kennt man auch die Mittel, ihn zu
verbessern.  Jungfer Muhme, reden Sie aufrichtig, habe ich's Ihnen
nicht hundertmal gesagt, daß Siegmund nichts Grundliches in der
Philosophie weiß?  Dies sind die traurigen Fruchte davon.

Julchen.  Lieber Herr Magister, wenn Sie so viel bei der betrubten
Sache empfanden als ich, Sie wurden diese Frage itzt nicht an mich tun.
  Sie haben mich heute eine Fabel gelehrt.  Und ich wollte wunschen,
daß Sie an die Fabel von dem Knaben gedachten, der in das Wasser
gefallen war.  Anstatt daß Sie uns in der Gefahr beistehen sollen: so
zeigen Sie uns den Ursprung und die Große derselben.  Nehmen Sie meine
Freiheit nicht ubel.

Der Magister.  Ich kann Ihnen nichts ubelnehmen.  Zu einer Beleidigung
gehort die gehorige Einsicht in die Natur der Beleidigung.  Und da
Ihnen diese mangelt: so sehen Ihre Reden zwar beleidigend aus; aber
sie sind es nicht.

Simon.  Aber, was wollen Sie denn bei der Sache tun?

Der Magister.  Ich will, ehe die Versprechung vor sich geht, Lottchen
und meinem Bruder kurz und gut sagen, daß ich meine Einwilligung nicht
darein gebe.  Alldann muß die Sache ein ander Aussehn gewinnen.

Simon.  Gut, das tun Sie.


Dreizehnter Aufzug
Julchen.  Simon.

Julchen.  Ich will dem Herrn Magister nachgehen.  Er mochte sonst gar
zu große Handel anrichten.  Entdecken Sie Lottchen, wenn sie kommt,
die traurige Sache zuerst.  Ich will sorgen, daß Sie Siegmund in Ihrer
Unterredung nicht stort und Ihnen, wenn ich glaube, daß es Zeit ist,
mit meinem Brautigame zu Hulfe kommen.

Simon.  Ich will als ein redlicher Mann handeln.  Und wenn ich mir
auch den großten Zorn bei Ihrer Jungfer Schwester und die
niedertrachtigste Rache von dem Herrn Siegmund zuziehen sollte: so
will ich doch lieber mich als eine gute Absicht vergessen.


Vierzehnter Auftritt

Simon.  Lottchen.


Lottchen.  Was ist zu Ihrem Befehle?  Haben Sie etwa wegen der
zehntausend Taler, die ich meiner Schwester herausgeben soll, etwas zu
erinnern?  Tun Sie nur einen Vorschlag.  Ich bin zu allem bereit.

Simon.  Mamsell, davon wollen wir ein andermal reden.  Glauben Sie
wohl, daß mir Ihr Gluck lieb ist und daß ich ein ehrlicher Mann bin?
So unhoflich diese beiden Fragen sind: so muß ich sie doch an Sie tun,
weil ich sonst in der Gefahr stehe, daß Sie meinen Antrag nicht
anhoren werden.

Lottchen.  Mein Herr, womit kann ich Ihnen dienen?  Reden Sie frei.
Ich sage es Ihnen, daß ich ebenden Gehorsam gegen Sie trage, den ich
meinem Vater schuldig bin.  Ich will Ihnen den großten Dank sagen,
wenn Sie mir eine Gelegenheit geben, Ihnen meine Hochachtung durch die
Tat zu beweisen.  Ich bin ebensosehr von Ihrer Aufrichtigkeit
uberzeugt als von der Aufrichtigkeit meines Brautigams.  Kann es Ihnen
nunmehr noch schwerfallen, frei mit mir zu reden?

Simon.  Meine Bitte gereicht zum Nachteile Ihres Liebhabers.

Lottchen.  Will Ihr Herr Mundel etwa das Rittergut gern haben, weil es
so nahe an der Stadt liegt?  Nun errate ich's, warum er itzt gegen den
guten Siegmund etwas verdrießlich tat.  Warum hat er mir's nicht
gleich gesagt?  Er soll es haben und nicht mehr dafur geben, als Sie
selbst fur gut befinden werden.  Kommen Sie zur Gesellschaft.  Ich
habe mich wegen des boshaften Briefs, den ich vorhin erhalten,
entschlossen, in Ihrer Gegenwart dem Herrn Siegmund ohne fernern
Aufschub das Recht uber mein Herz abzutreten und seinen Feinden zu
zeigen, daß ich auf keine gemeine Art liebe.

Simon.  Aber diesen boshaften Brief habe ich schreiben und auf die
Post bringen helfen.

Lottchen.  Ehe wollte ich glauben, daß ihn mein Vater, der mich so
sehr liebt, geschrieben hatte.  Sie scherzen.

Simon.  Nein, Mamsell, ich bin zu einem Scherze, den mir die
Ehrerbietung gegen Sie untersagt, zu ernsthaft.  Erschrecken Sie nur,
und hassen Sie mich.  Ich wiederhole es Ihnen, Ihr Liebhaber meint es
nicht aufrichtig mit Ihnen.

Lottchen.  Sie wollen gewiß das Vergnugen haben, meine Treue zu
versuchen und mich zu erschrecken, weil Sie wissen, daß ich nicht
erschrecken kann.

Simon.  Sie glauben, ich scherze?  Ich will also deutlicher reden.
Ihr Liebhaber ist ein Betruger.

Lottchen (erbittert).  Mein Herr, Sie treiben die Sache weit.  Wissen
Sie auch, daß ich fur die Treue meines Liebhabers stehe und daß Sie
mich in ihm beleidigen?  Und wenn er auch der Untreue fahig ware: so
wurde ich doch den, der mich davon uberzeugte, ebensosehr hassen als
den, der sie begangen.  Aber ich komme gar in Zorn.  Nein, mein Herr,
ich kenne ja Ihre Großmut.  Es ist nicht Ihr Ernst, so gewiß, als ich
lebe.

Simon.  So gewiß, als ich lebe, ist es mein Ernst.  Er ist unwurdig,
noch einen Augenblick von Ihnen geliebt zu werden.

Lottchen.  Und ich werde ihn ewig lieben.

Simon.  Sie kennen ihn nicht.

Lottchen.  Besser als Sie, mein Herr.

Simon.  Ihre naturliche Neigung zur Aufrichtigkeit, Ihr gutes Zutrauen
macht, daß Sie ihn fur aufrichtig halten; aber dadurch wird er's nicht.

Lottchen.  Geben Sie mir die Waffen wider Sie nicht in die Hand.  Ich
habe Sie und meinen Liebhaber fur aufrichtig gehalten.  Ich will mich
betrogen haben.  Aber wen soll ich zuerst hassen?  Ist Ihnen etwas an
meiner Freundschaft gelegen: so schweigen Sie.  Sie verandern mein
ganzes Herz.  Sie haben mir und meinem Hause viel Wohltaten erwiesen;
aber dadurch haben Sie kein Recht erlangt, mit mir eigennutzig zu
handeln.  Ware es Ihrem Charakter nicht gemaßer, mich tugendhaft zu
erhalten, als daß Sie mich niedertrachtig machen wollen?  Warum reden
Sie denn nur heute so?

Simon.  Weil ich's erst heute gewiß erfahren habe.  Wenn Sie mir nicht
glauben: so glauben Sie wenigstens Ihrer Jungfer Schwester und meinem
Mundel.

Lottchen.  Das ist schrecklich.  Haben Sie diese auch auf Ihre Seite
gezogen?

Simon.  Ja, sie sind auf meiner Seite sowohl als Ihr Herr Vater.  Und
ehe ich zugebe, daß ein Niedertrachtiger Ihr Mann wird, ehe will ich
mich der großten Gefahr aussetzen.  Sie sind viel zu edel, viel zu
liebenswurdig fur ihn.

Lottchen.  Wollen Sie mir denn etwa selbst Ihr Herz anbieten?  Muß er
nur darum ein Betruger sein, weil ich in Ihren Augen so liebenswurdig
bin?  Und Sie glauben, daß sich ein edles Herz auf diese Art gewinnen
laßt?  Nunmehr muß ich entweder nicht tugendhaft sein oder Sie hassen.
Und bald werde ich Sie nicht mehr ansehn konnen.

Simon.  Machen Sie mir noch so viele Vorwurfe.  Die großten
Beschuldigungen, die Sie wider mich ausstoßen, sind nichts als Beweise
Ihres aufrichtigen Herzens.  Die Meinung, in der Sie stehen,
rechtfertiget sie alle.  Und ich wurde Sie vielleicht hassen, wenn Sie
mein Anbringen gelassener angehort hatten.  Genug...

Lottchen.  Das ist ein neuer Kunstgriff.  Mein Herr, Ihre List, wenn
es eine ist, und sie ist es, sei verwunscht!  Wie?  Er, den ich wie
mich liebe?...  Sie wollen sich an seine Stelle setzen?  Ist es
moglich?

Simon.  Dieser Vorwurf ist der bitterste; aber auch den will ich
verschmerzen.  Es ist wahr, daß ich Sie ungemein hochachte; aber ich
habe ein sicheres Mittel, Ihnen diesen grausamen Gedanken von meiner
Niedertrachtigkeit zu benehmen.  Ich will Ihnen versprechen, Ihr Haus
nicht mehr zu betreten, solange ich lebe.  Und wenn ich durch diese
Entdeckung Ihre Liebe zu gewinnen suche: so strafe mich der Himmel auf
das entsetzlichste.  Nach diesem Schwure schame ich mich, mehr zu
reden.  (Er geht ab.)



Funfzehnter Auftritt

Lottchen allein.


Gott, was ist das?...  Er soll mir untreu sein?...  Nimmermehr!  Nein!
Der Vormund sei ein Betruger und nicht er.  ...  Du, redliches Herz!
Du, mein Freund, um dich will man mich bringen?  Warum beweist er
deine Untreue nicht?



Sechzehnter Auftritt

Lottchen.  Damis.


Lottchen.  Kommen Sie mir zu Hulfe.  Und wenn sie mein Ungluck auch
alle wollen: so sind doch Sie zu großmutig dazu.  Was geht mit meinem
Brautigam vor?  Sagen Sie mir's aufrichtig.

Damis.  Er ist Ihnen untreu.

Lottchen.  Auch Sie sind mein Feind geworden?  Hat Sie mein Liebhaber
beleidiget: so handeln Sie doch wenigstens so großmutig und sagen mir
nichts von der Rache, die Sie an ihm nehmen wollen.

Damis.  Mein Herz ist viel zu groß zur Rache.

Lottchen.  Aber klein genug zur Undankbarkeit?  Hat Ihnen mein
Geliebter nicht heute den redlichsten Dienst erwiesen?

Damis.  Wollte der Himmel, er hatte mir ihn nicht erwiesen: so wurden
Sie glucklicher, und er wurde nur ein verborgner Verrater sein.

Lottchen.  Betruger!  Verrater!  Sind das die Namen meines Freundes,
den ich zwei Jahr kenne und liebe?

Damis.  Wenn ich die Aufrichtigkeit weniger liebte: so wurde ich mit
mehr Maßigung vor Ihnen reden.  Aber mein Eifer gibt mir fur Ihren
Liebhaber keinen andern Namen ein.  Sie, meine Schwester, sind Ihres
Herzens wegen wurdig, angebetet zu werden, und eben deswegen ist der
Mensch, der bei Ihrer Zartlichkeit und bei den sichtbarsten Beweisen
der aufrichtigsten Liebe sich noch die Untreue kann einfallen lassen,
eine abscheuliche Seele.

Lottchen.  Eine abscheuliche Seele?  Wohlan; nun fordere ich Beweise.
(Heftiger.)  Doch weder Ihr Vormund noch Sie, noch meine Schwester,
noch mein Vater selbst werden ihm meine Liebe entziehn konnen.  Und
ich nehme keinen Beweis an als sein eigen Gestandnis.  Ich bin so sehr
von seiner Tugend uberzeugt, daß ich weiß, daß er auch den Gedanken
der Untreue nicht in sich wurde haben aufsteigen lassen, ohne mir ihn
selbst zu entdecken.  Und ich wurde ihn wegen seiner gewissenhaften
Zartlichkeit nur desto mehr lieben, wenn ich ihn anders mehr lieben
konnte.

Damis.  Ich sage es Ihnen, wenn Sie mir nicht trauen: so gebe ich
Ihnen das Herz meiner Braut wieder zuruck.  Ihnen bin ich's schuldig;
aber ich mag nicht die großte Wohltat von Ihnen genießen und zugleich
Ihr Ungluck sehn.

Lottchen.  Sie mussen mich fur sehr wankelmutig halten, wenn Sie
glauben, daß ich durch bloße Beschuldigungen mich in der Liebe irren
lasse.  Haben Sie oder ich mehr Gelegenheit gehabt, das Herz meines
Brautigams zu kennen?  Wenn Sie recht haben, warum werfen Sie ihm
seine Untreue abwesend vor?  Rufen Sie ihn hieher.  Alsdann sagen Sie
mir seine Verbrechen.  Er ist edler gesinnet als wir alle.  Und ich
will ihn nun lieben.

Damis.  Sie haben recht.  Ich will ihn selbst suchen.



Siebenzehnter Auftritt

Lottchen.  Julchen.


Lottchen.  Er geht?  Er untersteht sich, ihn zu rufen?  Nun fangt mein
Herz an zu zittern.  (Sie sieht Julchen.  Klaglich.)  Meine Schwester,
bist du auch da?  Hast du mich noch lieb?  (Lottchen umarmt sie.)
Willst du mir die traurigste Nachricht bringen?  O nein!  Warum
schweigst du?  Warum kommt er nicht selbst?

Julchen.  Ich bitte dich, hore auf, einen Menschen zu lieben, der...

Lottchen.  Er soll schuldig sein; aber muß er gleich meiner Liebe
unwurdig sein?  Nein, meine liebe Schwester.  Ach nein, er ist gewiß
zu entschuldigen.  Willst du ihn nicht verteidigen?  Vergißt du schon,
was er heute zu deiner Ruhe beigetragen hat?  Warum sollte er mir
untreu sein, da ich Vermogen habe?  Warum ward er's nicht, da ich noch
keines hatte?

Julchen.  Er ward es zu der Zeit, da er in den Gedanken stund, daß ich
die Erbin des Testaments ware.  Ach, liebe Schwester, wie glucklich
wollte ich sein, wenn ich dich nicht hintergangen sahe!

Lottchen.  So ist es gewiß?  (Hart.)  Nein!  sage ich.

Julchen.  Ich habe lange mit mir gestritten.  Ich habe ihn in meinem
Herzen, vor meinem Brautigam, vor seinem Vormunde und vor unserm Vater
entschuldiget.  Ich wurde sie aus Liebe zu dir noch alle fur betrogne
Zeugen halten.  Aber es ist nicht mehr moglich.  Er selbst hat sich
hier an dieser Stelle angeklagt, als du ihn nach dem empfangenen
Briefe verlassen hattest.  Er war allein.  Die Unruhe und sein
Verbrechen redten aus ihm.  Er horte mich nicht kommen.  O hatt' er
doch ewig geschwiegen!...  Ach, meine Schwester!

Lottchen.  Meine Schwester, was sagst du mir?  Er hat sich selbst
angeklagt?  Er ist untreu?  Aber wie konnte ich ihn noch lieben, wenn
er's ware?  Nein, ich liebe ihn, und er liebt mich gewiß.  Ich habe
ihm ja die großten Beweise der aufrichtigsten Neigung gegeben...
(Zornig.)  Aber was qualt ihr mich mit dem entsetzlichsten Verdachte?
Was hat er denn getan?  Nichts hat er getan.

Julchen.  Er hat mich auf eine betrugerische Art der Liebe zu meinem
Brautigam entreißen und sich an seine Stelle setzen wollen.  Er hat
meinen Vater uberreden wollen, als ob ich ihn selbst liebte und als
wenn du hingegen den Herrn Damis liebtest.  Er hat ihm geraten, die
Verlobung noch acht Tage aufzuschieben.  Er hat sogar um mich bei ihm
angehalten.

Lottchen.  Wie?  Hat er nicht noch vor wenig Augenblicken mich um mein
Herz gebeten?  Ihr haßt ihn und mich.

Julchen.  Ja, da er gesehen, daß das Testament zu deinem Vorteile
eingerichtet ist.

Lottchen.  Also richtet sich sein Herz nach dem Testamente und nicht
nach meiner Liebe?  Ich Betrogene!  Doch es ist unbillig, ihn zu
verdammen.  Ich muß ihn selbst horen.  Auch die edelsten Herzen sind
nicht von Fehlern frei, die sie doch bald bereuen.  (Klaglich.)
Liebste Schwester, verdient er keine Vergebung?  Mach ihn doch
unschuldig.  Ich will ihn nicht besitzen.  Ich will ihn zu meiner Qual
meiden.  Ich will ihm die ganze Erbschaft uberlassen, wenn ich nur die
Zufriedenheit habe, daß er ein redliches Herz hat.  O Liebe!  ist das
der Lohn fur die Treue?



Achtzehnter Auftritt

Die Vorigen.  Siegmund.


Siegmund.  Soll ich nunmehr so glucklich sein, Ihr Ja zu erhalten?
Der Herr Vater hat mir seine Einwilligung gegeben.  Sie lieben mich
doch, großmutige Schone?

Lottchen.  Und Sie lieben mich doch auch?

Siegmund.  Sie kennen mein Herz seit etlichen Jahren, und Sie wissen
gewiß, daß mein großter und liebster Wunsch durch Ihre Liebe erfullt
worden ist.

Lottchen.  Aber...  meine Schwester...  Warum erschrecken Sie?

Siegmund.  Ich erschrecke, daß Sie sich nicht besinnen, daß Sie mir
diese List selbst zugemutet haben.  Sollte ich nicht durch eine
verstellte Liebe Julchens Herz versuchen?  Reden Sie, Mamsell Julchen,
entschuldigen Sie mich.

Julchen.  Mein Herr, entschuldigen kann ich Sie nicht.  Bedenken Sie,
was Sie zu mir und zu meinem Vater und vor kurzem hier in dieser Stube
zu sich selbst gesagt haben, ohne daß Sie mich sahn.  Alles, was ich
tun kann, ist, daß ich meine liebe Schwester bitte, Ihnen Ihre Untreue
zu vergeben.

Siegmund.  Ich soll untreu sein?...  Ich (Er gerat in Unordnung.)  Ich
soll der aufrichtigsten Seele untreu sein?  Wer?  Ich?  Gegen Ihren
Herrn Vater soll ich etwas gesprochen haben?  Was sind das fur
schreckliche Geheimnisse?...  Sie sehn mich angstlich an, meine
Schone?  Wie?  Sie lieben mich nicht?  Sie lassen sich durch meine
Widerlegungen nicht bewegen?...  Sie horen meine Grunde nicht an?...
Bin ich nicht unschuldig?...  Wer sind meine Feinde?...  Ich berufe
mich auf mein Herz, auf die Liebe, auf den Himmel.  ...  Doch auch
mich zu entschuldigen konnte ein Zeichen des Verdachtes sein.  ...
Nein, meine Schone, Sie mussen mir ohne Schwure glauben.  Ich will Sie,
ich will meine Ruhe, mein Leben verlieren, wenn ich Ihnen untreu
gewesen bin.  Wollen Sie mir noch nicht glauben?

Julchen.  Herr Siegmund, Sie schworen?

Lottchen (mit Tranen).  Er ist wohl unschuldig.

Siegmund.  Ja, das bin ich.  Ich liebe Sie.  Ich bete Sie an und suche
meine Wohlfahrt in Ihrer Zufriedenheit.  Wollen Sie jene vergroßern:
so stellen Sie diese wieder her, und lassen Sie den Verdacht fahren,
den ich in der Welt niemanden vergeben kann als Ihnen.  Soll ich das
Gluck noch erlangen, Sie als die Meinige zu besitzen?

Lottchen (sie sieht ihn klaglich an).  Mich?...  als die Ihrige?...
Ja!

Julchen.  Meine Schwester!

Lottchen.  Schweig.  Herr Siegmund, ich mochte nur noch ein Wort mit
meinem Papa sprechen, alsdann wollen wir unsere Feinde beschamen.

Siegmund.  Ich will ihn gleich suchen.  Soll ich die ubrige
Gesellschaft auch mitbringen?  Wir mussen doch die gebrauchlichen
Zeremonien mit beobachten.

Lottchen.  Ja.  Ich will nur einige Worte mit dem Papa sprechen. Alsdann bitte ich Sie nebst den andern Herren nachzukommen.

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